Entscheidungsstichwort (Thema)
Neuregelung der Ermächtigung zur Erbringung kassenärztlicher Leistungen
Orientierungssatz
1. Gegen einen Ermächtigungsvertrag, in dem beiden Vertragsparteien das Recht eingeräumt wird, den Vertrag unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten zum Ende eines Quartals zu kündigen, bestehen grundsätzlich keine rechtlichen Bedenken, wenn die Verwaltungsbehörde bei einer einseitigen Regelung durch Verwaltungsakt ebenfalls berechtigt gewesen wäre, sich einen entsprechenden Widerruf vorzubehalten.
2. Zur Berechtigung der Kassenärztlichen Vereinigung nach Inkrafttreten des KVWG und der ZO-ÄrzteÄndV 1 die vertragliche Ermächtigung des Arztes zur Erbringung kassenärztlicher Leistungen in eine durch Verwaltungsakt geregelte Ermächtigung umzuwandeln.
3. Gegen die Bestimmung einer Zeit, für die die Ermächtigung (zunächst) gilt, bestehen keine rechtlichen Bedenken. Rechtswidrig ist jedoch die Bestimmung des Ermächtigungsbescheides, daß die Kassenärztliche Vereinigung, obwohl sie bereits die Geltungsdauer von vornherein bestimmt hat, die Ermächtigung - ohne Einhaltung einer Frist - widerrufen darf, wenn ein Bedürfnis der Versicherten an der Erbringung der Leistungen des Arztes entfällt.
Normenkette
RVO § 368c Abs 2 Nr 12 Fassung: 1976-12-28; ZO-Ärzte § 31 Abs 5 Fassung: 1977-07-20; ZO-ÄrzteÄndV 1 Art 2 Abs 3 Fassung: 1977-07-20; KVWG Fassung: 1976-12-28
Verfahrensgang
SG Reutlingen (Entscheidung vom 16.05.1979; Aktenzeichen S 6 Ka 1304/78) |
Tatbestand
Gegenstand des Rechtsstreits ist die Neuregelung einer Ermächtigung zur Erbringung kassenärztlicher Leistungen.
Die 1937 in Preßburg/CSR geborene Klägerin, die nach ihrer Berufsausbildung in Prag als Assistenzärztin tätig gewesen war, erhielt nach ihrer Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland 1968 die Bestallung als Ärztin nach der Bundesärzteordnung, 1973 die Anerkennung als Ärztin für Neurologie und Psychiatrie und 1976 die Genehmigung zum Führen der Zusatzbezeichnung "Psychotherapie". Am 26. April 1976 schloß sie mit der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) je einen Ermächtigungsvertrag 1. zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen (RVO-Kassen) gemäß § 10 Abs 2 des Bundesmantelvertrages-Ärzte (BMV-Ä) - in der damals geltenden Fassung - iVm § 1 Abs 2 der Psychotherapievereinbarung vom 14. Juli 1967 in der ab 1. April 1972 geltenden Fassung und 2. zu Lasten der Ersatzkassen gemäß § 5 Abs 3 des Arzt-Ersatzkassenvertrages (EKV) iVm der zwischen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und den Verbänden der Ersatzkassen abgeschlossenen Vereinbarung über die Durchführung der tiefenpsychologisch fundierten und analytischen Psychotherapie in der Ersatzkassenpraxis vom 17. Dezember 1970.
Es wurde ua vereinbart, daß sich die Ermächtigung auf die Behandlung psychoreaktiver seelischer Störungen, Konversions- und Organneurosen sowie vegetativ-funktioneller Störungen beschränken und die Verträge unbeschadet des Rechts zur fristlosen Kündigung aus einem wichtigen Grund gemäß § 626 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) auf unbestimmte Zeit abgeschlossen werden, jedoch von beiden Teilen unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten zum Quartalsende gekündigt werden können.
Diese Ermächtigungsverträge ersetzte die Beklagte durch zwei Bescheide vom 11. April 1978. Sie behielt sich in den Bescheiden das Recht vor, die Ermächtigung zu widerrufen, wenn die Klägerin gegen die Bestimmungen des Bescheides verstößt oder in der Person der Klägerin Umstände eintreten, die bei einem Kassenarzt zur Entziehung der Zulassung führen, oder ein Bedürfnis der Versicherten an der weiteren Erbringung dieser Leistungen durch die Klägerin entfällt oder sonstige dringende sachliche Gründe den Widerruf erfordern. Außerdem wurde bestimmt, daß die - kassen- und vertragsärztlichen - Ermächtigungen nur für Tübingen (Niederlassungsort) gelten und am 30. April 1979 enden. Gleichzeitig mit der Zustellung der Bescheide teilte die Beklagte der Klägerin mit: Die Ermächtigung von Ärzten zur Sicherstellung der ambulanten Versorgung erfolge nicht mehr wie bisher aufgrund eines Ermächtigungsvertrages, sondern durch einen Verwaltungsakt. Gemäß § 368c Abs 2 Ziffer 12 der Reichsversicherungsordnung (RVO) iVm § 31 Abs 5 der Zulassungsordnung für Kassenärzte (ZO-Ä) in der Fassung vom 20. Juli 1977 seien die Ermächtigungen zeitlich, räumlich und dem Umfang nach zu bestimmen. Es werde der Klägerin anheimgestellt, spätestens einen Monat vor Ablauf der gesetzten Frist einen neuen Antrag zu stellen und das Bedürfnis für eine Verlängerung der kassen- und vertragsärztlichen Ermächtigungen zu begründen.
Dem Widerspruch der Klägerin gab die Beklagte insoweit statt, als sie die Ermächtigungen bis zum 30. April 1981 erteilte. Während des anschließenden Klageverfahrens hob die Beklagte schließlich ihre die Ersatzkassenermächtigung betreffende Entscheidung in vollem Umfang auf, weil die Vorschrift über die notwendige Befristung der Ermächtigung (§ 31 Abs 5 ZO-Ä) nur im kassenärztlichen Bereich gelte. Hinsichtlich der Ersatzkassenermächtigung sei die Umstellung der bisherigen Regelung (Kündigung mit einer Frist von drei Monaten) auf eine Befristung rechtswidrig gewesen.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage im übrigen abgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Art 2 Abs 3 der Ersten Verordnung zur Änderung der ZO-Ä vom 20. Juli 1977 -ÄndVO ZO-Ä 1977- (BGBl I 1332) stelle eine bis zum Inkrafttreten der Verordnung am 27. Juli 1977 erteilte Ermächtigung einer neuen Ermächtigung gleich. Das bedeute, daß sie den in § 31 Abs 5 Satz 1 ZO-Ä genannten Beschränkungen in zeitlicher, räumlicher und umfänglicher Hinsicht unterliege. Die Beklagte sei daher verpflichtet gewesen, die früheren Ermächtigungen anzupassen. Die Befristung auf drei Jahre sei nicht zu beanstanden, sie sei sachgerecht. Die KÄV müsse sich in regelmäßigen Abständen davon überzeugen, ob der Ermächtigungsgrund - nämlich eine bestehende oder unmittelbar drohende Unterversorgung - noch vorliege. Verfassungsrechtliche Bedenken bestünden nicht. Der Gesetzgeber sei grundsätzlich nicht gehindert, in bestehende Rechtspositionen einzugreifen. Er habe hier angesichts der ausgeprägten Sozialpflichtigkeit des öffentlich-rechtlichen Zulassungsrechts eine weite Gestaltungsbefugnis. Die Rechtsposition der Klägerin werde in ihrem materiellen Gehalt nicht beeinträchtigt, denn die Beklagte sei auch nach altem Recht bei Wegfall der Ermächtigungsvoraussetzungen zur Kündigung der vertraglichen Vereinbarungen verpflichtet gewesen. Dem stehe nicht entgegen, daß die Klägerin insoweit nach altem Recht formal günstiger gestanden habe, als bei Nichterweislichkeit des Wegfalls der Ermächtigungsgründe der Vertrag nicht wirksam hätte gekündigt werden können. Diese formale Rechtsposition unterliege jedoch keinesfalls dem Schutz der Eigentumsgarantie des Art 14 des Grundgesetzes (GG).
Mit der zugelassenen Sprungrevision rügt die Klägerin eine unrichtige Auslegung des Art 2 Abs 3 ÄndVO ZO-Ä 1977. Sie trägt vor: Sie sei durch den Bescheid vom 11. April 1978 beschwert. Die vertragliche Ermächtigung auf unbestimmte Zeit werde durch eine neue Ermächtigung ersetzt, die zeitlich bis 30. April 1981 befristet sei und bei Wegfall des Bedürfnisses der Versicherten an der weiteren Erbringung der Leistungen sowie aus sonstigen dringenden sachlichen Gründen fristlos widerrufen werden könne. Art 2 Abs 3 ÄndVO ZO-Ä 1977 bewirke unmittelbar die Weitergeltung der alten Ermächtigung, eines Verwaltungsaktes bedürfe es nicht. Die Vorschrift enthalte zwar die Einschränkung, daß vertragliche Ermächtigungen künftig wie Ermächtigungen gemäß § 31 ZO-Ä zu behandeln seien. Aber auch diese Einschränkung begründe keine Verpflichtung und gebe keinen sachlichen Grund, die weiter geltende Ermächtigung durch eine neue zu ersetzen. Das SG verkenne, daß § 31 Abs 5 ZO-Ä eine Ermächtigung auf unbestimmte Zeit - zB auf Lebenszeit - begrifflich nicht ausschließe. Aber selbst wenn jene Vorschrift nur zeitlich befristete Ermächtigungen zuließe, wäre sie durch Art 2 Abs 3 ÄndVO ZO-Ä 1977 eingeschränkt. Es sei abzuwarten, bis konkrete Gründe in der Person des Arztes oder im Bedürfnis für die Versorgung der Kranken eine Änderung oder Aufhebung der alten Ermächtigung notwendig machten. Auf die Problematik des Art 14 GG komme es daher nicht mehr an. Allerdings seien ihre Rechte aus dem Ermächtigungsvertrag, insbesondere im Zusammenhang mit ihrer ärztlichen Praxis, Eigentum im Sinne dieser Verfassungsbestimmung. Das SG habe nicht beachtet, daß der Eingriff durch den Verordnungsgeber ohne spezielle gesetzliche Ermächtigung erfolgt sei. Soweit Art 2 Abs 3 ÄndVO ZO-Ä 1977 ihre Rechte aus den Ermächtigungsverträgen antaste, handele es sich um eine gesetzesabändernde Verordnung, die einer gesetzlichen Grundlage bedurft hätte. Es werde der geltende Rechtssatz, daß Verträge einzuhalten seien, für einen bestimmten Bereich aufgehoben. Eine solche Maßnahme sei allenfalls dem Gesetzgeber erlaubt.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 16. Mai 1979 abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 11. April 1978 - die kassenärztliche Versorgung betreffend - sowie den Widerspruchsbescheid vom 17. Juli 1978 aufzuheben. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie entgegnet: Die Befristung bewirke lediglich, daß nach einem gewissen Zeitablauf die Frage des Bedarfs überdacht und überprüft werde. Der Arzt habe erneut Anspruch auf die Ermächtigung, wenn nur so die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung zu gewährleisten sei. Aber selbst wenn nach Ablauf des festgesetzten Zeitraums die ärztliche Versorgung anderweitig sichergestellt sei, werde dem betreffenden Arzt nicht die Möglichkeit genommen, die bereits begonnene psychotherapeutische Behandlung eines Patienten über den Ablauf der Frist hinaus fortzuführen, da gerade bei der psychotherapeutischen Behandlung das Vertrauen des Patienten zum Arzt im Vordergrund stehe. Der letztere Fall der Nichtverlängerung der Ermächtigung - jedoch mit der Gestattung der Weiterbehandlung bis zum Abschluß - sei auch schon von der vertraglich vereinbarten Ermächtigung umfaßt worden, wenn diese lediglich wegen eines Bedarfes erteilt worden sei.
Entscheidungsgründe
Die Sprungrevision der Klägerin ist zum überwiegenden Teil unbegründet. Sie führt lediglich zur Aufhebung einer Nebenbestimmung der angefochtenen Verwaltungsentscheidung.
Nachdem die Beklagte hinsichtlich der Ersatzkassenermächtigung durch Rücknahme ihres Neuregelungsbescheides den alten Rechtszustand wiederhergestellt hat, beschränkt sich die gerichtliche Prüfung auf den Bescheid vom 11. April 1978, der die Ermächtigung der Klägerin zur Erbringung bestimmter kassenärztlicher Leistungen betrifft. Mit diesem Bescheid hat die Beklagte nicht darüber entschieden, ob der Klägerin überhaupt die Ermächtigung zu erteilen ist. Die Ermächtigung war bereits in dem Vertrag vom 26. April 1976 erteilt worden. Zwischenzeitliche Rechtsänderungen haben die Weitergeltung der Ermächtigung weder ausgeschlossen noch in Frage gestellt. Durch den angefochtenen Bescheid ist lediglich die Ermächtigung der neuen Rechtslage angepaßt worden.
Die Beklagte war insoweit berechtigt, die Ermächtigung neu zu regeln. Zu beanstanden ist jedoch der in den Bescheid aufgenommene Vorbehalt, die Ermächtigung könne widerrufen werden, wenn ein Bedürfnis der Versicherten an der weiteren Erbringung der Leistungen entfällt. Eine isolierte Aufhebung dieser rechtswidrigen Nebenbestimmung ist im vorliegenden Fall zulässig.
Der Ermächtigungsvertrag vom 26. April 1976 stand der Neuregelung der Ermächtigung durch die Beklagte nicht im Wege. Jeder der Beteiligten hatte das Recht, das Vertragsverhältnis zu beenden. In einem eingeschränkten Umfange ergab sich ein solches Recht bereits aus den allgemeinen Regeln des öffentlich-rechtlichen Vertrages, die ua in dem hier nicht unmittelbar anwendbaren Verwaltungsverfahrensgesetz vom 25. Mai 1976 -VwVfG- (BGBl I 1253) und in dem zum Zeitpunkt der Bescheiderteilung am 11. April 1978 noch nicht anwendbaren, weil insoweit erst am 1. Januar 1981 in Kraft getretenen 10. Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - vom 18. August 1980 -SGB X(BGBl I 1469, 2218) ihren gesetzlichen Niederschlag gefunden haben (§§ 54 ff, 60 VwVfG; §§ 53 ff, 59 SGB X). Danach ist eine Anpassung und ausnahmsweise eine Kündigung des Vertrages möglich, wenn sich die Verhältnisse, die für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebend gewesen sind, seit Abschluß des Vertrages so wesentlich geändert haben, daß einer Vertragspartei das Festhalten an der ursprünglichen vertraglichen Regelung nicht zuzumuten ist. Durch diesen allgemeinen Rechtssatz wird eine bereits im Vertrag vorgesehene - also zu einem Bestandteil der vertraglichen Regelung gewordene - weitergehende Möglichkeit der Änderung oder Beendigung des Vertragsverhältnisses nicht ausgeschlossen (BSG vom 8.7.1980 - 6 RKa 10/79 -; vgl Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, Kommentar, 1978, RdNr 54 zu § 54; Engelmann in Schroeder-Printzen, SGB - Verwaltungsverfahren, Kommentar, 1981, Anm 1 zu § 59). Der Ermächtigungsvertrag vom 26. April 1976 enthielt solche besonderen Bestimmungen über die Beendigung des Vertragsverhältnisses. Unter anderem war beiden Vertragsparteien das Recht eingeräumt, den Vertrag unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten zum Ende eines Quartals zu kündigen. Gegen eine derartige Kündigungsklausel bestehen grundsätzlich keine rechtlichen Bedenken, wenn die Verwaltungsbehörde bei einer einseitigen Regelung durch Verwaltungsakt ebenfalls berechtigt gewesen wäre, sich einen entsprechenden Widerruf vorzubehalten.
Ein Verwaltungsakt, durch den ein Arzt zur Erbringung kassenärztlicher Leistungen ermächtigt wird, ist ein begünstigender Verwaltungsakt, denn er begründet ein Recht des Arztes zu einer bestimmten beruflichen Tätigkeit (vgl § 45 Abs 1 SGB X; § 48 Abs 1 VwVfG). Bei einem solchen Verwaltungsakt ist ein Widerrufsvorbehalt in der Regel nur zulässig, wenn die Verwaltungsbehörde nach ihrem Ermessen handeln darf, der Widerrufsvorbehalt sachlich begründet ist und nicht dem Zweck des eingeräumten Ermessens widerspricht (BSGE 37, 155, 159 = SozR 4600 § 143f AVAVG Nr 1; Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 1. Band, 10. Aufl, S. 266 ff; Eyermann/Fröhler, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 7. Aufl, RdNr 46 zu § 42 Anhang; vgl auch § 36 Abs 2 Nr 3 und Abs 3 VwVfG und § 32 Abs 2 Nr 3 und Abs 3 SGB X). Der Widerrufsvorbehalt muß hinreichend bestimmt sein (vgl § 33 Abs 1 SGB X; § 37 Abs 1 VwVfG), so daß sich der durch den Verwaltungsakt Begünstigte auf den Widerruf oder die Änderung des ihm eingeräumten Rechts einstellen kann. Die Widerrufsgründe müssen sich entweder aus dem Verwaltungsakt selbst oder aus einer ihm zugrunde liegenden rechtlichen Regelung ergeben (vgl Engelmann in Schroeder-Printzen aaO, Anm 3.3. zu § 32).
Die Kündigungsklausel im Ermächtigungsvertrag vom 26. April 1976 erfüllt diese Voraussetzungen. Die Erteilung einer Ermächtigung war damals und ist heute in das Ermessen der KÄV gestellt. Das ergibt sich für die Zeit vor dem am 1. Januar 1977 in Kraft getretenen Krankenversicherungs-Weiterentwicklungsgesetz vom 28. Dezember 1976 -KVWG- (BGBl I 3871) schon daraus, daß lediglich die Zulassung und Beteiligung von Ärzten an der kassenärztlichen Versorgung ausdrücklich gesetzlich geregelt war. Die darüber hinaus zur Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung erforderliche Ermächtigung von weiteren Ärzten blieb den vertraglichen Regelungen der Krankenkassenverbände und der Kassenärztlichen Vereinigungen überlassen (§ 368 Abs 1, § 368g Abs 1 und 2 RVO). Nach diesen Regelungen hatten die Kassenärztlichen Vereinigungen, denen letztlich die Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung obliegt (§ 368n Abs 1 RVO), bei der Ermächtigung weiterer Ärzte weitgehend freie Hand (§ 10 Abs 2 BMV-Ä in der damals geltenden alten Fassung). Das KVWG hat hinsichtlich des den Kassenärztlichen Vereinigungen bei Erteilung einer Ermächtigung eingeräumten Handlungsspielraums keine grundsätzliche Änderung gebracht. Es ist nun zwar die Ermächtigung von Ärzten in die gesetzliche Ordnung einbezogen worden (§ 368a Abs 1 und § 368c Abs 2 Nr 12 RVO iVm § 31 ZO-Ä idF der ÄndVO ZO-Ä 1977 vom 20. Juli 1977 - BGBl 1, 1332). Die Kassenärztlichen Vereinigungen haben jedoch weiterhin, insbesondere für die hier in Frage stehende Ermächtigung, einen Handlungsspielraum behalten (§ 31 Abs 1 bis 4 ZO-Ä nF).
Die Kündigungsklausel war sachlich begründet und entsprach auch zur Zeit des Vertragsabschlusses dem Zweck der Ermächtigung. Nach den damals geltenden gesetzlichen Regelungen waren zur Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung in erster Linie die zugelassenen Ärzte und in zweiter Linie die beteiligten Ärzte berufen (§ 368 Abs 1, § 368a, § 368c Abs 1 und Abs 2 Nr 12 und 13 RVO idF vor Inkrafttreten des KVWG). Eine Ermächtigung von weiteren Ärzten kam deshalb grundsätzlich nur in Betracht, wenn und solange die kassenärztliche Versorgung nicht mit zugelassenen und beteiligten Ärzten sichergestellt war, also für die Ermächtigung ein Bedürfnis bestand. Daraus folgt, daß mit der Ermächtigung keine Rechtsposition auf Dauer verliehen werden sollte. Die Kassenärztlichen Vereinigungen waren deshalb gehalten, sich eine Beendigung der Ermächtigung vorzubehalten, entweder durch eine Befristung oder - wie im Vertrag vom 26. April 1976 geschehen - durch eine Kündigungsklausel mit angemessener Kündigungsfrist.
Ist ein Verwaltungsakt mit einem zulässigen Widerrufsvorbehalt versehen, so kann allerdings die Behörde dennoch nicht jederzeit nach ihrem Belieben von dem Widerrufsrecht Gebrauch machen. Der Widerrufsvorbehalt ist nur eine Voraussetzung der Widerrufbarkeit des rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsaktes (vgl § 47 Abs 1 Nr 1 SGB X; § 49 Abs 2 Satz 1 Nr 1 VwVfG). Die Behörde muß auch bei Ausübung des ihr zustehenden Widerrufsrechts von ihrem Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch machen. Sie darf nur widerrufen, wenn das öffentliche Interesse oder eine Änderung der Sachlage den Widerruf rechtfertigt. Sie muß die für und gegen den Widerruf sprechenden Gründe sorgsam abwägen und dabei vor allem einerseits die Interessen desjenigen Gesetzes berücksichtigen, aufgrund dessen der Verwaltungsakt erlassen worden ist, andererseits aber auch das Vertrauen des Begünstigten in den Bestand des rechtmäßig erlassenen Verwaltungsaktes beachten (vgl Eyermann/Fröhler aaO; Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, Studienbuch, 2. Aufl, § 63 II; Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht I, Studienbuch, 9. Aufl, § 49 I c; Stelkens/Bonk/Leonhardt aaO, RdNr 10 f zu § 49; Wiesner in Schroeder-Printzen aaO, Anm 5 a.E. zu § 47 unter Hinweis auf BSG vom 8. Juli 1980 - 6 RKa 10/79). Ob dies auch allgemein für die in einem öffentlich-rechtlichen Vertrag vorgesehene Kündigungsmöglichkeit gilt, kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben. Auch unter Berücksichtigung einer so eingeschränkten Kündigungsmöglichkeit durfte die Beklagte die Ermächtigung der Klägerin neu regeln.
Die Beklagte hat mit dem angefochtenen Bescheid die vertragliche Ermächtigung in eine durch Verwaltungsakt geregelte Ermächtigung umgewandelt. Diese Umwandlung bedeutet, daß die Ermächtigung zwar fortbesteht, für diese jedoch nicht mehr die Bestimmungen des Vertrages vom 26. April 1976, sondern die des Bescheides vom 11. April 1978 maßgebend sind. Damit hat die Beklagte - sieht man zunächst von den einzelnen Bestimmungen des Bescheides ab - den zwischenzeitlichen Rechtsänderungen Rechnung getragen. Während im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses, wie oben dargelegt, eine besondere gesetzliche oder auf Gesetz beruhende Rechtsgrundlage für die Ermächtigung fehlte und deshalb die KÄV und wohl auch die eine Ermächtigung begehrenden Ärzte nur die Möglichkeit sahen, die Ermächtigung vertraglich zu regeln, besteht nun aufgrund der geänderten Rechtslage kein Zweifel, daß auch die Ermächtigung in das öffentlich-rechtliche Kassenarztrecht einbezogen und durch Verwaltungsakt zu regeln ist (vgl Heinemann/Liebold, Kassenarztrecht, 5. Aufl, Stand: April 1981, RdNr C 98 zu § 368a RVO; Krauskopf/Schroeder-Printzen, Soziale Krankenversicherung, Stand: Januar 1981, Anm 3.8. zu § 368a). § 31 ZO-Ä nF räumt der KÄV unter bestimmten oder im BMV-Ä zu bestimmenden Voraussetzungen das Recht ein, Ärzte zur Teilnahme an der kassenärztlichen Versorgung bzw zur Erbringung ärztlicher Leistungen im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung zu ermächtigen. Nach der Übergangsregelung des Art 2 Abs 3 ÄndVO ZO-Ä 1977 gelten Ermächtigungen zur Teilnahme an der kassenärztlichen Versorgung, die bis zum Inkrafttreten der Änderungsverordnung ZO-Ä 1977 aufgrund der Vorschriften des BMV-Ä erteilt worden sind, als Ermächtigungen nach § 31 ZO-Ä nF.
Diese Rechtsänderungen sind für die Rechtsbeziehungen zwischen der Beklagten und der Klägerin zum Teil von unmittelbarer, zum Teil von mittelbarer Bedeutung. Die Übergangsregelung des Art 2 Abs 3 ÄndVO ZO-Ä 1977 besagt nicht nur, daß die nach altem Recht erteilte Ermächtigung fortbesteht, sondern auch, daß sie als Ermächtigung nach § 31 ZO-Ä nF gilt. Für diese Ermächtigung sind aber gewisse Regelungen zwingend vorgeschrieben. So ist der KÄV vor allem aufgegeben, die Ermächtigung zeitlich, räumlich und ihrem Umfang nach zu bestimmen (§ 31 Abs 5 ZO-Ä nF). Daraus ergab sich für die Beklagte, wenn nicht sogar eine Verpflichtung, so doch zumindest ein berechtigter Anlaß, die Ermächtigung der Klägerin neu zu regeln. Eine Änderung der Verhältnisse, die nach dem in § 59 SGB X Gesetz gewordenen allgemeinen Rechtsgrundsatz unter Umständen eine Anpassung oder Kündigung eines öffentlich-rechtlichen Vertrages erlaubt, kann auch eine Rechtsänderung sein (vgl Engelmann in Schroeder-Printzen aaO Anm 2 zu § 59). Ob durch das KVWG - mit der Aufnahme der Ermächtigung in die RVO (§ 368a Abs 1, § 368c Abs 2 Nr 12) - und die ÄndVO ZO-Ä 1977 - mit der die Ermächtigung betreffenden Regelungen in § 31 ZO-Ä nF - die Rechtslage so wesentlich geändert worden ist, daß der Beklagten das Festhalten an der ursprünglichen vertraglichen Regelung nicht mehr zuzumuten war und deshalb schon nach dem oa allgemeinen Rechtsgrundsatz das Vertragsverhältnis beendet werden durfte, kann jedoch dahingestellt bleiben, denn die Beklagte konnte jedenfalls eine Beendigung des Vertragsverhältnisses im Rahmen der im Vertrag vorgesehenen Kündigungsmöglichkeit herbeiführen. Dies hat die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid vom 11. April 1978 und dem Begleitschreiben vom selben Tage getan. Sie hat in diesen Schriftstücken ihren Willen geäußert, das Vertragsverhältnis durch die auf dem Bescheid beruhenden Rechtsbeziehungen zu ersetzen.
Für die Anpassung der Ermächtigung an die geänderte Rechtslage bestand ein öffentliches Interesse. Um eine ordnungsgemäße Durchführung der kassenärztlichen Versorgung zu gewährleisten, hielt es der Gesetzgeber - sowohl im Interesse der Versicherten als auch im Interesse der an der kassenärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte - für erforderlich, die rechtliche Ausgestaltung der Ermächtigung nicht mehr ausschließlich vertraglichen Regelungen (BMV-Ä, Ermächtigungsvertrag) zu überlassen, sondern insoweit wenigstens einen allgemeinen Regelungsrahmen vorzugeben. Es liegt im öffentlichen Interesse, daß auch die nach altem Recht erteilten Ermächtigungen diesen rechtlichen Mindestanforderungen entsprechen.
Dieses öffentliche Interesse verdient den Vorzug gegenüber dem Interesse der Klägerin an einem Fortbestehen der bisherigen vertraglichen Regelung. Mit der hier in Frage stehenden Ermächtigung wurde der Klägerin keine Rechtsposition auf Dauer verliehen. Wie bereits dargelegt, handelte es sich bei der Ermächtigung zur Erbringung bestimmter kassenärztlicher Leistungen schon nach der Rechtslage vor Inkrafttreten des KVWG nur um eine subsidiäre Maßnahme, die lediglich gerechtfertigt war, solange ein Bedürfnis hierfür vorlag. Das konnte auch die Klägerin bei Abschluß des Ermächtigungsvertrages erkennen. Die Zulassung als Kassenarzt war an besondere Voraussetzungen geknüpft und mit strengen Auflagen verbunden. Daraus ergibt sich, daß die kassenärztliche Versorgung in erster Linie dem zugelassenen Kassenarzt anvertraut war. Nur die Zulassung als Kassenarzt stellte daher eine Rechtsposition auf Dauer dar. Daß der Klägerin mit der Ermächtigung eine ebensolche Rechtsposition nicht verliehen werden sollte, wurde durch die vertragliche Kündigungsklausel hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht. Die Klägerin mußte deshalb mit einem Wegfall der Ermächtigung rechnen. Die von ihr erworbene Rechtsposition unterlag von Anfang an dieser Einschränkung. Wenn sie trotzdem davon ausgegangen sein sollte, ihr sei eine Rechtsposition auf Dauer verliehen worden, so war das nicht gerechtfertigt. Sie kann sich deshalb insoweit nicht auf einen ihr zustehenden Vertrauensschutz oder auf die Eigentumsgarantie des Art 14 GG berufen. Das gilt auch, wenn sie in der irrigen Annahme, die Ermächtigung gewähre ihr ein Recht auf Dauer, ihre Arztpraxis entsprechend eingerichtet und ausgestattet hat. Ein Arzt, der auf Dauer kassenärztlich tätig sein möchte, hat sich um eine Zulassung als Kassenarzt zu bewerben. Eine eventuelle Minderung der Leistungsfähigkeit schließt eine solche Zulassung nicht von vornherein aus. Die Klägerin kann auch bei einer Zulassung ihre berufliche Tätigkeit einschränken. Es ist ihr insbesondere möglich, ihren Beruf lediglich im kassenärztlichen Bereich auszuüben und auf eine Ersatzkassenpraxis zu verzichten. Bei Abschluß des Ermächtigungsvertrages hätte sie sich auch auf eine Tätigkeit als Vertragsärztin im Ersatzkassenbereich beschränken können, was allerdings seit Inkrafttreten des KVWG nicht mehr möglich ist (§ 525c Abs 1 RVO).
Hatte die Klägerin sonach durch den Ermächtigungsvertrag keine Rechtsposition auf Dauer erworben, so durfte die Beklagte von der gegebenen rechtlichen Möglichkeit Gebrauch machen und für die nach Art 2 Abs 3 ÄndVO ZO-Ä 1977 fortgeltende Ermächtigung das Vertragsverhältnis beenden und die erforderlichen Regelungen in dem angefochtenen Bescheid treffen. Ob die vertraglichen Regelungen bereits, wie im Bescheid angegeben, mit Wirkung vom 1. Mai 1978 durch die Neuregelung ersetzt wurden oder ob das Vertragsverhältnis noch bis zum Ende des auf die Bescheiderteilung folgenden Quartals, also bis September 1978 fortbestand, ist für den vorliegenden Rechtsstreit ohne Bedeutung. Umstritten sind hier nicht Ansprüche aus dem Vertrag für diese Zeit, sondern die Neuregelung überhaupt, vor allem die Bestimmungen im angefochtenen Bescheid über die Beendigung der Ermächtigung.
Gegen die Bestimmung einer Zeit, für die die Ermächtigung (zunächst) gilt, bestehen keine rechtlichen Bedenken. Sie ist dem Grunde nach durch § 31 Abs 5 ZO-Ä nF vorgeschrieben. Da eine Ermächtigung der vorliegenden Art nur vorgesehen ist, solange ein Bedürfnis hierfür besteht, muß die KÄV das Recht haben, zeitgerecht zu prüfen und zu entscheiden, ob die Voraussetzungen für die Ermächtigung weiterhin erfüllt sind. Eine solche rechtliche Möglichkeit kann hier durch einen Widerrufsvorbehalt oder durch eine zeitliche Begrenzung der Ermächtigung eröffnet werden. Der Verordnungsgeber hat sich in § 31 Abs 5 ZO-Ä nF für die Befristung entschieden. Damit wird sowohl den Interessen der KÄV als auch den Interessen des ermächtigten Arztes Rechnung getragen. Die Befristung ermöglicht nicht nur eine zeitgerechte Überprüfung der Voraussetzungen durch die KÄV, sie schafft auch für den ermächtigten Arzt einen Vertrauenstatbestand. Der Arzt kann sich darauf verlassen, daß er zumindest während der bestimmten Zeit berechtigt ist, die von der Ermächtigung erfaßten kassenärztlichen Leistungen zu erbringen. Die im vorliegenden Fall festgesetzte Zeitspanne von drei Jahren ist angemessen. Das im Ermächtigungsvertrag vereinbarte Recht, den Vertrag unter Einhaltung einer Frist von drei Monaten zum Ende eines Quartals zu kündigen, garantierte keine längere Ermächtigungszeit. Dem ermächtigten Arzt steht es frei, durch eine entsprechende Antragstellung dazu beizutragen, daß jeweils rechtzeitig über die Weitergeltung der Ermächtigung entschieden wird.
Rechtswidrig ist jedoch die Bestimmung des angefochtenen Bescheides, daß die Beklagte, obwohl sie bereits die Geltungsdauer von vornherein bestimmt hat, die Ermächtigung - ohne Einhaltung einer Frist - widerrufen darf, wenn ein Bedürfnis der Versicherten an der Erbringung der Leistungen der Klägerin entfällt. Damit verletzt die Beklagte die ihr vorgegebene rechtliche Regelung. Durch die in § 31 Abs 5 ZO-Ä zwingend vorgeschriebene zeitliche Bestimmung wird die vom Bedürfnis abhängige zeitliche Begrenzung der Ermächtigung ausreichend sichergestellt. Da andererseits die zeitliche Bestimmung den ermächtigten Arzt zu Recht annehmen läßt, daß er zumindest während der festgesetzten Zeit zu der ermächtigten kassenärztlichen Tätigkeit berechtigt ist, verdient er insoweit Vertrauensschutz. Offensichtlich verfolgt auch der Verordnungsgeber das Ziel, daß sich der ermächtigte Arzt wenigstens für einen bestimmten Zeitabschnitt auf das ihm eingeräumte Recht einstellen kann, sonst hätte er nicht zwingend vorgeschrieben, daß die Ermächtigung auch in zeitlicher Hinsicht von vornherein fest zu bestimmen ist; andernfalls hätte er es - wie vor Inkrafttreten der ÄndVO ZO-Ä 1977 - der KÄV überlassen können, auf welche Weise diese eine zeitliche Begrenzung der Ermächtigung sicherstellt, ob durch einen Widerrufsvorbehalt oder dadurch, daß sie die Zeit der Ermächtigung von vornherein bestimmt.
Die rechtswidrige Nebenbestimmung über den (fristlosen) Widerruf wegen Wegfalls des Bedürfnisses ist aufzuheben. Sie ist isoliert aufhebbar, denn sie ist ohne Einfluß auf die Gültigkeit der übrigen Bestimmungen des angefochtenen Bescheides. Die Weitergeltung der Ermächtigung ab 1. Mai 1978 beruht nicht auf dem Bescheid (Art 2 Abs 3 ÄndVO ZO-Ä 1977). Die rechtswidrige Nebenbestimmung ist auch für den übrigen Teil des Bescheides nicht so so wesentlich, daß die Beklagte diesen Teil ohne jene Nebenbestimmung nicht erlassen hätte (vgl § 40 Abs 4 SGB X). Die übrigen Bestimmungen des Bescheides werden von der Aufhebung des rechtswidrigen Widerrufsvorbehalts nicht berührt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Fundstellen