Entscheidungsstichwort (Thema)

Anrechnung von Leistungen eines anderen Rehabilitationsträgers. Kumulierung von Rehabilitationsleistungen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für die Gewährung von Rehabilitationsleistungen (hier: Zuschüsse zur Beschaffung eines Kraftfahrzeugs) kann ein Träger der RV neben einem anderen Rehabilitationsträger zuständig sein; eine solche Zuständigkeitskonkurrenz wird durch RVO § 1236 Abs 3 nicht ausgeschlossen (Anschluß an BSG 1977-08-31 1 RA 47/76 = SozR 2200 § 1236 Nr 3).

2. Im Verhältnis der RV zur KOV (einschließlich der Kriegsopferfürsorge) ist deren Zuständigkeit für den von ihr betreuten Personenkreis die speziellere; sie geht deshalb der Zuständigkeit der RV vor.

3. Der Träger der RV kann sich - auch nach dem Inkrafttreten des RehaAnglG vom 1974-08-07 (vgl besonders dessen § 5 Abs 2: Grundsatz der einheitlichen Trägerschaft) - insoweit nicht auf den Zuständigkeitsvorrang des Trägers der KOV berufen, als dessen Leistungen hinter seinen eigenen zurückbleiben.

 

Orientierungssatz

Der nachrangige Träger, der Rentenversicherungsträger, braucht jedoch nicht seine volle Leistung zu gewähren, sondern stockt nur die Leistung eines vorrangigen Trägers auf, wenn diese hinter seiner vollen Leistung zurückbleibt.

 

Normenkette

RVO § 1236 Abs. 1 Fassung: 1974-08-07, Abs. 3 Fassung: 1974-08-07, § 1237a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Fassung: 1974-08-07; BVG § 26 Abs. 1 Fassung: 1974-08-07, Abs. 2 Nr. 1 Fassung: 1974-08-07; RehaAnglG § 5 Abs. 2 Fassung: 1974-08-07, Abs. 6 Fassung: 1974-08-07; GG Art. 3 Abs. 1 Fassung: 1949-05-23; KOFV § 13 Abs. 4 Fassung: 1965-08-27

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 12.10.1976; Aktenzeichen L 13 J 230/75)

SG Dortmund (Entscheidung vom 11.11.1975; Aktenzeichen S 13 J 119/75)

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 12. Oktober 1976 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten einen Zuschuß zur Beschaffung eines Personenkraftwagens (Pkw) als berufsfördernde Leistung zur Rehabilitation (Hilfe zur Erhaltung eines Arbeitsplatzes, § 1237a Abs 1 Nr 1 der Reichsversicherungsordnung - RVO -). Er ist 1919 geboren und bezieht wegen einer Kriegsbeschädigung (Amputation des linken Beins im Oberschenkel) eine Kriegsopferrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 80 vH. Um seinen Arbeitsplatz zu erreichen - er ist als Mechaniker umgeschult worden -, benutzt er einen Pkw. Im Mai 1975 kaufte er als Ersatz für den bisher gefahrenen Wagen einen neuen zum Preis von 10.568,20 DM. Dazu gewährte ihm die für die Kriegsopferfürsorge zuständige Stelle einen Zuschuß von 2.000,- DM und ein Darlehen von 5.700,- DM, das ab Oktober 1975 mit monatlich 180,- DM zu tilgen war.

Im Dezember 1974 hatte der Kläger auch bei der Beklagten einen Zuschuß für den Kauf des Pkw beantragt. Diese hatte den Antrag abgelehnt, weil sie sich mit Rücksicht auf die Leistungspflicht der Kriegsopferfürsorge nicht für zuständig hielt; der Kläger benötige den Wagen nur wegen seines Schädigungsleidens (Bescheid vom 2. April 1975 und Widerspruchsbescheid vom 29. Juli 1975).

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen, aber die Berufung zugelassen (Urteil vom 11. November 1975). Auf die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) die Bescheide der Beklagten aufgehoben und sie verpflichtet, über den Antrag des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden (Urteil vom 12. Oktober 1976). Nach Ansicht des LSG hat die Beklagte ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt, weil sie den Antrag des Klägers ohne Prüfung der Umstände des Falles lediglich mit der Begründung abgelehnt habe, daß sie bei einer Wehrdienstbeschädigung grundsätzlich keinen Zuschuß gewähre. Nach § 1236 Abs 3 RVO sei ihre Zuständigkeit nicht ausgeschlossen; diese Vorschrift solle nur verhindern, daß sich ein anderer Leistungsträger auf ihre Kosten entlaste. Der Grundsatz der einheitlichen Trägerschaft während eines Rehabilitationsverfahrens (§ 5 Abs 2 des Gesetzes über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation - RehaAnglG - vom 7. August 1974, BGBl I 1881) könne in einem gegliederten System der Rehabilitation nicht ohne Einschränkung verwirklicht werden. Auch die Gesamtvereinbarung der Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation über Kraftfahrzeughilfe für Behinderte und die entsprechenden Verwaltungsbestimmungen der Beklagten rechtfertigten ihre ablehnende Entscheidung nicht. Die Gewährung von berufsfördernden Rehabilitationsmaßnahmen sei unabhängig davon, auf welchem Ereignis die Gesundheitsschädigung beruhe; nicht die Ursache der Schädigung, sondern das mit der Rehabilitation verfolgte Ziel sei entscheidend. Im übrigen verstoße die Verwaltungspraxis der Beklagten gegen den Gleichheitsgrundsatz, weil danach kriegsbeschädigte Versicherte, die aus der Kriegsopferfürsorge nur einen Zuschuß von 2.000,- DM zur Beschaffung eines Pkw erhielten, schlechter gestellt würden als andere Versicherte, denen die Beklagte einen Zuschuß bis zu 6.000,- DM gewähre. Diese Schlechterstellung werde weder durch ein zusätzliches Darlehen der Kriegsopferfürsorge noch durch deren sonstige Leistungen ausgeglichen.

Die Beklagte hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt, die sie vor allem auf die Zuständigkeitsregelung in § 1236 Abs 3 RVO und den Grundsatz der einheitlichen Leistungsträgerschaft im § 5 Abs 2 RehaAnglG stützt. § 1236 Abs 3 RVO bestimme den zuständigen Leistungsträger nach dem Kausalitätsprinzip. Dieser habe dann im Sinne der finalen Betrachtungsweise alle erforderlichen Leistungen zu erbringen, und zwar in alleiniger Zuständigkeit. Eine Aufstockung der Leistungen durch einen anderen Träger sei unzulässig. Dem vom Kläger angeführten Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 31. August 1977 - 1 RA 47/76 -, das eine abweichende Rechtsauffassung vertrete, sei nicht zu folgen.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Landessozialgerichts vom 12. Oktober 1976 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts vom 11. November 1975 zurückzuweisen.

Der Kläger hält das angefochtene Urteil für zutreffend und beantragt, die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten hat keinen Erfolg. Der erkennende Senat tritt dem angefochtenen Urteil im Ergebnis und im wesentlichen auch in der Begründung bei.

Rechtsgrundlage für den vom Kläger begehrten Zuschuß zur Beschaffung eines Kraftfahrzeugs ist § 1236 Abs 1 iVm § 1237a Abs 1 Nr 1 RVO, beide in der Fassung des RehaAnglG (§ 21 Nr 67 und Nr 69). Sowohl der Antrag des Klägers auf die streitige Leistung als auch der Erwerb des Kraftfahrzeugs, zu dessen Anschaffung der Zuschuß beantragt worden ist, fallen in die Zeit nach dem 1. Oktober 1974 und damit in den Geltungsbereich des RehaAnglG, das am 1. Oktober 1974 in Kraft getreten ist (§ 45 Abs 1). Dem vom Kläger angeführten Urteil des BSG vom 31. August 1977 (1 RA 47/76), das über einen ähnlichen Sachverhalt wie den vorliegenden entschieden hat, liegt dagegen noch das alte Recht zugrunde (§ 13 Abs 1 und § 14 Abs 1 und Abs 3 Buchstabe c des Angestelltenversicherungsgesetzes idF des Jahres 1957).

Nach § 1236 Abs 1 RVO "kann" der Träger der Rentenversicherung einem Versicherten, dessen Erwerbsfähigkeit infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte gefährdet oder gemindert ist und voraussichtlich erhalten, wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden kann, Leistungen zur Rehabilitation in dem in den §§ 1237 bis 1237b bestimmten Umfang gewähren. § 1237a RVO nennt unter den berufsfördernden Leistungen "Hilfen zur Erhaltung oder Erlangung eines Arbeitsplatzes" (Abs 1 Nr 1). Zu ihnen gehört die Hilfe zur Beschaffung eines Kraftfahrzeugs, sofern das Fahrzeug wegen der Art oder Schwere der Behinderung zur Erreichung des Arbeitsplatzes benötigt wird und damit dessen "Erhaltung" dient (Kraftfahrzeughilfe).

Aufgrund dieser gesetzlichen Ermächtigung und zum Zwecke der gleichmäßigen Ausübung des Verwaltungsermessens bei Gewährung der fraglichen Leistungen hat die Beklagte "Grundsätze für die Hilfe zur Beschaffung von Kraftfahrzeugen für Behinderte als Regelleistung der gesetzlichen Rentenversicherung" mit Wirkung vom 1. Juli 1974 erlassen; sie gehen auf eine Gesamtvereinbarung der Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation über Kraftfahrzeughilfe für Behinderte vom 21. September 1973 zurück und stimmen mit denen anderer Rentenversicherungsträger überein (vgl etwa die Grundsätze der Landesversicherungsanstalt Hessen, abgedruckt in ihren Nachrichten 1974, 112).

Im vorliegenden Fall hat die Beklagte bisher nicht näher geprüft, ob der Kläger die in den genannten Rechtsvorschriften und Verwaltungsbestimmungen geforderten Voraussetzungen für die Gewährung einer Kraftfahrzeughilfe erfüllt. Sie hat die Leistungsgewährung schon deswegen abgelehnt, weil die Kriegsopferversorgung (Kriegsopferfürsorge) hier allein zuständig sei. Dem ist der Senat nicht gefolgt.

Allerdings können kriegsbeschädigte Versicherte wie der Kläger auch nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) einen Zuschuß zur Beschaffung eines Kraftwagens erhalten. So können ihnen nach § 11 Abs 3 BVG unter bestimmten Voraussetzungen zur Ergänzung der orthopädischen Versorgung Zuschüsse zu den Kosten der Beschaffung, Instandhaltung und Änderung von Motorfahrzeugen gewährt werden, und zwar je nach Art und Schwere der Behinderung bis zu bestimmten Höchstbeträgen (vgl §§ 2 und 5 der Verordnung zur Durchführung des § 11 Abs 3 und des § 13 BVG in der jeweils gültigen Fassung). Daneben sind ihnen im Rahmen der Kriegsopferfürsorge nach § 26 BVG idF des RehaAnglG als berufsfördernde Leistungen zur Rehabilitation alle Hilfen zu gewähren, die erforderlich sind, um ihre Erwerbsfähigkeit entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu bessern, herzustellen oder wiederherzustellen und sie hierdurch möglichst auf Dauer beruflich einzugliedern (Abs 1 Satz 1). Dabei kommen auch Hilfen zur Erhaltung eines Arbeitsplatzes in Betracht (Abs 2 Nr 1 aaO); zu ihnen gehören Hilfen zur Beschaffung, zum Betrieb, zur Unterhaltung und zum Unterstellen eines Kraftfahrzeugs sowie zum Erwerb des Führerscheins, wenn der Beschädigte zur Erreichung seines Arbeitsplatzes infolge der Schädigung auf die Benutzung eines Kraftfahrzeugs angewiesen ist (§ 13 Abs 4 der Verordnung zur Kriegsopferfürsorge). Aufgrund der zuletzt genannten Vorschriften hat auch der Kläger für die Ersatzbeschaffung seines Pkw einen Zuschuß von 2.000,- DM und ein Darlehen von 5.700,- DM erhalten (vgl Richtlinien für die Gewährung von Leistungen der Kriegsopferfürsorge zur Beschaffung von Kraftfahrzeugen für Beschädigte, Rundschreiben des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung vom 4. Januar 1974, BVBl 1974, 16).

Die Zuständigkeit eines Trägers der Kriegsopferversorgung oder der Kriegsopferfürsorge schließt indessen die Zuständigkeit eines Trägers der Rentenversicherung für die Gewährung entsprechender Leistungen nicht aus. Etwas anderes ergibt sich - entgegen der Ansicht der Beklagten - auch nicht aus § 1236 Abs 3 RVO. Danach bleiben, soweit für Rehabilitationsmaßnahmen ein anderer Träger der Sozialversicherung oder eine sonstige durch Gesetz verpflichtete Stelle, insbesondere die Kriegsopferversorgung oder die Bundesanstalt für Arbeit, zuständig ist, "deren Verpflichtung und Zuständigkeit unberührt". Wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, soll diese Vorschrift nur verhindern, daß der andere Versicherungsträger oder die sonstige Stelle sich auf Kosten des nach § 1236 RVO zuständigen Rentenversicherungsträgers entlastet, ihre Leistungszuständigkeit also auf die Rentenversicherung abwälzt. Wenn § 1236 Abs 3 RVO dies verbietet, so folgt daraus nicht, daß die Zuständigkeit der anderen Stelle eine ausschließliche ist. Ihre Zuständigkeit kann vielmehr mit einer entsprechenden Zuständigkeit eines Rentenversicherungsträgers konkurrieren. In diesem Sinne hat schon der 1. Senat des BSG in dem genannten Urteil vom 31. August 1977 den Abs 3 des § 1236 RVO ausgelegt. Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung an.

Soweit es sich allerdings um das Verhältnis der Rentenversicherung zur Kriegsopferversorgung (mit Einschluß der Kriegsopferfürsorge) handelt, scheint der Gesetzgeber bei Schaffung des § 1236 Abs 3 RVO davon ausgegangen zu sein, daß für die Gewährung von Rehabilitationsleistungen die Zuständigkeit der Kriegsopferversorgung derjenigen der Rentenversicherung vorgeht. Nach der Begründung dieser Vorschrift soll mit ihr klargestellt werden, daß die Verpflichtung zur Durchführung von Maßnahmen zur Erhaltung, Besserung und Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit, die etwa für Träger eines anderen Zweiges der Sozialversicherung (zB der Unfallversicherung) oder einer sonstigen durch Gesetz verpflichteten Stelle (zB der Kriegsopferversorgung) besteht, durch die Übertragung von Rehabilitationsaufgaben auf die Rentenversicherung unberührt bleibt; "bei Kriegsopfern ist also die Kriegsopferversorgung, bei Personen, die durch Betriebsunfall oder Berufskrankheiten in der Erwerbsfähigkeit beeinträchtigt sind, die Unfallversicherung zuständig und verpflichtet" (BT-Drucks 2/2437 S 67).

Daß eine Leistungspflicht und Zuständigkeit der Kriegsopferversorgung für den von ihr erfaßten Personenkreis in der Tat einer Zuständigkeit der Rentenversicherung vorgeht, ergibt sich schon aus dem Vorrang der besonderen Zuständigkeit vor der allgemeineren (Grundsatz der Spezialität, nach dem die speziellere Norm - auch die speziellere Zuständigkeitsnorm - die Anwendung der generellen ausschließt). Ein solches Verhältnis der Spezialität liegt hier vor. Die Leistungszuständigkeit der Kriegsopferversorgung beschränkt sich nämlich grundsätzlich auf Personen, die im Zusammenhang mit dem Militärdienst eine gesundheitliche Schädigung erlitten haben, und deren Hinterbliebene (§ 1 BVG). Entsprechendes gilt für die im Rahmen der Kriegsopferversorgung zu gewährende Kriegsopferfürsorge zugunsten von Beschädigten und ihren Hinterbliebenen (§ 25 BVG). Im Gegensatz zu diesen Regelungen, die auf die Ursache der Schädigung abstellen, gewährt die Rentenversicherung Rehabilitationsleistungen ohne Rücksicht darauf, auf welchen Gründen die Krankheit, das Gebrechen oder die Schwäche der körperlichen oder geistigen Kräfte beruht, durch die die Erwerbsfähigkeit der Versicherten gefährdet oder gemindert wird. Die Zuständigkeit der Rentenversicherung ist mithin gegenüber derjenigen der Kriegsopferversorgung (einschließlich der Kriegsopferfürsorge) die allgemeinere; sie tritt deshalb grundsätzlich hinter der Sonderzuständigkeit der Kriegsopferversorgung zurück (ebenso Kommentar zur RVO, herausgegeben vom Verband Deutscher Rentenversicherungsträger, 15. Ergänzung 1. Juli 1976, Anm 17 zu § 1236 RVO, und insbesondere für Heilbehandlungsmaßnahmen Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 1. bis 8. Aufl, S 666 g).

Daran hat auch das RehaAnglG nichts geändert. Nach Abwägung der Vor- und Nachteile des bisherigen "gegliederten" Systems, das für die Durchführung von Rehabilitationsmaßnahmen fünf verschiedene Trägergruppen kennt (vgl dazu die Grundsätze der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation über Rehabilitation als gemeinsame Aufgabe ihrer Träger vom 14. April 1970, DOK 1970, 284), hat sich der Gesetzgeber - jedenfalls vorläufig - zur Beibehaltung dieses Systems entschlossen (BT-Drucks 7/1237 S 50 f; 7/2256 S 2). Damit entscheidet "auch künftig die Ursache der Behinderung über die Zuordnung des einzelnen Behinderten zu einem Rehabilitationsträger" (BT-Drucks 7/1237 S 50, rechte Spalte unter 4 a). Um andererseits die mit diesem System verbundenen Mängel zu mildern - abgesehen von der Unterschiedlichkeit der Leistungen können während eines Rehabilitationsverfahrens mehrere Träger neben- oder nacheinander tätig werden -, ist allen am Verfahren beteiligten Trägern eine enge Zusammenarbeit zur Pflicht gemacht und dem in erster Linie zuständigen Träger die Aufstellung eines Gesamtplans aufgetragen worden (§ 5 Abs 1 und 3 RehaAnglG). Darüber hinaus bestimmt § 5 Abs 2 RehaAnglG, um möglichst keinen Zuständigkeitswechsel während eines laufenden Verfahrens eintreten zu lassen, daß jeder Träger im Rahmen seiner Zuständigkeit die nach Lage des Einzelfalles, erforderlichen Leistungen so vollständig und umfassend zu erbringen hat, daß Leistungen eines anderen Trägers nicht erforderlich werden (Grundsatz der einheitlichen Trägerschaft). Dies gilt, worauf die Beklagte mit Recht hingewiesen hat, auch für die kraft Sonderzuständigkeit leistungspflichtigen Rehabilitationsträger wie die Kriegsopferversorgung (einschließlich der Kriegsopferfürsorge).

Soweit hiernach die Kriegsopferversorgung zuständig ist und den Leistungen der Rentenversicherung mindestens gleiche oder gleichwertige Leistungen erbringt, werden in der Regel auch kaum Schwierigkeiten auftreten. Anders liegt es dagegen, wenn ihre Leistungen in bestimmten Bereichen, wie bei der streitigen Kraftfahrzeughilfe, hinter denen der Rentenversicherung zurückbleiben. Ob sie damit eine Verpflichtung des zuständigen Rehabilitationsträgers verletzt, nämlich "die nach Lage des Einzelfalles erforderlichen Leistungen ... vollständig und umfassend zu erbringen" (§ 5 Abs 2 RehaAnglG), und, wenn die Frage mit der Beklagten zu bejahen wäre, welche rechtlichen Folgen sich aus einer Nichterfüllung dieser Verpflichtung ergeben können, braucht der Senat nicht zu entscheiden, da sich die Klage nicht gegen einen Träger der Kriegsopferversorgung oder der Kriegsopferfürsorge, sondern gegen einen Rentenversicherungsträger richtet.

An die Möglichkeit, Leistungen eines Rehabilitationsträgers, die auf seinem Ermessen beruhen, über § 5 Abs 2 RehaAnglG erzwingbar zu machen, hat der Gesetzgeber offenbar nicht gedacht. Dagegen spricht auch § 5 Abs 6 RehaAnglG, der den Rehabilitationsträgern lediglich auftragt, im Rahmen der durch Gesetz, Rechtsverordnung oder allgemeine Verwaltungsvorschrift getroffenen Regelungen im Benehmen mit Bund und Ländern ua darauf hinzuwirken, daß die Leistungen zur Rehabilitation dem Umfang nach einheitlich erbracht werden; hierzu können im Einvernehmen aller Träger Gesamtvereinbarungen abgeschlossen werden (zur Angleichung der Rehabilitationsleistungen vgl auch § 9 Abs 2 RehaAnglG). Eine diesem Auftrag entsprechende Gesamtvereinbarung aller Rehabilitationsträger über einheitliche Leistungen bei der Gewährung von Kraftfahrzeughilfe ist bisher nicht zustande gekommen. Welche Folgerungen sich daraus für Behinderte ergeben, die nur von der Kriegsopferversorgung (Kriegsopferfürsorge) betreut werden, mag hier auf sich beruhen. Soweit die Behinderten, wie der Kläger, als Kriegsbeschädigte und zugleich als Rentenversicherte zum Zuständigkeitsbereich sowohl der Kriegsopferversorgung wie der Rentenversicherung gehören, dürfen sie jedenfalls nicht schlechter gestellt werden, als wenn sie nur von der Rentenversicherung betreut würden. Insoweit müssen deshalb aus Gründen der Gleichbehandlung ergänzende Leistungen der Rentenversicherung zulässig sein, auch wenn damit die Sonderzuständigkeit der Kriegsopferversorgung entgegen dem Kausalprinzip und dem Grundsatz der einheitlichen Trägerschaft durchbrochen wird. So wichtig das Kausalprinzip auch in Zukunft für die Bestimmung des zuständigen Rehabilitationsträgers ist, so muß es, was den Umfang der zu gewährenden Leistungen betrifft, hinter dem allgemeinen Ziel der Rehabilitation zurücktreten, die Behinderten - ohne Rücksicht auf die Ursache ihrer Behinderung - allein nach Maßgabe ihrer Hilfsbedürftigkeit und ihres Leistungsbedarfs in das berufliche und gesellschaftliche Leben einzugliedern ("finale" Ausgestaltung der Rehabilitationsleistungen, vgl BT-Drucks 7/2256 S 2, linke Spalte unter II 1; vgl ferner zur "Akausalität" und "Finalität" sozialer Rehabilitation nach dem Rehabilitationskonzept des Europarats DOK 1978, 357, 359). Soweit es sich also nicht darum handelt, welcher Rehabilitationsträger Leistungen zu erbringen hat, sondern die Frage zu entscheiden ist, in welcher Höhe die Leistungen zu gewähren sind, ist nicht das Kausal-, sondern das Finalprinzip maßgebend. Damit wird zugleich dem Grundanliegen des RehaAnglG Rechnung getragen, die Rehabilitationsleistungen für alle Behinderte möglichst einheitlich zu gestalten ("Gesetz über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation"), insbesondere die Höhe der Leistungen nicht davon abhängig zu machen, welcher Umstand für die Behinderung und somit für den Leistungsbedarf ursächlich geworden ist, so daß bei gleicher Bedarfslage grundsätzlich gleiche Leistungen gewährt werden. Nur eine solche Regelung entspricht dem Gleichheitssatz des Grundgesetzes (Art 3 Abs 1), der auch für die Gewährung von Ermessensleistungen gilt (vgl BVerfGE 18, 353, 363; BSGE 27, 34, 38; 29, 133, 137; BVerwGE 31, 212, 214).

Ob dem Finalprinzip auch die Forderung entnommen werden kann, Rehabilitationsleistungen möglichst als "Sachleistungen" zu gewähren, im Falle der Kraftfahrzeughilfe also dem Behinderten nicht nur einen Zuschuß zur Anschaffung eines Fahrzeugs zu bewilligen, sondern ihm entweder das Fahrzeug selbst kostenfrei zur Verfügung zu stellen oder dessen Anschaffungskosten voll zu übernehmen, läßt der Senat offen. Er läßt ferner unentschieden, ob eine Kumulierung von Leistungen mehrerer Rehabilitationsträger bis zur Höhe der "vollen" Rehabilitation dem Plan des geltenden Rehabilitationsrechts entspricht und deshalb nicht nur zulässig, sondern sogar erwünscht ist (vgl hierzu das schon genannte Urteil des 1. Senats, S 7 f). Auch der 1. Senat hält eine Begrenzung der Rehabilitationsleistungen bei der Kraftfahrzeughilfe für denkbar, wenn der Behinderte das Fahrzeug nicht nur zur Erreichung des Arbeitsplatzes, sondern auch zu privaten Zwecken benutzt (aaO S 9). Nach Ansicht des erkennenden Senats könnte sich eine Leistungsbegrenzung ferner dadurch rechtfertigen, daß im Falle der Belastung des Behinderten mit einem Eigenanteil ("Interessenquote") eher mit einer pfleglichen Behandlung des Fahrzeugs zu rechnen ist (vgl Mitteilungen der LVA Oberfranken und Mittelfranken 1974, 177, hier: 178 oben). Schließlich muß den Rentenversicherungsträgern im Bereich der Ermessensleistungen, zu denen die Kraftfahrzeughilfe gehört, ein eigener Entscheidungsspielraum für den Einsatz der verfügbaren Haushaltsmittel, insbesondere die Entscheidung darüber verbleiben, in welchem Umfange bestimmte Leistungen gewährt werden sollen.

Auch wenn hiernach Kraftfahrzeughilfe - wie bisher - nur als eine Zuschußleistung gewährt wird, so muß auf der anderen Seite, wie ausgeführt, sichergestellt sein, daß die Behinderten - ungeachtet der unterschiedlichen, dem Kausalprinzip folgenden Zuständigkeit der Rehabilitationsträger - bei gleichem Leistungsbedarf grundsätzlich gleiche Leistungen erhalten. Das gilt jedenfalls für solche Behinderten, für die, wie im Falle des Klägers, neben einem in erster Linie zuständigen Rehabilitationsträger noch ein anderer - nachrangig - zuständig ist. Solange hier die Leistungen des vorrangig zuständigen Trägers geringer sind als die des nachrangig zuständigen, müssen deshalb seine Leistungen durch Leistungen des anderen ergänzt ("aufgestockt") werden, damit die Gesamtleistung nicht hinter der höheren des anderen Trägers zurückbleibt.

Im vorliegenden Fall bedeutet dies für die Beklagte, daß sie sich gegenüber dem Kläger auf den Nachrang ihrer Zuständigkeit im Verhältnis zur Kriegsopferfürsorge insoweit nicht berufen kann, als die Leistungen der Kriegsopferfürsorge ihre eigenen nicht erreichen. Andererseits braucht sie dem Kläger nicht mehr zu gewähren, als er im Falle ihrer Alleinzuständigkeit von ihr erhalten hätte. Sonst würde der Kläger - entgegen der Forderung nach gleichen Leistungen bei gleicher Bedarfslage - aus dem Umstand, daß außer der Beklagten und vorrangig vor ihr noch ein anderer Rehabilitationsträger für ihn zuständig ist, einen sachlich ungerechtfertigten Vorteil ziehen. Die Beklagte kann also die Leistungen der Kriegsopferfürsorge auf ihre eigenen Leistungen anrechnen, wobei allerdings nur entsprechende Leistungen in Betracht kommen, hier mithin nur der Zuschuß der Kriegsopferfürsorge zu den Anschaffungskosten des Pkw.

Nach Klärung der Zuständigkeitsfrage wird die Beklagte nunmehr zu prüfen haben, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung der vom Kläger beantragten Kraftfahrzeughilfe nach §§ 1236 ff RVO vorliegen. Wenn dies der Fall ist, wird sie bei ihrer Ermessensentscheidung die von ihre selbst erlassenen Grundsätze über die Gewährung von Kraftfahrzeughilfe - im Sinne einer "Selbstbindung" ihres Ermessens - zu beachten haben. Für die von ihr beantragte Beiladung des Trägers der Kriegsopferfürsorge war im Revisionsverfahren kein Raum (§ 168 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).

Der Senat hat hiernach ihre Revision gegen das Aufhebungs- und Verpflichtungsurteil des LSG als im Ergebnis unbegründet zurückgewiesen und über die Kosten des Revisionsverfahrens nach § 193 SGG entschieden.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1651838

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