Leitsatz (amtlich)
Die Entscheidung über Gewährung von Sonderbeihilfen nach MRV 117 Anh § 10 Abs 1 stand auch dann im Ermessen des Arbeitsamtes falls gemäß MRV 117 Anh § 10 Abs 3 ein Notstand anzunehmen war.
Ein Rechtsanspruch des Arbeitslosen auf Sonderbeihilfe war nach diesen Vorschriften nicht gegeben.
Leitsatz (redaktionell)
1. Gegen ablehnende Bescheide ist eine zusammengefaßte Anfechtungsklage und Leistungsklage unzulässig.
2. Die unterlassene Verkündung des Beschlusses nach SGG § 60 Abs 1 S 2 bewirkt keinen wesentlichen Verfahrensmangel.
Normenkette
SGG § 54 Abs. 4 Fassung: 1953-09-03; MRV BrZ 117 Anh 1 § 10 Abs. 1, 3; SGG § 60 Abs. 1 S. 2 Fassung: 1953-09-03
Tenor
Auf die Revision der Beklagten werden das Urteil des Landessozialgerichts Schleswig vom 18. Oktober 1957 und das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 10. Juli 1956 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
I Der 1900 geborene Kläger ist von Beruf kaufmännischer Angestellter. Nach 1945 war er bis über die Währungsreform hinaus als Bauhilfsarbeiter und Wachmann tätig. Seit Juli 1948 war der Kläger mit Unterbrechungen fortgesetzt arbeitslos und bezog zunächst versicherungsmäßige Arbeitslosenunterstützung (Alu), nach deren Erschöpfung laufend Arbeitslosenfürsorgeunterstützung (Alfu). Im Oktober 1954 erhielt er eine wöchentliche Alfu von 33,90 DM. Der für ihn zuständige Richtsatz der öffentlichen Fürsorge errechnete sich zu derselben Zeit auf 33,17 DM.
Am 22. Oktober 1954 beantragte der Kläger, der vordem schon wiederholt für andere Zwecke Sonderbeihilfen von der Arbeitsverwaltung erhalten hatte, beim Arbeitsamt K die Gewährung "einer Brennstoffbeihilfe". Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom 27. Oktober 1954 abgelehnt, der Widerspruch mit Bescheid vom 12. November 1954 zurückgewiesen. Der notwendige Lehensbedarf sei als gesichert anzusehen, weil die Leistungen des Arbeitsamts an den Kläger den Richtsatz der öffentlichen Fürsorge überstiegen.
II Im Rechtsstreit vor dem Sozialgericht Schleswig trug der Kläger, der durch den Justitiar der Stadt K als Prozeßbevollmächtigten vertreten war, u. a. vor, daß infolge der Weigerung des Arbeitsamts das Fürsorgeamt der Stadt K subsidiär eingetreten sei und ihm am 12. November 1954 eine Brennstoffbeihilfe von 40,- DM gezahlt habe. Bei ihm habe ein Notstand vorgelegen; sein Lebensunterhalt sei entgegen der Annahme des Arbeitsamts nicht gedeckt gewesen. Er beantragte, die angefochtenen Bescheide aufzuheben und eventuell die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Sonderbeihilfe zur Beschaffung von Winterbrennstoff in Höhe von 40,- DM zu gewähren.
Mit Urteil vom 10. Juli 1956 hob das Sozialgericht Schleswig die Bescheide der Beklagten vom 27. Oktober und 12. November 1954 auf und erklärte diese für verpflichtet, dem Kläger unter Annahme eines Notstandes im Sinne des § 10 Abs. 1 der Militärregierungsverordnung (MRVO) 117 einen neuen anfechtbaren Bescheid zu erteilen. Berufung wurde zugelassen.
III Die Beklagte legte Berufung ein. Sie beantragte, das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 10. Juli 1956 aufzuheben und die Klage abzuweisen, und trug hierfür u. a. vor, die zur Fristung des Lebensunterhalts notwendigen Mittel seien dem Kläger durch die Alfu gewährt worden. Deshalb habe ein Notstand nicht vorgelegen, und die Voraussetzung für die Gewährung einer Sonderbeihilfe habe gefehlt. Ein Arbeitsloser müsse den Bedarf an Winterfeuerung aus der laufenden Unterstützung decken.
Der Kläger beantragte, die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß die Beklagte verurteilt wird, ihm eine Sonderbeihilfe in Höhe von 40,- DM zu gewähren.
Mit Urteil vom 18. Oktober 1957 wies das Landessozialgericht Schleswig die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurück, daß die Beklagte verurteilt wurde, dem Kläger eine Sonderbeihilfe von 40,- DM zu gewähren. Es stellte u. a. fest, daß zu Recht ein "Notstand" vom Sozialgericht angenommen worden sei. Dieser in § 10 Abs. 1 des Anh. zur Verordnung Nr. 117 enthaltene unbestimmte Rechtsbegriff finde in dessen Abs. 3 für den Bereich der Arbeitslosenfürsorge seine Legaldefinition und Konkretisierung derart, daß eine Sonderbeihilfe zu gewähren sei und der Verwaltung kein freier Spielraum für Ermessenausübung verbleibe, wenn die Unterstützung und das sonstige Einkommen des Arbeitslosen "zur Fristung des Lebensunterhalts nicht ausreichen". Es treffe im übrigen nicht zu, daß in der Alfu im Gegensatz zur öffentlichen Fürsorge die notwendigen Mittel für Hausbrand stets enthalten seien und daß eine etwaige Angleichung der Alfu an den Fürsorgerichtsatz jeden Notstand im Sinne des Arbeitslosenrechts beseitige. Die Beihilfe für Winterfeuerung sei anerkannterweise in der öffentlichen Fürsorge eine Pflichtleistung und gegen die Fürsorgebehörde im Wege der Klage erzwingbar. In gleicher Weise müsse auch einem Arbeitslosen ein Rechtsanspruch auf Sonderbeihilfe für die notwendigen Mittel zur Winterfeuerung zugebilligt werden. Tatsächlich überschreite die Alfu des Klägers den allgemeinen Fürsorgerichtsatz wöchentlich nur um 0,19 DM. Seinen häuslichen und familiären Verhältnissen nach sei davon auszugehen, daß ihm bei Beginn des Winters 1954 aus seiner Unterstützung keine Mittel zur Beschaffung von Winterfeuerung zur Verfügung standen und ihm deshalb die Gefahr drohte, frieren zu müssen. Schutz gegen Frost gehöre zur Fristung des Lebensunterhalts. Sei dieser nicht gewährleistet, müsse ein Notstand bejaht werden. Daher sei die Beklagte zu der erforderlichen Beihilfe verpflichtet und dem bereits in der ersten Instanz gestellten, vom Sozialgericht nicht beschiedenen, aber in der mündlichen Verhandlung vor dem Landessozialgericht wiederholten Antrag auf Zahlung von 40,- DM habe entsprochen werden müssen, da zwischen den Beteiligten über die Höhe der Brennstoffbeihilfe keine Meinungsverschiedenheiten bestanden.
Revision wurde zugelassen.
IV Im Urteilskopf (Rubrum) war bei der Bezeichnung der mitwirkenden Richter der zweite Landessozialrichter wie folgt benannt:
"Landessozialrichter R. B, K, bzw. Th. S, N". Der Niederschrift über die Öffentliche Sitzung des Landessozialgerichts Schleswig, 3. Senat, vom 18. Oktober 1954 war diesbezüglich zu entnehmen, daß der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten (Berufungsklägerin) den zunächst der Richterbank angehörigen Landessozialrichter B, Stadtrat in K, wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, dieser selbst das Ablehnungsgesuch für begründet erachtet hatte und daß nach dessen Ausscheiden im allseitigen Einverständnis die Verhandlung nach Heranziehung des geschäftsplanmäßigen Vertreters Landessozialrichter S, N, durchgeführt wurde.
V Das Urteil des Landessozialgerichts wurde der Beklagten am 17. Dezember 1957 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 8. Januar 1958, beim Bundessozialgericht eingegangen am 11. Januar 1958, legte sie Revision ein und beantragte,
das angefochtene Urteil sowie das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 10. Juli 1956 aufzuheben und den Kläger mit der Klage abzuweisen, hilfsweise die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht Schleswig zurückzuverweisen.
Am 10. Februar 1958 begründete sie die Revision: Dem Berufungsgericht könne darin gefolgt werden, daß die Begriffe "Notstand" und "Fristung des Lebensunterhalts" unbestimmte Rechtsbegriffe seien. Irrtümlich jedoch sei die Auffassung des Landessozialgerichts, daß bei Vorliegen eines Notstandes ein Rechtsanspruch auf die Sonderbeihilfe bestanden habe und daß das Gericht daher berechtigt gewesen sei, ein Leistungsurteil zu erlassen. Aus dem Wortlaut des Gesetzes ergebe sich vielmehr eindeutig, daß die Gewährung einer Sonderbeihilfe bei Vorliegen der in § 10 der MRVO Nr. 117 aufgeführten Voraussetzungen eine Ermessensentscheidung darstelle. Im Ermessen des Arbeitsamtes stünde es daher, ob und in welcher Höhe es gegebenenfalls eine Sonderbeihilfe gewähren wolle. Dessen Entscheidung könne lediglich unter dem Gesichtspunkt des Ermessensmißbrauchs nachgeprüft werden. Dadurch, daß das Landessozialgericht die Beklagte zur Leistung verurteilte, habe es sein Ermessen an die Stelle des Verwaltungsermessens gesetzt und damit gegen § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) verstoßen. Materiell-rechtlich komme eine Sonderbeihilfe als Kann-Leistung nur in Betracht, wenn die Unterstützungsbezüge neben dem sonstigen Einkommen des Arbeitslosen zur Fristung des Lebensunterhalts nicht ausreichten. Der Arbeitsverwaltung sei damit für ihre Ermessensentscheidung ein engerer Rahmen gezogen als der öffentlichen Fürsorge, die auf den notwendigen Lebensbedarf abstelle. Demzufolge sei diese gehalten, Beihilfen zur Beschaffung der Winterfeuerung als Pflichtleistungen zu gewähren, nicht dagegen die Beklagte, zumal dann nicht, wenn bereits die Alfu den Fürsorgerichtsatz überschreite.
Der Kläger beantragte,
die Revision zurückzuweisen.
Nach seiner Auffassung haben die Vorinstanzen ohne Rechtsirrtum sowohl den "Notstand" bejaht wie den Ermessensspielraum der Beklagten beschränkt. Der Arbeitsverwaltung seien für die von ihr zu betreuenden Arbeitslosen von Rechts wegen dieselben Aufgaben übertragen wie der öffentlichen Fürsorge für ihren Personenkreis, nämlich Beseitigung von Hilfsbedürftigkeit und Notlage. Die Begriffe "Fristung des Lebensunterhalts" sowie "notwendiger Lebensbedarf" seien lediglich in der Wortfassung abweichend, nicht jedoch im Inhalt. Auch wenn die Alfu des Klägers den Fürsorgerichtsatz erreichte oder knapp überschritt, sei der Notstand nicht beseitigt gewesen, weil auch der Richtsatz die Beschaffung von Winterfeuerung nicht einschließe. Deshalb stehe dem Kläger gegen die Beklagte ein Rechtsanspruch auf Sonderbeihilfe zu.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Schriftsätze Bezug genommen.
VI Die Revision ist statthaft (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG) und zulässig.
Da bereits die Berufung nach § 150 Nr. 1 SGG zugelassen war, stand diesem Rechtsmittel die Vorschrift des § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG (Berufungsausschluß bei Ansprüchen auf einmalige Leistungen) nicht entgegen.
Rechtsschutzbedürfnis und Beschwer sind für die vorliegende Streitsache von den Vorderrichtern zutreffend bejaht worden (zu vgl. Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, I. Band, 7. Aufl., S. 499; BSG. 3 S. 142 ff. (153)).
Was die Besetzung des Landessozialgerichts anbelangt, so wird aus der Niederschrift über die Öffentliche Sitzung vom 18. Oktober 1957 erweislich, daß der zur Entscheidung berufene 3. Senat vor Eintritt in die Verhandlung über das Ablehnungsgesuch der Beklagten hinsichtlich des Landessozialrichters B entschieden, die Ablehnung für begründet erachtet und nach Heranziehung des Landessozialrichters S verhandelt hat (§ 60 SGG; § 45 ZPO). Nicht in der Niederschrift verlautbart ist jedoch, ob der diesbezügliche Beschluß verkündet wurde. Die Unterlassung dieser Förmlichkeit bewirkte indessen keinen wesentlichen Mangel des Verfahrens. Jedenfalls ist der Grundsatz des § 129 SGG, daß das Urteil nur von den Richtern gefällt werden kann, die an der ihm zugrunde liegenden Verhandlung teilgenommen haben, gewahrt.
VII Der Kläger stützt seinen Anspruch auf § 10 des Anh. zur MRVO Nr. 117; er hat vor dem Sozialgericht beantragt, die angefochtenen Bescheide aufzuheben und eventuell die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Sonderbeihilfe zur Beschaffung von Winterbrennstoff in Höhe von 40,- DM zu gewähren. Demzufolge hat das Sozialgericht sein Begehren als Verpflichtungsklage (Vornahmeklage) nach § 54 Abs. 1 SGG behandelt. Das Landessozialgericht andererseits war wegen des auf Leistung gerichteten Antrags des Klägers im Berufungsverfahren der Auffassung, daß eine Leistungsklage, zumindestens eine verbundene Aufhebungs- und Leistungsklage vorliege. Solche sind indessen nur zulässig, wenn der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung betrifft, auf die ein Rechtsanspruch besteht (§ 54 Abs. 4 SGG). Das ist jedoch, wie der erkennende Senat bereits in seinem Urteil vom 30. Oktober 1958 (BSG. 8 S. 223) entschieden hat, hinsichtlich der Sonderbeihilfe nicht der Fall. Nach § 10 Abs. 1 des Anh. zur MRVO Nr. 117 können neben der Alu oder der Alfu dem Arbeitslosen Sonderbeihilfen gewährt werden, soweit ein Notstand vorliegt und anderenfalls ein Eingreifen des Fürsorgeverbandes erforderlich wäre. Der Auffassung des Landessozialgerichts, daß es sich bei dieser Vorschrift nicht lediglich um eine "Kann"-, sondern um eine "Soll"-Bestimmung im Sinne eines "hat zu tun" handele und daß sich dies aus dem schärfer gefaßten englischen Text der MRVO Nr. 117 (vgl. Amtsbl. der Militärregierung Deutschland, Britisches Kontrollgebiet, Nr. 22 - S. 652 -) ergebe, ist nicht gerechtfertigt; denn nach Art. II dieser Verordnung gilt der deutsche Text des Anhangs als amtlicher Text. Im übrigen hat die englische Fassung "may only when ..." jedenfalls auch nicht die Bedeutung einer Sollvorschrift im Sinne des deutschen Rechts. Im Vergleich läßt aber der Wortlaut des § 2 a. a. O. "Arbeitslose, ... erhalten ... Alfu nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen", eindeutig eine Mußvorschrift erkennen, die dann allerdings eine Pflicht zur Gewährung der Leistung begründet. Dagegen enthält § 10 nicht nur eine Kann-Vorschrift, sondern hier ist das Ermessen des Arbeitsamts auch noch durch den folgenden Satz "soweit ein Notstand vorliegt und ..." weiter eingeschränkt.
VIII Der im Gesetzestatbestand enthaltene unbestimmte Rechtsbegriff "Notstand" bindet die Verwaltung insoweit, daß bei seiner tatsächlichen Verneinung keine Sonderbeihilfe zuerkannt werden darf, jedoch nicht derart, daß bei Bejahung diese in jedem Fall gewährt werden muß. Die Verwendung des Wortes "können" macht vielmehr deutlich, daß das Gesetz dem Arbeitsamt die - wenn auch, wie noch auszuführen ist, begrenzte - Freiheit einräumt, nach pflichtgemäßem Ermessen über die Gewährung von Sonderbeihilfen dann zu entscheiden, falls ein Notstand gegeben ist. Auch aus Sinn und Zweck der Vorschrift des § 10 ist nicht zu entnehmen, daß der Gesetzgeber mit dem Wort "können" etwas anderes meint als es ausdrückt. Vom Arbeitsamt werden Leistungen unter anderen Umständen und Voraussetzungen gewährt als von der Fürsorgebehörde. Seine Unterstützungsleistungen stehen insbesondere - abweichend von den Fürsorgeleistungen - in bestimmten Beziehungen zum Arbeitsentgelt (früherem Arbeitseinkommen) der Unterstützungsempfänger. Schon deswegen muß die Arbeitsverwaltung auch einen anderen, einen eigenen Rahmen für die Beurteilung des "Notstands" in ihrem Tätigkeitsbereich gebrauchen, wie er vom Gesetzgeber selbst in Abs. 3 des § 10 mit dem unbestimmten Rechtsbegriff der "Fristung des Lebensunterhalts" geschaffen ist. Aus diesem Grunde und weil sonst nirgendwo dem Gesetz eine Rechtsgrundlage dafür zu entnehmen ist, daß die der öffentlichen Fürsorge eigentümlichen Leistungen von der Arbeitsverwaltung schlechthin für den betroffenen Personenkreis zu übernehmen sind, wurde offensichtlich der im Fürsorgerecht vordem übliche Begriff des "notwendigen Lebensbedarfs" nicht für die Arbeitslosenfürsorge übernommen, zumal sich beide auch inhaltlich nicht decken.
Es ist zutreffend, wie das Landessozialgericht ausführt, daß auch Abs. 3 des § 10 eine Begrenzung des Ermessens der Verwaltung bewirkt; doch geschieht dies - wie dem Halbsatz "ein Notstand ist nur anzunehmen, wenn ..." erkennen läßt, nicht zugunsten des Arbeitslosen. Das Landessozialgericht verfiel einer irrigen Auslegung des Gesetzeswortlauts, indem es aus Abs. 3 durch Hervorhebung und Betonung des Wortes "ist", aber unter Nichtbeachtung des Wortes "nur" eine Verpflichtung zur Gewährung der Sonderbeihilfe ableiten will. Die Arbeitsverwaltung kann nach § 10 Abs. 1 des Anh. zur MRVO Nr. 117 nur dann Sonderbeihilfen gewähren, wenn die Voraussetzungen eines Notstands im Sinne des Abs. 3 erfüllt sind. Darüber hinaus aber enthält diese Vorschrift keine Bindung der Verwaltungsbehörde. Das Ermessen setzt also erst im Fall der Bejahung eines Notstands ein, ist jedoch frei und nur an das Vorliegen jenes Notstandes gebunden. Selbst dann ist die Gewährung der Leistung keine "zwingende Rechtsfolge". Sicher wird die Behörde die Tatsache eines Notstands bei ihrer Entscheidung mit abzuwägen haben, aber im Wege freien Ermessens (vgl. Loening, DVBl. 52 S. 197 ff.). Die Entscheidung der Arbeitsverwaltung in den Fällen des § 10 ist nach alledem in ihr eigenes Ermessen gestellt. Hieraus läßt sich kein Rechtsanspruch des Betroffenen ableiten (Forthoff a. a. O. S. 81).
IX Wenn aber § 10 des Anh. zur MRVO Nr. 117 dem Arbeitslosen einen Rechtsanspruch auf Sonderbeihilfe nicht gewährt, dann ist eine darauf gestützte Leistungsklage unzulässig. Das Landessozialgericht durfte mithin ein Leistungsurteil nicht erlassen. Sein Urteil beruht auf einem Verstoß gegen § 54 Abs. 4 SGG und ist deshalb aufzuheben (vgl. BSG. 2, S. 142 (148); SozR. zu § 54 SGG Bl. Da 11 Nr. 42). Diesem Ergebnis steht nicht entgegen, daß es sich im vorliegenden Fall nicht um eine Leistungsklage schlechthin, sondern um eine zusammengefaßte Anfechtungs- und Leistungsklage, auch unechte Leistungsklage genannt, handelt (vgl. Peters-Sautter-Wolff, Komm. zur SGb. § 54 SGG Anm. 6 Buchst. b). Die Frage der Zulässigkeit ist für die unechte Leistungsklage grundsätzlich nicht anders zu beantworten als für die echte Leistungsklage (vgl. BSG. in SozR. SGG § 54 Bl. Da 11 Nr. 42).
X Aber auch das Urteil des Sozialgerichts konnte keinen Bestand haben. Selbst wenn der vom Kläger ursprünglich erhobene Anspruch seinem Antrag in der ersten Instanz zufolge als Vornahme- (Verpflichtungs-) Klage (§ 54 Abs. 1 SGG) ausgelegt wird (§§ 103, 123 SGG), vermag sein Anspruch auf ermessensfehlerfreies Verhalten des Arbeitsamtes nicht den fehlenden materiellen Rechtsanspruch auf Gewährung einer Sonderbeihilfe zu ersetzen (vgl. OVG. Münster in JZ. 1959 S. 98/99). Die gerichtliche Auflage, einen Notstand im Sinne des § 10 Abs. 1 der MRVO Nr. 117 anzunehmen, war deshalb nicht geeignet, eine Verpflichtung der Arbeitsverwaltung zur Gewährung der Brennstoffbeihilfe auch nur dem Grunde nach zu bewirken und einen derartigen neuen Verwaltungsakt auszulösen. Die Entscheidung hierüber oblag vielmehr, wie vorstehend unter VIII dargelegt dem Arbeitsamt in der Sphäre eigenen Ermessens. Daß es aber dabei die Grenzen dieses Ermessens überschritten oder davon in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hätte (§ 54 Abs. 2 SGG), ist nicht erwiesen. Jedenfalls waren die Entschließungen der Beklagten bezüglich der Gewährung einer Brennstoffbeihilfe an den Kläger nicht von sachfremden oder willkürlichen Erwägungen getragen, sondern im Rahmen ihres fachlichen und rechtlichen Zuständigkeitsbereichs gehalten. Sonach sind der Bescheid des Arbeitsamts vom 27. Oktober 1954 und der Widerspruchsbescheid vom 12. November 1954 nicht rechtswidrig. Das Sozialgericht hat zu Unrecht die Klage für begründet erachtet; sein Urteil ist ebenfalls aufzuheben. Die Klage ist abzuweisen (§ 170 Abs. 2 Satz 1 SGG).
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen