Entscheidungsstichwort (Thema)

Neufeststellung des Berufsschadensausgleichs. Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen. Berufungsausschluß

 

Orientierungssatz

1. § 50 Abs 1 SGB 10 läßt nach Wortlaut, Sinn und Zweck keine Prüfung der Gründe mehr zu, die die Rücknahme des bisherigen Leistungsbescheides rechtfertigen. Seit dem Inkrafttreten des SGB 10 am 1. Januar 1981 sind die Rücknahmegründe einschließlich des Vertrauensschutzes allein als Voraussetzung für die Neufeststellung des Anspruchs auf Berufsschadensausgleich zu prüfen (§ 48 SGB 10). Ob die Aufhebung rechtmäßig war, ist, nachdem das SG entschieden hat, nicht mehr durch Rechtsmittelgerichte sachlich zu kontrollieren; denn insoweit ist die Berufung nach § 48 Nr 3 SGG unzulässig.

2. Die gesetzliche Neuregelung der Rücknahme eines - von Anfang an oder nach Änderung der Verhältnisse - rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes (§§ 45 und 48 SGB 10) und der Erstattung bereits durch Verwaltungsakt erbrachter Leistungen (§ 50 Abs 1 SGB 10) rechtfertigt es nicht, die bisherige Rechtsprechung des BSG zum Berufungsausschluß in Angelegenheiten der Rentenversicherung und der Kriegsopferversorgung aufzugeben (Anschluß an BSG vom 30.5.1985 11a RA 66/84 = SozR 1500 § 146 Nr 18; BSG vom 11.7.1985 5b RJ 80/84 = SozR 1500 § 146 Nr 19; BSG vom 27.11.1985 10 RKg 7/85 = SozR 5870 § 27 Nr 2).

 

Normenkette

SGB 10 §§ 45, 48, 50 Abs 1; SGG § 148 Nr 3; BVG § 30 Abs 3

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 26.11.1984; Aktenzeichen L 7 V 91/84)

SG Detmold (Entscheidung vom 13.06.1984; Aktenzeichen S 19 V 9/82)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten für die Vergangenheit um eine Neufeststellung des Anspruchs auf Berufsschadensausgleich und die Forderung des Beklagten, die überzahlten Leistungen zu erstatten.

Der Beklagte gewährte dem Kläger vor Vollendung seines 65. Lebensjahres unter anderem Berufsschadensausgleich aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs (Ausführungsbescheid vom 2. Januar 1979). Den Anspruch auf diese Leistung stellte der Beklagte unter Berufung auf § 48 Sozialgesetzbuch, Verwaltungsverfahren, Zehntes Buch (SGB 10) neu fest, nachdem der Kläger das 65. Lebensjahr am 12. Juni 1979 vollendet hatte: Er kürzte mit dem Ablauf des Monats, in den dieses Ereignis fiel, das Vergleichseinkommen zur Berechnung des Berufsschadensausgleichs auf 75 vH (§ 30 Abs 5 Bundesversorgungsgesetz -BVG-, § 8 Durchführungsverordnung -DV- zu § 30 Abs 3 bis 5 BVG). Damit verbunden stellte der Beklagte für die Zeit vom 1. Juli 1979 bis 31. Mai 1981 eine Überzahlung von 4.992,-- DM fest und forderte die Erstattung dieses Betrages in Raten (angefochtener Bescheid vom 17. März 1981; Widerspruchsbescheid vom 18. Dezember 1981). Klage und Berufung des Klägers sind ohne Erfolg geblieben (Urteile des Sozialgerichts -SG- vom 13. Juni 1984 und des Landessozialgerichts -LSG- vom 26. November 1984). Das LSG hat die Berufung als unzulässig verworfen, "soweit sie die Neufeststellung des Anspruchs auf Berufsschadensausgleich betrifft", und "im übrigen... zurückgewiesen": Wegen der Neufeststellung sei die Berufung nach § 148 Nr 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht statthaft, auch nicht ungeachtet dessen nach § 150 SGG. Zulässig sei die Berufung nach § 149 SGG nur, soweit sie die Rückerstattung erbrachter Leistungen betreffe. Zu solcher Rückforderung sei der Beklagte aber berechtigt, weil § 50 Abs 1 SGB 10 dafür nur noch die Aufhebung des ursprünglichen Leistungsbescheides voraussetze.

Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt der Kläger eine Verletzung der §§ 50 und 45 SGB 10. Der Beklagte habe seine Erstattungsforderung sowohl auf § 47 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung -VerfGKOV- (für Leistungen bis zum 31. Dezember 1980) als auch auf § 50 SGB 10 (für Leistungen ab 1. Januar 1981) gestützt. Das erstere sei fehlerhaft. Die gesamte Erstattung hätte nach § 50 SGB 10 verlangt werden müssen. Eine weitere Rechtsverletzung liege darin, daß im Rahmen des § 50 SGB 10 nicht die einschränkenden Voraussetzungen des § 45 SGB 10 für die Rücknahme begünstigender Verwaltungsakte geprüft worden seien.

Der Kläger beantragt, die angefochtenen Urteile vollständig und die angefochtenen Bescheide teilweise insoweit aufzuheben, wie sein Anspruch auf Berufsschadensausgleich für die Zeit vor dem 1. April 1981 neu festgestellt und Leistungen zurückgefordert worden seien, hilfsweise, die Sache unter Aufhebung des Urteils des LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Das Urteil des LSG, das sich in seinen Entscheidungsgründen sorgfältig mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung auseinandersetzt und ihr schließlich folgt, ist zu Recht ergangen. Soweit der Beklagte seinen Rückerstattungsanspruch auf § 47 VerfGKOV aF gestützt hat statt auf § 50 SGB 10, ist das rechtlich unschädlich. Denn die weitergehende Vorschrift des § 47 VerfGKOV aF umschließt die Voraussetzungen des § 50 SGB 10.

Entgegen der Meinung des Klägers läßt § 50 Abs 1 SGB 10 nach Wortlaut, Sinn und Zweck keine Prüfung der Gründe mehr zu, die die Rücknahme des bisherigen Leistungsbescheides (Ausführungsbescheid vom 2. Januar 1979) rechtfertigen (das gleiche galt für § 47 VerfGKOV aF, vgl BSG SozR Nr 17 zu § 47 VerwVG). Seit dem Inkrafttreten des SGB 10 am 1. Januar 1981 sind die Rücknahmegründe einschließlich des Vertrauensschutzes allein als Voraussetzung für die Neufeststellung des Anspruchs auf Berufsschadensausgleich zu prüfen (§ 48 SGB 10). Ob die Aufhebung rechtmäßig war, ist, nachdem das SG entschieden hat, nicht mehr durch Rechtsmittelgerichte sachlich zu kontrollieren; denn insoweit war die Berufung nach § 148 Nr 3 SGG unzulässig, wie das LSG zutreffend entschieden hat.

Die Rechtsfrage, die das LSG zur Zulassung der Revision bewogen hat, ist inzwischen vom Bundessozialgericht (BSG) geklärt. Dem schließt sich der Senat für die Angelegenheiten der Kriegsopferversorgung an: Die gesetzliche Neuregelung der Rücknahme eines - von Anfang an oder nach Änderung der Verhältnisse - rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes (§§ 45 und 48 SGB 10) und der Erstattung bereits durch Verwaltungsakt erbrachter Leistungen (§ 50 Abs 1 SGB 10) rechtfertigt es nicht, die bisherige Rechtsprechung des BSG zum Berufungsausschluß in Angelegenheiten der Rentenversicherung und der Kriegsopferversorgung aufzugeben (BSG SozR 1500 § 146 Nrn 19 und 18 sowie vom 27. November 1985 - 10 RKg 7/85-, zur Veröffentlichung bestimmt).

Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1657259

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