Leitsatz (amtlich)

Haben sich die Dienstbezüge eines Lehrers (BVG§30Abs3-5DV § 4 Abs 4 - Fassung: 1977-01-18 -) besoldungsrechtlich um eine Besoldungsgruppe verringert, erhält dieser aber gemäß BesVNG 2 Art 9 § 11 eine ruhegehaltsfähige Überleitungszulage, die den wirtschaftlichen Verlust ausgleicht, so ist das Vergleichseinkommen eines solchen Lehrers, der aus schädigungsbedingten Gründen vorzeitig (1976) in den Ruhestand versetzt wurde, das Endgrundgehalt der vor der Verringerung der Dienstbezüge erreichten Besoldungsgruppe.

 

Orientierungssatz

1. Ein Bescheid über den Berufsschadensausgleich, der das im Klageverfahren umstrittene Vergleichseinkommen nach derselben Besoldungsgruppe für einen späteren Zeitraum festsetzt, wird nach SGG § 96 Gegenstand des Verfahrens. Seine Nichtbeachtung ist verfahrensfehlerhaft und führt insoweit zur Zurückverweisung des Rechtsstreits (Anschluß an BSG 1974-01-29 9 RV 620/72 = SozR 3660 § 2 Nr 1).

2. Das Verwaltungsverfahren iS von SGB 1 Art 2 § 23 Abs 2 ist nicht mit dem Erlaß des Verwaltungsaktes abgeschlossen, solange dieser nicht bindend ist (Anschluß an BSG vom 1979-09-19 9 RV 68/78 = SozR 1200 § 44 Nr 1).

 

Normenkette

BVG § 30 Abs 3; BVG § 30 Abs 4; BVG § 30 Abs 5; BVG§30Abs3u4u5DV § 4 Abs 4 Fassung: 1977-01-18, § 6 Abs 2 Fassung: 1977-01-18, § 17 Abs 1 Fassung: 1977-01-18, § 17 Abs 2 Fassung: 1977-01-18; BVG§30Abs3u4DV § 6 Abs 2 Fassung: 1974-04-11; SGG § 96 Fassung: 1953-09-03; BesVNG 2 Art 9 § 11 Fassung: 1975-05-23; SGB 1 § 44 Fassung: 1975-12-11; SGB 1 Art 2 § 23 Abs 2 Fassung: 1975-12-11

 

Verfahrensgang

Hessisches LSG (Entscheidung vom 04.04.1979; Aktenzeichen L 5 V 649/75)

SG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 18.05.1978; Aktenzeichen S 1 V 187/77)

 

Tatbestand

I

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Berufsschadensausgleich des Klägers so zu berechnen ist, daß allein ein Vergleichseinkommen nach dem Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 12 zuzüglich des Ortszuschlages nach Stufe 2 berücksichtigt wird oder ob diesem Vergleichseinkommen eine Überleitungszulage (Gehaltsunterschied zwischen A 12 und A 13) zuzuschlagen ist.

Der Kläger bezieht wegen mehrerer Schädigungsfolgen seit 1. Juni 1976 Rente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) unter Berücksichtigung des § 30 Abs 2 BVG nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 60 vH (vorher 50 vH). Er wurde als Lehrer wegen der anerkannten Schädigungsfolgen im Alter von 51 Jahren mit Wirkung ab 1. Juni 1976 vorzeitig in den Ruhestand versetzt. Das beklagte Land bewilligte ihm ab diesem Zeitpunkt mit Bescheid vom 25. Januar 1977 Berufsschadensausgleich; dabei legte es das Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 12, erhöht um den Ortszuschlag der Stufe 2 zugrunde, ohne jedoch eine Überleitungszulage nach Art IX § 11 des 2. Gesetzes zur Vereinheitlichung und Neuregelung des Besoldungsrechts in Bund und Ländern - Besoldungsvereinheitlichungs-Neuregelungsgesetz - (2. BesVNG) vom 23. Mai 1975 -BGBl I, 1173 - zwischen A 12 und A 13, die der Kläger seit 1. Juni 1975 erhalten hatte, in das Vergleichseinkommen einzubeziehen. Widerspruch und Klage blieben ohne Erfolg (Bescheid vom 4. April 1977; Urteil vom 18. Mai 1978), ohne daß das Sozialgericht (SG) Frankfurt (Main) zugleich über einen Neufeststellungsbescheid vom 28. Juni 1977 mitentschied. Das Hessische Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG auf die Berufung des Klägers aufgehoben und den Beklagten unter Abänderung der angefochtenen Bescheide verurteilt, dem Kläger ab 1. Juni 1976 Berufsschadensausgleich unter Zugrundelegung der Besoldungsgruppe A 13 zuzüglich des Ortszuschlages nach Stufe 2 zu gewähren und ab 1. Januar 1978 die rückständige Versorgung mit 4 Prozent zu verzinsen, ohne den Neufeststellungsbescheid vom 28. Juni 1977 zu erwähnen. Das LSG hat die Revision zugelassen (Urteil vom 4. April 1979).

Mit der Revision rügt der Beklagte eine Verletzung des § 4 Abs 4, § 6 Abs 2 der Durchführungsverordnung (DVO) zu § 30 Abs 3 bis 5 BVG.

Der Beklagte beantragt, das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision.

Die Beteiligten sind damit einverstanden, daß der Senat ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheidet (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG- ).

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision des Beklagten ist nicht begründet, soweit das LSG über den Bescheid vom 25. Januar 1977 entschieden hat. Insofern ist sie zurückzuweisen. Der Rechtsstreit ist zu neuer Verhandlung und Entscheidung über den Bescheid vom 28. Juni 1977 an das LSG zurückzuverweisen.

Weder das SG noch das LSG haben über den Neufeststellungsbescheid vom 28. Juni 1977, der den Berufsschadensausgleich des Klägers ab 1. Februar 1977 neu berechnete, mitentschieden. Das ist verfahrensfehlerhaft. Ein Bescheid, der nach demselben Bemessungsmaßstab die Leistung für einen anschließenden Zeitabschnitt regelt, wird nach § 96 SGG Gegenstand des anhängigen Verfahrens (BSG SozR 3660 § 2 DVO, § 33 BVG Nr 1). Eine gegen ihn gerichtete Klage wäre wegen anderweitiger Rechtshängigkeit unzulässig (BSG SozR 1500 § 94 Nr 2). Das LSG hätte sich nicht an die Fassung der gestellten Sachanträge halten dürfen, sondern hätte umfassend über den erhobenen Anspruch unter Einschluß des Zweitbescheides entscheiden müssen (BSG SozR 1500 § 96 Nr 4). Dies wird es nachzuholen und dabei das Nachfolgende zu beachten haben:

Für den Erstbescheid und den ungeprüft gebliebenen Zweitbescheid ist grundsätzlich die am 1. Januar 1976 in Kraft getretene DVO zu § 30 Abs 3 bis 5 BVG vom 18. Januar 1977 - BGBl I, 162 - maßgebend (vgl § 17 Abs 1 DVO 1977). Von ihr wurde die DVO vom 11. April 1974 (BGBl I, 927) mit Ausnahme der §§ 3 Abs 5, 4 Abs 2, 6, 8 Abs 2 und 13 gleichzeitig außer Kraft gesetzt, die neugefaßt gemäß § 17 Abs 2 DVO 1977 erst ab 1. Juli 1977 gelte.

Nach § 4 Abs 4 DVO in der hier anzuwendenden Fassung (DVO 1977) ist Vergleichseinkommen (Durchschnittseinkommen) abweichend von Abs 1 des § 4 DVO 1977 bei Lehrern an Grundschulen, Hauptschulen, Sonderschulen und Realschulen das Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 12 des Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG) zuzüglich des Ortszuschlages nach Stufe 2 BBesG. Eine nach Laufbahngruppe, Lebensalter und Dienstalter differenzierte Einordnung in eine Besoldungsgruppe findet anders als bei den übrigen Beamten also nicht statt (vgl Abs 1). Auch wird das ermittelte Grundgehalt anders als bei Beamten und Soldaten (§ 4 Abs 1 und 3 DVO) nicht um die Stellenzulage nach Art II §§ 6 und 8 Abs 1 des 1. BesVNG vom 8. März 1971 (BGBl I, 208) erhöht (vgl Abs 1 und 3). Die DVO 1977 führte zwar für Richter und Staatsanwälte in § 4 einen neuen Absatz 2 mit Wirkung ab 1. Juli 1977 ein (vgl § 17 Abs 2); aber auch bei diesem Personenkreis blieben Stellenzulagen außer Betracht.

Nach den Feststellungen des LSG werden die Ruhestandsbezüge des Klägers nicht nach der Besoldungsgruppe A 13, sondern nach A 12 berechnet. Bereits ab 1. Juni 1976, also schon ein Jahr bevor der Kläger in den Ruhestand versetzt worden war, wurden die Bezüge der Besoldungsgruppe A 12 zuzüglich einer Überleitungszulage in Höhe des Differenzbetrages zwischen A 12 und A 13 aufgrund Art IX § 11 des 2. BesVNG vom 23. Mai 1975 (BGBl I, 1173) gezahlt. Da ab 1. Juni 1976 (vgl § 17 Abs 1 DVO 1977) noch § 6 DVO 1974 anzuwenden war, mußte nach dessen Abs 2, der im wesentlichen mit § 6 Abs 2 DVO 1977 übereinstimmte, beachtet werden, ob der Kläger vor Auswirkung der Folgen der Schädigung (Ruhestandsversetzung) mindestens eine Besoldungsgruppe über der in § 4 Abs 1 bis 3 für die entsprechende Laufbahngruppe festgesetzten Besoldungsgruppe eingestuft war. In diesen Fällen war als Vergleichseinkommen das Grundgehalt der erreichten Besoldungsgruppe einzusetzen, erhöht um den Ortszuschlag nach Stufe 2 des BBesG und gegebenenfalls um die dort aufgeführte Stellenzulage. Zwar sind die Lehrer in § 6 Abs 2 DVO 1974 nicht gesondert neben den Soldaten, Richtern und Staatsanwälten aufgeführt. Aufgrund ihres beamtenrechtlichen Status sind sie jedoch eindeutig Beamte. Der Sinn und Zweck des § 6 Abs 2 DVO 1974 war es ersichtlich, als Vergleichseinkommen in besonderen Fällen eine höhere Besoldungsgruppe und damit letztlich eine bessere wirtschaftliche Lage des Beschädigten angemessen zu berücksichtigen. So ist es hier.

Als Beamter erhielt der Kläger Bezüge, die ihn wirtschaftlich so stellten, als würde er nach der Besoldungsgruppe A 13 besoldet. Seine Dienstbezüge hatten sich zwar dadurch verringert, daß ihnen ab 1. Juni 1975 die Besoldungsgruppe A 12 anstelle der bisherigen Besoldungsgruppe A 13 zugrunde gelegt worden war, jedoch erhielt er nach Art IX § 11 Abs 1 Nr 1 des 2.BesVNG als wirtschaftlichen Ausgleich für die verringerten Dienstbezüge eine ruhegehaltsfähige Überleitungszulage. Der vom Gesetzgeber mit der Überleitungszulage gewollte wirtschaftliche Ausgleich folgt aus Abs 2 des Art IX § 11 des 2. BesVNG: "Die Überleitungszulage wird in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen den bisherigen Dienstbezügen oder Amtsbezügen (Grundgehalt, Ortszuschlag, ruhegehaltsfähige Zulagen, örtlicher Sonderzuschlag) und den nach diesem Gesetz zustehenden Dienstbezügen (Grundgehalt, Ortszuschlag, ruhegehaltsfähige Zulagen, örtlicher Sonderzuschlag) gewährt. Sie wird hinsichtlich ruhegehaltsfähiger Stellenzulagen nur solange gewährt, wie die bisherigen Anspruchsvoraussetzungen vorliegen". Den wirtschaftlichen Ausgleich bezweckt bei einer anderen Amtseinstufung - wie hier - ferner Abs 3 Satz 1 derselben Vorschrift, wonach die Überleitungszulage an allgemeinen Besoldungsverbesserungen mit dem Vomhundertsatz teilnimmt, um den die Grundgehälter angehoben werden (unverändert geblieben in Art IX § 11 Abs 3 Satz 1, 1. Halbsatz des 2. BesVNG aufgrund Art V Nr 2 des Sechsten Gesetzes über die Erhöhung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern - Sechstes Besoldungserhöhungsgesetz vom 15. November 1977 - BGBl I, 2117, in Kraft getreten mit Wirkung vom 1. Februar 1977 nach Art IX § 4 Satz 1 des Sechsten Besoldungserhöhungsgesetzes). Dem LSG ist deshalb im Ergebnis zuzustimmen, wenn es der Berechnung des Berufsschadensausgleichs als Vergleichseinkommen die Besoldungsstufe A 12 zuzüglich einer Überleitungszulage = A 13 zugrunde gelegt hat (Art IX § 11 des 2. BesVNG). Da das LSG keine tatsächlichen Feststellungen darüber getroffen hat, ob der Unterschiedsbetrag zwischen A 12 und A 13 nach dem 1. Februar 1977 aufgezehrt wurde, es dem Revisionsgericht aber verwehrt ist, derartige Feststellungen zu treffen, ist es Sache des LSG, diese nachzuholen. Dazu wird es bei seiner Entscheidung über den Zweitbescheid Gelegenheit haben.

Von diesen Feststellungen wird es abhängen, in welcher Höhe ab 1. Januar 1978 rückständige Versorgungsbezüge mit 4 Prozent zu verzinsen sind (§ 44 des Sozialgesetzbuches - Allgemeiner Teil - (SGB 1)). Eine solche Verzinsung ist gerechtfertigt, wie der 9. Senat im Urteil vom 19. September 1979 - 9 RV 68/78 - , dem sich der 10. Senat anschließt, ausführlich begründet hat. Danach ist das Verwaltungsverfahren im Sinne von Art II § 23 Abs 2 Satz 2 SGB 1 nicht mit dem Erlaß des Verwaltungsaktes abgeschlossen, solange dieser nicht bindend ist.

Die Kostenentscheidung bleibt der das Verfahren abschließenden Endentscheidung vorbehalten.

 

Fundstellen

Breith. 1981, 331

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