Leitsatz (amtlich)

1. Läßt die Ehefrau eines Versicherten dessen angebliche Forderung auf Krankengeld pfänden und sich zur Einziehung überweisen, so stellt die auf entsprechende Aufforderung der Gläubigerin (Pfändungsgläubigerin) ergangene Erklärung der Krankenkasse, sie werde an sie nicht zahlen, weil die Pfändung die geltend gemachte Forderung nicht erfasse, keinen Verwaltungsakt dar. Es bedarf daher in einem solchen Fall vor Erhebung einer Klage der Gläubigerin auf Verurteilung der Krankenkasse zur Zahlung eines bestimmten Teils des Krankengeldes (SGG § 54 Abs 2) keines Vorverfahrens.

2. Ein Beschluß des Vollstreckungsgerichts, mit dem die angebliche Forderung eines Versicherten auf Krankengeld gepfändet und der Gläubigerin zur Einziehung überwiesen wird, erfaßt nicht Ansprüche auf Krankengeld für Zeiten einer mit Arbeitsunfähigkeit verbundenen Erkrankung, die erst nach Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses eingetreten ist.

 

Leitsatz (redaktionell)

Für die Klage des Pfändungsgläubigers gegen die öffentliche KK als Drittschuldnerin von Krankengeld nach der RVO ist der Rechtsweg vor den Gerichten der SGb gegeben.

 

Normenkette

SGG § 54 Abs. 5 Fassung: 1953-09-03, § 78 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1953-09-03; RVO § 182 Abs. 1 Nr. 2 Fassung: 1961-07-12; ZPO § 850d Abs. 1 Fassung: 1953-08-20; SGG § 80 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1953-09-03; RVO § 119 Abs. 1 Nr. 2 Fassung: 1924-12-15; ZPO § 850d Abs. 3 Fassung: 1953-08-20

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 30. September 1958 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

I

Die Klägerin hatte im Scheidungsverfahren gegen den Beigeladenen F. eine einstweilige Anordnung des Landgerichts erwirkt, wonach dieser an die Klägerin zu ihrem und ihres Kindes Unterhalt einen Betrag von monatlich 150,- DM, beginnend am 1. Februar 1955, zu zahlen hatte. Auf Grund dieses Titels erwirkte die Klägerin am 28. Februar 1955 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluß des Amtsgerichts, durch den u. a. die angebliche Forderung des Beigeladenen F. gegen die beklagte Innungskrankenkasse (IKK) auf Zahlungen an Krankengeld, Tagegeld usw. in bestimmter Höhe gepfändet wurde. Im Zeitpunkt der Zustellung dieses Beschlusses - am 4. März 1955 - hatte der Beigeladene F. wegen einer mit Arbeitsunfähigkeit verbundenen Erkrankung vom 6. bis zum 26. Februar 1955 einen Anspruch gegen die beklagte IKK auf Gewährung von Krankengeld. Die beklagte IKK führte den gepfändeten Teilbetrag der Krankengeldforderung an die Klägerin ab.

Am 30. Juli 1955 wurde der Beigeladene F. erneut arbeitsunfähig; die Arbeitsunfähigkeit hielt bis zum 17. Oktober 1955 an. Die Aufforderung der Klägerin, den durch den Pfändungs- und Überweisungsbeschluß vom 28. Februar 1955 gepfändeten Teilbetrag des Krankengeldes an sie zu zahlen, lehnte die beklagte IKK mit der Begründung ab, dieser Beschluß erfasse nicht die mit der neuen Erkrankung am 30. Juli 1955 dem Beigeladenen F. erwachsenen Ansprüche ( Schreiben vom 16.1.1956 ).

Die Klägerin hat darauf ihre Forderung gegen die beklagte IKK zunächst auf dem Zivilrechtsweg geltend gemacht. Das Landgericht in Köln bestätigte mit einem rechtskräftigen Urteil vom 20. November 1956 die schon in erster Instanz ausgesprochene Abweisung der Klage. Es hielt die Klage für unzulässig, weil der Anspruch nur vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit verfolgt werden könne.

Daraufhin erhob die Klägerin vor dem Sozialgericht (SG) Klage mit dem Antrag,

die Beklagte zu verurteilen, an sie - als Teilbetrag - 100,- DM zu zahlen.

Das SG hat die Klage abgewiesen; die Berufung wurde zugelassen (Urteil vom 30.4.1958). Das SG ist der Auffassung, daß der Pfändungs- und Überweisungsbeschluß vom 28. Februar 1955 den Anspruch des Beigeladenen F. auf Krankengeld für die Zeit vom 30. Juli bis zum 17. Oktober 1955 nicht erfaßt habe.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt mit dem Antrag,

das Urteil des SG aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie 100,- DM zu zahlen.

In Ergänzung ihres Vorbringens in der ersten Instanz machte sie geltend, die Erkrankung des Beigeladenen F. am 30. Juli 1955 stehe mit der früheren im Februar 1955 in ursächlichem Zusammenhang.

Die beklagte IKK hat beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Sie bezog sich auf ihre Krankenakten zum Beweis dafür, daß es sich bei den fraglichen Erkrankungen des Beigeladenen F. um verschiedene Leiden gehandelt habe: Im ersten Fall habe die Arbeitsunfähigkeit auf einer Vielzahl von Verletzungen nach einer Schlägerei beruht; bei der späteren Erkrankung habe es sich um ein Hautekzem gehandelt.

Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung zurückgewiesen; die Revision wurde zugelassen (Urteil vom 30.9.1958). Das LSG bejahte die Zulässigkeit der Klage: Zwar fehle es an dem durch § 80 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) vorgeschriebenen Vorverfahren. Jedoch sei es nach dem Zweck des Vorverfahrens nicht erforderlich, daß sich die bei der beklagten IKK gebildete Widerspruchsstelle mit der Angelegenheit befasse. Eine Arbeitsersparnis sei aus der Einschaltung der Widerspruchsstelle für die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit nicht zu erwarten; denn die Widerspruchsstelle hätte im vorliegenden Falle, wo sie streng rechtsgebunden hätte entscheiden müssen, zu keinem anderen Ergebnis als der Geschäftsführer der beklagten IKK beim Erlaß des Verwaltungsakts und im Verlauf der gerichtlichen Verfahren kommen können. Unter diesen Umständen sei ein Vorverfahren nicht mehr sinnvoll und daher auch nicht erforderlich. - In der Sache selbst schloß sich das LSG der Auffassung des SG an, daß der Pfändungs- und Überweisungsbeschluß vom 28. Februar 1958 nicht die auf der Erkrankung am 30. Juli 1955 beruhende Forderung des Beigeladenen F. auf Krankengeld erfaßt habe; denn es habe sich bei der Erkrankung am 30. Juli 1955 um einen neuen Krankheitsfall gehandelt, der mit der früheren Erkrankung nicht im Zusammenhang gestanden habe.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Revision mit dem Antrag eingelegt,

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils nach dem Klageantrag erster Instanz zu erkennen.

Sie hat um Nachprüfung in verfahrensrechtlicher Hinsicht gebeten, soweit das LSG entgegen § 80 SGG ein Vorverfahren nicht für erforderlich gehalten hat. - In der Sache selbst rügt die Klägerin, daß das LSG § 832 der Zivilprozeßordnung (ZPO) verkannt habe, wonach bei fortlaufenden Bezügen des Schuldners eine Vorratspfändung möglich sei. Unter diesem Gesichtspunkt müßten alle Ansprüche auf Krankengeld während der Versicherungszeit - gleichgültig, auf welcher Krankheitsursache sie beruhten - als von der Pfändung erfaßt angesehen werden.

Die beklagte IKK hat im Revisionsverfahren keinen Antrag gestellt. Sie weist darauf hin, daß zwar die auf Grund eines Arbeitsverhältnisses begründeten Lohnansprüche als "fortlaufende Bezüge" im Sinne des § 832 ZPO anzusehen seien, daß aber die Ansprüche auf Krankengeld im Rahmen des gesetzlichen Versicherungsverhältnisses nicht schon deshalb entstünden, weil jemand versichert sei, daß diese Ansprüche vielmehr erst mit dem Eintritt des mit Arbeitsunfähigkeit verbundenen Versicherungsfalles jeweils neu begründet würden.

II

Die Revision ist nicht begründet.

Im Ergebnis zutreffend hat das LSG die Klage als zulässig angesehen. Insbesondere ist im vorliegenden Fall nicht Prozeßvoraussetzung des sozialgerichtlichen Verfahrens, daß ein Vorverfahren stattgefunden hat. Zwar handelt es sich bei dem von der Klägerin gegen die beklagte IKK geltend gemachten Anspruch auf Krankengeld, den sie als von ihrem Pfändungs- und Überweisungsbeschluß erfaßt ansieht, um eine Angelegenheit der Krankenversicherung im Sinne des § 80 Abs. 1 Nr. 1 SGG. Jedoch fehlt es an der allgemeinen Voraussetzung jedes Vorverfahrens, daß ein Verwaltungsakt vorliegt (§ 78 SGG); seine "Nachprüfung" ist Gegenstand des Vorverfahrens. Bei den echten Leistungsklagen, die u. a. dadurch gekennzeichnet sind, daß "ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte" (§ 54 Abs. 5 SGG), findet ein Vorverfahren nicht statt.

Ein solcher Fall ist gegeben, wenn ein Pfändungsgläubiger die gepfändete und ihm zur Einziehung überwiesene Forderung auf Krankengeld gegen eine Krankenkasse (KrK) geltend macht. Dieser Gläubiger steht zur KrK nicht in einem öffentlich-rechtlichen Verhältnis der Unter- und Überordnung (vgl. BSG 10, 260, 263); denn er ist durch den Pfändungsakt nicht Subjekt des Versicherungsverhältnisses ("Versicherter") geworden. Er hat vielmehr nur Gläubigerrechte an einer einzelnen, aus dem Versicherungsverhältnis entsprungenen Geldforderung erworben. Die Beziehung der KrK zum Anspruchsberechtigten beschränkt sich - in der Terminologie des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses - auf das Verhältnis des "Drittschuldners" zum "Gläubiger". Eine solche Rechtsbeziehung unter Gleichgeordneten entzieht sich aber der Regelung durch Verwaltungsakt jedenfalls dann, wenn zwischen den Beteiligten nur die vollstreckungsrechtliche Frage streitig ist, ob der Pfändungs- und Überweisungsbeschluß dem Gläubiger das Einziehungsrecht an der geltend gemachten Forderung verschafft hat. Diese Rechtsbeziehung ist auch nicht den Fällen vergleichbar, in denen das Gesetz Nichtversicherten Leistungen aus der Krankenversicherung zuspricht (vgl. die Regelung der Bezugsberechtigung beim Sterbegeld: § 203 der Reichsversicherungsordnung - RVO -); denn hier beruht die Rechtsbeziehung zwischen KrK und den Anspruchsberechtigten auf einer unmittelbaren Auswirkung des Versicherungsverhältnisses kraft gesetzlicher Regelung.

Allerdings kommt es für die Frage, ob ein Verwaltungsakt vorliegt, nicht darauf an, ob eine Verwaltung befugt ist, eine Regelung durch Verwaltungsakt zu treffen. Es genügt für die Wertung einer Verwaltungshandlung als Verwaltungsakt, daß der äußeren Erscheinungsform nach eine hoheitliche Maßnahme zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts getroffen ist (BSG 10, 260, 263 f; 15, 14, 17; OVG Lüneburg vom 23.7.1953 in DVBl 1954, 297; Bettermann aaO S. 298 in der Anmerkung zu diesem Urteil; Haueisen, DVBl 1961, 452 in der Anmerkung zu einem Urteil des BGH vom 7.12.1960). Indessen ist die beklagte IKK im Verlaufe des ganzen Verfahrens niemals zu hoheitlichen Maßnahmen gegenüber der Klägerin geschritten. Insbesondere beschränkte sich das Schreiben der beklagten IKK vom 16. Januar 1956, mit dem sie zur Zahlungsaufforderung der Prozeßbevollmächtigten der Klägerin Stellung nahm,

- das, wie folgt, beginnt: "Wir geben Ihnen höflichst davon Kenntnis, daß wir nach den bestehenden Grundsätzen nicht in der Lage sind, Ihnen die aus der Krankengeldzahlung an ... einbehaltenen Beträge zu überweisen" -

auf eine Darlegung ihres ablehnenden Rechtsstandpunkts.

Da somit ein Verwaltungsakt der beklagten IKK gegenüber der Klägerin nicht vorliegt, ist die Durchführung eines Vorverfahrens als Prozeßvoraussetzung im vorliegenden Streitfall nicht erforderlich.

Das LSG hat mit Recht angenommen, daß der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit gegeben ist. Auch bei den echten Leistungsklagen nach § 54 Abs. 5 SGG muß dem allgemein für die Beschreitung des Sozialrechtsweges in § 51 SGG aufgestellten Erfordernis genügt sein, daß es sich entweder um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit in Angelegenheiten der Sozialversicherung oder eines der anderen dort in Abs. 1 genannten Rechtsgebiete handelt, oder daß durch Gesetz der Sozialrechtsweg eröffnet ist (§ 51 Abs. 3 SGG). Wie schon der Große Senat des Reichsversicherungsamts für den Fall der Abtretung eines vor den Versicherungsbehörden der RVO zu verfolgenden Anspruchs zutreffend ausgesprochen hat (Grunds. Entsch. Nr. 4124 in AN 1931, 295) - die Pfändung und Überweisung eines solchen Anspruchs ist nicht anders zu beurteilen -, verändert der Anspruch durch die Abtretung nicht seine Rechtsnatur (vgl. auch Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Teil 1, 16. Aufl. § 119 Anm. 7). Auch in einem solchen Falle beurteilt sich die Frage der Zulässigkeit des Sozialrechtsweges somit allein nach der Natur des anspruchsbegründenden Rechtsverhältnisses (BSG 1, 174, 176; 2, 23, 26). Dieses gehört hier aber dem öffentlichen Recht an. Ebenso unterliegt keinem Zweifel, daß der Streit um Krankengeld eine Angelegenheit der Sozialversicherung im Sinne des § 51 Abs. 1 SGG betrifft. Somit ist für die vorliegende Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG der Sozialrechtsweg gegeben (vgl. für einen anderen Fall der Leistungsklage aus dem Bereich der Krankenversicherung BSG 10, 260).

In der Sache selbst erweist sich die Revision als unbegründet. Nach § 850 i Abs. 4 ZPO bleiben die "Bestimmungen der Versicherungs- ... Vorschriften über die Pfändung von Ansprüchen bestimmter Art" unberührt. Deshalb ist die Zulässigkeit und die Wirkung der Pfändung nach den Vorschriften der RVO - hier: § 119 - zu beurteilen. § 119 Abs. 1 Nr. 2 RVO läßt die Pfändung "wegen der im § 850 Abs. 4 der Zivilprozeßordnung bezeichneten Forderungen" zu. Die in Bezug genommene Vorschrift ist mehrfach geändert worden (vgl. zur Entwicklung Peters aaO § 119 Anm. 3 b). Die - ursprünglich in § 850 Abs. 4 ZPO getroffene - Regelung der Pfändung wegen Unterhaltsansprüchen ist jetzt in § 850 d ZPO in der Fassung des Vollstreckungs-Maßnahmengesetzes vom 20. August 1953 (BGBl I 952) enthalten. Da nach Art. 6 des genannten Gesetzes die Änderungen der Vollstreckungsvorschriften der ZPO sich auf die Gesetze auswirken, in denen auf die alten ZPO-Vorschriften verwiesen ist, muß nunmehr die Verweisung in § 119 Abs. 1 Nr. 2 RVO auf § 850 d ZPO bezogen werden (vgl. Peters aaO; Rauhut in Krankenversicherung 1958, 183). Hiernach war der Anspruch des Beigeladenen F. gegen die beklagte IKK wegen der im Pfändungs- und Überweisungsbeschluß vom 28. Februar 1955 näher bezeichneten Unterhaltsforderungen pfändbar.

Diese Pfändung erfaßte aber nicht den erst nach Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses auf Grund der mit Arbeitsunfähigkeit verbundenen Erkrankung des Beigeladenen F. am 30. Juli 1955 entstandenen Anspruch auf Krankengeld. Zu Unrecht beruft sich die Revision auf die in § 850 d Abs. 3 ZPO vorgesehene Möglichkeit der Pfändung "künftig fällig werdenden Arbeitseinkommens" Die sinngemäße Übertragung des hier verwendeten Begriffs "Arbeitseinkommen" auf die nach § 119 RVO pfändbaren Ansprüche setzt voraus, daß dabei der diesem Begriff anhaftende Wesenszug gewahrt bleibt, daß nämlich auf Grund eines einheitlichen Rechtsverhältnisses fortlaufend mit einer gewissen Regelmäßigkeit Einzelbezüge zu gewähren sind. Das ist der Fall bei Krankengeld, das während einer Arbeitsunfähigkeit bedingenden Erkrankung laufend in gleichen Teilbeträgen zu gewähren ist. Hier erfaßt die Pfändung und Überweisung von Krankengeld - das nach Tagen berechnet wird (§ 182 Abs. 1 Nr. 2 RVO) - auch die erst nach Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses fällig werdenden Teilbeträge des Krankengeldes. Ist jedoch - wie im vorliegenden Fall - der Schuldner und Versicherte wieder arbeitsfähig geworden und später an einem neuen Leiden - verbunden mit Arbeitsunfähigkeit - erkrankt so erwächst ihm damit ein "neuer" Einzelanspruch auf Krankengeld; es wird aber nicht ein bereits früher begründeter Anspruch mit einzelnen Teilbeträgen fällig. Eine "Vorratspfändung" im Sinne des § 850 d Abs. 3 ZPO ist insoweit ausgeschlossen. Hierbei kann dahinstehen, ob die Pfändung angeblicher Forderungen auf Krankengeld solche Ansprüche schon dann nicht mehr erfaßt, wenn der Versicherte nach Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses erneut arbeitsunfähig geworden ist, nachdem er eine Zeitlang arbeitsfähig gewesen, aber wegen desselben Leidens behandlungsbedürftig geblieben ist (so Peters aaO Anm. 3 b S. 208), oder ob erst der Eintritt eines - mit Arbeitsunfähigkeit verbundenen - neuen Versicherungsfalls den Anspruch auf Krankengeld zu einer "neuen", d. h. nicht mehr von einem früheren Pfändungs- und Überweisungsbeschluß erfaßten Forderung macht (so das LSG Nordrhein-Westfalen im angefochtenen Urteil); denn im vorliegenden Streitfall beruht die geltend gemachte Krankengeldforderung nach den Feststellungen des LSG auf einem erst nach Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses eingetretenen neuen Versicherungsfall.

Die vorbezeichneten Grenzen einer Vorratspfändung hat der Pfändungs- und Überweisungsbeschluß vom 28. Februar 1955 beachtet. Er spricht die Pfändung und Überweisung der angeblichen Forderung des Beigeladenen F. gegen die beklagte IKK auf "Zahlungen an Krankengeld, Tagegeld usw." aus und enthält, soweit es sich um künftig fällig werdende Bezüge handelt, nur den Satz, daß die Pfändung das künftig fällig werdende Arbeitseinkommen nur wegen der bis dahin bereits fällig gewordenen oder wegen der gleichzeitig fällig werdenden Unterhaltsbeiträge umfaßt. Damit ist, wenn man den hier verwandten Begriff "Arbeitseinkommen" sinngemäß auf Krankengeld überträgt, nur die Vorratspfändung der gegebenenfalls nach Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses fällig werdenden Teilbeträge des Krankengeldes zum Ausdruck gebracht.

Demnach erfaßte der Pfändungs- und Überweisungsbeschluß vom 28. Februar 1955 nicht den Anspruch des Beigeladenen F. gegen die beklagte IKK auf Gewährung von Krankengeld wegen seiner Erkrankung am 30. Juli 1955. Die Revision der Klägerin ist somit als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2324016

BSGE, 76

NJW 1963, 556

Dieser Inhalt ist unter anderem im SGB Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge