Leitsatz (amtlich)

1. Sind Renten an Kriegshinterbliebene, die aus der Sowjetzone in die Bundesrepublik zugezogen sind, vor Verkündung des FAG SV beantragt, aber noch nicht rechtskräftig festgestellt worden, so beginnen sie frühestens mit Ablauf des Monats, in dem die Berechtigten zugezogen sind.

2. In der Rentenversicherung sind die Klagen, die sich gegen die Ablehnung eines Rentenantrags richten oder Vorverlegung des Beginns der zugebilligten Rente begehren, in der Regel als die Zusammenfassung einer Aufhebungs- und einer Verpflichtungsklage im Sinne des SGG § 54 Abs 1 und nicht als Klagen im Sinne des SGG § 54 Abs 4 zu deuten.

 

Leitsatz (redaktionell)

Das Grundurteil ist ein Zwischenurteil und kein das Verfahren abschließendes vollstreckungsfähiges Endurteil. Es kann nur dann erlassen werden, wenn ein Anspruch auf eine Leistung nach Grund und Betrag streitig ist.

 

Normenkette

SVFAG § 20 Abs. 3; SGG § 54 Abs. 4 Fassung: 1953-09-03, § 130 Fassung: 1953-09-03; RVO § 1286 Fassung: 1936-12-23; SGG § 54 Abs. 1 Fassung: 1953-09-03; KrFrHemmSV/AVG § 2

 

Tenor

Die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 2. Dezember 1955 und des Sozialgerichts Köln vom 10. November 1954 sowie der Bescheid der Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz vom 2. Juli 1953 werden aufgehoben, soweit sie den Anspruch der Kläger für die Zeit vor dem 1. April 1952 betreffen. Die Beklagte wird verurteilt, den Klägern über die Gewährung der Rente auch für die Zeit vom 1. Oktober 1951 bis 31. März 1952 einen Bescheid zu erteilen.

Im übrigen wird die Revision der Kläger gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 2. Dezember 1955 zurückgewiesen.

Die Beklagte hat den Klägern die Hälfte der außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

I

Die Klägerin zu 1) ist die Witwe, die Kläger zu 2) bis 4) sind die minderjährigen Kinder des Reichsbahnoberrats Hans M. Dieser hat der Angestelltenversicherung (AV.) angehört. Er ist im Frühjahr 1947 - der genaue Todestag ist nicht bekannt - im Internierungslager S gestorben.

Die Kläger verließen Ende September 1951 ihren Wohnsitz in der Sowjetzone und zogen nach A. Sie beantragten am 9. September 1952 Hinterbliebenenrente, die ihnen die Landesversicherungsanstalt R vom 1. Oktober 1952 an bewilligte (Bescheid vom 2.7.1953). Das Sozialgericht Köln änderte den Bescheid ab und verurteilte die Beklagte, die Rente bereits vom 1. April 1952 an zu gewähren. Den Antrag der Kläger, die Beklagte nach § 2 des Kriegsfristengesetzes (KFG) zu verurteilen, die Rente vom Frühjahr 1947 an zu zahlen, wies es ab und ließ die Berufung zu (Urteil vom 10.11.1954). Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen wies die Berufung der Kläger zurück: Der Ehemann bzw. Vater der Kläger habe nur Beiträge zur Reichsversicherungsanstalt für Angestellte entrichtet. Ihr Anspruch falle daher unter das Fremdrenten- und Auslandsrentengesetz (FAG). Nach § 17 FAG beginne die Rente frühestens am 1. April 1952. Diese Vorschrift sei eine Spezialbestimmung zu § 2 KFG. Das KFG sei daher im vorliegenden Fall nicht anwendbar. Für die Zeit vor dem 1. April 1952 bestehe ein Anspruch auch nicht nach dem damals geltenden Flüchtlingsrentenrecht, das hier ausnahmsweise noch anzuwenden sei (§ 20 Abs. 3 FAG). In Betracht komme die Sozialversicherungsanordnung (SVA) Nr. 1 für die britische Zone, weil die Kläger nur in A ihren Wohnsitz begründet hätten. Nach dieser Vorschrift bestehe ein Rentenanspruch erst vom Ablauf des Antragsmonats an (Urteil vom 2.12.1955).

Das Landessozialgericht ließ die Revision zu, Die Kläger legten form- und fristgerecht Revision ein und beantragten, die Beklagte zu verurteilen, die Renten vom 1. Mai 1948 an zu zahlen : § 2 KFG sei anwendbar. Die Vorschrift sei eine Spezialbestimmung zum FAG und zu dem vorher geltenden Flüchtlingsrentenrecht. Im übrigen sei die Revision auch deshalb begründet, weil die Kläger ihren Wohnsitz zunächst in Hessen gehabt hätten und nach dem Hessischen Flüchtlingsrentengesetz vom 5. Dezember 1947 die Renten vom 1. Mai 1948 an zu zahlen seien.

Die Beklagte beantragte, die Revision zurückzuweisen. Sie verwies auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil.

II

Die Revision ist zulässig und teilweise begründet.

Der Ehemann bzw. Vater der Kläger hat nur Beiträge zur Reichsversicherungsanstalt für Angestellte entrichtet. Diese ist nach der Kapitulation stillgelegt und am 1. August 1953 aufgelöst worden. Die Beklagte als neuer Träger der AV. ist nicht ihr Gesamtrechtsnachfolger. Die aus den Beiträgen zur Reichsversicherungsanstalt für Angestellte hergeleiteten Ansprüche fallen daher unter das FAG, das bestimmt, in welchem Umfang aus solchen Beiträgen Leistungen von einem Versicherungsträger im Bundesgebiet oder im Land Berlin zu gewähren sind. Nach § 2 FAG sind "für die Leistungen grundsätzlich die im Bundesgebiet geltenden Vorschriften der Sozialversicherung unter Berücksichtigung der in den §§ 3 bis 7 vorgesehenen Besonderheiten maßgebend". Die §§ 3 bis 7 FAG befassen sich mit dem hier streitigen Rentenbeginn nicht. Dieser richtet sich daher nach den im Bundesgebiet auch sonst geltenden sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften, zu denen auch § 2 KFG gehört (vgl. Urteil des BSG. vom 29.10.1956 - 1 RA 101/56 -).

Die Vorschrift des § 2 KFG bestimmt, daß die Renten an Hinterbliebene von Kriegsteilnehmern und Internierten abweichend von § 1286 RVO mit Ablauf des Sterbemonats beginnen, sofern der Antrag vor Ablauf des auf die Todesnachricht oder Todeserklärung folgenden Kalenderjahres gestellt wird. Sie regelt mithin nur den Leistungsbeginn, nicht auch den Leistungsanspruch, so daß die Hinterbliebenenrenten nur insoweit vor Ablauf des Antragsmonats beginnen können, als der zuständige Versicherungsträger im Bundesgebiet oder im Land Berlin überhaupt zu Leistungen verpflichtet war. Handelt es sich nun - wie im vorliegenden Fall - um eine Hinterbliebenenrente aus Beiträgen zur Reichsversicherungsanstalt für Angestellte, dann ist bei der Anwendung des § 2 KFG zu beachten, daß aus solchen Beiträgen ein Rentenanspruch gegen die Beklagte als den heutigen Träger der AV. erst durch das FAG entstanden ist. In der AV. können daher Hinterbliebenenrenten frühestens in dem Zeitpunkt beginnen, von dem an nach dem FAG ein Rentenanspruch gegen die Beklagte besteht (vgl. BSG. a. a. O.).

Nach dem FAG ist die Beklagte zur Rentenzahlung grundsätzlich frühestens vom 1. April 1952 an verpflichtet (§§ 17 Abs. 1, 20 Abs. 1). Renten, die - wie hier - vor Verkündung des FAG beantragt, aber noch nicht rechtskräftig festgestellt worden sind, werden von der Beklagten nach der Ausnahmevorschrift des § 20 Abs. 3 FAG jedoch dann für eine frühere Zeit geschuldet, wenn nach dem damals geltenden Flüchtlingsrentenrecht ein Rentenanspruch hierauf besteht. Solche Renten beginnen daher nach § 2 KFG in dem Zeitpunkt, von dem an nach dem Flüchtlingsrentenrecht ein Rentenanspruch frühestens begründet ist (ebenso BSG. a. a. O.). Es kann nun dahingestellt bleiben, ob auf die Kläger für die Zeit vor dem 1. April 1952 das Hessische Flüchtlingsrentengesetz oder die SVA Nr. 1 anzuwenden ist. Nach beiden Gesetzen steht ihnen - weil auf Grund des § 2 KFG ein späterer Antrag genügte - für die Zeit vor dem 1. April 1952 ein Rentenanspruch zu. Er besteht jedoch - obwohl dies nicht ausdrücklich normiert ist - frühestens vom Ablauf des Monats an, in dem die Kläger von der Sowjetzone in die Bundesrepublik zugezogen sind - 1. Oktober 1951 -. Die Bundesrepublik und die Sowjetzone sind Teile Deutschlands, die nicht durch Normen einer einheitlichen staatsrechtlichen Ordnung miteinander verbunden sind. Auch ihr System der Sozialversicherung ist organisatorisch und materiell-rechtlich verschieden. Solange die Kläger daher in der Sowjetzone gewohnt haben, waren sie sozialversicherungsrechtlich von einem anderen Rechtssystem als dem in der Bundesrepublik geltenden erfaßt, so daß sich ihr Rentenanspruch für diese Zeit allein nach dem Recht der Sowjetzone beurteilt und gegen den dort zuständigen Versicherungsträger richtet. Erst vom Zuzug in die Bundesrepublik an unterstehen die Kläger der hier geltenden Rechtsordnung, weshalb ihnen frühestens von diesem Zeitpunkt an ein Rentenanspruch gegen den im Bundesgebiet zuständigen Versicherungsträger zusteht (ebenso Urteil des BSG. vom 20.9.1956 - 5 RKn 30/55 -). Dies entspricht auch der für die Zeit vom 1. April 1952 an im FAG getroffenen Regelung (§ 17 Abs. 1 FAG).

Nach §§ 1286 RVO. 2 KFG beginnen die Renten erst mit Ablauf des Monats, in den das Ereignis - Tod des Versicherten, Antrag des Rentenbewerbers - fällt, das den Rentenanspruch auslöst. Dieser Grundsatz muß sinngemäß auch dann gelten, wenn ein Rentenanspruch gegen den zuständigen Versicherungsträger im Bundesgebiet durch den Zuzug in die Bundesrepublik ausgelöst wird. Die Kläger sind Ende September 1951 in die Bundesrepublik zugezogen. Ihre Hinterbliebenenrenten beginnen daher am 1. Oktober 1951. Die Revision der Kläger ist somit begründet, soweit es sich um die Zeit vom 1. Oktober 1951 bis 31. März 1952 handelt.

Der Antrag der Kläger ist seinem Wortlaut nach auf Verurteilung der Beklagten zur Zahlung der Rente vom 1. Mai 1948 an gerichtet; der Betrag der begehrten Rente ist nicht angegeben. Nun gehört es zu den Besonderheiten der Rentenversicherung, daß der Versicherungsträger den Sachverhalt klarzustellen (§ 1613 RVO) und bei Gewährung der Rente in dem Bescheid ihre Höhe, den Beginn und die Art der Berechnung anzugeben hat (§ 1631 Abs. 3 RVO). Weil dem so ist, sind die Anträge auf Rente nahezu ausnahmslos nicht auf einen bestimmten Betrag gerichtet; ebenso ist in Klagen, in denen ablehnende Bescheide angegriffen oder die Vorverlegung des Rentenbeginns begehrt wird, fast nie ein bestimmter Rentenbetrag genannt. Es fragt sich deshalb, ob solche Klagen, um den Rechtsschutz wirksam und zweckmäßig zu gestalten, als Zusammenfassung einer Aufhebungsklage im Sinne des § 54 Abs. 1 SGG und einer Verpflichtungsklage im Sinne der gleichen Vorschrift oder als Zusammenfassung einer Aufhebungsklage und einer Leistungsklage im Sinne des § 54 Abs. 4 SGG aufzufassen sind; dabei ist davon auszugehen, daß die Verpflichtungsklage eine Unterart der Leistungsklage ist (vgl. Urteil des BSG vom 26.7.1956, 2 RU 35/55, unter IV), so daß eine Leistungsklage im Sinne des § 54 Abs. 4 SGG nicht in Betracht kommt, wenn und soweit eine Verpflichtungsklage möglich und gewollt ist (vgl. auch die Begründung zu § 40 des Entwurfs der Verwaltungsgerichtsordnung, Drucksache 462 des Deutschen Bundestags, 2. Wahlperiode, S. 32). Im vorliegenden Fall ist nach Ansicht des Senats der Antrag der Kläger in deren richtig verstandenem Interesse dahin auszulegen, daß zunächst ein Bescheid der Beklagten über die Gewährung der Rente für die strittige Zeit begehrt ist und daß der Beklagte durch das Urteil, das normalerweise auf eine Klage hin ergeht, nämlich durch Endurteil , die Verpflichtung auferlegt werden soll, einen solchen Bescheid zu erlassen (§§ 123, 125, 131 Abs. 2 SGG). Es kann einerseits nicht unterstellt werden, daß sich die Kläger der Möglichkeit begeben wollten, wegen der Höhe der begehrten Rente die Rechtsmittel zu ergreifen, die Rentenberechtigte allein gegenüber einem Bewilligungsbescheid haben. Andererseits ist es schon nach dem Grundsatz der Trennung der Gewalten nicht Aufgabe eines Gerichts, Renten, die eine Verwaltung möglicherweise zu zahlen hat, der Höhe nach zu berechnen, solange ihre Höhe noch gar nicht im Streit ist und auch gar nicht im Streit sein kann, weil der Rentenanspruch schon dem Grunde nach abgelehnt worden ist. Gegen eine Verurteilung "zur Zahlung einer Rente in gesetzlicher Höhe" - wie sie vielfach üblich ist - besteht das grundsätzliche Bedenken, daß eine solche Entscheidung in keiner Prozeßordnung - auch nicht im SGG - vorgesehen ist; sie ist weder ein Urteil dem Grunde nach noch ein Urteil über die Höhe des Anspruchs, sie kann vom Kläger wegen ihres unbestimmten Inhalts auch nicht vollstreckt werden (ebenso Schroeter in "Die Berufsgenossenschaft", 1955 S. 338 ff). Dagegen kann ein Urteil, das die Verpflichtung zum Erlaß eines Bescheides über die Gewährung einer Rente ausspricht, nach den §§ 201, 131 Abs. 2 SGG ohne weiteres vollstreckt werden. Die vorliegende Klage ist hiernach nicht eine Aufhebungs- und Leistungsklage im Sinne des § 54 Abs. 4 SGG, sondern eine Aufhebungs- und Verpflichtungsklage im Sinne des § 54 Abs. 1 SGG (vgl. Haueisen, NJW 1957, S. 10 ff).

Dieser Auffassung kann nicht entgegengehalten werden, auf eine Leistungsklage nach § 54 Abs. 4 SGG hin könne ein Grundurteil nach § 130 SGG erlassen werden, so daß auch bei einer solchen Klage die Möglichkeit bestehe, daß die bisher nicht strittige Höhe der Rente durch einen Bescheid des Versicherungsträgers festgesetzt werde. Ein Grundurteil kann nach allen Prozeßordnungen nur dann erlassen werden, wenn ein Anspruch auf eine Leistung nach Grund und Betrag streitig ist (vgl. § 304 ZPO; §§ 46 Abs. 2, 64 Abs. 2, 72 Abs. 3 AGG; § 34 VGG i. V. mit § 304 ZPO; § 112 des Entwurfs der (bundeseinheitlichen) VGO). Dies gilt auch im sozialgerichtlichen Verfahren; § 130 SGG steht insoweit nicht entgegen; diese Vorschrift bestimmt nur, daß auch zur Leistung dem Grunde nach verurteilt werden kann, wenn eine Leistung in Geld begehrt wird, auf die ein Rechtsanspruch besteht; es kann aus ihr also nicht entnommen werden, daß das Grundurteil des sozialgerichtlichen Verfahrens keinen Streit über Grund und Betrag voraussetzt. Hat nun ein Versicherungsträger einen Antrag auf Rente ganz oder für eine bestimmte Zeit abgelehnt, weil seiner Ansicht nach die Voraussetzungen des Anspruchs nicht vorliegen, und wird hiergegen Klage erhoben, so kann nur der Grund des Anspruchs streitig sein, so lange keine Partei die Höhe der Rente berechnet und die Gegenseite diese Berechnung in Zweifel gezogen hat.

Das Grundurteil ist ferner - wie im System aller Prozeßordnungen - auch im sozialgerichtlichen Verfahren ein Zwischenurteil über den Grund des Anspruchs und keine das Verfahren abschließendes vollstreckungsfähiges Endurteil (ebenso Schroeter a. a. O.; a. A. Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Bd. I S. 248 d und Peters-Sautter-Wolff, Komm. zum SGG, Anm. 2 zu § 130, unter Hinweis auf die Rechtsprechung des RVA zu § 1668 RVO). Dies ergibt sich daraus, daß ein Grundurteil schon begrifflich den erhobenen Klaganspruch nicht erschöpft; auch hier steht der Wortlaut des § 130 SGG nicht entgegen. Das Grundurteil hat im wesentlichen dahin zu lauten, daß der Anspruch dem Grunde nach gerechtfertigt ist. Eine solche Entscheidung ist nicht vollstreckungsfähig, gibt dem Kläger also keinen verwertbaren Vollstreckungstitel in die Hand. Daran ändert im sozialgerichtlichen Verfahren auch der Umstand nichts, daß § 130 SGG die Anordnung einer vorläufigen Leistung zuläßt, denn diese Anordnung ist weder zwingend vorgeschrieben, noch kann sie den fehlenden Ausspruch über die Höhe der Rente ersetzen. Auch hier muß , wenn der Kläger ein vollstreckungsfähiges Endurteil erhalten soll, das Gericht im Nachverfahren die Höhe der Rente festsetzen, obwohl zwischen den Parteien hierüber gar kein Streit besteht; in der Revisionsinstanz muß außerdem, wenn eine Verurteilung dem Grunde nach erfolgt, die Sache in der Regel auch unter Aufhebung des Berufungsurteils in entsprechender Anwendung der §§ 565, 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO an die Vorinstanz zurückverwiesen werden.

Darüber hinaus bildet das Grundurteil - wie in allen Prozeßordnungen so auch im sozialgerichtlichen Verfahren - immer die Ausnahme (vgl. auch die amtl. Begründung zu § 78 des Entwurfs des SGG, Bundestagsdrucksache Nr. 4357). Die Möglichkeit eines Grundurteils kann und darf deshalb nicht dazu führen, rückschließend anzunehmen, es seien die zahllosen typischen Klagen, die sich gegen die Ablehnung eines Rentenantrags richten oder Vorverlegung des Beginns der zugebilligten Rente begehren, als Klagen nach § 54 Abs. 4 SGG anzusehen. Bei diesen Klagen handelt es sich vielmehr in der Regel um die Zusammenfassung einer Aufhebungs- und einer Verpflichtungsklage im Sinne des § 54 Abs. 1 SGG. Es kann nicht gesagt werden, dabei entstehe insofern eine Schwierigkeit, als § 79 Nr. 2 SGG für Klagen auf "Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten Verwaltungsaktes" ein Vorverfahren verlange, ein derartiges Verfahren habe aber hier nicht stattgefunden. Die Klage, die hier im Streit ist, ist beim Inkrafttreten des SGG schon anhängig gewesen; die Vorschriften über das Vorverfahren als Voraussetzung der Zulässigkeit einer Klage haben sie nicht mehr erfaßt (vgl. dazu auch das Urteil des BSG vom 14.2.1957, 8 RV 691/55). Im übrigen bezieht sich § 79 Nr. 2 SGG nicht allgemein auf alle Verpflichtungsklagen; die Vorschrift hat nur die Fälle im Auge, in denen die Behörde sich überhaupt geweigert hat, einen Verwaltungsakt zu erlassen. Überdies ist es noch eine offene Frage, ob nicht die Nichteinlegung des Widerspruchs (§ 83 SGG) ebenso wie die Nichteinlegung des Einspruchs oder der Beschwerde in der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit dann unschädlich ist, wenn die beklagte Verwaltung den Mangel des Vorverfahrens nicht gerügt und durch ihr Verhalten im Prozeß unzweideutig zum Ausdruck gebracht hat, daß sie ihre ablehnende Haltung nicht ändern will (vgl. die Urteile des VGH. Stuttgart vom 19.6.1952, ESVGH Bd. 1, S. 135 ff. (139) und vom 31.7.1952, ESVGH Bd. 1, S. 226, und des BVerwG. vom 29.5.1956, DVBl. 1956, S. 579).

Hiernach sind insoweit, als die Revision der Kläger begründet ist, die Urteile der Vorinstanzen sowie der Bescheid der Landesversicherungsanstalt R aufzuheben; gleichzeitig ist, da insoweit auch "Spruchreife" im Sinne des § 131 Abs. 2 SGG vorliegt, die Beklagte zu verurteilen, den Klägern über die Gewährung der Rente auch für die Zeit vom 1. Oktober 1951 bis 31. März 1952 einen Bescheid zu erteilen; im übrigen ist die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2290888

NJW 1957, 925

Dieser Inhalt ist unter anderem im SGB Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge