Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosenfürsorgeunterstützung. Sonderbeihilfe nach der MRV BrZ 117 zur Beschaffung von Winterbrennstoff. Notstandsbegriff. Ermessensausübung
Orientierungssatz
Eine Sonderbeihilfe nach § 10 Abs 1 des Anh zur MRV BrZ 117 kann neben der Arbeitslosenfürsorgeunterstützung gewährt werden, wenn ein Notstand vorliegt und anderenfalls ein Eingreifen des Fürsorgeverbandes erforderlich wäre. Der unbestimmte Rechtsbegriff "Notstand" bindet die Verwaltung insoweit, dass bei seiner tatsächlichen Verneinung keine Sonderbeihilfe zuerkannt werden darf, jedoch nicht derart, dass bei Bejahung diese in jedem Fall gewährt werden muss. Die Arbeitsverwaltung muss einen eigenen Rahmen für die Beurteilung des "Notstands" in ihrem Tätigkeitsbereich gebrauchen und diesen hat der Gesetzgeber selbst in Abs 3 des § 10 MRV BrZ 117 mit dem unbestimmten Rechtsbegriff der "Fristung des Lebensunterhalts" geschaffen. Wenn die Voraussetzungen eines Notstandes iS des Abs 3 der Vorschrift erfüllt sind, entscheidet die Arbeitsverwaltung im Wege des freien Ermessens über die Gewährung der Sonderbeihilfe.
Normenkette
MRV BrZ 117 § 10 Abs. 1, 3; MRV BrZ 117 Anh 1 § 10 Abs. 1, 3
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches LSG (Urteil vom 18.10.1957; Aktenzeichen XXX) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten werden das Urteil des Landessozialgerichts Schleswig vom 18. Oktober 1957 und das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 10. Juli 1956 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
I Die 1900 geborene Klägerin arbeitete früher als Büfettstütze und Heimnäherin. Seit Juli 1949 war sie mit Unterbrechungen arbeitslos. Die ihr laufend gewährte Arbeitslosenfürsorgeunterstützung (Alfu) belief sich im Oktober 1954 auf wöchentlich 17,82 DM. Vom September 1954 ab zahlte die Beklagte ihr überdies zur Angleichung an den Richtsatz der öffentlichen Fürsorge zuzüglich laufend eine Sonderbeihilfe von wöchentlich 1,55 DM.
Am 25. Oktober 1954 beantragte die Klägerin beim Arbeitsamt K die Gewährung einer Brennstoffbeihilfe. Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom 27. Oktober 1954 abgelehnt, ihr Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12. November 1954 zurückgewiesen. Der notwendige Lebensbedarf sei als gesichert anzusehen, weil die Leistungen des Arbeitsamts an die Klägerin den Richtsatz der öffentlichen Fürsorge erreichten.
II Im Rechtsstreit vor dem Sozialgericht Schleswig trug die Klägerin, die durch den Justitiar der Stadt K als Prozeßbevollmächtigten vertreten war, unter anderem vor, daß infolge der Weigerung des Arbeitsamts das Fürsorgeamt der Stadt K subsidiär eingetreten sei und ihr im November 1954 eine Brennstoffbeihilfe von 40,- DM gezahlt habe. Bei ihr habe ein Notstand vorgelegen; ihr Lebensunterhalt sei entgegen der Annahme des Arbeitsamts nicht gedeckt gewesen. Sie beantragte, die angefochtenen Bescheide aufzuheben und eventuell die Beklagte zu verurteilen, ihr eine Sonderbeihilfe zur Beschaffung von Winterbrennstoff in Höhe von 40,- DM zu gewähren.
Mit Urteil vom 10. Juli 1956 hob das Sozialgericht Schleswig die Bescheide der Beklagten vom 27. Oktober und 12. November 1954 auf und erklärte diese für verpflichtet, der Klägerin unter Annahme eines Notstandes im Sinne des § 10 Abs. 1 der Militärregierungsverordnung (MRVO) Nr. 117 einen neuen anfechtbaren Bescheid zu erteilen. Berufung wurde zugelassen.
III Die Beklagte legte Berufung ein. Sie beantragte, das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 10. Juli 1956 aufzuheben und die Klage abzuweisen. Hierfür trug sie u. a. vor, die zur Fristung des Lebensunterhalts notwendigen Mittel seien der Klägerin durch die Alfu und deren Aufbesserung durch Sonderbeihilfe bis zum Fürsorgerichtsatz gewährt worden. Deshalb habe ein Notstand nicht vorgelegen und die Voraussetzung für die Gewährung einer weiteren Sonderbeihilfe für Brennstoff habe gefehlt. Ein Arbeitsloser müsse den Bedarf an Winterfeuerung aus den laufenden Unterstützungen decken.
Die Klägerin beantragte, die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß die Beklagte verurteilt wird, ihr eine Sonderbeihilfe in Höhe von 40,- DM zu gewähren.
Mit Urteil vom 18. Oktober 1957 wies das Landessozialgericht Schleswig die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurück, daß die Beklagte verurteilt wurde, der Klägerin eine Sonderbeihilfe von 40,- DM zu gewähren. Es stellte u. a. fest, daß zu Recht ein "Notstand" vom Sozialgericht angenommen worden sei. Dieser in § 10 Abs. 1 des Anh. der Verordnung Nr. 117 enthaltene unbestimmte Rechtsbegriff finde in dessen Abs. 3 für den Bereich der Arbeitslosenfürsorge seine Legaldefinition und Konkretisierung derart, daß eine Sonderbeihilfe zu gewähren sei und der Verwaltung kein freier Spielraum für Ermessensausübung verbleibe, wenn die Unterstützung und das sonstige Einkommen des Arbeitslosen "zur Fristung des Lebensunterhalts nicht ausreichen". Es treffe im übrigen nicht zu, daß in der Alfu im Gegensatz zur öffentlichen Fürsorge die notwendigen Mittel für Hausbrand stets enthalten seien und daß eine etwaige Angleichung der Alfu an den öffentlichen Fürsorgerichtsatz jeden Notstand im Sinne des Arbeitslosenrechts beseitige. Die Beihilfe für Winterfeuerung sei anerkannterweise in der öffentlichen Fürsorge eine Pflichtleistung und gegen die Fürsorgebehörde im Wege der Klage erzwingbar. In gleicher Weise müsse auch einem Arbeitslosen eine Rechtsanspruch auf Sonderbeihilfe für die notwendigen Mittel zur Winterfeuerung zugebilligt werden. Tatsächlich erreiche die Alfu der Klägerin durch Aufbesserung (Anhebung) gerade den allgemeinen Fürsorgerichtsatz. Ihren persönlichen Verhältnissen nach sei davon auszugehen, daß ihr bei Beginn des Winters 1954 aus den Unterstützungsbezügen keine Mittel zur Beschaffung von Winterfeuerung zur Verfügung standen und ihr deshalb die Gefahr drohte, frieren zu müssen.
Schutz gegen Frost gehöre zur Fristung des Lebensunterhalts. Sei dieser nicht gewährleistet, müsse ein Notstand bejaht werden. Daher sei die Beklagte zur Beihilfe in der erforderlichen Höhe verpflichtet und dem bereits in der ersten Instanz gestellten, vom Sozialgericht nicht beschiedenen, aber in der mündlichen Verhandlung vor dem Landessozialgericht wiederholten Antrag auf Zahlung von 40,- DM habe entsprochen werden müssen, da zwischen den Beteiligten über die Höhe der Brennstoffbeihilfe keine Meinungsverschiedenheiten bestanden.
Revision wurde zugelassen.
IV Im Urteilskopf (Rubrum) war bei der Bezeichnung der mitwirkenden Richter der zweite Landessozialrichter wie folgt benannt: "Landessozialrichter R. B, K, bzw. Th. S, N". Der Niederschrift über die Öffentliche Sitzung des Landessozialgerichts Schleswig, 3. Senat, vom 18. Oktober 1957 war diesbezüglich zu entnehmen, daß der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten (Berufungsklägerin) den zunächst der Richterbank angehörigen Landessozialrichter B, Stadtrat in K, wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, dieser selbst das Ablehnungsgesuch für begründet erachtet hatte und daß nach dessen Ausscheiden im allseitigen Einverständnis die Verhandlung nach Heranziehung des geschäftsplanmäßigen Vertreters Landessozialrichters S, N, durchgeführt wurde.
V Das Urteil des Landessozialgerichts wurde der Beklagten am 17. Dezember 1957 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 8. Januar 1958, beim Bundessozialgericht eingegangen am 11. Januar, legte sie Revision ein und beantragte,
das angefochtene Urteil sowie das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 10. Juli 1956 aufzuheben und die Klägerin mit der Klage abzuweisen,
hilfsweise die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht Schleswig zurückzuverweisen.
Am 10. Februar 1958 begründete sie die Revision: Dem Berufungsgericht könne darin gefolgt werden, daß die Begriffe "Notstand" und "Fristung des Lebensunterhalts" unbestimmte Rechtsbegriffe seien. Irrtümlich jedoch sei die Auffassung des Landessozialgerichts, daß bei Vorliegen eines Notstands ein Rechtsanspruch auf die Sonderbeihilfe bestanden habe und daß das Gericht daher berechtigt gewesen sei, ein Leistungsurteil zu erlassen. Aus dem Wortlaut des Gesetzes ergebe sich eindeutig, daß die Gewährung einer Sonderbeihilfe bei Vorliegen der in § 10 der MRVO Nr. 117 aufgeführten Voraussetzungen eine Ermessensentscheidung darstelle. Im Ermessen des Arbeitsamts stünde es daher, ob und in welcher Höhe es gegebenenfalls eine Sonderbeihilfe gewähre. Dessen Entscheidung könne lediglich unter dem Gesichtspunkt des Ermessensmißbrauchs nachgeprüft werden. Dadurch, daß das Landessozialgericht die Beklagte zur Leistung verurteilte, habe es sein Ermessen an die Stelle des Verwaltungsermessens gesetzt und damit gegen § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) verstoßen. Materiell-rechtlich komme eine Sonderbeihilfe als Kann-Leistung nur in Betracht, wenn die Unterstützungsbezüge neben dem sonstigen Einkommen des Arbeitslosen zur Fristung des Lebensunterhalts nicht ausreichen. Der Arbeitsverwaltung sei damit für ihre Ermessensentscheidung ein engerer Rahmen gezogen als der öffentlichen Fürsorge, die auf den notwendigen Lebensbedarf abstelle. Demzufolge sei diese gehalten, Beihilfen zur Beschaffung der Winterfeuerung als Pflichtleistungen zu gewähren, nicht dagegen die Beklagte, zumal dann nicht, wenn bereits die Alfu den Fürsorgerichtsatz erreiche.
Die Klägerin beantragte,
die Revision zurückzuweisen.
Nach Ihrer Auffassung haben die Vorinstanzen ohne Rechtsirrtum sowohl den "Notstand" bejaht wie den Ermessensspielraum der Beklagten beschränkt. Der Arbeitsverwaltung seien für die von ihr zu betreuenden Arbeitslosen von Rechts wegen dieselben Aufgaben übertragen wie der öffentlichen Fürsorge für ihren Personenkreis, nämlich Beseitigung von Hilfsbedürftigkeit und Notlage. Die Begriffe "Fristung des Lebensunterhalts" sowie "notwendiger Lebensbedarf" seien lediglich in der Wortfassung abweichend, nicht jedoch im Inhalt. Auch wenn die Alfu der Klägerin den Fürsorgerichtsatz erreichte, sei der Notstand nicht behoben gewesen, weil auch dieser Richtsatz die Beschaffung von Winterfeuerung nicht einschließe. Deshalb stehe der Klägerin gegen die Beklagte ein Rechtsanspruch auf Sonderbeihilfe zu.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Schriftsätze Bezug genommen.
VI Die Revision ist statthaft (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG) und zulässig.
Da bereits die Berufung nach § 150 Nr. 1 SGG vom Sozialgericht zugelassen war, stand diesem Rechtsmittel die Vorschrift des § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG (Berufungsausschluß bei Ansprüchen auf einmalige Leistungen) nicht entgegen.
Rechtsschutzbedürfnis und Beschwer sind für die vorliegende Streitsache von den Vorderrichtern zutreffend bejaht worden (zu vgl. Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, I. Band, 7. Aufl. S. 499; BSG. 3 S. 142 ff. (153)).
Was die Besetzung des Landessozialgerichts anbelangt, so wird aus der Niederschrift über die Öffentliche Sitzung vom 18. Oktober 1957 erweislich, daß der zur Entscheidung berufene 3. Senat vor Eintritt in die Verhandlung über das Ablehnungsgesuch der Beklagten hinsichtlich des Landessozialrichters B entschieden, die Ablehnung für begründet erachtet und nach Heranziehung des Landessozialrichters S verhandelt hat (§ 60 SGG; § 45 ZPO). Nicht in der Niederschrift verlautbart ist jedoch, ob der diesbezügliche Beschluß verkündet wurde. Die Unterlassung dieser Förmlichkeit bewirkte indessen keinen wesentlichen Mangel des Verfahrens. Jedenfalls ist der Grundsatz des § 129 SGG, daß das Urteil nur von den Richtern gefällt werden kann, die an der ihm zugrunde liegenden Verhandlung teilgenommen haben, gewahrt.
VII Die Klägerin stützt ihren Anspruch auf § 10 des Anh. zur MRVO Nr. 117; sie hat vor dem Sozialgericht beantragt, die angefochtenen Bescheide aufzuheben und eventuell die Beklagte zu verurteilen, ihr eine Sonderbeihilfe zur Beschaffung von Winterbrennstoff von 40,- DM zu gewähren. Demzufolge hat das Sozialgericht ihr Begehren als Verpflichtungsklage (Vornahmeklage) nach § 54 Abs. 1 SGG behandelt. Das Landessozialgericht andererseits war wegen der auf Leistung gerichteten Anträge der Klägerin im Berufungsverfahren der Auffassung, daß eine Leistungsklage, zu mindestens eine verbundene Aufhebungs- und Leistungsklage vorliege. Solche sind indessen nur zulässig, wenn der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung betrifft, auf die ein Rechtsanspruch besteht (§ 54 Abs. 4 SGG). Das ist jedoch, wie der erkennende Senat bereits in seinem Urteil vom 30. Oktober 1958 (BSG. 8 S. 223) entschieden hat, hinsichtlich der Sonderbeihilfe nicht der Fall. Nach § 10 Abs. 1 des Anh. zur MRVO Nr. 117 können neben der Arbeitslosenunterstützung oder der Arbeitslosenfürsorgeunterstützung dem Arbeitslosen Sonderbeihilfen gewährt werden, soweit ein Notstand vorliegt und anderenfalls ein Eingreifen des Fürsorgeverbandes erforderlich wäre. Die Auffassung des Landessozialgerichts, daß es sich bei dieser Vorschrift nicht lediglich um eine "Kann"-, sondern um eine "Soll"-Bestimmung im Sinne eines "hat zu tun" handele und daß sich dies aus dem schärfer gefaßten englischen Text der MRVO Nr. 117 (vgl. Amtsbl. der Militärregierung Deutschland, Britisches Kontrollgebiet, Nr. 22 - S. 652 -) ergebe, ist nicht gerechtfertigt, denn nach Art. II dieser Verordnung gilt der deutsche Text des Anhangs als amtlicher Text. Im übrigen hat die englische Fassung "may only when ..." jedenfalls auch nicht die Bedeutung einer Sollvorschrift im Sinne des deutschen Rechts. Zum Vergleich läßt aber der Wortlaut des § 2 a. a. O. "Arbeitslose, ... erhalten ... Arbeitslosenfürsorgeunterstützung nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen", eindeutig eine Mußvorschrift erkennen, die dann allerdings eine Pflicht zur Gewährung der Leistung begründet. Dagegen enthält § 10 nicht nur eine Kann-Vorschrift, sondern hier ist das Ermessen des Arbeitsamts auch noch durch den folgenden Satz "soweit ein Notstand vorliegt und ..." weiter eingeschränkt.
VIII Der im Gesetzestatbestand enthaltene unbestimmte Rechtsbegriff "Notstand" bindet die Verwaltung insoweit, daß bei seiner tatsächlichen Verneinung keine Sonderbeihilfe zuerkannt werden darf, jedoch nicht derart, daß bei Bejahung diese in jedem Fall gewährt werden muß. Die Verwendung des Wortes "können" macht vielmehr deutlich, daß das Gesetz dem Arbeitsamt die - wenn auch, wie noch auszuführen ist, begrenzte - Freiheit einräumt, nach pflichtgemäßem Ermessen über die Gewährung von Sonderbeihilfen dann zu entscheiden, falls ein Notstand gegeben ist. Auch aus Sinn und Zweck der Vorschrift des § 10 ist nicht zu entnehmen, daß der Gesetzgeber mit dem Wort "können" etwas anderes meint als es ausdrückt. Vom Arbeitsamt werden Leistungen unter anderen Umständen und Voraussetzungen gewährt als von der Fürsorgebehörde. Seine Unterstützungsleistungen stehen insbesondere - abweichend von den Fürsorgeleistungen - in bestimmten Beziehungen zum Arbeitsentgelt (früherem Arbeitseinkommen) der Unterstützungsempfänger. Schon deswegen muß die Arbeitsverwaltung auch einen anderen, einen eigenen Rahmen für die Beurteilung des "Notstands" in ihrem Tätigkeitsbereich gebrauchen und diesen hat der Gesetzgeber selbst in Abs. 3 des § 10 mit dem unbestimmten Rechtsbegriff der "Fristung des Lebensunterhalts" geschaffen. Deshalb und weil sonst nirgendwo dem Gesetz eine Rechtsgrundlage dafür zu entnehmen ist, daß die Leistungen der öffentlichen Fürsorge von der Arbeitsverwaltung schlechthin für den betroffenen Personenkreis zu übernehmen sind, wurde offensichtlich der im Fürsorgerecht vordem übliche Begriff des "notwendigen Lebensbedarfs" nicht für die Arbeitslosenfürsorge übernommen, zumal sich beide auch inhaltlich nicht decken.
Es ist zutreffend, wie das Landessozialgericht ausführt, daß auch Abs. 3 des § 10 eine Begrenzung des Ermessens der Verwaltung bewirkt; doch geschieht dies - wie der Halbsatz "ein Notstand ist nur anzunehmen, wenn ..." erkennen läßt, nicht zugunsten des Arbeitslosen. Das Landessozialgericht verfiel einer irrigen Auslegung des Gesetzeswortlauts, indem es aus Abs. 3 durch Hervorhebung und Betonung des Wortes "ist", aber unter Nichtbeachtung des Wortes "nur" eine Verpflichtung zur Gewährung der Sonderbeihilfe ableiten will. Die Arbeitsverwaltung kann nach § 10 Abs. 1 des Anh. zur MRVO Nr. 117 nur dann Sonderbeihilfen gewähren, wenn die Voraussetzungen eines Notstands im Sinne des Abs. 3 erfüllt sind. Darüber hinaus aber enthält diese Vorschrift keine Bindung der Verwaltung. Das Ermessen setzt also erst im Falle der Bejahung eines Notstandes ein, ist jedoch frei und nur an das Vorliegen jenes Notstandes gebunden. Selbst dann ist die Gewährung der Leistung keine "zwingende Rechtsfolge". Sicher wird die Behörde die Tatsache eines Notstands bei ihrer Entscheidung mit abzuwägen haben, aber im Wege freien Ermessens (vgl. Loening, DVBl. 1952 S. 197 ff.). Die Entscheidung der Arbeitsverwaltung in den Fällen des § 10 ist nach alledem in ihr eigenes Ermessen gestellt. Hieraus läßt sich kein Rechtsanspruch des Betroffenen ableiten (vgl. Forsthoff a. a. O. S. 81).
IX Wenn aber § 10 des Anh. zur MRVO Nr. 117 dem Arbeitslosen einen Rechtsanspruch auf Sonderbeihilfe nicht gewährt, dann ist eine darauf gestützte Leistungsklage unzulässig. Das Landessozialgericht durfte mithin ein Leistungsurteil nicht erlassen. Sein Urteil beruht auf einem Verstoß gegen § 54 Abs. 4 SGG und ist deshalb aufzuheben (vgl. BSG. 2 S. 142 (148); SozR. zu § 54 SGG Bl. Da 11 Nr. 42). Diesem Ergebnis steht nicht entgegen, daß es sich im vorliegenden Fall nicht um eine Leistungsklage schlechthin, sondern um eine zusammengefaßte Anfechtungs- und Leistungsklage, auch unechte Leistungsklage genannt, handelt (vgl. Peters-Sautter-Wolff, Komm. zur SGb. § 54 SGG Anm. 6 Buchst. b). Die Frage der Zulässigkeit ist für die unechte Leistungsklage grundsätzlich nicht anders zu beantworten als für die echte Leistungsklage (vgl. BSG. in SozR. SGG § 54 Bl. Da 11 Nr. 42).
X Aber auch das Urteil des Sozialgerichts konnte keinen Bestand haben. Selbst wenn der von der Klägerin ursprünglich erhobene Anspruch ihrem Antrag in der ersten Instanz zufolge als Vornahme- (Verpflichtungs-) Klage ausgelegt wird (§§ 103, 123 SGG), vermag ihr Anspruch auf ermessensfehlerfreies Verhalten des Arbeitsamtes nicht den fehlenden materiellen Rechtsanspruch auf Gewährung einer Sonderbeihilfe zu ersetzen (vgl. OVG. Münster in JZ. 1959 S. 98/99). Die gerichtliche Auflage, einen Notstand im Sinne des § 10 Abs. 1 des Anh. der MRVO Nr. 117 anzunehmen, war deshalb nicht geeignet, eine Verpflichtung der Arbeitsverwaltung zur Gewährung der Brennstoffbeihilfe auch nur dem Grunde nach zu bewirken und einen entsprechenden neuen Verwaltungsakt auszulösen. Die Entscheidung hierüber oblag vielmehr, wie vorstehend unter VIII dargelegt, dem Arbeitsamt in der Sphäre eigenen Ermessens. Daß es aber dabei die Grenzen dieses Ermessens überschritten oder davon in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hätte (§ 54 Abs. 2 SGG), ist nicht erwiesen. Jedenfalls waren die Entschließungen der Beklagten bezüglich der Gewährung der beantragten Brennstoffbeihilfe an die Klägerin nicht von sachfremden oder willkürlichen Erwägungen getragen, sondern hielten sich im Rahmen ihres fachlichen und rechtlichen Zuständigkeitsbereichs. Sonach sind der Bescheid des Arbeitsamts vom 27. Oktober 1954 und der Widerspruchsbescheid vom 12. November 1954 nicht rechtswidrig. Das Sozialgericht hat zu Unrecht die Klage für begründet erachtet; sein Urteil ist deshalb ebenfalls aufzuheben, die Klage ist abzuweisen (§ 170 Abs. 2 Satz 1 SGG).
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen