Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 22.11.1984) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 22. November 1984 insoweit aufgehoben, als es über die Gewährung von Kurzarbeitergeld entschieden hat. In diesem Umfang wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision der Klägerin wird als unzulässig verworfen.
Tatbestand
I
Die Klägerin hat außer für andere auch für ihren Arbeitnehmer S. (S.) die Zahlung von Kurzarbeitergeld (Kug) und Zuschüssen zu den Beiträgen zur Kranken- und Rentenversicherung für den Zeitraum vom 6. April bis 31. Mai 1981 beantragt. Im Arbeitsbereich des S. wurde vom 13. bis 25. April 1981 nicht gearbeitet. S. hatte am 1. April 1981 seinen Tarifurlaub angetreten. Mach den tatsächlichen Feststellungen des Landessozialgerichts (LSG) war er vom 13. bis 24. April 1981 arbeitsunfähig krank. Das Arbeitsamt lehnte den Antrag der Klägerin hinsichtlich des S. mit der Begründung ab, dieser habe während seiner Erkrankung aus anderen als den für den Eintritt von Kug maßgeblichen Gründen nicht gearbeitet. Auch aus § 65 Abs. 4 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) könne die Klägerin ihr Begehren nicht herleiten. S. sei nicht während des Bezuges von Kug arbeitsunfähig geworden. Damit habe die Klägerin auch keinen Anspruch auf die begehrten Beitragszuschüsse.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen (Urteil vom 20. April 1983). Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg. Zur Begründung hat das LSG in seinem Urteil vom 22. November 1984 ausgeführt, dem Arbeitnehmer S. habe kein Kug zugestanden. Gesetzliche Grundlage hierfür seien § 64 Abs. 1 Nr. 1 und § 65 Abs. 3 und 4 AFG idF vom 18. August 1980 (BGBl I 1469). Ausgangslage sei der Ausschluß des Anspruches auf Kug für Zeiten des Urlaubs gemäß § 65 Abs. 3 AFG und die Frage, ob § 65 Abs. 4 AFG hiervon eine Ausnahme zulasse. Dies sei nicht der Fall. S. sei nicht während des Bezuges von Kug arbeitsunfähig geworden. Man könne auch nicht den Gewährungszeitraum als Bezugszeit ansehen mit der Folge, daß S. während des Bezuges von Kug arbeitsunfähig geworden sei. Er habe überhaupt erst am 13. April 1982 einen Kug-Anspruch erwerben können, weil erst von da ab in seinem Arbeitsbereich nicht gearbeitet worden sei. Daß er Urlaub gehabt habe, sei unerheblich. Entscheidend sei, daß sein Anspruch auf Kug nicht bereits vor der Erkrankung begründet worden sei, sondern frühestens gleichzeitig mit ihr. Nach dem Sprachgebrauch sei der Begriff „während” dahin zu deuten, daß, wenn eine Rechtsfolge an den Eintritt eines Ereignisses während eines bestimmten Zeitraumes geknüpft werde, dieser Zeitraum bei Eintritt des Ereignisses schon begonnen haben müsse. Das sei aber bei Gleichzeitigkeit nicht der Fall.
Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie eine Verletzung des § 65 Abs. 4 AFG rügt. Zur Begründung führt sie aus, das angefochtene Urteil setze den Begriff „während des Bezuges von Kurzarbeitergeld” gleichbedeutend mit dem Entstandensein eines individuellen Anspruchs auf Kug. Indessen liege es unter Berücksichtigung des kollektiven Tatbestandes der Kurzarbeit nahe, als Zeitraum des Bezuges denjenigen anzunehmen, für den Kug beantragt und ausgezahlt werde. Das sei gemäß § 72 Abs. 2 Satz 3 AFG iVm § 64 Abs. 1 Nr. 3 AFG der zusammenhängende Zeitraum von mindestens vier Wochen, in dem ein Arbeitsausfall von einem bestimmten Mindestumfange im Betrieb eintrete. Für diesen Zeitraum werde, sofern auch die übrigen Voraussetzungen gegeben seien, Kug gewährt, bzw aus der Sicht des Betriebes bezogen. Dieser Zeitraum umfasse hier die Zeit vom 6. April bis 31. Mai 1981. Die am 13. April 1981 eingetretene Arbeitsunfähigkeit des S. sei mithin während des Bezuges von Kug eingetreten. Diese Auslegung entspreche auch dem gesetzgeberischen Zweck und einer sinnvollen Gesamtregelung beim Zusammentreffen von Krankheit und Kurzarbeit. Wenn der Arbeitnehmer während des Bezuges von Kug arbeitsunfähig werde, bestehe Anspruch auf Kug gemäß § 65 Abs. 4 AFG, und die Beklagte sei leistungspflichtig. Seien Arbeitnehmer erkrankt, bevor in ihrem Betrieb die Voraussetzungen für den Bezug von Kug erfüllt seien, werde Krankengeld in Höhe des Kug gewährt (§ 164 Abs. 2 AFG). Leistungspflichtig sei die Krankenkasse. Ein sinnvolles Ineinandergreifen beider Vorschriften sei nur dann gewährleistet, wenn man der hier vertretenen Auslegung des § 65 Abs. 4 AFG folge.
Offengelassen habe der Gesetzgeber die Frage, was geschehen solle, wenn die Arbeitsunfähigkeit weder vor noch während des Zeitraumes eintrete, in dem im Betrieb die Voraussetzungen für den Bezug von Kug erfüllt seien, sondern gleichzeitig; insoweit bestehe eine Gesetzeslücke. Diese sei dahin auszufüllen, daß in den Fällen, in denen Arbeitsunfähigkeit und Entstehen des Anspruches auf Kug gleichzeitig eintreten, der Tatbestand des § 65 Abs. 4 AFG als erfüllt anzusehen sei. Auf eine entsprechende Auslegung hätten sich auch die Spitzenverbände der Krankenversicherungsträger und die Beklagte in einem Spitzengespräch vom 20. November 1980 verständigt. Es sei unverständlich, warum sich die Beklagte an diese Vereinbarung, die nicht nur der gesetzgeberischen Praktikabilität, sondern auch der gesetzgeberischen Intention entspreche, im vorliegenden Falle nicht mehr gebunden fühle.
Die Klägerin beantragt,
die Urteile der Vorinstanzen sowie die angefochtenen Bescheide aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Kurzarbeitergeld für den Arbeitnehmer U. S. für den Zeitraum vom 13. bis 25. April 1981 und für diese Zeit Zuschüsse zu den Beiträgen zur Krankenversicherung und zur Rentenversicherung für den Arbeitnehmer S. zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beigeladenen haben sich zur Sache nicht geäußert.
Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz –SGG–) einverstanden.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Klägerin ist unzulässig, soweit sie die Gewährung von Beitragszuschüssen gemäß § 163 Abs. 2 und § 166 Abs. 2 AFG betrifft. Es fehlt insoweit die gemäß § 164 Abs. 2 SGG zwingend vorgeschriebene Begründung.
Dieses Erfordernis gilt bei einer Mehrheit von Ansprüchen, die mit demselben Rechtsmittel verfolgt werden, für jeden von ihnen (allgemeine Ansicht; BSG SozR 1500 § 164 Nr. 22 mwN). Hier macht die Klägerin drei selbständige Ansprüche geltend: einmal die Gewährung von Kug, sodann die Zahlung von Zuschüssen zu den Krankenversicherungsbeiträgen und schließlich die Zahlung von Zuschüssen zu Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung. Die Selbständigkeit der jeweiligen Ansprüche folgt daraus, daß der Arbeitgeber anstelle und unter Ausschluß der Klagebefugnis der einzelnen Arbeitnehmer deren Anspruch auf Kug geltend macht. Er ist insoweit Prozeßstandschafter der Arbeitnehmer. Die Ansprüche auf Erstattung von Beiträgen, die dem Arbeitgeber gemäß § 163 Abs. 2 Satz 2, § 166 Abs. 3 Satz 2 AFG zustehen, sind dagegen eigenständige Ansprüche des Arbeitgebers gegen die Beklagte (BSG SozR 4100 § 163 Nr. 3). Für jeden dieser Ansprüche bedarf es daher gemäß § 164 Abs. 2 SGG eines bestimmten Antrages und der Bezeichnung der verletzten Rechtsnorm. Letztere fehlt jeweils, soweit die Klägerin die Gewährung von Beitragszuschüssen geltend macht. Sie hat insoweit lediglich einen bestimmten Antrag gestellt. Eine Begründung für diesen Antrag fehlt in der Revisionsbegründungsschrift. Unerheblich ist, daß das LSG in seinem Urteil nicht die Gründe angegeben hat, die dafür leitend waren, weshalb es der Berufung auch hinsichtlich der Beitragserstattungsansprüche nicht entsprochen hat. Das enthebt die Klägerin lediglich insoweit von einer Auseinandersetzung mit dem Urteil der Vorinstanz, berechtigt sie jedoch nicht, die Begründung überhaupt zu unterlassen. Das würde mit dem Zweck des Begründungszwanges nicht im Einklang stehen. Hierdurch soll klargestellt werden, in welchen Punkten und aus welchen Gründen die angefochtene Entscheidung angegriffen wird (BSG SozR 1500 § 164 Nr. 22). Außerdem soll durch den Begründungszwang, auch zur Entlastung des Revisionsgerichts, sichergestellt werden, daß der Prozeßbevollmächtigte das angefochtene Urteil im Hinblick auf das Rechtsmittel der Revision überprüft und mit Blickrichtung hierauf die Rechtslage genau durchdenkt. Das muß die Revisionsbegründung erkennen lassen (BSG SozR 1500 § 164 Nr. 12). Hat hiernach die Klägerin in dieser Hinsicht ihrer Pflicht zur Begründung der Revision nicht genügt, muß das Rechtsmittel insoweit ohne Prüfung in der Sache als unzulässig gemäß § 169 SGG verworfen werden.
Die Revision ist hinsichtlich des von der Klägerin geltend gemachten Kug-Anspruches zulässig und insoweit begründet, als die Sache in diesem Umfange an das LSG zurückzuverweisen ist. Die tatsächlichen Feststellungen des LSG lassen eine abschließende Entscheidung des Senates nicht zu. Der Auffassung der Vorinstanzen und der Beklagten, der von der Klägerin geltend gemachte Kug-Anspruch scheitere schon daran, daß die Voraussetzungen des Absatzes 4 des § 65 AFG, der durch Art. II § 2 Nr. 2 des Sozialgesetzbuches – Verwaltungsverfahren – (SGB 10) vom 18. August 1980 (BGBl I 1980, 1469) eingefügt worden ist, nicht gegeben seien, weil der Arbeitnehmer S. nicht während des Bezuges von Kug arbeitsunfähig geworden sei, vermag der Senat nicht zu folgen.
Nach § 65 Abs. 1 AFG hat Anspruch auf Kug, wer nach Beginn des Arbeitsausfalles in einem Betrieb, in dem nach § 64 AFG Kug gewährt wird, eine die Beitragspflicht begründende Beschäftigung ungekündigt fortsetzt oder aus zwingenden Gründen aufnimmt und infolge des Arbeitsausfalles ein vermindertes oder kein Arbeitsentgelt bezieht. Kein Anspruch auf Kug besteht gemäß § 65 Abs. 3 AFG ua für Zeiten, in denen die Arbeit aus anderen als den in § 64 AFG genannten Gründen ausfällt, insbesondere nicht für Zeiten des Urlaubs und auch nicht für Zeiten, für die ein Anspruch auf Arbeitsentgelt besteht. Die Tatsache, daß S. seit dem 1. April 1981 Tarifurlaub hatte und während des Urlaubs erkrankt war, steht einem Kug-Anspruch nicht entgegen. Der Urlaub für Arbeitnehmer ist im Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) geregelt; von dessen Vorschriften kann jedoch gemäß § 13 Abs. 1 BUrlG in Tarifverträgen abgewichen werden, soweit nicht gegen die gesetzlichen Mindestregelungen, nach denen jeder Arbeitnehmer in jedem Urlaubsjahr bezahlten Erholungsurlaub von einer bestimmten Mindestdauer beanspruchen kann, verstoßen wird. Die abweichenden Bestimmungen haben zwischen nichttarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern Geltung, wenn zwischen ihnen die Anwendung der einschlägigen Urlaubsregelungen vereinbart wird. Von solchen Regelungen haben die Parteien des Manteltarifvertrages für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden in der Eisen- und Stahlindustrie von Nordrhein-Westfalen, Bremen, Georgs-Marien-Hütte, Osnabrück, Dillenburg und Niederschelden vom 6. Januar 1979 (MTV Stahl) in den Bestimmungen der §§ 12 bis 15 Gebrauch gemacht. Dieser Tarifvertrag gilt gemäß seinem § 1 auch für die Klägerin, die dem Arbeitgeberverband Eisen- und Stahlindustrie e.V. angehört (Reinecke-Stumpfe, Kommentar zum MTV Stahl, 2. Aufl, Anm. 1 zu § 1). Ob diese Bestimmungen auch für den Arbeitnehmer S. gelten – sei es, weil er Mitglied der vertragschließenden Gewerkschaft ist oder dies durch Einzelvertrag vereinbart ist –, kann dahingestellt bleiben. Die hier maßgebliche Bestimmung des MTV Stahl und die entsprechenden Bestimmungen des BUrlG führen nicht zu unterschiedlichen Ergebnissen. Nach § 9 BUrlG werden, wenn ein Arbeitnehmer während des Urlaubs erkrankt, die durch ärztliches Zeugnis nachgewiesenen Tage der Arbeitsunfähigkeit auf den Jahresurlaub nicht angerechnet. Eine damit übereinstimmende Bestimmung enthält § 13 Ziff 8 Abs. 1 MTV Stahl. Hiernach wird der Urlaub also durch die Erkrankung unterbrochen, was bedeutet, daß S. in der Zeit vom 13. bis 24. April 1981 keinen Urlaub hatte, weil er in dieser Zeit nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG arbeitsunfähig erkrankt war.
Der von der Beklagten in ihrem Dienstblatt-Runderlaß 51/82 vom 10. Februar 1982 vertretenen Auffassung, daß § 9 BUrlG lediglich die Nichtanrechnung der durch ärztliches Zeugnis nachgewiesenen Tage der Arbeitsunfähigkeit auf den Urlaub regelt, ohne zu bestimmen, daß der Urlaub im Falle der Erkrankung des Arbeitnehmers endet, so daß schon deshalb die Voraussetzungen des § 65 Abs. 4 AFG nicht erfüllt seien, vermag der Senat nicht zu folgen. Der Beklagten ist einzuräumen, daß § 9 BUrlG auf den ersten Blick den Eindruck einer Anrechnungsvorschrift macht, deren Funktion sie auf jeden Fall erfüllt. Hinter ihr steht jedoch der Gedanke, daß bei einer Erkrankung während des Urlaubs die Krankheit nunmehr der einzige Grund ist, der den Arbeitnehmer an der Arbeitsleistung hindert und daher die Bestimmungen des Lohnfortzahlungsgesetzes (LFZG) eingreifen (BAG AP § 9 BUrlG Nr. 2). Das bedeutet also, daß der Urlaub durch die Krankheit unterbrochen wird, sofern der Arbeitnehmer vor dem vorgesehenen Urlaubsende wieder arbeitsfähig wird, oder endet, wenn die Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers erst nach dem vorgesehenen Urlaubsende eintritt. Ob S. am 25. April 1981 seinen Urlaub fortgesetzt hat oder ob er nicht gearbeitet hat, weil Arbeitsausfall bestand, läßt sich den tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht entnehmen. Es wird diese ggf nachzuholen haben.
Dafür, daß S. einen das Kug ausschließenden Anspruch auf Arbeitsentgelt gehabt hat, bestehen keine Anhaltspunkte. Auch der Umstand, daß er am selben Tage, an dem erstmalig Arbeitsausfall in seinem Arbeitsbereich eingetreten ist, arbeitsunfähig geworden ist, rechtfertigt den Ausschluß des Anspruchs auf Kug gemäß § 65 Abs. 3 AFG nicht. Dem steht der Regelungszusammenhang des § 65 Abs. 4 AFG entgegen. Hiernach besteht abweichend von § 65 Abs. 3 AFG Anspruch auf Kug auch dann, wenn der Arbeitnehmer während des Bezuges von Kug arbeitsunfähig wird, solange Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfalle besteht oder ohne den Arbeitsausfall bestehen würde. Die Rechtsfolge des § 65 Abs. 4 AFG ist also ua daran geknüpft, daß der Arbeitnehmer während des Bezuges von Kug arbeitsunfähig wird. Das läßt sich hier aufgrund der bisherigen tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht ausschließen.
Nach § 105b AFG verliert der Arbeitslose den Anspruch auf Alg für die Zeit seiner Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen nicht dadurch, daß er während des Bezuges dieser Leistung infolge Krankheit arbeitsunfähig erkrankt. Die Rechtsfolge des § 105b AFG ist also ebenso wie die Rechtsfolge des § 65 Abs. 4 AFG daran geknüpft, ob der Leistungsempfänger während des Bezuges arbeitsunfähig wird. Zu § 105b AFG hat der Senat bereits entschieden, hierfür sei nicht erforderlich, daß dem Arbeitslosen vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit das Alg schon bewilligt oder gar ausgezahlt war. Erforderlich sei jedoch, daß zumindest ein realisierbarer Anspruch auf Zahlung für eine Zeit vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit besteht (BSG SozR 4100 § 105b Nr. 3). Legt man diese Grundsätze bei der Gewährung von Kug zugrunde, so hätte dies zur Folge, daß ein Anspruch auf Kug im Falle von Arbeitsunfähigkeit nicht zu verwirklichen wäre, da der Erkrankte noch keinen konkretisierten Anspruch auf Kug hätte. Kug wird nachträglich für den Zeitraum ausgezahlt, für den es beantragt worden ist (§ 72 Abs. 4 AFG). Ein entsprechender Antrag kann erst nach Ablauf des nach § 64 Abs. 1 Nr. 3 AFG maßgeblichen Zeitraumes Wirkung entfalten. Vor Ablauf dieses Zeitraumes, in den die Arbeitsunfähigkeit fällt, kann ein Anspruch auf Kug nicht entstehen. Dieser unterschiedlichen Rechtslage trägt der Gesetzgeber bei der Krankenversicherung der Arbeitslosen und der Kurzarbeiter insoweit Rechnung, als nach § 155 AFG ua auf den Bezug von Alg abgestellt wird; nach § 162 AFG bleibt hingegen die Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger in der gesetzlichen Krankenversicherung erhalten, solange sie Anspruch auf Kug haben. „Bezug” iS von § 65 Abs. 4 AFG kann daher nicht gleichgesetzt werden mit dem Bezug iS von § 105b AFG.
Entscheidend für die Beurteilung, wann Bezug von Kug vorliegt, ist, wie der Senat bereits entschieden hat, daß Kug dem einzelnen Arbeitnehmer für Lohnausfall gewährt wird (seit dem 1. Januar 1982 begrenzt durch den durch das Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetz vom 22. Dezember 1981 –BGBl I 1497– eingefügten Absatz 2a des § 65 AFG), den er infolge einer oder mehrerer Ausfallstunden erleidet, die auf wirtschaftlichen Ursachen, einschließlich betrieblicher Strukturveränderungen, oder auf unabwendbaren Ereignissen beruhen und unvermeidbar sind. Der Anspruch auf Kug ist weiterhin davon abhängig, daß der Arbeitnehmer in einem Betrieb beschäftigt ist, in dem überhaupt Kug gewährt wird, dh, in dem ua die betrieblichen Voraussetzungen des § 64 Abs. 1 Nr. 3 AFG vorliegen (§ 65 Abs. 1 Nr. 1 AFG). Erst bei Vorliegen der in § 64 AFG geforderten betrieblichen Voraussetzungen wird allen Arbeitnehmern des Betriebes nach Maßgabe der jeweiligen Ausfallstunden Kug gewährt (vgl. BSGE 50, 116, 118 = SozR 4100 § 64 Nr. 4; BSG SozR 4100 § 64 Nr. 5). Diese betrieblichen Voraussetzungen des § 64 Abs. 1 Nr. 3 AFG sind gegeben, wenn in einem zusammenhängenden Zeitraum von mindestens vier Wochen, der mit dem Tage beginnt, an dem ein Arbeitsausfall nach Eingang der Anzeige dieses Arbeitsausfalls eintritt, für die dort bestimmte Zahl der Arbeitnehmer des Betriebes oder der Betriebsabteilung (§ 63 Abs. 3 AFG) ein bestimmter Bruchteil der Arbeitszeit ausfällt. Da das Kug gemäß § 72 Abs. 2 Satz 2 AFG jeweils für den nach § 64 Abs. 1 Nr. 3 AFG maßgeblichen Zeitraum beantragt und gewährt wird, ist, wie die Klägerin zutreffend erkannt hat, dieser Zeitraum (Gewährungszeitraum) der Anknüpfungspunkt für den Bezug von Kug gemäß § 65 Abs. 4 AFG, dh, in ihm stehen alle Arbeitnehmer des Betriebes im Kug-Bezug. Daher ist es grundsätzlich unerheblich, wann die Erkrankung in ihm eintritt. Wann im vorliegenden Falle der Gewährungszeitraum begonnen hat, läßt sich den tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht entnehmen. Es hat zwar ausgeführt, daß der Gewährungszeitraum für die Klägerin die Zeit vom 6. April bis 31. Mai 1981 war. Hierbei handelt es sich jedoch um eine rechtliche Schlußfolgerung. Auf welchen tatsächlichen Grundlagen diese beruht, ergibt sich aus dem Urteil des LSG nicht. Es ist daher nicht auszuschließen, daß die Erkrankung, die zur Arbeitsunfähigkeit von S. geführt hat, am ersten Tage des Gewährungszeitraumes eingetreten ist, nämlich an dem ein Arbeitsausfall erstmals nach Eingang der Anzeige nach § 64 Abs. 1 Nr. 4 AFG eintritt (§ 64 Abs. 1 Nr. 3 AFG). Auch dann würde aber die Regelung des § 65 Abs. 4 AFG einem Anspruch des S. auf Kug nicht entgegenstehen, wonach erforderlich ist, daß der Arbeitnehmer während des Bezuges von Kug arbeitsunfähig wird.
„Während” bedeutet, wie das LSG zutreffend erkannt hat, dem Wortsinne nach, daß der Anspruch auf Kug bereits vor dem Eintritt der Arbeitsunfähigkeit bestand. Dies ist hier nicht der Fall. S. hatte vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit Urlaub, was zur Folge hätte, daß er gemäß § 65 Abs. 3 AFG schon aus diesem Grunde bis zum Eintritt der Arbeitsunfähigkeit keinen Anspruch auf Kug haben konnte. Andererseits ist nicht zu verkennen, daß S. bei der vorliegenden Fallkonstellation auch nicht von der Regelung des § 164 Abs. 2 AFG idF vom 18. August 1980 (BGBl I 1490) erfaßt wird. Hiernach wird für Versicherte, die arbeitsunfähig erkranken, bevor in ihrem Betrieb die Voraussetzungen für den Bezug von Kug erfüllt sind, solange Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfalle besteht, neben dem Arbeitsentgelt als Krankengeld (von der Krankenkasse) der Betrag des Kug gewährt, den der Versicherte erhielte, wenn er nicht arbeitsunfähig wäre. Hier wird also vorausgesetzt, daß der Versicherte Kug beanspruchen könnte, wenn er nicht arbeitsunfähig wäre. Er hätte hiernach auch keinen Anspruch auf Krankengeld in Höhe des Kug, sofern er einen Anspruch auf Lohnfortzahlung hat, weil er, wenn er nicht arbeitsunfähig wäre, Urlaub hätte. Er hätte allerdings gemäß § 182 Abs. 3 Reichsversicherungsordnung (RVO) einen Anspruch auf Krankengeld, das sich nach § 189 RVO um das möglicherweise vom Arbeitgeber zu zahlende Arbeitsentgelt minderte, sofern Anspruch auf Lohnfortzahlung besteht. Er würde also, sofern er einen Anspruch auf Lohnfortzahlung hat, anders behandelt als die Gruppe der Arbeitnehmer, denen dieser Anspruch gleichfalls zusteht und mit Kurzarbeit gemäß § 64 Abs. 1 AFG zusammenfällt. Dieses Ergebnis, das allein darauf beruht, daß Arbeitsunfähigkeit und Arbeitsausfall gleichzeitig aufgetreten sind, steht nicht im Einklang mit dem allein maßgeblichen erkennbaren Willen des Gesetzgebers, was aus der Gesetzesgeschichte folgt.
Der § 164 Abs. 1 AFG regelt die Krankengeldansprüche für Bezieher von Kug, die keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle haben. § 164 Abs. 2 AFG in der bis zum 31. Dezember 1980 geltentenden Fassung (s Art. 2 § 40 SGB 10, BGBl I 1980, 1469) regelte uneingeschränkt die Zahlung für Versicherte, die Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfalle hatten, sofern ihnen Kug zustand, wenn sie nicht arbeitsunfähig geworden wären. Hierbei kam es nicht darauf an, wie der 3. Senat des BSG bereits in seinem Urteil vom 22. Juni 1979 (BSGE 48, 214, 216 = SozR 4100 § 164 Nr. 2) ausgeführt hat, ob zunächst der Wegfall der Arbeitsfähigkeit durch Krankheit eintrat oder zuerst der Ausfall wegen der in § 64 Abs. 1 AFG genannten Gründe. Solange der Versicherte Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle hatte, war ihm neben oder anstelle des Arbeitsentgelts als Krankengeld der Betrag des Kug zu gewähren, den er erhalten hätte, wenn er nicht arbeitsunfähig geworden wäre. In allen Fällen erhielt hiernach der Versicherte einen Lohnausgleich, so daß er dem nicht erkrankten Arbeitnehmer gleichstand. An diesem Ergebnis wollte der Gesetzgeber mit der Anfügung des Absatzes 4 bei dem § 65 AFG und der Neufassung des § 164 Abs. 2 AFG durch Art. II § 2 Nrn 2 und 22 SGB 10 nichts ändern. Er wollte, wie aus der Beschlußempfehlung und dem Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung hervorgeht (BT-Drucks 8/4022, S 89 zu § 2 Arbeitsförderungsgesetz), Unzuträglichkeiten, die seiner Ansicht nach durch den bisherigen Wechsel des Leistungsträgers auftraten, durch eine Leistungsfortzahlung im Krankheitsfalle nach dem Vorbild des LFZG beseitigen. Er hat deshalb gesetzliche Regelungen beschlossen, nach denen Lohnersatzleistungen im Krankheitsfalle grundsätzlich anstelle von Krankengeld fortgezahlt werden sollen. Aus diesem Grunde hat er für das Kug die Regelung des § 65 Abs. 4 AFG getroffen, wonach bei Erkrankung während des Bezuges von Kug Anspruch auf Fortzahlung dieser Leistung besteht, sofern der Arbeitnehmer für den Krankheitsfall Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgeltes hat. Dies hat er bei der Änderung des § 164 Abs. 2 Satz 1 AFG berücksichtigt und klargestellt, daß diese Vorschrift in Zukunft nur noch für Versicherte Bedeutung hat, die bereits erkrankt waren, bevor die Voraussetzungen für den Bezug des Kug erfüllt waren (BT-Drucks 8/4022, S 89 zu § 2 Nr. 1a und 3a; S 91 zu § 2 Nr. 10b). Der Gesetzgeber wollte also die Zuständigkeit des Leistungsträgers für den gesamten Zeitraum regeln, in dem der Versicherte Anspruch auf Zahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfalle hat und außerdem Kurzarbeit eintritt, also auch Fälle wie den vorliegenden. Offenbar hat er jedoch hierbei nicht an die Fallkonstellation gedacht, daß Arbeitsausfall und Arbeitsunfähigkeit gleichzeitig auftreten können, weil dies nicht häufig vorkommen dürfte. Falls ihm das Fehlen einer entsprechenden Regelung aufgefallen wäre, hätte er daher auch bestimmt, welcher Anspruch dem Versicherten zusteht, nämlich der auf Kug gegen die Beklagte oder der auf Krankengeld in Höhe des Kug gegen die Krankenkasse. Es besteht also insoweit eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes. Diese Lücke ist nach dem Plan des Gesetzes zu schließen.
Dieser Plan geht dahin, die Unzuträglichkeiten, die sich durch den Wechsel des Leistungsträgers ergaben, durch eine Leistungsfortzahlung im Krankheitsfalle nach dem Vorbild des LFZG zu beseitigen (BT-Drucks 8/4022, S 89 zu § 2 Arbeitsförderungsgesetz). Da hiernach Leistungen im Krankheitsfalle grundsätzlich bis zur Dauer von sechs Wochen vorgesehen sind (§ 1 Abs. 1 LFZG), hätte der Gesetzgeber den vorliegenden Fall unter die Regelung des § 65 Abs. 4 AFG eingeordnet, dh, Anspruch auf Kug besteht auch, wenn Arbeitsausfall und Arbeitsunfähigkeit gleichzeitig eintreten. Mit dieser Regelung wird ein Wechsel der Zuständigkeit eher vermieden, als wenn die Zuständigkeit des Krankenversicherungsträgers begründet würde. Erfahrungsgemäß ist die Zahl der Krankheitsfälle, die Arbeitsunfähigkeit mit einer Dauer von über sechs Wochen zur Folge haben, erheblich niedriger als die der Krankheitsfälle, die bis zu sechs Wochen dauern. Die Wahrscheinlichkeit, daß es zu einem Wechsel des Trägers kommt, der durch die Neuregelung verhindert werden sollte, ist daher bei der Einbeziehung des vorliegenden Falles in die Regelung des § 65 Abs. 4 AFG geringer und entspricht damit auch den Intentionen des Gesetzgebers.
Obwohl hiernach der gleichzeitige Eintritt von Arbeitsunfähigkeit und Arbeitsausfall dem Anspruch auf Kug nicht entgegensteht, kann der Senat keine abschließende Entscheidung über die Gewährung dieser Leistung für den Arbeitnehmer S. treffen. Der § 65 Abs. 4 AFG setzt weiterhin voraus, daß S. Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfalle hat oder ohne den Arbeitsausfall haben würde. Ob dies der Fall ist, läßt sich den tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht entnehmen. Dem könnte entgegenstehen, daß S. seine Arbeitsunfähigkeit selbst verschuldet hat oder daß der Anspruch auf Lohnfortzahlung wegen Anrechnung von Zeiten der Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit erschöpft ist (§ 1 Abs. 1 Satz 2 LFZG). Das LSG wird diese und auch die weiteren Feststellungen, die für das Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung des Kug für S. erforderlich waren, noch nachzuholen haben.
Die Sache muß daher gemäß § 170 Abs. 2 Satz 2 SGG an das LSG zurückverwiesen werden, das auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben wird.
Fundstellen