Leitsatz (amtlich)

War bei Abschluß eines gerichtlichen Unterhaltsvergleichs zwischen den früheren Eheleuten die (Wieder-)Aufnahme der Erwerbstätigkeit der Frau voraussehbar und dies bei der Bemessung des Unterhaltsbetrags für die Frau im Vergleich berücksichtigt worden, so hätte der frühere Ehemann "zur Zeit seines Todes" (RVO § 1265 S 1) die Wirkungen des Unterhaltstitels allein wegen des Arbeitsverdienstes der Frau nicht nach den Grundsätzen der ZPO §§ 323, 767 beseitigen können.

 

Normenkette

RVO § 1265 S. 1 Fassung: 1965-06-09; ZPO §§ 767, 794 Abs. 1 Nr. 1, § 323 Abs. 1, 4

 

Tenor

Das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 4. September 1968 wird aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Gründe

I

Streitig ist, ob die Klägerin als frühere Ehefrau des am 5. August 1966 verstorbenen Versicherten K H Hinterbliebenenrente beanspruchen kann (§ 1265 der Reichsversicherungsordnung - RVO -).

Die Ehe der Klägerin mit dem Versicherten wurde aus dessen Verschulden im März 1949 geschieden. In einem Unterhaltsrechtsstreit schlossen die Geschiedenen in der Berufungsinstanz am 11. November 1959 einen Vergleich, nach dem der Versicherte an die Klägerin eine monatliche Unterhaltsrente von 130,- DM zu zahlen hatte. Der Versicherte kam dieser Verpflichtung bis zum Ablauf des Jahres 1963 regelmäßig nach. Er war bis März 1962 als Steinformer berufstätig und bezog von Mai 1962 an eine Rente wegen Berufsunfähigkeit, die zuletzt 343,- DM monatlich betrug. Eine Witwe hinterließ er nicht.

Die Klägerin (geboren 1905) arbeitete von März 1954 bis Dezember 1957 als Putzfrau. Vom 9. Januar bis 9. Juli 1958 bezog sie Arbeitslosengeld und wurde dann ausgesteuert. Vom 1. September bis 16. Oktober 1959 war sie als Heimarbeiterin tätig. Zur Zeit des gerichtlichen Vergleichs war die Klägerin nicht beschäftigt. Seit Juni 1960 steht sie in einem festen Arbeitsverhältnis. Sie hatte von April 1965 bis Juli 1966 ein Einkommen von durchschnittlich 315,- DM netto im Monat.

Die Beklagte lehnte den Rentenantrag der Klägerin ab (Bescheid vom 12. Oktober 1966). Die Klage hatte in beiden Vorinstanzen keinen Erfolg. Das Landessozialgericht (LSG) wies die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts (SG) mit der Begründung zurück, der Versicherte habe im letzten Jahr vor seinem Tode der Klägerin tatsächlich keinen Unterhalt geleistet; er sei z. Zt. seines Todes hierzu auch nicht verpflichtet gewesen. Der gerichtliche Unterhaltsvergleich sei kein "sonstiger Grund" i. S. des § 1265 Satz 1 RVO, weil der Versicherte z. Zt. des Todes die Wirkungen des Vollstreckungstitels nach den Grundsätzen der §§ 323, 767 der Zivilprozeßordnung (ZPO) - im Hinblick auf den von der Klägerin seit Juni 1960 aus einer zumutbaren Beschäftigung erzielten Arbeitsverdienst - hätte beseitigen können. Auch nach den Vorschriften des Ehegesetzes (EheG) sei er z. Zt. seines Todes der Klägerin nicht unterhaltspflichtig gewesen (Urteil vom 4. September 1968).

Mit der zugelassenen Revision hat die Klägerin eine Verletzung des § 1265 RVO gerügt.

Sie hält die Voraussetzungen des ersten Satzes dieser Vorschrift für erfüllt. Es sei vor allem wesentlich, daß sie gegen den Versicherten im Zeitpunkt seines Todes einen titulierten Unterhaltsanspruch gehabt habe. Die Beklagte könne nicht nach dem Tod des Versicherten dessen Einwendungen im Sinne von § 323 ZPO geltend machen. Insoweit werde die in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) (Großer Senat in BSG 20, 1 ff) vertretene Auffassung von ihr nicht geteilt. Überdies treffe diese Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall nicht zu. Der Versicherte hätte den Unterhaltstitel nicht beseitigen können, weil zwischen ihm und der Klägerin abgesprochen worden sei, daß der Versicherte die Unterhaltszahlungen wieder aufnehmen werde, sobald er "Vollinvalidenrente" beziehe, womit er habe rechnen können. Ein Versuch des Versicherten, den Unterhaltstitel aufgrund von § 323 Abs. 2 iVm Abs. 4 ZPO zu beseitigen, hätte auch daran scheitern müssen, daß keine wesentlichen Änderungen in den für den Abschluß des Vergleichs maßgebenden Verhältnissen eingetreten seien. Sowohl im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses, als auch im Zeitpunkt des Todes des Versicherten habe die Klägerin keinerlei Erwerbsmöglichkeit aus einer ihr zumutbaren Arbeit besessen; sie sei trotz Arbeitswilligkeit für keinerlei Arbeit geeignet gewesen. Die Verweisung der Klägerin auf das von ihr seit Juni 1960 erzielte Erwerbseinkommen sei grob unbillig, weil es sich dabei nicht um einen Verdienst aus zumutbarer Arbeit handele. Im übrigen rügt die Revision die Berechnungsmethoden des LSG bei der Ermittlung der Höhe des angemessenen Unterhalts. Das LSG arbeite hier mit Unterstellungen, die sich nicht aus dem protokollierten Vergleich ergäben.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 4. September 1968 und das Urteil des SG vom 6. Juli 1967 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12. Oktober 1966 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Witwenrente aus der Versicherung ihres geschiedenen Ehemannes K H ab 1. August 1966 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.

Sie hält die Ausführungen des Berufungsgerichts für zutreffend.

II

Die Revision ist zulässig und begründet.

Das LSG ist mit zutreffender Begründung davon ausgegangen, daß die letzte Alternative des § 1265 Satz 1 RVO als Grundlage für einen Anspruch der Klägerin auf Hinterbliebenenrente ausscheidet, weil der Versicherte im letzten Jahr vor seinem Tod der Klägerin keinen Unterhalt geleistet hat und insoweit Satz 2 des § 1265 RVO nicht berücksichtigt werden kann.

Das Berufungsgericht hat auch im Ergebnis zutreffend angenommen, daß der Versicherte zur Zeit seines Todes der Klägerin keinen Unterhalt nach den Vorschriften des EheG zu leisten hatte. Das folgt allerdings nicht aus den vom LSG angestellten Berechnungen. Vielmehr verhindert der am 11. November 1959 geschlossene gerichtliche Unterhaltsvergleich bereits aus Rechtsgründen den Rückgriff auf den gesetzlichen Unterhaltsanspruch nach dem Ehegesetz. Die gesetzliche Regelung des Unterhaltsrechts nach der Scheidung (§§ 58 bis 70 EheG) ist, wie aus dem in § 72 Satz 1 EheG aufgestellten Grundsatz der Vertragsfreiheit folgt, nachgiebiges Recht. Die Unterhaltsleistungen können vertraglich festgelegt werden, soweit nicht zwingendes Recht entgegensteht. Das kann auch in einem Prozeßvergleich geschehen (vgl. Godin, EheG, 2. Aufl., § 72 Anm. 1; Hoffmann/Stephan, Kommentar zum EheG, 2. Aufl., § 72, RN 29, 42). Regelmäßig schließen Unterhaltsvereinbarungen, selbst wenn sie sich inhaltlich an die gesetzlichen Vorschriften anlehnen, den unmittelbaren Rückgriff auf die §§ 58 bis 70 EheG aus, weil - gerade bei Vergleichen - im Wege gegenseitigen Nachgebens eine Einigung über den Umfang der Unterhaltsverpflichtung erzielt worden ist. Unter diesen Umständen ist es ausgeschlossen, daß der Versicherte an die Klägerin Unterhalt nach den Vorschriften des EheG zu leisten hatte, der nicht in seinem Umfang durch den Vergleich bestimmt gewesen wäre. Die Vorschriften der §§ 58 bis 70 EheG können höchstens entsprechend im Rahmen der Auslegung des Vergleichs und der Anpassung der Unterhaltsvereinbarung oder im Hinblick auf die Abänderbarkeit des Titels nach § 323 ZPO Berücksichtigung finden. Dem steht auch nicht der Beschluß des Großen Senats vom 27. Juni 1963 in BSG 20, 1 ff entgegen. Die dortigen Ausführungen betreffen das Nebeneinander von gesetzlichen Unterhaltsansprüchen und Vollstreckungstiteln in Form eines Anerkenntnisurteils sowie einer zusätzlichen Verurteilung zur Unterhaltsleistung. Die hier angestellten Überlegungen folgen aber nicht daraus, daß es sich um einen Vollstreckungstitel handelt. Sie stützen sich vielmehr auf den Charakter des Prozeßvergleichs als eine die gesetzlichen Vorschriften ersetzende Vereinbarung. Somit scheidet § 1265 Satz 1 erste Alternative RVO als Anspruchsgrundlage aus.

Nach dem vom LSG festgestellten Sachverhalt ist es jedoch nicht auszuschließen, daß der Versicherte zur Zeit seines Todes der Klägerin Unterhalt aus einem sonstigen Grund zu leisten hatte. Als solchen hat das LSG den gerichtlichen Vergleich vom 11. November 1959 unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Großen Senats a. a. O. deshalb nicht gelten lassen, weil eine wesentliche Änderung in den für den Abschluß des Vergleichs maßgebenden Verhältnissen eingetreten sei, so daß der Versicherte die Wirkungen des gerichtlichen Vergleichs als Vollstreckungstitel (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) nach den Grundsätzen der §§ 323, 767 ZPO zur Zeit seines Todes hätte beseitigen können. Dabei ist das Berufungsgericht im Hinblick auf § 1265 Satz 2 RVO zutreffend davon ausgegangen, daß die Beseitigungsmöglichkeit nicht auf eine wesentliche Änderung der Vermögens- und Erwerbsverhältnisse des Versicherten gestützt werden kann. Dagegen bestehen gegen die Annahme des LSG, der Versicherte wäre aufgrund des von der Klägerin nach Vergleichsabschluß in den Jahren 1965/1966 erzielten Arbeitsverdienstes zu einer Änderung des Titels berechtigt gewesen, Bedenken.

Prozeßvergleiche unterliegen im Gegensatz zu anderen Titeln, wie z. B. Urteilen, hinsichtlich der Abänderbarkeit im Rahmen von § 323 Abs. 1 und Abs. 4 ZPO anderen Regeln. Das folgt einmal daraus, daß die für die Abänderbarkeit wesentlichen Anknüpfungstatsachen nicht förmlich in einem Tatbestand festgehalten werden. Der "nach dem Inhalt des Vertrags als feststehend zugrunde gelegte Sachverhalt" (§ 779 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB - diese Vorschrift ist auch auf den Prozeßvergleich anwendbar - BGHZ 28, 171) muß nicht einmal der wirklichen Sachlage entsprechen (Palandt, Kommentar zum BGB, 25. Aufl., § 779 Anm. 5). Das gilt insbesondere dann, wenn es sich um einen gemeinsamen Rechtsirrtum - zB über das Bestehen einer Unterhaltspflicht - handelt (vgl. Nachweise bei Mayer-Maly, AcP 170, 133 (173-176). Der Wille der Parteien, sogar ihre Vertragsinhalt gewordenen Motive (Wieczorek, Kommentar zur ZPO, § 323, Anm. G I a 1) bestimmen den Umfang des beigelegten Streits und damit den Inhalt des Vergleichs.

Zum anderen hat § 323 Abs. 4 ZPO rein prozessuale Bedeutung. Die Abänderbarkeit hängt davon ab, ob sie nach materiellem Recht gerechtfertigt ist (Rosenberg/Schwab, Zivilprozeßrecht, 10. Aufl., S. 673; Baumbach/Lauterbach, Kommentar zur ZPO, 29. Aufl., § 323 Anm. 5 A). Hierbei spielt nicht nur die Änderung der tatsächlichen Verhältnisse eine Rolle, sondern der Vergleich selbst kann weitgehend bestimmen, inwieweit er unabänderlich sein soll (vgl. BSG SozR Nr. 27 zu § 1265 RVO) oder welche Veränderungen als wesentlich anzusehen sind (vgl. Jauernigk , NJW 1960, 1956 in Anm. zu einem Urteil des LG Wuppertal).

Die zur Prüfung dieser Fragen notwendigen Feststellungen hat das LSG nicht getroffen, weil es die Besonderheiten des titulierten Vergleichs nicht berücksichtigt hat. Die Ausführungen des LSG lassen nicht erkennen, was Gegenstand des Unterhaltsprozesses gewesen ist, welcher Streit mithin im Vergleichswege beigelegt worden ist. Es ist irreführend, wenn das LSG selbst Tatsachen ermittelt und würdigt, aus denen die Unterhaltsbedürftigkeit der Klägerin gefolgert werden kann. Maßgeblich ist der Sachverhalt, wie er sich aus der Sicht der Parteien damals darstellte. Denn selbst dann, wenn objektiv am Ehegesetz gemessen der Klägerin kein Unterhaltsanspruch zustand, ist für die Frage der Abänderbarkeit des Vergleichs von dem Willen und der Vorstellung der Beteiligten auszugehen, daß der Klägerin Unterhalt zustehen sollte.

Überdies hebt das LSG zu sehr auf den Augenblick des Vergleichsabschlusses ab. Wenn das LSG argumentiert, der Klägerin habe auch bei unterstellter Arbeitsfähigkeit im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses Unterhalt zugestanden, weil sie damals keine Erwerbsmöglichkeit besaß, so wird damit nicht ausgeschlossen, daß bei Vergleichsabschluß eine erneute Erwerbstätigkeit voraussehbar war und dies bei der Feststellung der Höhe des Unterhaltsbetrags berücksichtigt wurde. Sowohl das Unterhaltsurteil als auch der Unterhaltsvergleich basieren für die zukünftigen Leistungen auf einer Prognose über die zukünftige Entwicklung der Verhältnisse (vgl. Baumbach/Lauterbach aaO, Anm. 2 D; Stein/Jonas/Schönke/Pohle, Komm. z. ZPO, 19. Aufl., § 323, Anm. II 3), so daß eine Änderungsklage nur bei einer davon wesentlich abweichenden Entwicklung Erfolg haben kann.

Das LSG hat aber die somit erforderliche Prüfung, ob die Arbeitsaufnahme und das eigene Erwerbseinkommen der Klägerin bei Vergleichsabschluß voraussehbar waren, unterlassen. Für die eine erfolgreiche Änderungsklage i. S. des § 323 ZPO ausschließende Vorausschaubarkeit sprechen die Feststellungen des LSG, daß die Klägerin bis 3 Wochen vor Vergleichsabschluß gearbeitet hat, weiterhin arbeitswillig war und auch bereits wenige Monate nach Vergleichsabschluß wieder eine Arbeit aufnahm, wozu ihr auch vom LSG ein gewisser Zeitraum zugebilligt wurde. Dafür spricht nicht zuletzt auch die vom LSG ebenfalls festgestellte Tatsache, daß der Versicherte ungeachtet des Arbeitsverdienstes der Klägerin seit Juni 1960 noch weitere 3 1/2 Jahre (bis Dezember 1963) Unterhalt entsprechend dem Vergleich geleistet hat - und zwar auch dann noch, als er ab September 1962 nur die Rente wegen Berufsunfähigkeit bezog.

Für die Möglichkeit, die Wirkungen des Unterhaltstitels im Wege der Änderungsklage zu beseitigen, ist demnach entscheidend, ob die Klägerin und der Versicherte bei Vergleichsabschluß davon ausgegangen sind, daß die Klägerin in einem gewissen Umfang willens und in der Lage war, einen Teil ihres Unterhalts aus eigenem Erwerbseinkommen zu bestreiten. Dann entspricht nämlich die Arbeitsaufnahme der Klägerin im Juni 1960 dieser Erwartung und es liegt keine Änderung der Verhältnisse vor.

Hinzu kommt, daß nach den Feststellungen des LSG das Einkommen des Versicherten zur Zeit der Scheidung (1949) bereits einen "beachtlichen Lebensstandard" erlaubte und sich bis zur Zeit des Vergleichsabschlusses (1959) noch verdoppelte. Der der Klägerin im Vergleich zugebilligte Unterhaltsbetrag von monatlich 130,- DM muß demnach als unverhältnismäßig niedrig angesehen werden, zumal das LSG den angemessenen Unterhalt der Klägerin bereits zur Zeit der Scheidung mit ca. 150,- DM monatlich veranschlagte. Auch unter Berücksichtigung dieser Feststellungen des LSG ist es jedenfalls nicht auszuschließen, daß die Vergleichspartner davon ausgingen, die Klägerin müsse einen vom beiderseitigen Erwerbseinkommen unabhängigen festen Betrag erhalten und daneben - zur Sicherung ihres zur Zeit der Scheidung gegebenen Lebensstandards - entsprechend mitverdienen. Es kann daher bisher auch nicht als nachgewiesen angesehen werden, daß der Prozeßvergleich als sonstiger Grund durch eine Änderungsklage im Zeitpunkt des Todes des Versicherten hätte beseitigt werden können.

Zur Prüfung, ob dieser Nachweis erbracht werden kann, ist mithin die Feststellung der Überlegungen und Erwägungen, die zum Abschluß des Vergleichs geführt haben, unerläßlich. Über diese "Geschäftsgrundlage" und den von den Beteiligten gewollten Inhalt des Vergleichs kann das Unterhaltsurteil der ersten Instanz in Verbindung mit den im Berufungsverfahren von den Prozeßparteien bis zum Vergleichsabschluß gewechselten Schriftsätzen Aufschluß geben. Bei der anhand dieser Unterlagen gebotenen Auslegung des damaligen Willens der Vertragsparteien kann sodann im Zweifelsfall das Verhalten der Klägerin und des Versicherten vor und nach Vergleichsabschluß berücksichtigt werden. Zusätzlich zu den insoweit bereits genannten Feststellungen des LSG müßte dabei das Berufungsgericht gegebenenfalls auch die Behauptung der Klägerin prüfen, daß sich der Versicherte ihr gegenüber verpflichtet habe, bei Bezug der Vollinvalidenrente erneut zu zahlen. Dies könnte nämlich als weiteres Indiz dafür gewertet werden, daß für die Vergleichspartner das eigene Erwerbseinkommen der Klägerin ohne Einfluß auf die Höhe des Unterhaltsbeitrags des Versicherten sein sollte.

Der Senat vermag somit nicht selbst in der Sache zu entscheiden. Zwar sind die Unterhaltsprozeßakten des Amtsgerichts und des Landgerichts aus den Jahren 1958/59 vernichtet. Es ist aber möglich, daß die damaligen Prozeßbevollmächtigten der Parteien im Unterhaltsrechtsstreit oder die Klägerin selbst noch eine Ausfertigung des amtsgerichtlichen Schlußurteils vom 27. Mai 1959 sowie Duplikate der im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze besitzen.

Das angefochtene Urteil ist aus diesen Gründen aufzuheben. Die Sache ist zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG). Sollte eine weitergehende Beweiserhebung - mangels auffindbarer Unterlagen aus dem Unterhaltsprozeß - ergebnislos verlaufen, so wäre zu beachten, daß nach der Entscheidung des Großen Senats in BSG 20, 1, 6 der Erfolg der Änderungsklage nachgewiesen werden muß. Da es sich um eine anspruchsvernichtende Tatsache handelt, träfe hierfür die Beklagte die objektive Beweislast.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens bleibt der den Rechtsstreit abschließenden Entscheidung vorbehalten.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1669218

MDR 1971, 337

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