Leitsatz (redaktionell)

1. Unter Angelegenheiten der Kriegsopferversorgung iS des SGG § 51 Abs 1 müssen solche Angelegenheiten verstanden werden, die im BVG oder in älteren Kriegsopferversorgungsgesetzen ihre Grundlage haben, ausschließlich des Sondergebietes nach den BVG §§ 25 - 27.

Auch im Rahmen des FürsPflV § 21a handelt es sich um öffentlich-rechtliche Angelegenheiten der Kriegsopferversorgung. Das gilt auch bei Annahme einer Abtretung.

Wenn die Erstattung abgeschlossen und das zwischen dem Rentenantragsteller und der Versorgungsverwaltung bestehende Rechtsverhältnis rechtskräftig geregelt bzw unstreitig geworden ist, wird der rechtliche Charakter des erneut streitig gewordenen Rechtsverhältnisses nicht geändert.

2. Für den Rückforderungsanspruch der Versorgungsbehörde gegenüber einem Fürsorgeverband wegen zuviel oder zu Unrecht gezahlter Versorgungsleistungen ist der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit gegeben.

3. Die Rechtsnatur einer öffentlichrechtlichen Leistung wird durch eine Überleitungsanzeige oder Abtretung nicht beeinflußt. Für die Geltendmachung der übergegangenen Forderung ist deshalb der Rechtsweg jeweils vor den Gerichten gegeben, die einen Rechtsstreit über die Leistung zu entscheiden hätten. Gleiches gilt für die Geltendmachung von Rückforderungsansprüchen, wenn aufgrund der Überleitungsanzeige oder der Abtretung Beträge zuviel oder zu Unrecht gezahlt worden sind.

 

Normenkette

SGG § 51 Abs. 1 Fassung: 1953-09-03; FürsPflV § 21a Fassung: 1924-02-13

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 10. November 1965 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Gründe

Der Arbeiter H W (W.) beantragte 1947 Versorgung. Damals war er arbeitslos und bezog Fürsorgeunterstützung. Im November 1948 machte der Bezirksfürsorgeverband G. (G.) bei der Versorgungsbehörde einen Ersatzanspruch für seine Aufwendungen geltend. Hierzu legte er eine Abtretungserklärung des W. vor. Mit Bescheid nach dem (Bayerischen) Gesetz über Leistungen an Körperbeschädigte (KBLG) vom 28. Januar 1950 gewährte die Versorgungsbehörde Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 60 v. H. und erkannte mehrere Gesundheitsstörungen als Leistungsgründe an. Die in diesem Bescheid errechnete Rentennachzahlung von 595,90 DM überwies sie an den Bezirksfürsorgeverband G.. Diese Entscheidung ist rechtsverbindlich geworden. Mit Berichtigungsbescheid vom 15. August 1957 hob das Versorgungsamt (VersorgA) W diesen Bescheid, dessen Datum irrig mit 28. Juni 1950 angegeben ist, wieder auf, forderte die Leistungen von W. jedoch nicht zurück. Am 8. Februar 1960 begehrte das VersorgA von dem Bezirksfürsorgeverband (Landratsamt G.) die Rückerstattung der 595,90 DM nach § 812 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Dieser wandte Verjährung ein. Das VersorgA bat nun die Finanzmittelstelle des Landes Bayern, Würzburg, im Dezember 1960, zur Unterbrechung der Verjährungsfrist Klage gegen den Landkreis G. zu erheben. Mit Urteil vom 24. Oktober 1961 wies das Sozialgericht (SG) Würzburg die Klage ab. Gegen dieses Urteil hat die Finanzmittelstelle W für den Freistaat Bayern Berufung eingelegt. Mit Schriftsatz vom 5. März 1962 zeigte das Landesversorgungsamt (LVersorgA) Bayern an, daß es die Vertretung des Freistaates Bayern übernehme. Es beantragte hilfsweise, die Sache an das zuständige Gericht zu verweisen. Dieser Antrag wurde in der mündlichen Verhandlung nicht wiederholt. Das Landessozialgericht (LSG) hob mit Urteil vom 10. November 1965 das Urteil des SG auf und verwies die Streitsache an das Verwaltungsgericht Würzburg. Es handele sich nicht um eine Streitigkeit in Angelegenheiten der Kriegsopferversorgung (KOV) im Sinne des § 51 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Wäre sie eine solche, so würde nur das LVersorgA gemäß § 71 Abs. 5 SGG vor dem SG aktiv legitimiert gewesen sein. Die Klage sei zu Recht nicht vom LVersorgA, sondern von der Finanzmittelstelle erhoben worden. Die "Übernahme"-Erklärung des LVersorgA sei unbeachtlich. Die Erstattung der 595,90 DM an den Beklagten sei zwar noch eine Angelegenheit der KOV gewesen. Danach seien aber die Ansprüche aus der KOV endgültig abgewickelt gewesen; alle später sich ergebenden Ansprüche hätten mit der KOV nichts mehr zu tun. Das Gegenteil lasse sich auch nicht aus § 149 SGG begründen, denn es handele sich im vorliegenden Fall nicht um einen Erstattungsstreit im Sinne des § 149 SGG. Da die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit sonach sachlich nicht zuständig seien, sei die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts Würzburg gegeben, weil eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vorliege.

Mit der zugelassenen Revision rügt das LVersorgA Verletzung des § 51 Abs. 1 SGG. Zu Unrecht habe das LSG den Weg zu den Sozialgerichten für unzulässig gehalten. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) habe in seiner Entscheidung vom 15. Juli 1964 - VC 23.63 - ausgesprochen, daß für Streitigkeiten zwischen Fürsorgeträger und Versicherungsträger der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet sei. Für Streitigkeiten zwischen Fürsorgeträgern und den Trägern der KOV könne nichts anderes gelten, da eine sondergesetzliche Regelung nicht vorhanden sei. Wenn im vorliegenden Rechtsstreit geltend gemacht werde, die Erstattung an den Beklagten sei zu Unrecht erfolgt, so handele es sich um die Kehrseite der Überleitung der Rentennachzahlung, die ebenfalls der KOV zugerechnet werden müsse. In diesem Sinne habe der Bayerische Verwaltungsgerichtshof am 22. Januar 1965 in einem gleichgelagerten Fall entschieden. Das LVersorgA habe mit der "Übernahme" der Vertretung die bisherige Prozeßführung genehmigt.

Das LVersorgA beantragt, die Urteile des LSG und des SG aufzuheben und den Beklagten zur Zahlung von 595.90 DM zu verurteilen, hilfsweise, den Rechtsstreit an das LSG zurückzuverweisen. Der Beklagte hat keinen Gegenantrag gestellt.

Die durch Zulassung statthafte Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und daher zulässig (§§ 162 Abs. 1 Nr. 1, 164, 166 SGG). Sie ist auch sachlich im Sinne der Zurückverweisung begründet.

Zutreffend rügt die Revision, daß das LSG § 51 Abs. 1 SGG verletzt habe, indem es für die vorliegende Streitsache den Weg zu den Sozialgerichten für unzulässig gehalten habe.

Hier handelt es sich nicht um eine bürgerlich-rechtliche, sondern um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit (vgl. hierzu BSG 2, 26, 27), Streit besteht nur darüber, ob die allgemeinen Verwaltungsgerichte oder die Sozialgerichte zur Entscheidung zuständig sind, insbesondere, ob es sich um eine Angelegenheit "der Kriegsopferversorgung" im Sinne des § 51 Abs. 1 SGG handelt. Dieser Begriff ist im Gesetz nicht näher erläutert. Wie das Bundessozialgericht (BSG) bereits entschieden hat, müssen darunter solche Angelegenheiten verstanden werden, die im Bundesversorgungsgesetz (BVG) oder in älteren Kriegsopferversorgungsgesetzen ihre Grundlage haben, ausschließlich des Sondergebietes nach den §§ 25 bis 27 BVG (BSG 2, 27). Bei dem Antrag des W. vom 1. April 1947 auf Gewährung von Rente an Körperbeschädigte und bei der ihm mit Bescheid vom 15. Oktober 1948 nach dem KBLG zunächst vorläufig und mit Bescheid vom 28. Januar 1950 endgültig gewährten Versorgung handelte es sich um eine Angelegenheit, die in einem älteren Kriegsopferversorgungsgesetz ihre Grundlage hatte und damit um eine öffentlich-rechtliche Angelegenheit der KOV im Sinne des § 51 Abs. 1 SGG. Das LSG hat die Abtretungserklärung des W., die dem Schreiben des Landratsamts - Bezirksfürsorgeverband - (BFV) Gerolzhofen vom 25. November 1948 beigefügt war, mit § 21 a der Reichsverordnung über die Fürsorgepflicht vom 13. Februar 1924 (RGBl I, 100) - FürsPflVO - in Verbindung gebracht. Ob in diesem Schreiben des BFV, mit dem er wegen seiner Aufwendungen einen Ersatzanspruch geltend machte, sowie in dem weiteren Schreiben vom 29. September 1949, in dem der Ersatzanspruch der Höhe nach beziffert wurde, eine Überleitungsanzeige im Sinne des § 21 a FürsPflVO zu erblicken ist oder ob eine bloße Abtretung nach den §§ 398 ff BGB vorliegt, konnte dahingestellt bleiben, da in beiden Fällen hinsichtlich der hier strittigen Frage der Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit das Ergebnis das gleiche ist. Nach § 21 a FürsPflVO konnte der Fürsorgeverband (FV), der einen Hilfsbedürftigen unterstützt hat, dessen Rechtsansprüche gegen einen Dritten auf Leistungen zur Deckung des Lebensbedarfs - darunter fallen auch Renten nach dem früheren KBLG (vgl. Jehle, Handkommentar zum Fürsorgerecht, 3. Aufl., Anm. 1 b zu § 21 a FürsPflVO, S. 51) - durch schriftliche Anzeige an den Dritten zum Ersatz auf sich überleiten. Zahlt der Drittverpflichtete nicht, so muß der FV gegen ihn auf dem Rechtsweg vorgehen, der dem Fürsorgeempfänger selbst (hier Versorgungsberechtigten) für die Verfolgung des Anspruchs gegeben gewesen wäre (vgl. Jehle, aaO Anm. 3 d zu § 21 a FürsPflVO, S. 60). Die Überleitungsanzeige ändert somit an der Rechtsnatur der Leistung als Angelegenheit der KVO nichts. Sie bewirkt lediglich den Übergang der Forderung an den FV (BVerwG Band 11, 250). Demgemäß hat das BSG auch bereits entschieden, daß bei Streit darüber, ob die Versorgungsbehörde den nach § 21 a FürsPflVO übergeleiteten Anspruch dem FV in vollem Umfang auszuzahlen hat, bzw. in den Fällen, in denen Fürsorgeverbände zur Erstattung eigener Leistungen Versorgungsleistungen beanspruchen, öffentlich-rechtliche Angelegenheiten der KOV vorliegen und die Rechtsstreitigkeiten gemäß § 51 SGG den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit zugewiesen sind (BSG 16, 13, 14 und dortige Zitate). Dasselbe gilt bei Annahme einer Abtretung, weil es sich bei der übergegangenen Forderung um eine öffentlich-rechtliche Leistung der KOV handelt und darum auch für den Erstattungsanspruch als Kehrseite des Leistungsanspruchs § 51 SGG anwendbar ist.

Die Auffassung des LSG, daß es sich bei der Erstattung durch das VersorgA an den BFV noch um eine Angelegenheit der KOV gehandelt habe, ist sonach zutreffend. Nicht folgerichtig ist jedoch die Ansicht des LSG, die Rechtsnatur des Streitverhältnisses werde verändert und es liege keine Angelegenheit der KOV mehr vor, wenn die Erstattung abgeschlossen und das zwischen dem Rentenantragsteller und der Versorgungsverwaltung bestehende Rechtsverhältnis "rechtskräftig geregelt" bzw. "unstreitig geworden" sei. Solche Umstände können allenfalls bewirken, daß der von der Versorgungsverwaltung geltend gemachten Erstattungsforderung die eingetretene Bindung oder Rechtskraft bzw. gegebenenfalls die Verjährung des Anspruchs entgegengehalten werden kann, nicht jedoch können sie den rechtlichen Charakter des erneut streitig gewordenen Rechtsverhältnisses ändern. Demgemäß hat das BSG zu §§ 1531 ff der Reichsversicherungsordnung (RVO) bereits entschieden, daß ebenso wie für die Geltendmachung von Ersatzansprüchen nach § 1531 ff RVO auch für die Geltendmachung von Rückforderungsansprüchen wegen zuviel gezahlter Beträge dieser Art der Rechtsweg vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit gegeben ist (vgl. BSG 3, 58). Gleiches muß auch gelten, wenn die Versorgungsbehörde von einem FV zuviel oder zu Unrecht gezahlte Versorgungsleistungen zurückfordert (vgl. auch Entscheidung des BVerwG vom 15. Juli 1964 in Band 19, 149, 150, wo allgemein ausgesprochen wurde, daß für Streitigkeiten zwischen Renten- (Fürsorge) - Empfänger und dem Träger der Rentenversicherung (Versicherungsträger) und solchen, zwischen Fürsorgeträger und Versicherungsträger der Weg zu den Sozialgerichten geöffnet ist, während für die Rechtsbeziehungen zwischen Fürsorgeträger und Fürsorgeempfänger der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist).

Dabei kann hier unentschieden bleiben, ob der Rückforderungsanspruch auf § 47 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VerwVG) (vgl. Entscheidungen des erkennenden Senats in BSG 18, 12 und in BVBl 19, 63, 57), oder auf den im öffentlichen Recht geltenden allgemeinen Rechtsgrundsatz, daß zuviel erhaltene Beträge zurückgezahlt werden müssen bzw. zu erstatten sind (vgl. BSG 16, 151, 153, 156 ff; 3, 59) gestützt werden kann, wie das LVersorgA im Berufungsverfahren unter Hinweis auf Rechtsprechung und Literatur vorgetragen hat. Die Rechtsnatur des erhobenen Anspruchs wird jedenfalls nicht dadurch beeinflußt, daß das VersorgA im Schreiben vom 8. Februar 1960 die Rückforderung rechtsirrtümlich auf § 812 BGB, anstatt auf die vorerwähnten öffentlich-rechtlichen Rechtssätze gestützt hat (vgl. BSG 16, 157).

Sonach handelt es sich auch bei der vorliegenden Streitsache um eine Angelegenheit der KOV im Sinne des § 51 Abs. 1 SGG. Zur Entscheidung über diesen Streit sind die Sozialgerichte zuständig. Da es sich um eine Angelegenheit der KOV handelt, wird der Freistaat Bayern gemäß § 71 Abs. 5 SGG in dieser Sache durch das LVersorgA vertreten, weshalb die Finanzmittelstelle des Landes Bayern in Würzburg zur Klageerhebung und Berufungseinlegung aktiv nicht legitimiert war. Ein solcher Mangel der Legitimation eines gesetzlichen Vertreters ist zwar nach § 71 Abs. 6 SGG in Verbindung mit § 56 der Zivilprozeßordnung (ZPO) von Amts wegen zu berücksichtigen. Dieser Mangel ist jedoch durch Genehmigung rückwirkend heilbar. Eine solche Genehmigung kann bereits in der Fortsetzung des vom nicht legitimierten Vertreter betriebenen Verfahrens liegen (vgl. Baumbach-Lauterbach, Kommentar zur ZPO, 28. Aufl., Anm. 1 C zu § 56 ZPO). In der Erklärung des LVersorgA vom 5. März 1962, daß es die Vertretung des Freistaates Bayern "in dem abhängigen Berufungsverfahren übernimmt", ist eine solche Genehmigung zu erblicken, durch die der seitherige Mangel rückwirkend geheilt worden ist.

Nach alledem hätte das LSG die Streitsache nicht an das Verwaltungsgericht Würzburg verweisen dürfen, sondern selbst in der Sache entscheiden müssen. Deshalb war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG).

Die Kostenentscheidung bleibt der das Verfahren abschließenden Entscheidung vorbehalten.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2380338

Dieser Inhalt ist unter anderem im SGB Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge