Leitsatz (redaktionell)
1. Macht ein Ausgleichsamt einen gesetzlich (LAG § 290) übergegangenen Rentenanspruch geltend und entsteht Streit zwischen Ausgleichsamt und LVA darüber, ob dieser Anspruch befreiend erfüllt ist, so ist der Rechtsweg vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit gegeben (Angelegenheit der Rentenversicherung).
2. Für die Zulässigkeit der Berufung ist SGG § 146 maßgebend.
3. SGG § 149 trifft nur eine (negative) Regelung des Berufungsausschlusses, die den SGG §§ 143-148 nicht vorgeht.
Normenkette
LAG § 290 Abs. 3; SGG § 146 Fassung: 1958-06-25, § 143 Fassung: 1953-09-03, § 144 Fassung: 1953-09-03, § 145 Fassung: 1958-06-25, § 148 Fassung: 1958-06-25, § 147 Fassung: 1958-06-25, § 149 Fassung: 1958-06-25
Tenor
Das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 7. Dezember 1965 wird aufgehoben.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 26. November 1964 wird als unzulässig verworfen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Das Ausgleichsamt des klagenden Landkreises gewährte der Witwe M B in Eckernförde seit 1955 Unterhaltshilfe nach dem Lastenausgleichsgesetz (LAG). Hierauf rechnete es Rentenleistungen - eine Altersinvalidenrente und eine Witwenrente - an, welche die Berechtigte von der beklagten Landesversicherungsanstalt bezog (§ 270 Abs. 1 LAG). Durch Bescheid vom 28. August 1962 erhöhte die Beklagte die Witwenrente der Frau B rückwirkend von 1951 an erheblich; danach ergab sich eine Nachzahlung von rund 7.000,- DM.
Nachdem der Kläger von der Nachzahlung Kenntnis erlangt hatte, stellte er die Unterhaltshilfe von Anfang an neu fest und rechnete die erhöhte Rentenleistung nachträglich an (§ 270 Abs. 3 LAG) mit dem Ergebnis, daß Frau B für die Zeit vom 1. März 1955 bis 30. November 1962 3.608,- DM Unterhaltshilfe zuviel erhalten hatte. Auf diese Schuld zahlte sie 2.000,- DM an den Kläger zurück. Den verbleibenden Betrag von 1.608,- DM, hinsichtlich dessen Frau B sich auf den Wegfall der Bereicherung berief, fordert der Kläger von der Beklagten mit der Begründung, in dieser Höhe sei der Anspruch der Berechtigten auf Rentennachzahlung kraft Gesetzes auf ihn übergegangen (§ 290 Abs. 3 LAG). Demgegenüber wendet die Beklagte ein, sie habe von der Unterstützung der Rentnerin durch Unterhaltshilfe und somit auch von dem teilweisen Übergang des Nachzahlungsanspruchs auf den Kläger keine Kenntnis gehabt und infolgedessen mit befreiender Wirkung an die Rentnerin geleistet (§§ 407, 412 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB - in entsprechender Anwendung).
Das Sozialgericht Schleswig hat die Klage durch Urteil vom 26. November 1964 abgewiesen. Es hat nicht als erwiesen angesehen, daß die Beklagte die in § 407 BGB geforderte Kenntnis gehabt habe. Das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht (LSG) hat dagegen auf die - nicht nach § 150 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zugelassene - Berufung des Klägers hin die Beklagte zur Zahlung von 1.608,- DM verurteilt. Es hat sein Urteil vom 7. Dezember 1965 damit begründet, daß die Beklagte - was nach § 407 BGB genüge - Kenntnis von den Tatsachen gehabt habe, die den teilweisen Übergang des Rentenanspruchs auf den Kläger bewirkt hätten.
Hiergegen hat der Kläger - die vom LSG zugelassene - Revision eingelegt.
Nachdem der Senat die Beteiligten darauf hingewiesen hatte, daß nach seiner Entscheidung vom 27. April 1967 - 4 RJ 295/66 - (SozR Nr. 18 zu § 146 SGG) die Berufung nach § 146 SGG auch dann ausgeschlossen sei, wenn ein Rentenanspruch für einen abgelaufenen Zeitraum nicht von dem Rentenberechtigten selbst, sondern von einem durch gesetzlichen Forderungsübergang zum Gläubiger gewordenen öffentlich-rechtlichen Kostenträger geltend gemacht werde, hat der Kläger ausgeführt: Die Voraussetzungen des § 146 SGG lägen nicht vor, weil der Rechtsstreit keine "Angelegenheit der Rentenversicherung" betreffe, vielmehr die Frage, ob der Träger der Rentenversicherung mit befreiender Wirkung gegenüber dem Kläger geleistet habe. Der Streit betreffe auch nicht die "Rente für bereits abgelaufene Zeiträume" i.S. des § 146 SGG. Die Rente sei nicht streitig. Der Ausgleichsfonds werde durch den gesetzlichen Forderungsübergang des § 290 Abs. 3 LAG auch nicht Rentenberechtigter. Der Forderungsübergang beziehe sich nur auf die unmittelbare Auszahlung des für den Berechtigten bewilligten Nachzahlungsbetrages. Wenn der Forderungsübergang mit allen Konsequenzen einer Rechtsnachfolge ausgestattet wäre, könnte der Anspruch nicht im Wege der Leistungsklage zwischen gleichgeordneten Rechtsträgern geltend gemacht werden, vielmehr wäre der Ausgleichsfonds auf ein Anfechtungsverfahren angewiesen. Der Ausgleichsfonds könne auch nicht auf die Rechte des Rentenberechtigten beschränkt werden, denn dieser könnte die Nachzahlung nicht ein zweites Mal fordern. Dem Ausgleichsfonds stehe also aus § 290 Abs. 3 LAG ein eigenes neues Recht zu, das sich nicht als Rentenanspruch, sondern als Ersatzanspruch darstelle.
Demgegenüber pflichtet die Beklagte der Rechtsauffassung des erkennenden Senats in dem o.a. Urteil vom 27. April 1967 bei.
Sie beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 26. November 1964 als unzulässig zu verwerfen,
hilfsweise,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils das Urteil des Sozialgerichts vom 26. November 1964 zu bestätigen und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 SGG).
II
Die Revision ist zulässig und insofern begründet, als sie zur Verwerfung der vom Kläger gegen die Klagabweisung eingelegten Berufung führt.
Das Revisionsgericht hat, bevor es die Begründetheit der Revision untersucht, von Amts wegen u.a. zu prüfen, ob die Berufung, auf der das angefochtene Urteil beruht, zulässig war. War dies nicht der Fall, so muß ohne Prüfung der erhobenen Revisionsrügen das Berufungsurteil aufgehoben werden, weil es sonst dem Revisionsverfahren an einer entscheidenden Grundlage fehlt (BSG 1, 227, 230; 2, 225, 226 und 246; 3, 124, 126). Die hiernach anzustellende Prüfung ergibt im vorliegenden Falle, daß die Berufung des Klägers gegen die klagabweisende Entscheidung des Sozialgerichts nach § 146 SGG der Zulässigkeit entbehrt. Nach dieser Vorschrift ist in Angelegenheiten der Rentenversicherungen die Berufung nicht zulässig, soweit sie - u.a. - nur die Rente für bereits abgelaufene Zeiträume betrifft. Die Vorschrift gilt nicht nur für Verfahren zwischen dem Rentenbewerber selbst und dem Versicherungsträger, sondern auch dann, wenn ein Gläubiger, der auf Grund eines gesetzlichen Forderungsübergangs in diese Stellung eingerückt ist, den Rentenanspruch geltend macht. Dies hat der erkennende Senat durch das bereits angeführte Urteil vom 27. April 1967 hinsichtlich eines auf den Kostenträger der Kriegsopferversorgung nach § 71 a des Bundesversorgungsgesetzes a.F. übergeleiteten Rentenanspruchs entschieden und ausgeführt, daß er seine in BSG 13, 94, 95 für einen nach § 290 Abs. 3 LAG übergegangenen Rentenanspruch geäußerte abweichende Ansicht aufgebe. Inzwischen hat der 3. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) hinsichtlich eines nach § 183 Abs. 3 Satz 2 der Reichsversicherungsordnung auf den Träger der Krankenversicherung übergegangenen Rentenanspruchs in gleichem Sinne entschieden (3 RK 43/67 vom 23. August 1967). Das Vorbringen des Klägers gibt dem erkennenden Senat keine Veranlassung, von dieser - neuen - Rechtsprechung abzuweichen. Wenn auch im Mittelpunkt des vorliegenden Rechtsstreits die Frage steht, ob die Beklagte durch die Aushändigung der Nachzahlung an die Rentnerin mit befreiender Wirkung geleistet hat, so betrifft dennoch der Rechtsstreit, in dem ein kraft Gesetzes übergegangener Anspruch auf eine Rente aus der Rentenversicherung der Arbeiter geltend gemacht wird, eine "Angelegenheit der Rentenversicherung". Dies hat nicht nur das BSG bereits in seiner Entscheidung vom 19. Oktober 1960 (BSG 13, 94, 95), sondern auch das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 19. September 1962 (NJW 1962, 2218) anläßlich der Prüfung des Rechtswegs bei gesetzlichem Forderungsübergang nach § 290 Abs. 3 LAG - Sozialgerichtsbarkeit oder allgemeine Verwaltungsgerichtsbarkeit - mit eingehender Begründung ausgesprochen. Darin ist auch ausgeführt, daß sich die Rechtsnatur des Rentenanspruchs - entgegen der Meinung des Klägers - durch den Forderungsübergang nach § 290 Abs. 3 LAG nicht ändert. Der Kläger ist demnach durch den gesetzlichen Forderungsübergang Gläubiger des zunächst der Rentnerin erwachsenen Rentenanspruchs geworden. Diesen Rentenanspruch macht er - wenn auch mit einer reinen Leistungsklage - im Streitverfahren geltend und hat ihn auch im Berufungsverfahren geltend gemacht. Deshalb "betraf" die Berufung die Rente ohne Rücksicht darauf, daß über die Höhe der Nachzahlung, um welche die Witwenrente zu erhöhen war, kein Streit bestand. Hiernach war die Berufung, da sich der mit ihr verfolgte Anspruch auf Rentennachzahlung - darüber herrscht unter den Beteiligten kein Streit - nur auf die Vergangenheit bezog, nach § 146 SGG ausgeschlossen.
§ 149 SGG vermag schon deshalb nicht zu einem anderen Ergebnis zu führen, weil, wie auch der Kläger in seinem Schriftsatz vom 21. August 1967 nicht zu verkennen scheint, jene Vorschrift nur für Berufungen mit einem Beschwerdewert bis 500,- DM eine - negative - Regelung trifft, über die Zulässigkeit von Berufungen mit höherem Beschwerdewert jedoch nichts aussagt; insoweit bleibt es, wie der Senat in seinem Urteil vom 27. April 1967 ausgeführt hat, bei den Vorschriften der §§ 143 bis 148 SGG, also auch bei dem Berufungsausschluß nach § 146 SGG.
Hiernach muß das Urteil des LSG aufgehoben und die Berufung des Klägers gegen die erstinstanzliche Entscheidung als unzulässig verworfen werden.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 Abs. 4 SGG.
Fundstellen