Leitsatz (amtlich)
Wird einem Empfänger der Bergmannsrente nach § 45 Abs 1 Nr 2 RKG idF des FinÄndG 1967 während des Bezugs von Krankengeld die Knappschaftsrente wegen Berufsunfähigkeit zugebilligt, so wird das Krankengeld nur um die Differenz zwischen Knappschaftsrente wegen Berufsunfähigkeit und Bergmannsrente gekürzt (Anschluß an und Fortführung von BSG 1972-05-25 5 RKn 17/70 = SozR Nr 67 zu § 183 RVO).
Normenkette
RKG §§ 20, 45 Abs 1 Nr 2 Fassung: 1967-12-21; RVO § 183 Abs 5 Fassung: 1970-12-16
Verfahrensgang
SG Gelsenkirchen (Entscheidung vom 24.03.1980; Aktenzeichen S 3 Kn 109/79) |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe des dem Kläger gewährten Krankengeldes.
Der am 11. Januar 1926 geborene Kläger bezieht von der Beklagten seit dem 1. Mai 1977 die Bergmannsrente nach § 45 Abs 1 Nr 2 des Reichsknappschaftsgesetzes (RKG). Im Zusammenhang mit dem Rentenantrag ging er im Jahre 1977 von der Tätigkeit eines technischen Angestellten unter Tage nach der Tarifgruppe 3 zur Tätigkeit eines technischen Angestellten unter Tage nach der Tarifgruppe 2 über. Seit dem 2. Juni 1978 war er arbeitsunfähig krank und bezog zunächst bis zum 13. Juli 1978 das Gehalt weiter. Vom 14. Juli 1978 an gewährte die Beklagte ihm das Krankengeld. Mit Bescheid vom 15. Januar 1979 wandelte die Beklagte die Bergmannsrente mit Wirkung vom 1. Juli 1978 an in die Knappschaftsrente wegen Berufsunfähigkeit um. Mit Wirkung vom 1. Februar 1979 kürzte sie das Krankengeld um die volle Knappschaftsrente wegen Berufsunfähigkeit. Nachdem sie dies dem Kläger bereits am 5. Februar 1979 mitgeteilt hatte, erteilte sie darüber am 25. April 1979 einen förmlichen Bescheid. Der Widerspruch des Klägers hatte keinen Erfolg.
Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte am 24. März 1980 unter Aufhebung ihres Bescheides vom 25. April 1979 idF des Widerspruchsbescheides vom 8. Oktober 1979 verpflichtet, das dem Kläger ab 1. Februar 1979 gezahlte Krankengeld lediglich um die Differenz zwischen der Bergmannsrente nach vollendetem 50. Lebensjahr und der Knappschaftsrente wegen Berufsunfähigkeit zu kürzen. Zur Begründung hat das SG im wesentlichen ausgeführt, aus dem entsprechend anwendbaren § 183 Abs 5 der Reichsversicherungsordnung (RVO) gehe hervor, daß bei Zubilligung der Rente wegen Berufsunfähigkeit während des Krankengeldbezuges das Krankengeld nur um die Differenz zwischen Bergmannsrente und Rente wegen Berufsunfähigkeit zu kürzen sei, wenn der Versicherte bereits vor Beginn des Krankengeldes vermindert bergmännisch berufsfähig gewesen sei. Das treffe zwar im Falle des Klägers nicht zu, denn die Differenz zwischen dem Tarifgehalt der früher ausgeübten und der bis zum Beginn des Krankengeldes verrichteten Tätigkeit betrage weniger als 12,5 vH. Gleichwohl könne das Krankengeld nicht um die volle Rente wegen Berufsunfähigkeit gekürzt werden, weil sich sonst die wirtschaftliche Lage des Klägers im Endergebnis durch die Zubilligung der Knappschaftsrente wegen Berufsunfähigkeit verschlechtern würde.
Die Beklagte hat dieses Urteil im Einverständnis mit dem Kläger mit der vom SG zugelassenen Sprungrevision angefochten. Sie ist der Ansicht, das Krankengeld sei zu Recht um die volle Rente wegen Berufsunfähigkeit gekürzt worden. Da der Kläger bis zum Beginn der Arbeitsunfähigkeit noch eine Tätigkeit ausgeübt habe, auf die er nach § 45 Abs 2 RKG habe verwiesen werden können, sei er nicht vermindert bergmännisch berufsfähig gewesen. In solchen Fällen sei auch nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) der vorherige Bezug der Bergmannsrente für die Anwendung des § 183 Abs 5 RVO ohne Bedeutung. Daran ändere auch der Umstand nichts, daß sich der Kläger nach Gewährung der Knappschaftsrente wegen Berufsunfähigkeit wirtschaftlich im Ergebnis schlechter stehe als vorher.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil im Ergebnis und in der Begründung für richtig und ist der Ansicht, die Revision der Beklagten sei unbegründet. Er trägt zusätzlich vor, bei der Auslegung des § 183 Abs 5 RVO müsse berücksichtigt werden, daß die Neufassung des § 45 Abs 1 Nr 2 RKG durch das Finanzänderungsgesetz 1967 für den Anspruch auf Bergmannsrente den Übergang zu einer nicht mehr gleichwertigen Tätigkeit voraussetze.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Sprungrevision der Beklagten hat keinen Erfolg. Das SG hat die Beklagte im Ergebnis mit Recht verpflichtet, das Krankengeld lediglich um die Differenz zwischen der Bergmannsrente und der Knappschaftsrente wegen Berufsunfähigkeit zu kürzen.
Nach dem gemäß § 20 RKG entsprechend anwendbaren § 183 Abs 5 RVO wird das Krankengeld um den Betrag der für den gleichen Zeitraum gewährten Rente gekürzt, wenn dem Versicherten während des Bezuges von Krankengeld Rente wegen Berufsunfähigkeit oder Bergmannsrente nach § 45 Abs 1 Nr 1 RKG zugebilligt wird. Diese Vorschrift will Doppelleistungen vermeiden und führt folgerichtig dann nicht zu einer Kürzung des Krankengeldes, wenn der Versicherte die Rente bereits vor dem Beginn des Krankengeldes bezogen hat. Bei Zubilligung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit oder einer Bergmannsrente wegen verminderter bergmännischer Berufsfähigkeit während des Bezuges von Krankengeld ist das Krankengeld noch aufgrund des - ungeschmälerten - Lohnes berechnet worden, den der Versicherte vor Eintritt der Berufsunfähigkeit oder der verminderten bergmännischen Berufsfähigkeit, also noch bei ungeminderter Arbeitskraft erzielt hat. Hat der Versicherte aber die Rente wegen Berufsunfähigkeit oder verminderter bergmännischer Berufsfähigkeit schon vor dem Beginn des Krankengeldes bezogen, so ist das Krankengeld schon von einem Lohn berechnet worden, der durch die Berufsunfähigkeit oder die verminderte bergmännische Berufsfähigkeit gemindert war, so daß eine weitere Minderung des Krankengeldes wegen der bezogenen Rente nicht gerechtfertigt ist. Das Gesetz regelt nicht ausdrücklich die Frage, ob und in welcher Höhe das Krankengeld zu kürzen ist, wenn der Versicherte vor Beginn des Krankengeldes die Bergmannsrente bezogen hat und ihm während des Bezuges des Krankengeldes die Knappschaftsrente wegen Berufsunfähigkeit gewährt wird. Der erkennende Senat hat mit Urteil vom 25. Mai 1972 (SozR Nr 67 zu § 183 RVO) aus dem der Vorschrift zugrundeliegenden Rechtsgedanken den Grundsatz entwickelt, daß das Krankengeld nur um die Differenz zwischen Bergmannsrente und Knappschaftsrente wegen Berufsunfähigkeit zu kürzen ist, wenn der vermindert bergmännisch berufsfähige Bezieher der Bergmannsrente während des Bezuges des Krankengeldes die Knappschaftsrente wegen Berufsunfähigkeit erhält. In einem solchen Fall beruht die Höhe des Krankengeldes bereits auf einem durch die verminderte bergmännische Berufsfähigkeit geminderten Lohn, so daß es nicht gerechtfertigt erscheint, das Krankengeld um die volle Knappschaftsrente wegen Berufsunfähigkeit zu kürzen. Diese Regelung gilt nach der Rechtsprechung auch für den Bezieher der Bergmannsrente nach § 45 Abs 1 Nr 2 RKG, wenn er bei Bezug der Bergmannsrente zuletzt vermindert bergmännisch berufsfähig war.
Im vorliegenden Fall steht allerdings fest, daß der Kläger während des Bezuges der Bergmannsrente nach § 45 Abs 1 Nr 2 RKG nicht vermindert bergmännisch berufsfähig war, denn er übte eine Tätigkeit aus, auf die er nach § 45 Abs 2 RKG hätte verwiesen werden können. Nach den in dem zitierten Urteil genannten Grundsätzen wäre danach das Krankengeld um die volle Knappschaftsrente wegen Berufsunfähigkeit zu kürzen. Zu beachten ist jedoch, daß in dieser Entscheidung die Frage ausdrücklich offengelassen worden ist, wie sich die mit Wirkung vom 1. Januar 1968 erfolgte Neufassung des § 45 Abs 1 Nr 2 RKG durch das Finanzänderungsgesetz 1967 vom 21. Dezember 1967 (BGBl I 1259) auf die Anwendung des § 183 Abs 5 RVO auswirkt. Zwar wurde auch vor Inkrafttreten dieser Neufassung das Vorliegen von verminderter bergmännischer Berufsfähigkeit unwiderlegbar vermutet; jedoch wurde die Bergmannsrente auch dann gewährt, wenn der Versicherte seine "bisher verrichtete knappschaftliche Arbeit" weiter ausübte und also ein ungemindertes Arbeitsentgelt hatte. In diesen Fällen war also trotz des Bezuges der Bergmannsrente das Krankengeld nach dem ungeminderten Arbeitsentgelt berechnet, so daß es berechtigt erschien, das Krankengeld um die volle Knappschaftsrente wegen Berufsunfähigkeit zu kürzen. Seit Inkrafttreten der Neufassung des § 45 Abs 1 Nr 2 RKG (1. Januar 1968) setzt der Anspruch auf die Bergmannsrente aber den Übergang zu einer wirtschaftlich nicht mehr gleichwertigen Tätigkeit voraus. Der Bezieher einer Bergmannsrente nach § 45 Abs 1 Nr 2 RKG hat also ein um mindestens 7,5 vH gemindertes Arbeitsentgelt (vgl BSG SozR 2600 § 45 Nr 28 mwN). Wird er nach Übergang zu der minderentlohnten Tätigkeit arbeitsunfähig, so liegt der Berechnung des Krankengeldes das geminderte Arbeitsentgelt zugrunde. Der in dem zitierten Urteil vom 25. Mai 1972 entwickelte Grundgedanke muß daher auch bei Beziehern der Bergmannsrente nach § 45 Abs 1 Nr 2 RKG für die Zeit nach Inkrafttreten der Neufassung dieser Vorschrift ebenso wie bei Beziehern der Bergmannsrente nach § 45 Abs 1 Nr 1 RKG oder vermindert bergmännisch berufsfähigen Beziehern der Bergmannsrente nach § 45 Abs 1 Nr 2 RKG dazu führen, daß bei Zubilligung der Rente wegen Berufsunfähigkeit während des Bezuges des Krankengeldes dieses nur um die Differenz zwischen Bergmannsrente und Rente wegen Berufsunfähigkeit gekürzt wird. Zwar ist die Lohnminderung im allgemeinen bei Beziehern der Bergmannsrente nach § 45 Abs 1 Nr 2 RKG geringer als bei Beziehern der Bergmannsrente nach § 45 Abs 1 Nr 1 RKG (vgl BSGE 43, 233 = SozR 2600 § 45 Nr 16). Das ist aber nicht von entscheidender Bedeutung. Auf die Höhe der Lohnminderung kann es nicht ankommen, denn auch bei der verminderten bergmännischen Berufsfähigkeit ist die Bergmannsrente im allgemeinen wesentlich höher als die Lohnminderung.
Dem hier gefundenen Ergebnis kann auch nicht entgegengehalten werden, daß § 183 Abs 5 RVO die Bergmannsrente nach § 45 Abs 1 Nr 2 RKG nicht erwähnt und also völlig unberücksichtigt lassen wollte. Es kann dahingestellt bleiben, ob das für die Zeit bis zur Neufassung des § 45 Abs 1 Nr 2 RKG zutraf. Hatte der Gesetzgeber aber schon bei der Regelung in § 183 Abs 5 RVO den Fall nicht in seinem Blickfeld, daß der vermindert bergmännisch berufsfähige Bezieher einer Bergmannsrente während des Bezuges des Krankengeldes die Rente wegen Berufsunfähigkeit erhält, so war ihm bei der Neufassung des § 45 Abs 1 Nr 2 RKG durch das Finanzänderungsgesetz 1967 erst recht nicht bewußt, welche Auswirkungen die Neufassung auf die Anwendung des § 183 Abs 5 RVO haben konnte und sollte. Es handelt sich also insoweit um eine Gesetzeslücke, die im Wege der Analogie dadurch zu schließen ist, daß die den § 183 Abs 5 RVO bestimmende Grundidee konsequent auf Fälle dieser Art angewandt wird, wie das bereits in der zitierten Entscheidung vom 25. Mai 1972 für die vermindert bergmännisch berufsfähigen Bezieher einer Bergmannsrente geschehen ist.
Der Senat hat die danach unbegründete Sprungrevision der Beklagten zurückgewiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen