Leitsatz (amtlich)
1. Auch während der Geltung des Abk Österreich SV vom 1951-04-21 war der deutsche Versicherungsträger berechtigt, die festgestellte Teilleistung neu - auch niedriger - festzustellen, wenn sich das Verhältnis der deutschen zu den österreichischen Versicherungszeiten nachträglich änderte.
2. Sind 2 in einer Klage zusammengefaßte Ansprüche derart voneinander abhängig, daß der eine präjudiziell für den anderen ist, so ist die Berufung für den abhängigen Anspruch trotz Vorliegens eines Berufungsausschließungsgrundes statthaft, wenn sie für den präjudiziellen Anspruch statthaft ist.
Normenkette
SGG § 77 Fassung: 1953-09-03, § 149 Fassung: 1958-06-25; SVAbk AUT Art. 18 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b
Tenor
Unter Zurückweisung der Revision im übrigen werden die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 23. April 1968 und des Sozialgerichts München vom 11. Juni 1965 wie folgt geändert:
Der Bescheid der Beklagten vom 2. Juli 1962 - soweit er den Rückforderungsanspruch in Höhe von 30,30 DM betrifft - und der Widerspruchsbescheid vom 13. Juli 1964 werden aufgehoben.
Die Beklagte hat dem Kläger ein Viertel der außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten über die Höhe der dem Kläger gewährten Erwerbsunfähigkeitsrente und darüber, ob die Beklagte gegen den Kläger einen Rückerstattungsanspruch hat.
Der Kläger ist österreichischer Staatsangehöriger. Er war bis 1933 in Tirol versicherungspflichtig beschäftigt und arbeitete danach bis April 1939 im Gebiet der jetzigen Bundesrepublik Deutschland. Anschließend kehrte er nach Tirol zurück.
Die Beklagte gewährte dem Kläger mit Bescheid vom 16. Dezember 1955 Invalidenrente vom 27. Juli 1955 an; der Beginn wurde durch Vergleich vom 14. März 1957 auf den 26. Januar 1955 vorverlegt. Der österreichische Versicherungsträger gewährte dem Kläger mit Bescheid vom 3. März 1956 die Invalidenrente vom 26. Januar 1955 an. Beide Renten waren als Teilrenten nach dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Sozialversicherung vom 21. April 1951 (BGBl 1952 II S. 317) festgestellt worden. Die deutsche Teilrente ist am 30. Juli 1957 mit Wirkung vom 1. Januar 1957 in eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit umgestellt und später nach den Anpassungsgesetzen angepaßt worden. Das bei der Rentenberechnung gemäß Art. 18 Abs. 1 Nr. 2 b des deutsch-österreichischen Sozialversicherungsabkommens zugrundegelegte Verhältnis der in beiden Staaten zurückgelegten Versicherungszeiten änderte sich dadurch, daß der österreichische Versicherungsträger aufgrund der 8. Novelle zum österreichischen allgemeinen Versicherungsgesetz (ASVG) weitere Versicherungszeiten mit Wirkung vom 1. Januar 1961 an berücksichtigte. Der Beklagten wurde diese Änderung und die sich daraus ergebende Erhöhung der österreichischen Teilleistung im Januar 1962 mitgeteilt. Mit Bescheid vom 2. Juli 1962 stellte sie die deutsche Teilrente mit Wirkung vom 1. Januar 1961 an neu fest. Die deutsche Teilrente verminderte sich danach von 31,30 DM auf 29,30 DM und vom 1. Januar 1962 an von 32,80 DM auf 30,70 DM monatlich. Die dadurch in der Zeit vom 1. Januar 1961 bis zum 31. März 1962 entstandene Überzahlung in Höhe von 30,30 DM verrechnete die Beklagte mit der Nachzahlung des österreichischen Versicherungsträgers. Mit Bescheid vom 1. März 1963 stellte die Beklagte die deutsche Teilrente nach dem 5. Rentenanpassungsgesetz vom 1. Januar 1963 an auf monatlich 32,60 DM fest.
Vor dem Sozialgericht (SG) wandte sich der Kläger gegen die Herabsetzung seiner deutschen Teilrente und gegen die Rückforderung. Während des erstinstanzlichen Verfahrens führte die Beklagte hinsichtlich des Rückforderungsanspruchs ein Vorverfahren durch. Mit Widerspruchsbescheid vom 30. Oktober 1963 sah sie von einer Rückforderung der für die Zeit vom 1. April 1962 bis 30. September 1962 festgestellten Überzahlung von 12,60 DM ab. Diesen Widerspruchsbescheid ergänzte die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13. Juli 1964 dahin, daß hinsichtlich der in der Zeit vom 1. Januar 1961 bis 31. März 1962 entstandenen Überzahlung von 30,30 DM der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen wurde. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 11. Juni 1965 abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom 23. April 1968 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, die Neufeststellung der deutschen Teilrente sei durch § 77 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) nicht ausgeschlossen. Zwar seien weder die Voraussetzungen des § 1744 der Reichsversicherungsordnung (RVO) noch die des Art. 39 Abs. 2 Satz 2 des ersten deutsch-österreichischen Sozialversicherungsabkommens gegeben. Auch enthielten die Art. 17 und 18 des Sozialversicherungsabkommens keine ausdrückliche Regelung der Abänderung bindend gewordener Bescheide zu Ungunsten des Klägers. Es sei deshalb eine Gesetzeslücke vorhanden, die mit den Grundsätzen des allgemeinen Verwaltungsrechts über den Widerruf nachträglich fehlerhaft gewordener begünstigender Verwaltungsakte ausgefüllt werden müsse. Danach sei ein Widerruf zulässig, wenn keine überwiegenden schutzwürdigen Interessen des Betroffenen entgegenständen. Der Kläger erleide aber keine wirtschaftliche Einbuße, weil sich seine deutsche Teilrente nur um etwa 2,- DM monatlich verringere, während er dafür aber eine wesentlich höhere Teilleistung des österreichischen Versicherungsträgers erhalte. Der Gesamtbesitzstand sei nicht angetastet. Eine Richtigstellung der nachträglich unrichtig gewordenen deutschen Teilrente sei deshalb in entsprechender Anwendung des Art. 18 des deutsch-österreichischen Sozialversicherungsabkommens möglich. Für die Richtigkeit dieser Auffassung spreche auch, daß nach Art. 30 Abs. 3 und 4 des am 22. Dezember 1966 unterzeichneten revidierten deutsch-österreichischen Sozialversicherungsabkommens die Neufeststellung ausdrücklich vorgesehen sei, wenn sich das Verhältnis der Versicherungszeiten ändere. Die von der Beklagten zurückgeforderte Überzahlung sei in zulässiger Weise mit der Nachzahlung des österreichischen Versicherungsträgers verrechnet worden. Die Rückforderung sei nach § 1301 RVO auch nicht ausgeschlossen, da die Beklagte an der Überzahlung kein Verschulden treffe, der Kläger aber habe wissen müssen, daß ihm die Leistung nicht in der gewährten Höhe zustand.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision trägt der Kläger vor, die Grundsätze des allgemeinen Verwaltungsrechts seien - wie das Bundessozialgericht (BSG) ausgeführt habe (BSG SozR Nr. 23 zu § 77 SGG) - im Sozialversicherungsrecht nicht anwendbar, weil sie von den hier geltenden speziellen Regelungen verdrängt würden. Aber auch im allgemeinen Verwaltungsrecht gelte der Vertrauensschutz, wonach ein Rentenempfänger auch die fehlerhaft zu hohe Leistung weiterhin erhalte, wenn er sich redlich darauf eingerichtet habe. Es müsse deshalb eine gesetzliche Grundlage vorhanden sein, wenn die Bindungswirkung durchbrochen werden solle. Die vom LSG angeführte Bestimmung des revidierten deutsch-österreichischen Sozialversicherungsabkommens sei auf den vorliegenden Fall nicht anzuwenden. Ihre Einführung beweise im übrigen, daß eine Lösung von der Bindungswirkung bisher nach dem Willen des Gesetzgebers nicht möglich gewesen sein solle. Auch aus Art. 48 Abs. 4 Satz 2 gehe hervor, daß der Besitzstand geschützt werden solle.
Der Kläger beantragt,
die angefochtene Entscheidung, das Urteil des SG München vom 11. Juni 1965 sowie den Bescheid der Beklagten vom 2. Juli 1962 i. d. F. des Widerspruchsbescheids vom 13. Juli 1964 und den Bescheid vom 1. März 1963 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger vom 1. Januar 1961 an die Rente in der früheren Höhe von 31,30 DM weiterzugewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und weist ergänzend darauf hin, daß auch eine entsprechende Anwendung des § 1744 Abs. 1 Nr. 5 RVO nicht auszuschließen sei. Darüber hinaus sei auch eine sinngemäße Anwendung des Art. 20 Satz 2 des ersten deutsch-österreichischen Sozialversicherungsabkommens möglich. Wenn danach eine Neufeststellung und Herabsetzung zulässig sei, sobald beim Versicherungsträger des anderen Vertragsstaates ein Anspruch erstmals entstehe, so müsse dies auch für den Fall gelten, daß sich das Verhältnis der Versicherungszeiten durch interne gesetzliche Änderungen eines Vertragsstaates verschiebe.
II
Die zulässige Revision des Klägers ist nur zum Teil begründet, nämlich soweit sie den Rückerstattungsanspruch der Beklagten betrifft. Im übrigen - soweit sie die Rentenhöhe betrifft - ist sie unbegründet.
Wie die Vorinstanzen im Ergebnis mit Recht angenommen haben, hat der Kläger über den 1. Januar 1961 hinaus keinen Anspruch auf die deutsche Teilrente in der vorher festgestellten Höhe. Die Beklagte konnte zunächst das der Berechnung zugrundeliegende Verhältnis der Versicherungszeiten für die Zeit vom 1. Januar 1961 an richtigstellen. Die Bindungswirkung nach § 77 SGG erstreckt sich nicht auf die Berechnungsfaktoren (vgl. BSG Bd. 14 S. 154, 159; Bd. 24 S. 236, 238; Bd. 26 S. 266, 269). Sie ist nur auf den Verfügungssatz beschränkt, so daß falsche Werte durch die richtigen ersetzt werden können (BSG Bd. 14 S. 154). Nach der mit Wirkung vom 1. Januar 1961 vorgenommenen Neuberechnung der österreichischen Teilleistung waren die Berechnungsfaktoren der deutschen Teilrente aber falsch geworden, weil sie nicht mehr dem Art. 18 Abs. 1 Nr. 2 b des ersten deutsch-österreichischen Sozialversicherungsabkommens entsprachen. Das Verhältnis der in beiden Staaten zurückgelegten Versicherungszeiten zueinander hatte sich nach Anwendung der 8. Novelle zum Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG) zu Ungunsten der deutschen Teilrente verschoben, so daß sich die darin enthaltenen, von der Dauer der Versicherungszeit unabhängigen festen Rentenbestandteile entsprechend verringerten.
Die Beklagte blieb aber auch nicht an die vor dem 1. Januar 1961 festgestellte Rente der Höhe nach gebunden. Sie war zur Herabsetzung durch Bescheid vom 2. Juli 1962 berechtigt. Die Vorschrift des § 1744 RVO, die eine Änderung eines bindend gewordenen Bescheides erlaubt, ist weder unmittelbar noch entsprechend anzuwenden. Abgesehen davon, daß sie nicht unrichtig gewordene, sondern nur von Anfang an unrichtige Bescheide erfaßt, liegt auch keine der in dieser Vorschrift genannten Voraussetzungen vor. Das erste deutschösterreichische Sozialversicherungsabkommen hat Regelungen nur insoweit getroffen, als laufende Rentenleistungen den Bestimmungen des Abkommens entsprechend nach seinem Inkrafttreten erstmalig umzustellen waren. So durchbricht Art. 39 Abs. 2 Satz 2 des Abkommens die Rechtskraft früherer Entscheidungen für die Fälle, in denen vor dem Abkommen festgestellte und nachher noch fällig werdende Leistungen aufgrund des Abkommens neu festzustellen sind. Nichts anderes gilt auch für Art. 20 Satz 2 des Abkommens, den die Beklagte sinngemäß angewendet wissen will. Wenn seine Voraussetzungen erfüllt sind, d. h. erst wenn auch im zweiten der beiden Vertragsstaaten ein Anspruch entsteht, kommt es nämlich erstmals zur Anwendung der Bestimmungen des Abkommens auch auf die Leistung des Versicherungsträgers des ersten Vertragsstaates; bis zu diesem Zeitpunkt ist keine Teilleistung, sondern eine rein innerstaatliche Rente zu gewähren. Im vorliegenden Fall hat sich aber die zunächst nach dem Abkommen richtig festgestellte Teilleistung nachträglich verändert.
Auch das revidierte deutsch-österreichische Sozialversicherungsabkommen vom 22. Dezember 1966 (BGBl II 1969 S. 1235), das nach seiner Ratifikation laut Bekanntmachung vom 10. Oktober 1969 (BGBl II S. 2056) am 1. November 1969 in Kraft getreten ist, bietet keine Lösung für den vorliegenden Fall. Nach Art. 48 Abs. 3 gilt das revidierte Abkommen zwar auch für Versicherungsfälle, die vor seinem Inkrafttreten eingetreten sind; es läßt aber eine Neufeststellung - wie sich aus der Vorschrift im übrigen ergibt - erst nach seinem Inkrafttreten zu, und das vor allem nur nach den von den Vorschriften des ersten Abkommens erheblichen abweichenden Art. 26 und 27 des revidierten Abkommens, die eine pro-rata-temporis-Aufteilung vorschreiben. Nur eine Neufeststellung nach diesen Vorschriften ist dem österreichischen Versicherungsträger nach Nr. 18 b, cc Satz 2 des Schlußprotokolls zum revidierten Abkommen (BGBl II 1969 S. 1247) unter bestimmten Voraussetzungen rückwirkend vom 1. Januar 1961 an gestattet. In diesem Fall ist auch der deutsche Versicherungsträger berechtigt, seine Teilleistungen gemäß Art. 30 Abs. 3 des revidierten Abkommens ohne Rücksicht auf die Rechtskraft früherer Entscheidungen dem nach Art. 27 Abs. 4 des Abkommens neu ermittelten Teilungsverhältnis anzupassen. Eine Neufeststellung nach diesen Vorschriften ist aber nicht erfolgt, da das Abkommen erst nach der Neufeststellung unterzeichnet worden und in Kraft getreten ist.
Aus dem Fehlen einer ausdrücklichen Regelung kann aber nicht geschlossen werden, daß der bindend gewordene Bescheid über die Gewährung der deutschen Teilleistung für die Zeit vom 1. Januar 1961 an nicht geändert werden könne. Richtig ist zwar, daß nach § 77 SGG Verwaltungsakte in der Sache bindend sind und daher nicht zu Ungunsten des Begünstigten geändert werden können, wenn dies nicht gesetzlich gestattet ist. Diese Vorschrift muß aber verständigerweise dahin ausgelegt werden, daß diese Wirkung nur insoweit eintritt, als das Rücknahmerecht oder der in Betracht kommende Teilbereich des Rücknahmerechts gesetzlich vollständig geregelt ist und diese Regelung für den zu entscheidenden Fall keine Rücknahmeermächtigung enthält. Ein solcher Fall lag der Entscheidung des BSG (SozR Nr. 23 zu § 77 SGG) zugrunde, auf die sich der Kläger deshalb zu Unrecht beruft. Nicht dagegen kann die Sperrwirkung diejenigen Fälle erfassen, die der Gesetzgeber bei der getroffenen Regelung nicht in seinem Blickfeld gehabt hat, von denen man also annehmen muß, daß sie von dieser Regelung nicht erfaßt werden. Insoweit liegt vielmehr eine Gesetzeslücke vor, die vom Richter zu schließen ist, wobei sich die entsprechende Anwendung der ähnliche Fälle regelnden Rücknahmevorschriften der Sozialversicherungsgesetze oder aber die Anwendung der allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsrechts über die Rücknahme von Verwaltungsakten anbietet (vgl. BSG SozR Nr. 40 zu § 1246 RVO). Da die Vorschriften des ersten und des revidierten deutsch-österreichischen Sozialversicherungsabkommens Fälle der vorliegenden Art nicht erfassen, Art. 30 Abs. 3 und 4 des revidierten Abkommens aber nunmehr die Möglichkeit der Richtigstellung auch der laufenden Teilleistungen eröffnet und nach Art. 53 das erste Abkommen außer Kraft getreten ist, wird deutlich, daß eine Regelung offensichtlich nur deshalb unterblieben war, weil alle denkbaren Fälle lückenlos erfaßt zu sein schienen. Jedenfalls ist nirgendwo die Absicht erkennbar, in Fällen der zu entscheidenden Art eine Richtigstellung auszuschließen. Die Vertragschließenden sind sich vielmehr nachträglich bewußt geworden, daß das erste deutsch-österreichische Sozialversicherungsabkommen eine Lücke enthält, die sie durch den Art. 30 Abs. 3 geschlossen haben. Es bestehen keine Bedenken, gegen die Annahme, daß sie diese Lücke auch früher schon in diesem Sinne geschlossen hätten, wenn sie sie rechtzeitig erkannt hätten.
Die Beklagte war nach den Grundsätzen des allgemeinen Verwaltungsrechts über die Rücknahme fehlerhafter begünstigender Verwaltungsakte nicht gehindert, die deutsche Teilleistung zum 1. Januar 1961 entsprechend dem neuen Verhältnis der Versicherungszeiten herabzusetzen. Die Abwägung zwischen dem Verfassungsgrundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und dem des Rechtsstaatsprinzips, das Rechtssicherheit und Anspruch auf Vertrauensschutz einschließt (vgl. dazu BSG SozR Nr. 70 zu § 77 SGG), rechtfertigt dies Ergebnis. Die für diese Frage erheblichen Gesichtspunkte greifen nicht zugunsten des Klägers durch. Weder fällt die Ursache dafür, daß die deutsche Teilleistung seit dem 1. Januar 1961 nicht mehr der materiellen Rechtslage entsprach, in den Verantwortungsbereich der Beklagten, noch sind dem Kläger schutzwürdige Interessen an der Höhe der vor dem 1. Januar 1961 gewährten deutschen Teilrente zuzubilligen. Eine wirtschaftliche Einbuße erleidet er insgesamt gesehen nicht. Zwar vermindert sich die deutsche Teilleistung. Der Kläger stellt aber zu Unrecht allein darauf ab. Wegen der gegenseitigen Abhängigkeit der von beiden Seiten gewährten Teilleistungen ist eine gerechte Beurteilung unter diesem Gesichtspunkt nur möglich, wenn auch die österreichische Teilleistung in die Erwägung mit einbezogen wird. Danach hat der Kläger aber vor der Neufeststellung beider Leistungen insgesamt nicht zu viel, sondern zu wenig erhalten, so daß ein schutzwürdiges Vertrauen auf ein Festhalten daran durch diesen Tatbestand gar nicht entstehen konnte. Nach den Feststellungen des LSG ist nämlich die Summe beider Teilrenten nach der Neufeststellung höher als vorher.
Soweit die Revision des Klägers den Rückforderungsanspruch der Beklagten in Höhe von 30,30 DM betrifft, kann ihr der Erfolg nicht versagt bleiben. Das LSG hat über die Berufung auch insoweit mit Recht sachlich entschieden, denn das Rechtsmittel ist trotz § 149 SGG nicht ausgeschlossen. Es ist zwar richtig, daß bei mehreren in einer Klage zusammengefaßten selbständigen Ansprüchen die Statthaftigkeit der Berufung für jeden Anspruch gesondert zu beurteilen ist (vgl. BSG Bd. 3 S. 135; Bd. 6 S. 11; Bd. 10 S. 264). Das gilt jedoch dann nicht, wenn mehrere Ansprüche, die in einer Klage zusammengefaßt sind, derart voneinander abhängig sind, daß der eine Anspruch präjudiziell für den anderen ist. Ist in einem solchen Fall das Rechtsmittel für den präjudiziellen Anspruch statthaft, so muß es auch für den von ihm abhängigen Anspruch statthaft sein (vgl. BSG Bd. 14 S. 280; BGHZ Bd. 35 S. 302, 306). Wollte man in einem solchen Fall die Statthaftigkeit der Berufung für beide Ansprüche getrennt beurteilen, so könnte das zu dem merkwürdigen Ergebnis führen, daß mangels Statthaftigkeit des Rechtsmittels das Urteil der Vorinstanz über den abhängigen Anspruch rechtskräftig wird, obwohl ihm durch die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts über den präjudiziellen Anspruch die Grundlage entzogen wird. Im vorliegenden Fall kann über die Frage, ob und in welcher Höhe der Beklagten ein Rückforderungsanspruch gegen den Kläger zusteht, erst dann entschieden werden, wenn feststeht, in welcher Höhe die Beklagte in der streitigen Zeit die Rente zu zahlen hatte. War die Beklagte nicht berechtigt, die dem Kläger gewährte Rente herabzusetzen, so ist keine Überzahlung entstanden, so daß auch kein Rückforderungsanspruch der Beklagten gegen den Kläger bestehen kann. Die Berechtigung der Beklagten, die dem Kläger gewährte Rente herabzusetzen, ist also präjudiziell für den Rückforderungsanspruch der Beklagten. Da für diesen präjudiziellen Anspruch die Berufung statthaft ist, muß sie es trotz § 149 SGG auch für den von ihm abhängigen Rückforderungsanspruch der Beklagten sein.
Entgegen der vom LSG vertretenen Ansicht ist die Beklagte aber nicht berechtigt, vom Kläger den Betrag von 30,30 DM zurückzufordern. Zwar hat die Beklagte dem Kläger in dieser Höhe zuviel Rente gezahlt. Für den Rückforderungsanspruch der Beklagten genügt es aber nicht, daß der Kläger die Leistung zu Unrecht erhalten hat, vielmehr müssen auch die übrigen Voraussetzungen des § 1301 RVO für eine Rückforderung vorliegen. Wenn die Beklagte auch kein Verschulden an der Überzahlung trifft, so kann doch nicht angenommen werden, daß der Kläger wußte oder wissen mußte, daß ihm die Leistung in unrichtiger Höhe gewährt wurde. Abgesehen davon, daß der Kläger jedenfalls bis zu der Mitteilung im Januar 1962 nichts von der Erhöhung der österreichischen Teilrente wissen konnte, mußte er auch nach Bekanntgabe dieser Erhöhung nicht wissen, daß sich dadurch die deutsche Teilrente verminderte. Zwar wird man normalerweise bei einem Rentner gewisse Kenntnisse über die Zusammensetzung und die Höhe der Rente sowie über die Auswirkung der Veränderung voneinander abhängiger Renten annehmen können. Die Berechnung der einzelnen Teilrenten nach dem deutsch-österreichischen Sozialversicherungsabkommen und ihre gegenseitige Beeinflussung ist aber derart kompliziert, daß man auch bei einem Rentner die Kenntnis nicht erwarten kann, wie sich die Veränderung der einen Rente auf die andere auswirkt. Die Beklagte hat daher keinen Rückforderungsanspruch gegen den Kläger.
Während die Revision im übrigen - soweit sie die Rentenhöhe betrifft - zurückgewiesen werden muß, führt sie hinsichtlich des Rückforderungsanspruchs zur Änderung der vorinstanzlichen Urteile und zur Aufhebung der Bescheide der Beklagten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen