Entscheidungsstichwort (Thema)
KOV. Kriegsverbrecher. Besatzungsgericht. Todesstrafe
Orientierungssatz
Bei einer durch das Besatzungsgericht ausgesprochenen Todesstrafe ist zu prüfen, ob das Verhalten des Verurteilten einen Tatbestand erfüllt hat, der auch nach deutschem Recht mit der Todesstrafe bedroht war. Ist dies der Fall, so hat der Verurteilte selbst die wesentliche Bedingung für seine Bestrafung gesetzt, und ein besatzungseigentümliches Unrecht liegt nicht vor.
Normenkette
BVG § 5 Abs. 1 Buchst. d, § 1 Abs. 5
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 16.03.1972) |
SG Detmold (Entscheidung vom 06.11.1959) |
Tenor
Die Revisionen der Kläger gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 16. März 1972 werden als unbegründet zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Klägerin zu 1) ist die Witwe des Gendarmerie-Bezirksoberwachtmeisters G D; die Klägerin zu 2) und der Kläger zu 3) sind die Witwe und der Sohn des ehemaligen Angehörigen der Landwacht F D. Sie begehren Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG), weil ihre Ehemänner bzw. ihr Vater zusammen mit dem Polizeimeister G St am 29. Januar 1947 vom Obersten Gerichtshof der amerikanischen Militärregierung in D zum Tode verurteilt und am 20. Juni 1947 im Alter von 53 bzw. 45 Jahren hingerichtet worden sind. Beide sind als Kriegsverbrecher nach dem Kontrollratsgesetz Nr. 10 angesehen worden, weil sie fünf aus einem Flugzeug abgesprungene amerikanische Flieger erschossen hatten. Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Am 5. August 1944 ist bei E (Krs. L) ein amerikanischer Bomber abgeschossen worden; die Besatzung ist mit dem Fallschirm abgesprungen. 3 Flieger wurden, z.T. verwundet, der Wehrmacht übergeben bzw. in ein Krankenhaus gebracht. Weitere fünf Flieger sind in der Nähe der Absturzstelle, an der sich St, D und D befunden haben, ergriffen worden. Deren Vorgesetzter J, Gendarmerie-Bezirkshauptmann und SS-Hauptsturmführer, hat St befohlen, diese 5 gefangenen Flieger in das Haus des Bauern B zu bringen. Dies geschah bis gegen 15.30 Uhr. Nach Vernehmung der Gefangenen haben St und D je einen dieser Gefangenen aus dem Hause geführt und durch Pistolenschüsse in den Hinterkopf getötet, während D bei den drei übrigen Fliegern zurückgeblieben ist. Später sind St, D und D mit den letzten drei Gefangenen hinausgegangen, und jeder von ihnen hat einen Gefangenen auf die gleiche Weise erschossen. Das Ganze war bis gegen 17.00 Uhr abgeschlossen. Nach Angaben von St, D und D habe J ihnen den Befehl zur Erschießung der Gefangenen gegeben.
Das Versorgungsamt lehnte die Anträge auf Hinterbliebenenversorgung durch die Bescheide vom 2. und 8. August 1956 ab, weil die Hinrichtung nicht als Schädigung i.S. des § 1 Abs. 2 iVm § 5 Abs. 1 Buchst. d BVG betrachtet werden könne. Die Widersprüche waren erfolglos (Widerspruchsbescheide vom 12. Februar 1957). Das Sozialgericht (SG) Detmold sprach den Klägern durch die Urteile vom 6. November 1959 Hinterbliebenenrente zu, weil es die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Buchst. d BVG für gegeben hielt.
Das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen verband die Berufungen des Beklagten zur gemeinsamen Entscheidung und wies sie zunächst durch Urteil vom 4. Juli 1966 zurück. Es hielt die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Buchst. d BVG für gegeben, weil die Tat nach deutschem Strafrecht damals nicht mit der Todesstrafe hätte geahndet werden können. Die Handlung von D und D sei nicht als Mord im Sinne des § 211 Abs. 2 des Strafgesetzbuches (StGB) in der zur Tatzeit geltenden Fassung anzusehen. Es liege keine Handlung aus niedrigen Beweggründen und keine heimtückische Tötung vor, weil die Opfer nicht wehr- und arglos gewesen seien. Nach der Erfahrung des Krieges müsse angenommen werden, daß die Flieger durch ihre Einheit von der offiziellen Nazipropaganda und der Rede von Goebbels über die Behandlung von abgesprungenen feindlichen Fliegern unterrichtet worden seien, so daß sie mit ihrer Tötung durch die Zivilbevölkerung oder die Polizei hätten rechnen müssen. Infolgedessen seien die Flieger nicht arglos gewesen. Ein heimtückisches Handeln könne auch nicht deshalb angenommen werden, weil die Flieger von hinten erschossen worden seien; dies sei wahrscheinlich zur Vermeidung von Qualen geschehen. Da demnach die Voraussetzungen des Mordes nach § 211 StGB nicht vorgelegen hätten, hätte ein deutsches Gericht gegen D und D nicht die Todesstrafe verhängen können. Es liege vielmehr ein Totschlag nach § 212 StGB vor. Weil D und D aber die Tat auf Anordnung von J ausgeführt hätten, hätten sie sie nicht als eigene gewollt; infolgedessen hätten sie nur wegen Beihilfe zum Todschlag verurteilt werden können. Hierfür habe nur eine Freiheitsstrafe von weniger als 10 Jahren verhängt werden können. Demnach stehe die Strafe des amerikanischen Militärgerichts in einem groben Mißverhältnis zu derjenigen, auf die ein deutsches Gericht vermutlich erkannt hätte.
Auf die vom LSG nicht zugelassene Revision des Beklagten hat das Bundessozialgericht (BSG) durch Urteil vom 9. Dezember 1969 das Urteil des LSG wegen wesentlicher Verfahrensmängel - § 128 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) - aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen. Das LSG habe nicht näher angegeben, woher es die "Erfahrung des Krieges" gewonnen habe, mit der es das Vorliegen einer heimtückischen Tötung abgelehnt habe. Das LSG habe weiterhin § 103 SGG verletzt, weil es bestimmte Zeugen, auf deren Aussage es nach seiner Auffassung angekommen sei, nicht gehört habe.
Das LSG hat daraufhin mehrere Zeugen vernommen, die amerikanischen Militärgerichtsakten über das Verfahren gegen St, D und D von der Hauptstelle für nationale Akten in W angefordert, von ihnen Fotokopien genommen und eine Übersetzung ins Deutsche anfertigen lassen.
Durch Urteil vom 16. März 1972 hat das LSG nunmehr die Klagen abgewiesen und in den Entscheidungsgründen ausgeführt: Die Erschießung der fünf amerikanischen Flieger durch St, D und D sei als ein gemeinschaftlich und in Tateinheit begangener Mord zu werten. Die Tötung der fünf amerikanischen Flieger sei "heimtückisch" erfolgt. Diese seien arglos gewesen, da sie entsprechend den allgemein anerkannten Regeln über die Behandlung von Kriegsgefangenen nach ihrer Gefangennahme darauf vertrauen konnten, als Kriegsgefangene behandelt und nicht getötet zu werden. Dies gelte nicht nur für die beiden zuerst von St und D erschossenen Flieger, sondern auch für die drei übrigen, da nicht angenommen werden könne, diese drei Flieger hätten aufgrund der von ihnen vernommenen Schüsse folgern müssen, daß ihre beiden Kameraden getötet worden seien und sie nunmehr ebenfalls getötet werden würden. Sonst hätten sie sich nicht ohne Gegenwehr hinausführen lassen, wodurch St, D und D die Gelegenheit bekommen hätten, die Flieger ebenso wie ihre beiden Kameraden durch Pistolenschüsse in den Hinterkopf zu töten. Die Täter hätten vorsätzlich gehandelt und auch das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit gehabt, weil sie gewußt hätten, daß drei der abgesprungenen Flieger als Gefangene in ein Krankenhaus, zum Flugplatzkommandanten in D bzw. zur Wehrmacht gekommen seien, so daß ihnen als Männern im reifen Mannesalter klar gewesen sei, daß die restlichen fünf Flieger ebenfalls der Wehrmacht als Gefangene zu übergeben waren und nicht getötet werden durften. Der Einwand von St, D und D, sie hätten die fünf Flieger nicht aus eigenem Entschluß, sondern auf Befehl des Polizeibezirkshauptmanns und SS-Hauptsturmführers J getötet, sei eine Schutzbehauptung, die durch die Beweisaufnahme nunmehr widerlegt worden sei. J habe die Erteilung eines solchen Befehls energisch in Abrede gestellt; der verstorbene Polizeimeister Ernst R habe vor dem Militärgericht bekundet, ihm sei von einem derartigen Befehl seines Vorgesetzten J nichts bekannt. J habe ihm vielmehr die Anweisung erteilt, den Flugplatz in D anzurufen, um so die Abholung der später erschossenen fünf Flieger in die Wege zu leiten. Er habe diesen Befehl auch ausgeführt. Die Richtigkeit der Aussage R werde durch die Bekundung des Gendarmeriemajors a.D. P bestätigt. Auch dieser habe davon gesprochen, daß R von J den Befehl erhalten habe, den Fliegerhorst in D anzurufen und dort die Abholung der gefangenen Flieger zu erbitten. Das Abholkommando sei dann ja auch erschienen, wenngleich erst am Abend des 5. August 1944, als die 5 Flieger bereits erschossen waren.
Selbst wenn J einen Erschießungsbefehl an St, D und D erteilt hätte, würde sich an der strafrechtlichen Beurteilung der Erschießung nichts wesentliches ändern. Da St, D und D diesem ungewöhnlichen Befehl keinerlei Widerstände entgegengesetzt, sondern ihn schnell ausgeführt hätten, hätten sie sich mit dem Befehlsgeber identifiziert und seien zusammen mit ihm als Mittäter anzusehen. Wenn man einen Erschießungsbefehl annehmen würde, hätten sich St, D und D zumindest der gemeinschaftlich begangenen Beihilfe zu einem Mord schuldig gemacht. Dann hätten sie nach § 47 des Militärstrafgesetzbuches (MStGB) verurteilt werden können, weil ihnen bekannt gewesen sei, daß der Befehl ihres Vorgesetzen eine Handlung betraf, welche ein allgemeines oder militärisches Verbrechen oder Vergehen bezweckte; diese Kenntnis sei daraus zu folgern, daß St die falsche Erklärung abgegeben habe, die Flieger seien auf der Flucht erschossen worden. Das gleiche müsse für D und D gelten. Ein Befehlsnotstand bzw. Befehlsnötigungsnotstand sei ihnen in diesem Falle nicht zuzubilligen, weil objektiv keine Gefahr für Leib oder Leben bestanden habe. Daß D nach der Annahme St bei Ablehnung des Befehls von J geschlagen worden wäre, stelle keine solche Gefahr dar. Im übrigen komme es nicht entscheidend darauf an, ob D und D Mittäter eines Mordes oder nur Mordgehilfen gewesen seien. Im Zeitpunkt der Tat, dem 5. August 1944, hätten sie auch wegen Beihilfe zum Mord nach § 4 der GewaltverbrecherVO vom 5. Dezember 1939 zum Tode verurteilt werden können. Das gleiche sei nach § 49 Abs. 2 StGB idF vom 29. Mai 1943 möglich gewesen, weil danach beim Gehilfen die für den Täter angedrohte Strafe nur noch habe gemildert werden können, aber nicht mehr müssen. In dem Militärgerichtsprozeß sei die Verteidigung der Angeklagten D und D auch nicht in unangemessener Weise beschränkt worden. Es sei daher falsch, daß das SG den Klägern Hinterbliebenenversorgung zuerkannt habe, weil die gegen D und D ausgesprochenen und vollstreckten Todesurteile keine Schädigung im Sinne des § 5 Abs. 1 Buchst. d BVG seien.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Die Klägerin zu 1) hat gegen das ihr am 7. April 1972 zugestellte Urteil am 3. Mai 1972 Revision eingelegt und diese nach Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist bis zum 10. Juli 1972 am 7. Juli 1972 begründet.
Nach Auffassung der Klägerin zu 1) hat das LSG § 128 SGG mehrfach verletzt. Der Erfahrungssatz, mit dem das LSG seine Annahme begründet habe, daß die Flieger "heimtückisch" getötet worden seien, bestehe nicht. Im letzten Weltkrieg seien sowohl auf seiten der Alliierten als auch auf seiten der Achsenmächte Kriegsgefangene in einer Vielzahl von Fällen getötet worden. Mit seiner Annahme bewege sich das LSG im Bereich der reinen, durch keinen allgemeinen Erfahrungssatz gedeckten Spekulation. Die Feststellung des LSG, D und D hätten bei der Tat das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit gehabt, sei unter Verstoß sowohl gegen § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG als auch gegen § 128 Abs. 1 Satz 2 SGG getroffen worden. Angesichts der Goebbels-Rede, der Kaltenbrunner-Befehle aus den Jahren 1943 und 1944 und des Terrorfliegerbefehls Hitlers sei es eine Unterstellung, wenn das LSG annehme, D und D sei klar gewesen, daß die noch nicht in anderweitigem Gewahrsam befindlichen Flieger nicht getötet werden durften. Das LSG habe auch nicht angegeben, wie es zu seiner Annahme gekommen sei, daß D und D im Zeitpunkt der Tötung der fünf Flieger das Verbleiben der übrigen drei gekannt hätten. Bei seiner Feststellung, die Berufung von D und D auf einen Befehl von J sei eine Schutzbehauptung, habe das LSG gegenüber der Aussage des Zeugen J die Bekundungen der Zeugin Frau B und die Aussagen von D vor dem amerikanischen Militärgericht nicht in die Würdigung einbezogen. Wie das LSG zu der Annahme gekommen sei, D und D hätten die Tat als eigene gewollt und gebilligt, sei unverständlich und lasse sich den Entscheidungsgründen nicht entnehmen. Dies sei bestenfalls eine Scheinbegründung. Insbesondere habe das LSG sich nicht mit der bedeutsamen Aussage der Zeugin Frau B auseinandergesetzt. Im Zusammenhang mit der Erörterung des § 47 MStGB habe das LSG aus einer Aussage von St gegenüber dem Zeugen B Schlüsse auf die innere Einstellung von D und D gezogen. Hierin liege erneut ein Verstoß gegen § 128 Abs. 1 SGG. Die Aussage St vor dem amerikanischen Militärgericht, D wäre im Weigerungsfalle von J geschlagen worden, mit der das LSG das Vorliegen eines Befehlsnotstands verneinen wolle, sei wahrscheinlich durch einen Fehler bei der Übersetzung der Aussage St ins Amerikanische oder durch einen solchen Fehler bei der Rückübersetzung dieser Aussage ins Deutsche verfälscht worden. Hier habe sich das LSG zu weiterer Sachaufklärung gedrängt fühlen müssen und so gegen § 103 SGG verstoßen.
In materiell-rechtlicher Hinsicht habe das LSG gegen § 5 Abs. 1 Buchst. d BVG verstoßen. Es habe ausschließlich auf den während des Krieges unter der nationalsozialistischen Diktatur möglich gewesenen Strafrahmen abgestellt und dabei den Grundsatz völlig außer acht gelassen, daß jede Strafe in einem angemessenen Verhältnis zur Schuld stehen müsse. Damit würden Gesetzgebung und Rechtsprechung einer der betrüblichsten Zeiten unserer Geschichte in unerträglicher Weise nachträglich gerechtfertigt.
Die Kläger zu 2) und 3) haben gegen das ihnen am 7. April 1972 zugestellte Urteil am 4. Mai 1972 Revision eingelegt und diese nach Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist bis zum 10. Juli 1972 an diesem Tage begründet.
Sie rügen ebenfalls die Verletzung des § 128 und begründen dies im wesentlichen mit den gleichen Erwägungen wie die Klägerin zu 1); lediglich in einigen Punkten führen sie zusätzliche Argumente an, aus denen sie einen wesentlichen Verfahrensmangel des LSG ableiten. Bei seiner Annahme, die Berufung von D und D auf einen Befehl von J sei eine reine Schutzbehauptung, habe das LSG sich jedenfalls nicht auf die Aussage von J stützen können. Daß dieser die Erteilung eines solchen Befehls immer bestritten habe, sei durchaus verständlich, weil er im Jahre 1947 selbst zum Tode verurteilt worden sei. Auch die Aussage von R sei hierfür nicht geeignet, da R ein enger Vertrauter von J gewesen sei und ihn sicherlich habe decken wollen. Demgegenüber habe aber die Zeugin Frau K bestätigt, daß sie sicher sei, die Erschießung sei nicht auf Initiative der Ortsbewohner, sondern auf höheren Befehl hin erfolgt. Diese Aussage habe das LSG aber überhaupt nicht gewürdigt. Daß D und D nicht eifrig den Befehl befolgt hätten, ergebe sich aus den Akten des Militärgerichts, wo auf Seite 246 geschildert sei, wie D einen in das Gefängnis von Hohenhausen eingelieferten Kriegsgefangenen vor dem Erschießen gerettet habe. Die Kläger zu 2) und 3) sind gleichfalls der Ansicht, das LSG habe § 5 Abs. 1 Buchst. d BVG verletzt, weil es nicht rechtens sein könne, ein Unrecht darstellendes Besatzungsurteil mit dem Unrecht der nationalsozialistischen Gewaltdiktatur zu rechtfertigen. Das LSG habe nicht unter Hinweis auf die seinerzeit gegebene Möglichkeit einer Todesstrafe die Prüfung unterlassen dürfen, ob die von D begangene Tat wirklich die vom Besatzungsgericht ausgesprochene und vollstreckte Todesstrafe gerechtfertigt habe. Die von D und D begangene Tat sei zur Tatzeit nicht strafbar gewesen, denn sonst wäre diese Tat, die sogar Behörden bekannt gewesen sei, nicht unverfolgt geblieben.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 16. März 1972 aufzuheben und die Berufung gegen die Urteile des SG Detmold vom 6. November 1959 zurückzuweisen,
hilfsweise,
das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 16. März 1972 aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das LSG Nordrhein-Westfalen zurückzuverweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Nach seiner Auffassung liegen die gerügten Verfahrensfehler nicht vor. Das LSG habe auch materiell richtig entschieden. An der Auffassung des BSG, die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Buchst. d BVG seien nicht erfüllt, wenn sich die Maßnahmen der Besatzungsmacht nicht von denen deutscher Amtsstellen wesentlich unterschieden hätten, bzw. daß ein Urteil der Besatzungsmacht dann kein "offensichtliches Unrecht" oder ein "Willkürakt" sei, wenn auch ein deutsches Gericht zu der vom Besatzungsgericht verhängten Strafe hätte verurteilen können, sei auch angesichts der sachlich-rechtlichen Ausführungen der Kläger festzuhalten. Es gehe hier um den Nachweis einer besonderen besatzungseigentümlichen Gefahr. Wenn das Gericht jedoch eine Strafe verhängt habe, auf die auch ein deutsches Gericht hätte erkennen können, dann stelle dies kein offensichtliches Unrecht dar, aus dem auf sachfremde Motive geschlossen werden könne, deren Berücksichtigung als besatzungseigentümlich anzusehen wäre.
Daß gegen D und D vor Kriegsende keine Strafverfolgung durchgeführt worden sei, lasse keinen Schluß auf die damals geltenden Gesetze zu; sie werfe lediglich ein Licht auf das Verhalten staatlicher Stellen zur damaligen Zeit.
Die Beigeladene hat sich im Revisionsverfahren nicht geäußert.
II
Das LSG hat die Revision zugelassen (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG); die Kläger haben sie auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet. Die sonach zulässigen Revisionen sind jedoch unbegründet.
Nach § 1 Abs. 5 BVG erhalten die Hinterbliebenen eines Beschädigten auf Antrag Versorgung, wenn dieser an den Folgen einer Schädigung gestorben ist, also z.B. durch eine unmittelbare Kriegseinwirkung (§ 1 Abs. 2 Buchst. a BVG) zu Schaden gekommen ist. Was als unmittelbare Kriegseinwirkung gilt, wird durch § 5 BVG näher erläutert. Von dessen einzelnen Alternativen kommt hier von vornherein nur Buchst. d in Betracht. Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt somit davon ab, ob die Hinrichtung D und D einen schädigenden Vorgang darstellt, der infolge einer mit der militärischen Besetzung deutschen oder ehemals deutsch besetzten Gebietes zusammenhängenden besonderen Gefahr eingetreten ist. D und D sind durch ein amerikanisches Militärgericht zum Tode verurteilt und anschließend hingerichtet worden. Dieses Urteil beruhte auf dem Kontrollratsgesetz Nr. 10. Gemäß Art. 6 Abs. 11 des zwischen den Besatzungsmächten und der Bundesrepublik Deutschland abgeschlossenen sogenannten Überleitungsvertrages vom 30. März 1955 (BGBl. II S. 405) werden die Urteile, die wegen Kriegsverbrechen aufgrund des Kontrollratsgesetzes Nr. 10 durch alliierte Militärgerichte gefällt worden sind, von der Bundesrepublik aus grundsätzlichen Erwägungen nicht anerkannt (vgl. BSG 16, 182). Das LSG hat aber zutreffend eine mit der militärischen Besetzung zusammenhängende besondere Gefahr nicht schon deshalb angenommen, weil D und D aufgrund eines von der Bundesrepublik Deutschland nicht anerkannten Urteils hingerichtet worden sind (vgl. BSG aaO). Zu den Voraussetzungen, unter denen aus der Vollstreckung eines Urteils der Besatzungsmacht Ansprüche nach § 5 Abs. 1 Buchst. d BVG hergeleitet werden können, hat das BSG in mehreren Urteilen (vgl. BSG 16, 182 ff; 17, 225 ff; SozR Nrn. 40 und 41 zu § 5 BVG; Urteile vom 9.12.1969 - 9 RV 850/66 -, vom 18.5.1971 - 9 RV 584/68 - und vom 12.3.1969 - 8 RV 1133/61 -) folgende Grundsätze herausgearbeitet: Eine Strafe, die von einem Gericht der Besatzungsmacht verhängt worden ist, gehört nur dann zu den schädigenden Vorgängen, die infolge einer mit der militärischen Besetzung deutschen Gebietes zusammenhängenden besonderen Gefahr eingetreten sind, wenn sie dem Unrechtsgehalt des Verhaltens unverkennbar nicht entsprochen hat, wenn die Besatzungsmächte als Siegermächte von ihrer damaligen Strafgewalt gegenüber Deutschen somit in einer Weise Gebrauch gemacht haben, der nach deutscher Rechtsauffassung keinesfalls zugestimmt werden kann. Die Strafe, die durch das Besatzungsgericht verhängt worden ist, muß mit der Strafe verglichen werden, die von einem deutschen Gericht vermutlich verhängt worden wäre. Besteht zwischen diesen Strafen ein grobes Mißverhältnis, so liegt darin ein Unrecht der Besatzungsmacht, das den Tatbestand des § 5 Abs. 1 Buchst. d BVG erfüllt. Bei einer durch das Besatzungsgericht ausgesprochenen Todesstrafe ist zu prüfen, ob das Verhalten des Verurteilten einen Tatbestand erfüllt hat, der auch nach deutschem Recht mit der Todesstrafe bedroht war. Ist dies der Fall, so hat der Verurteilte selbst die wesentliche Bedingung für seine Bestrafung gesetzt, und ein besatzungseigentümliches Unrecht liegt nicht vor.
Es geht im vorliegenden Fall also vornehmlich um die Frage, ob das Verhalten D und D den Straftatbestand des Mordes (§ 211 StGB idF des Gesetzes vom 4. September 1941, RGBl I S. 549) erfüllt, der die Todesstrafe androhte. Das LSG hat sich zu Recht nicht an die tatsächlichen Feststellungen des Militärgerichts-Urteils gebunden gefühlt, sondern den Sachverhalt selbständig ermittelt. Dabei ist es zu folgendem Ergebnis gekommen: Am 5. August 1944 wurden 5 von mehreren gefangenengenommenen amerikanischen Fliegern, die aus einem abgeschossenen Bombenflugzeug abgesprungen waren, in das Haus des Bauern ... gebracht. Von deutscher Seite waren hier anwesend der Gendarmeriebezirkshauptmann und SS-Hauptsturmführer J, die Polizeimeister St und R der Gendarmeriebezirksoberwachtmeister D und der Angehörige der früheren Landwacht D. J erteilte R die Anweisung, den Flugplatz in D anzurufen, damit die 5 Flieger von Angehörigen der Luftwaffe abgeholt werden sollten. R und J entfernten sich daraufhin aus dem Bauernhaus. Anschließend führten St und D zwei der Flieger hinaus und töteten sie durch Genickschüsse. Die übrigen drei Flieger hörten zwar diese Schüsse, zogen daraus aber nicht den Schluß, daß sie getötet werden sollten. Anschließend gingen St, D und D mit den drei restlichen Fliegern aus dem Hause und töteten diese ebenfalls durch Schüsse in den Hinterkopf. St, D und D haben nach den Feststellungen des LSG hierbei nicht auf einen Befehl von Jürgens hin gehandelt.
Die von den Klägern hiergegen erhobenen Revisionsrügen greifen nicht durch. Die Kläger wenden sich vor allem gegen die Feststellung des LSG, D und D hätten keinen Erschießungsbefehl von J erhalten, sowie dagegen, daß die 5 Flieger nicht mit ihrer Erschießung gerechnet hätten. Soweit die Kläger ausführen, daß der Aussage von J nicht geglaubt werden könne, wenden sie sich gegen den Inhalt der vom LSG durchgeführten Beweiswürdigung. Ein Verstoß gegen § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG und damit ein wesentlicher Verfahrensmangel liegt aber nur dann vor, wenn das LSG die Grenzen seines Rechts der freien Beweiswürdigung überschritten, es also etwa Denkgesetze verletzt hat (vgl. BSG 2, 236, 240). Das kann nur der Fall sein, wenn das Gericht den nach dem Beweisergebnis einzig möglichen Schluß nicht gezogen hat, nicht dagegen, wenn mehrere Schlüsse möglich sind (vgl. BSG in KOV 1959, 115 und KOV 1964, 97; Peters-Sautter-Wolff, § 128 Anm. 2 b, S. II/138). Die Kläger haben nicht dargelegt, aus welchen Gründen das LSG zwingend zu dem Ergebnis hätte kommen müssen, daß der Aussage von J nicht geglaubt werden könne. Sie übersehen im übrigen, daß das LSG seine Feststellung nicht nur auf die Aussage von J, sondern auch auf die Aussagen von R und P gestützt hat sowie auf den unangegriffen festgestellten Tatsachenablauf in bezug auf die Verständigung des Abholkommandos und dessen tatsächlichen Erscheinens.
Ein Verfahrensmangel liegt ferner nicht darin, daß - wie die Klägerin zu 1) meint - das LSG die Aussage von D vor dem amerikanischen Militärgericht, er habe von St einen Erschießungsbefehl erhalten, nicht gewürdigt habe. Dies ist ein Teil dessen, was das LSG als "Schutzbehauptung" bezeichnet und damit schon gewürdigt hat. Das LSG hat auch - entgegen der Auffassung der Kläger - die Aussagen der Zeuginnen K und B berücksichtigt. Auf Seite 12 der Urteilsgründe führt das LSG aus, daß die Beantwortung der Frage, ob J einen Erschießungsbefehl erteilt hat, nur an Hand der noch zugänglichen Beweismittel, vor allem der Militärgerichtsakten, erfolgen könne. Es hat sich dabei insbesondere auf die in diesen Akten enthaltene Aussage des Zeugen R, der "über die damaligen Vorgänge in H vollständig informiert gewesen sein muß", gestützt. Damit hat das LSG zum Ausdruck gebracht, daß für seine Entscheidung nur solche Zeugen von Bedeutung sein können, die Augen- bzw. Ohrenzeugen der damaligen Vorfälle gewesen sind. Wie aus der Aussage der Zeugin K vom 6. Juli 1971 hervorgeht, konnte sie nur allgemeine Überlegungen wiedergeben und nur darüber berichten, was in der Bevölkerung über dieses Geschehen gedacht worden ist. Auch die Zeugin B (vgl. deren Aussage vom 6.4.1971) war nicht dabei, als J einen Erschießungsbefehl erteilt haben soll; sie berichtet im Gegenteil, daß weder ihr Mann von einem Erschießungsbefehl gesprochen habe noch daß ihr D gesagt habe, er habe die Flieger auf Befehl erschossen. Im übrigen durfte dem LSG ihre Aussage auch deshalb als wenig verwertbar erscheinen, weil sie in dem Punkt, in dem die Zeugin eigene Wahrnehmungen erzählt, von dem übrigen Beweisergebnis abweicht. Ihrer Darstellung nach wurden nämlich zuerst drei, später zwei Flieger erschossen, während die Reihenfolge der Exekution nach den insoweit unangegriffenen Feststellungen des LSG umgekehrt gewesen ist. Die Feststellung daß D und D ohne einen entsprechenden Befehl von J gehandelt haben, bindet deshalb das BSG nach § 163 SGG.
Die tatsächlichen Feststellungen, mit denen das LSG begründet, daß die erschossenen Flieger arglos gewesen seien, sind ebenfalls nicht wirksam angegriffen worden. Die Kläger rügen hier, das LSG habe einen allgemeinen Erfahrungssatz des Inhalts aufgestellt, daß die Flieger entsprechend den allgemein anerkannten Regeln über die Behandlung von Kriegsgefangenen nach ihrer Gefangennahme darauf vertrauen konnten, als Kriegsgefangene behandelt und nicht getötet zu werden. Dieser Erfahrungssatz besteht nach Auffassung der Kläger nicht. Die Kläger übersehen hierbei, daß das BSG bereits in seinem ersten Revisionsurteil darauf hingewiesen hatte, daß die Flieger "im Gegenteil ... darauf vertrauen (durften), daß sie als Kriegsgefangene behandelt, also nicht getötet wurden" (vgl. S. 10 des Urteils aaO). Wenn das LSG dies in seinem zweiten Urteil übernimmt und dabei § 170 Abs. 4 SGG befolgt, so liegt darin kein Verfahrensmangel. Das BSG hatte den vom LSG in seinem ersten Urteil angenommenen entgegengesetzten "allgemeinen" Erfahrungssatz "nach der Erfahrung des Krieges" als nicht bestehend bezeichnet und dem LSG vorgeworfen, es habe - falls es von einem "besonderen Erfahrungssatz" ausgegangen sei - nicht dargelegt, woraus es ihn entnommen habe. Ganz anders liegt die Sachlage dagegen hier. Die Regeln über die Behandlung von Kriegsgefangenen sind Bestandteil des allgemeinen Völkerrechts und aus dessen Rechtsquellen ohne weiteres zu entnehmen. Die Kläger hätten also Umstände darlegen müssen, woraus sich ergeben hätte, daß die Flieger im konkreten Fall damit hätten rechnen müssen und auch gerechnet hätten, entgegen den Regeln des Völkerrechts über die Behandlung von Kriegsgefangenen erschossen zu werden. Damit zu rechnen hatten sie umso weniger Anlaß, weil - wie das BSG in seinem ersten Urteil bereits ausgeführt hat - sie nicht in der Hand der Bevölkerung, sondern in der uniformierter Polizeibeamter waren, bei denen sie davon ausgehen konnten, daß diesen die Regeln des Völkerrechts bekannt waren. Infolgedessen sind diese Feststellungen mit denen das LSG seine Annahme der "Arglosigkeit" der Flieger begründet hat, nicht wirksam angegriffen; diese Feststellung ist sonach für das BSG gem. § 163 SGG ebenfalls bindend, ohne daß es noch darauf ankommt, ob Verfahrensrügen der Kläger gegen weitere (ergänzende) Feststellungen des LSG in bezug auf die Frage der Arglosigkeit der Flieger durchgreifen oder nicht.
Das LSG hat diesen bindend festgestellten Sachverhalt zutreffend als einen gemeinschaftlich und in Tateinheit begangenen vorsätzlichen Mord gewürdigt. Nach § 211 Abs. 2 StGB in der zur Tatzeit geltenden Fassung aufgrund des § 2 des Gesetzes zur Änderung des Reichsstrafgesetzbuches vom 4. September 1941 (RGBl I S. 549) wurde als Mörder ua derjenige mit der Todesstrafe bedroht, der einen Menschen heimtückisch tötet. Heimtückisch tötet, wer die Arg- und Wehrlosigkeit seines Opfers ausnutzt (vgl. BGHSt 18, 87 und 19, 321). Die Wehrlosigkeit der Flieger ergibt sich deshalb, weil sie nach ihrer Gefangennahme unbewaffnet waren; ihre Arglosigkeit folgt daraus, daß sie in dem Augenblick, als die Schüsse auf sie abgegeben wurden, nicht mit ihrer Erschießung rechneten. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. JZ 1969, 706) ist die Annahme der "heimtückischen" Tötung auch um deswillen berechtigt, weil die Flieger von hinten erschossen wurden. Das LSG hat in seinem ersten Urteil hierwegen die Heimtücke zwar abgelehnt, weil die Flieger wohl nur deshalb von hinten aus nächster Nähe erschossen worden seien, um ihnen Qualen zu ersparen. Dabei hatte es verkannt, daß "heimtückisch" nur die Ausführung der Tat betrifft, nicht dagegen die innere Haltung des Täters zu seiner Tat (vgl. BGH in NJW 1951, 204, BGHSt 3, 183; 3, 330; 9, 385). Auch ein aus altruistischen Motiven handelnder Täter kann heimtückisch töten. Die völkerrechtswidrige Tat von D und D läßt sich schließlich auch nicht damit rechtfertigen, daß feindliche Angriffe auf die Zivilbevölkerung ebenfalls das Völkerrecht verletzten. Der völkerrechtliche Grundsatz des "tu quoque", bedeutet zwar, daß kein Staat einem anderen Staat Völkerrechtsverletzungen vorwerfen und über dessen Staatsbürger wegen solcher Handlungen zu Gericht sitzen darf, wenn er sich selbst der gleichen Verfehlungen gegenüber dem anderen Staat oder dessen Verbündeten schuldig gemacht hat. Wie aber schon der BGH ausgesprochen hat, hindert dieser Grundsatz einen Staat nicht, seine eigenen Staatsbürger für derartige Taten zur Verantwortung zu ziehen (vgl. BGHSt 15, 215).
Das LSG hat ferner die Handlungsweise von D und D zutreffend als vorsätzlich gewertet. Für eine Bestrafung ist nicht, wie die Ausführungen des LSG auf Seite 11 des Urteilsabdrucks anzudeuten scheinen, das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit erforderlich. Nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. BGHSt 2, 194 ff) ist der Täter auch dann zu bestrafen, wenn ihm zwar das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit gefehlt hat, dies aber vorwerfbar ist, er also in einem vermeidbaren Verbotsirrtum gehandelt hat. In einem solchen Fall kann die Strafe nach den Grundsätzen über die Bestrafung des Versuchs gemildert werden. Daß dieses Urteil aus dem Jahre 1952 stammt, ist unerheblich, da es nicht auf einer Rechtsänderung beruht, sondern nur das ausspricht, was von jeher rechtens war. Der Verbotsirrtum, dem D und D hier möglicherweise unterlegen sind, ist jedenfalls vermeidbar gewesen. Es ist von dem Täter zu verlangen, seine Gewissenskräfte anzuspannen, um das Verbotene seiner beabsichtigten Handlung zu erkennen. Je gravierender die Handlung ist, die er zu tun beabsichtigt, um so stärkere Anforderungen sind an die Anspannung seiner Gewissenskräfte zu stellen (vgl. BGHSt 18, 311 für den vergleichbaren Fall des Putativnotstandes). Da D und D ein dienstlicher Befehl zur Tötung der amerikanischen Flieger nicht erteilt worden ist, können sie allenfalls aus der vom LSG in seinem ersten Urteil angeführten Rede von Goebbels oder aus "Besonderen Weisungen" des Reichsführers SS und des Reichssicherheitshauptamts entnommen haben, daß diese Flieger zu töten waren. Sie mußten sich diese Rede und diese Weisungen aber näher ansehen und wären dann zu dem Ergebnis gekommen, daß lediglich an der Tötung feindlicher Flieger beteiligten Zivilpersonen Freiheit von Strafverfolgung und vor dem Eingreifen der Polizei zugesichert wurde. Sie als Polizeibeamte waren nur aufgefordert, bei Auseinandersetzungen zwischen der Bevölkerung und feindlichen Fliegern nicht einzugreifen, und auch Zivilpersonen war die Tötung feindlicher Flieger nicht zur Pflicht gemacht worden. Im Gegenteil konnten und mußten sie aus der besonderen Zusicherung von Straffreiheit erkennen, daß an sich solche Tötungen verboten waren. Hieraus aber ein Recht zur Tötung abzuleiten, wäre so verwerflich, daß der Schuldvorwurf nicht gemindert wird (vgl. BGHSt 2, 194, 209). Eine Milderung der Strafe ist also nicht vertretbar. Da es sonach auf die konkrete Feststellung des Vorliegens des Unrechtsbewußtseins nicht ankommt, kann offenbleiben, ob die Rügen der Kläger gegen die tatsächlichen Feststellungen, aus denen das LSG das Unrechtsbewußtsein D und D gefolgert hat, begründet sind.
Ein deutsches Gericht hätte also gemäß § 211 StGB D und D wegen Mordes zum Tode verurteilen können. Daß gegen sie vor Kriegsende nicht gerichtlich vorgegangen wurde, ist unerheblich, da es hier auf ein tatsächliches Strafmaß nicht ankommt. Dieses Untätigbleiben ist unter den konkreten Verhältnissen der damaligen Zeit jedenfalls kein Indiz für die Straflosigkeit ihres Verhaltens. Daß die Todesstrafe durch Art. IV Nr. 8 des Gesetzes Nr. 1 der Militärregierung Deutschlands grundsätzlich aufgehoben worden ist, betrifft diesen Fall nicht. Die Todesstrafe blieb weiterhin aufrechterhalten für Taten, die durch ein schon vor dem 30. Januar 1933 geltendes Gesetz mit dem Tode bedroht waren. Auch nach der alten Fassung des § 211 StGB war Mord mit der Todesstrafe bedroht; die Gesetzesänderung des Jahres 1941 faßte lediglich die Tatbestandsmerkmale des Mordes anders. Die Handlung von D und D wäre aber auch nach der alten Fassung des § 211 StGB ("mit Überlegung") mit dem Tode zu bestrafen gewesen.
Im übrigen hätte ein deutsches Gericht auch nach § 1 der Verordnung gegen Gewaltverbrecher vom 5. Dezember 1939 (RGBl I S. 2378) die Todesstrafe verhängen können. Danach war mit dem Tode zu bestrafen, wer bei einer Notzucht, einem Straßenraub, Bankraub oder einer anderen schweren Gewalttat ua Schußwaffen benutzt hat. Das haben D und D hier getan. Wenn schon ein Bankraub bzw. Straßenraub, bei denen nicht notwendig Personen verletzt werden müssen, diesen Tatbestand erfüllen, so muß jedenfalls die Tötung eines Menschen als "schwere Gewalttat" angesehen werden. Ob zu den in der Verordnung ausdrücklich genannten Tatbestandsmerkmalen noch hinzukommen muß, daß es sich von der Person des Täters her gesehen um eine "verabscheuungswürdige" bzw. um eine Tat handelt, die durch die Art ihrer Ausführung, das verfolgte Ziel oder die Häufung ähnlicher Gewalttaten ins Gewicht fällt (so Kohlrausch-Lange, Kommentar zum Strafgesetzbuch, 1944, S. 844), kann offenbleiben, denn jedenfalls ist die Tötung von fünf Fliegern im kurzen zeitlichen Abstand eine Häufung schwerer Gewalttaten. Durch die Anwendung dieser Verordnung wird auch - entgegen der Auffassung der Kläger - die Rechtsprechung und Verordnungspraxis des Nationalsozialismus nicht nachträglich gerechtfertigt. Das BSG hat die Verordnung als mögliche Grundlage der Prüfung, ob ein deutsches Gericht eine ähnliche Strafe verhängt hätte, anerkannt (vgl. BSG in SozR Nr. 41 zu § 5 BVG). Diese Verordnung ist auch durch die Kontrollratsgesetze Nrn. 1, 11 und 55 (vgl. Amtsbl. des Kontrollrates, S. 6, 55 und 284) nicht aufgehoben worden. Außerdem ist der Einwand der Kläger hier im Ansatzpunkt verfehlt. Es geht um die Feststellung, ob das Urteil des Besatzungsgerichts gegenüber dem Urteil, zu dem ein deutsches Gericht gekommen wäre, unerträglich hart ist. Dabei ist von dem Recht auszugehen, nach dem das deutsche Gericht das Urteil hätte fällen müssen. Die Argumentation der Kläger - das deutsche Gericht hätte, wenn es nach dem Buchstaben des damaligen Rechts ein ebenso strenges Urteil gefällt hätte wie das Besatzungsgericht, gegen rechtsstaatliche Grundsätze verstoßen; bei Innehaltung dieser Grundsätze hätte es zu einem milderen Urteil kommen müssen, und deshalb sei das Besatzungsurteil unerträglich streng, weshalb ein Anspruch nach § 5 Abs. 1 Buchst. d BVG begründet sei - führt im Ergebnis dazu, daß nach dem BVG Entschädigung für nationalsozialistisches Unrecht geleistet wird. Das aber ist nicht Aufgabe des BVG, welches die "Versorgung der Opfer des Krieges" zum Ziel hat.
Dem LSG ist sonach in seiner Entscheidung zu folgen, daß auch ein deutsches Gericht D und D als Täter wegen Mordes hätte zum Tode verurteilen können. Infolgedessen können alle Rügen der Kläger unerörtert bleiben, die sich gegen jene tatsächliche Feststellungen richten, die das LSG zur Stützung seiner Hilfsbegründung getroffen hat. Dies gilt für die Feststellungen, aus denen das LSG ableitete, daß D und D auch bei Handeln auf Befehl als Täter und nicht nur als Gehilfen anzusehen sind, für die Erwägungen, aus denen heraus das LSG im Zusammenhang mit der Erörterung des § 47 MStGB annimmt, daß D das Unerlaubte der ihm von J befohlenen Tat erkannt hat, und für die Feststellungen, mit denen das LSG das Vorliegen eines Schuldausschließungsgrundes bei Zuwiderhandlung gegen den unterstellten Befehl von J ausgeschlossen hat.
Das LSG hat auch zutreffend ausgesprochen, daß das Besatzungsgericht die Verteidigung von D und D nicht in unangemessener Weise beschränkt hat und daß alle Umstände, auch die möglicherweise zugunsten der damaligen Angeklagten sprechenden, berücksichtigt worden sind. Der erkennende Senat hat sich aufgrund eigener Prüfung der Übersetzung des Protokolls des amerikanischen Militärprozesses davon überzeugt, daß das Verfahren gegen D und D korrekt verlaufen ist und den Angeklagten jede Möglichkeit geboten war, für ihre Entlastung sprechende Umstände vorzutragen, was von deren Verteidigung auch ausgenutzt worden ist. Ein Versorgungsanspruch besteht deshalb auch nicht aus diesem Grund (vgl. BSG 17, 225 ff und Urteil vom 28.9.1961 - 7/9 RV 594/58 -).
Damit liegen die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Buchst. d BVG nicht vor. Das LSG hat daher zutreffend die einen Versorgungsanspruch der Kläger bejahenden Urteile des SG Detmold aufgehoben und die Klagen abgewiesen. Die Revisionen sind somit unbegründet und müssen zurückgewiesen werden, § 170 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen