Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Versicherungs- und Beitragspflicht für eine Schadensabrechnerin, die sich vertraglich verpflichtet hat, in ihren Wohnräumen gegen Entgelt wöchentlich 20 - 50 Schadensfälle für einen privaten Versicherungsverein zu bearbeiten.
Leitsatz (redaktionell)
Für die Prüfung der Frage, ob ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt, ist unerheblich, wie das Vertragsverhältnis der Parteien bürgerlich-rechtlich zu beurteilen ist und welche Absichten die Parteien mit ihren Abmachungen verfolgen; es kommt vielmehr allein auf die tatsächliche Gestaltung des Vertragsverhältnisses und die Art der verrichteten Tätigkeit an.
Normenkette
RVO § 165 Abs. 1 Nr. 2 Fassung: 1969-07-27; AVG § 3 Abs. 1 Nr. 3 Fassung: 1957-02-23; AFG § 168 Fassung: 1969-06-25; AVG § 2 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1957-02-23
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 15. Dezember 1971 aufgehoben.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 7. Juli 1971 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Verfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Es ist umstritten, ob die Beigeladene zu 1) in ihrer Tätigkeit für den Kläger der Versicherungs- und Beitragspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung, Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung unterliegt.
Die Beigeladene zu 1) war bis Ende August 1969 beim Kläger als Schadensabrechnerin beschäftigt. Zum 1. September 1969 schlossen der Kläger und die Beigeladene zu 1) folgenden "Rahmenwerkvertrag" ab:
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1. |
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Die Auftragnehmerin übernimmt für die Zeit ab 1.9.69 Einzelaufträge zur Anfertigung von Abrechnungen über die Ansprüche von Versicherungsnehmern des Auftraggebers. |
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2. |
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Die Auftragnehmerin bestimmt selbst die Anzahl der Einzelaufträge, die sie übernehmen will. Der Auftraggeber wird ihr pro Woche höchstens 50 Einzelaufträge erteilen. Die Vertragspartner sehen vor, ohne sich jedoch hierzu zu verpflichten, wöchentlich 20 Einzelaufträge zu erteilen, bzw. zu übernehmen. |
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3. |
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Die Aufträge sind innerhalb von drei Werktagen auszuführen. |
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4. |
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Hin- und Rücktransport der Auftragsunterlagen und die Anlieferung der erstellten Abrechnungen sind grundsätzlich Sache der Auftragnehmerin. Der Auftraggeber ist jedoch in begründeten Ausnahmefällen bereit, den Transport durchzuführen. |
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5. |
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Die Abrechnungen sind in der für die Zwecke des Auftraggebers erforderlichen Art zu erstellen. Einzelheiten ergeben sich aus den der Auftragnehmerin zur Verfügung gestellten allgemeinen Arbeitsanweisungen, Formularen, Nachschlagwerken, Gebührenverzeichnissen und Einzelanweisungen für Sonderfälle. |
Der Auftraggeber stellt ferner eine Rechenmaschine zur Verfügung. Diese und die genannten Unterlagen bleiben Eigentum des Auftraggebers. Sie sind spätestens bei Beendigung dieses Vertrages zurückzugeben. Sie sind ebenso wie die der Auftragnehmerin bei Erteilung der Einzelaufträge ausgehändigten Akten sorgfältig aufzubewahren und vor dem Zugriff Unbefugter zu schützen.
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6. |
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Als Vergütung erhält die Auftragnehmerin je ordnungsgemäß erstellter Abrechnung eine Grundgebühr von 1,20 DM und je Zeile der Abrechnung -.60 DM. |
Die Vergütung wird für je einen Monat abgerechnet und ausgezahlt, und zwar in den ersten zehn Tagen des Folgemonats.
Mit dieser Zahlung sind alle eventuellen weiteren finanziellen Ansprüche gegen den Auftraggeber abgegolten.
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7. |
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Der Vertrag wird auf unbestimmte Zeit geschlossen. Er ist beiderseits mit einer Frist von 14 Tagen kündbar. Eine Kündigung hat schriftlich zu erfolgen. |
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8. |
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Die Auftragnehmerin hat über alle Vorgänge, die ihr im Zusammenhang mit diesem Vertrag zur Kenntnis gelangen, insbesondere über Erkrankungen von Versicherungsnehmern, unbedingtes Stillschweigen zu bewahren. Bei Verletzung dieser Verpflichtung macht sie sich schadensersatzpflichtig und möglicherweise strafbar. |
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9. |
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Der Auftragnehmerin ist bekannt, daß sie mit diesem Vertrag als Selbständige tätig wird. Die Gewerbeanmeldung und das Abführen von Steuern, Beiträgen und Abgaben, die mit der Tätigkeit zusammenhängen, obliegen allein ihr. |
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10. |
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Gerichtsstand für alle Ansprüche aus diesem Vertrag ist Hamburg. |
Auf Grund dieses Vertrages arbeitete die Beigeladene zu 1) vom 1. September 1969 an nicht mehr im Büro des Klägers, sondern in ihrer Wohnung. Sie erhielt Vergütungen zwischen 561,- DM und 2037,- DM für die Monate September 1969 bis Februar 1970. In dieser Zeit wurden monatlich zwischen 71 und 286 Fälle abgerechnet.
Die Beklagte sah die Beigeladene zu 1) als sozialversicherungspflichtig an und forderte mit Bescheid vom 8. April 1970 vom Kläger für die Vergütungen an die Beigeladene zu 1) Beiträge zur Krankenversicherung (September bis Dezember 1969), zur Angestelltenversicherung und zur Arbeitslosenversicherung von insgesamt 1.511,44 DM.
Der Kläger und die Beigeladene zu 1) sind der Auffassung, daß die Beigeladene zu 1) als Selbständige tätig und deshalb nicht versicherungspflichtig sei. Der Widerspruch des Klägers blieb ohne Erfolg (Bescheid vom 1. September 1970). Der Kläger zahlte die verlangten Beiträge unter Vorbehalt. Er beantragte mit der Klage, den Beitragsbescheid aufzuheben und die Beklagte zur Rückzahlung von 1.511,44 DM zu verurteilen.
Das Sozialgericht (SG) Hamburg hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 7. Juli 1971). Das Landessozialgericht (LSG) Hamburg hat auf die Berufung des Klägers die Beklagte zur Zahlung von 1.511,44 DM an den Kläger verurteilt; die Revision wurde zugelassen (Urteil vom 15. Dezember 1971).
Das LSG hat die Berufung als zulässig nach § 149, 3. Alternative, des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) angesehen; Streitgegenstand der Klage sei zwar eine einmalige Zahlung; doch sei § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG auf die Streitigkeiten nach § 149 SGG nicht anzuwenden.
Das LSG hat eine selbständige Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) als freie Mitarbeiterin entsprechend § 84 des Handelsgesetzbuches (HGB) bejaht. Der Kläger schulde der Beklagten als Einzugsstelle nicht die verlangten Sozialversicherungsbeiträge. Die Versicherungspflicht sei hier nach § 165 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO), § 2 Nr. 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) und § 168 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) zu beurteilen. Danach sei Voraussetzung der Versicherungspflicht, daß der zu Versichernde als Angestellter gegen Entgelt beschäftigt sei. Das entscheidende Merkmal für die Zuordnung zum Arbeitnehmerkreis sei die persönliche Abhängigkeit des Dienstnehmers. Sie werde durch die Eingliederung in einen Betrieb mit dem damit verbundenen Direktionsrecht des Arbeitgebers geprägt. Maßgebend seien die tatsächlichen Gegebenheiten, nicht die subjektive Wertung der Beteiligten. Hier decke sich die tatsächliche Ausgestaltung der Beziehungen zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1) im wesentlichen mit den vertraglichen Vereinbarungen. Deshalb könne von dem Vertrag ausgegangen werden.
Das LSG hat anschließend die einzelnen Vertragsabmachungen unter den Gesichtspunkten der Eingliederung in den Betrieb, des Weisungsrechts und der Kontrollmöglichkeiten des Unternehmers, des Unternehmerrisikos u. ä. beurteilt. Dabei hat es mitberücksichtigt, daß die Beigeladene zu 1) einen Gewerbeschein besitze und zur Einkommen- und Umsatzsteuer veranlagt werde, daß ihr Lebensunterhalt durch das Einkommen ihres Ehemannes gesichert sei, daß sie mit einer Pflichtbeitragszeit von 8 1/2 Jahren die Wartezeit für eine Rente wegen Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit erfüllt habe, sowie daß sie die feste Anstellung beim Kläger aufgegeben habe, um weitgehend persönliche Freiheit zu haben. Das LSG hat ferner ausgeführt, daß die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) keine Heimarbeit sei; denn typischerweise werde die Abrechnung von Schadensfällen in betriebseigenen Räumen und in abhängiger Stellung verrichtet.
Die Beklagte hat Revision eingelegt und beantragt,
das Urteil des LSG vom 15. Dezember 1971 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Hamburg vom 7. Juli 1971 zurückzuweisen.
Sie hat ausgeführt, bereits die vertraglichen Vereinbarungen ließen erkennen, daß die Beigeladene zu 1) fremdbestimmte Arbeit zu leisten habe. Die Besonderheit ihres Arbeitsverhältnisses habe darin bestanden, daß sie den Ort und in gewisser Weise die Zeit und den Umfang ihrer Arbeitsleistung habe frei bestimmen können. Aus diesen Freiheiten sei jedoch nicht zu entnehmen, daß sie eine selbständige nicht versicherungspflichtige Tätigkeit ausgeübt hätte.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die beigeladene Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) und die beigeladene Bundesanstalt für Arbeit (BA) haben von einer Äußerung abgesehen. Die Beigeladene zu 1) ist nicht vertreten.
II
Die Revision der Beklagten ist zulässig und begründet.
Die Beigeladene zu 1) ist Beschäftigte des Klägers und deshalb versicherungspflichtig in der gesetzlichen Krankenversicherung - soweit die Versicherungspflichtgrenze nicht überschritten wird -, in der Angestelltenversicherung und in der Arbeitslosenversicherung (§ 165 Abs. 1 Nr. 2 RVO, § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 3 AVG, § 168 AFG).
Streitgegenstand des Klage- und Berufungsverfahrens war nicht ein "Rückerstattungsanspruch" des Klägers gegen die Beklagte im Sinne des § 149 SGG, wie das LSG angenommen hat, sondern die gegen den Kläger ergangene Entscheidung (§ 121 Abs. 3 AVG) der Beklagten als Einzugsstelle über die Versicherungs- und Beitragspflicht für die Beigeladene zu 1) in den drei Zweigen der Sozialversicherung. § 149, 3. Alternative, SGG betrifft die Rückforderung von irrtümlich entrichteten Beiträgen, d. h. von Beiträgen, die in der Annahme, sie zu schulden, gezahlt sind. Der Kläger hat aber die von der Beklagten im angefochtenen Bescheid geforderten Beiträge nur unter Vorbehalt im Hinblick auf das anhängige Streitverfahren gezahlt; denn seine Klage gegen den Beitragsbescheid hat gemäß § 97 SGG keine aufschiebende Wirkung. Er hat mit der Zahlung nur eine Zwangsvollstreckung vermieden.
Das LSG hat zu Recht gesagt, daß in der Sozialversicherung die Eigenschaft der zu Versichernden als Beschäftigte nach den tatsächlichen Gegebenheiten zu beurteilen ist. Es hat festgestellt, daß die tatsächliche Ausgestaltung der Beziehungen zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1) sich mit den vertraglichen Vereinbarungen deckt. Dagegen hat die Revision nichts eingewendet.
Der Folgerung des LSG, die Beigeladene zu 1) sei nicht versicherungspflichtig, ist indessen nicht beizutreten. Es kommt nicht darauf an, wie das Verhältnis zwischen den Vertragsparteien bürgerlich-rechtlich zu beurteilen ist und welche Absichten sie mit ihren Abmachungen verfolgen; vielmehr kommt es allein auf die tatsächliche Gestaltung des Verhältnisses und die Art der verrichteten Tätigkeit an.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist wesentliches Merkmal eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses die persönliche Abhängigkeit des Arbeitenden gegenüber einem Arbeitgeber. Sie äußert sich vornehmlich in der Eingliederung des Arbeitenden in einen Betrieb und dem damit in der Regel verbundenen Direktionsrecht des Arbeitgebers (vgl. BSG vom 1.3.1972 - 12/3 RK 43/69-mit Hinweisen auf die Rechtsprechung). In der Rechtsprechung sind verschiedene einzelne Merkmale näher herausgestellt worden, die Anhaltspunkte für die Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit geben; aber immer müssen alle Umstände des einzelnen Falles in ihrer Gesamtheit gewürdigt werden, um festzustellen, welche Merkmale jeweils das Verhältnis zwischen den Beteiligten prägen (vgl. auch SozR Nr. 6, 8, 16, 20, 26, 27, 30, 36, 41, 51, 55, 62 zu § 165 RVO; Nr. 1 zu § 166 RVO; Nr. 4 zu § 2 AVG; Nr. 1 zu § 195 AVAVG).
Die persönliche Abhängigkeit der Beigeladenen zu 1) vom Kläger ist zu bejahen. Sie ist mit ihrer Arbeit in die Organisation seines Betriebes eingegliedert. Dies kommt darin zum Ausdruck, daß der Kläger ihr die Art der Herstellung der Abrechnungen bis ins einzelne vorgeschrieben hat, indem er sie verpflichtet hat, nach den ihr zur Verfügung gestellten allgemeinen Arbeitsanweisungen, Formularen und Einzelanweisungen für Sonderfälle zu arbeiten (Ziff. 5 des Vertrages). Die Art der Erstellung der Abrechnungen ist dadurch nicht anders, als wenn die Arbeit in den Betriebsräumen des Klägers verrichtet wird. Die Beigeladene zu 1) hat nach dem Vertrag keine größeren Freiheiten und keinen größeren Spielraum für die Art der Herstellung der Abrechnungen, als es bei einer Tätigkeit in den Betriebsräumen der Fall ist. Sie hat einen bestimmten Abschnitt innerhalb des Aufgabenbereichs des Klägers vom Eingang einer Schadensmeldung bis zur Zahlung der Schadenssumme an den Versicherungsnehmer zu bearbeiten, nämlich die Vorbereitung der Schadensabrechnungen für die EDV-Anlage. Dieser Abschnitt kann nach der Organisation des Klägers nur in der von ihm vorgeschriebenen Weise erledigt werden, gleichgültig, ob diese Arbeiten in den Betriebsräumen des Klägers oder in der Wohnung der Beigeladenen zu 1) vorgenommen werden.
Die Beigeladene zu 1) ist in ihrer Arbeit auch zeitlich in den Betriebsablauf des Klägers eingegliedert und eingeplant. Dies zeigt sich in ihrer Verpflichtung, übernommene Aufträge innerhalb von drei Werktagen auszuführen. Zwar kann sie frei bestimmen, zu welchen Tageszeiten sie die Aufträge erledigt. Der Zeitraum von drei Tagen ist aber so gering, daß diese zeitliche Freiheit sehr eingeengt ist. Für den Betriebsablauf des Klägers ist dies nicht anders, als wenn er die Abrechnungen von Angestellten in den Betriebsräumen ausführen läßt. Auch dabei muß er von einer bestimmten Zeit für die Fertigstellung einer bestimmten Anzahl von Abrechnungen bis zur Verwendung in der EDV-Anlage ausgehen, damit sowohl Leerlauf als auch Rückstände möglichst vermieden werden. Zwar hat der Vertrag für den Kläger den Vorteil, daß er bei geringerem Anfall von Schadensmeldungen der Beigeladenen zu 1) weniger Aufträge erteilen kann und auch weniger an Vergütung zu zahlen hat. Die Beigeladene zu 1) trägt dadurch in gewisser Weise ein Risiko des Klägers mit, insofern sie bei weniger Aufträgen weniger verdient. Sie hat allerdings den - subjektiv gesehen - Vorteil, weniger arbeiten zu müssen. Dies ändert jedoch nichts daran, daß die Arbeit der Beigeladenen zu 1) in den Betriebsablauf des Klägers eng eingeplant ist und ihr zeitlich nur einen geringen Spielraum läßt.
Die Formulierung in Ziff. 5 des Vertrages, daß wöchentlich 20 Einzelaufträge der Vertragsparteien vorgesehen sind: "ohne sich hierzu zu verpflichten", spricht nicht für eine Selbständigkeit der Beigeladenen zu 1). In diesem Satz ist ein Vorbehalt für Ausnahmesituationen zu sehen, die sowohl auf seiten des Klägers bei geringeren Schadensmeldungen, als auch auf seiten der Beigeladenen zu 1) bei Krankheit und Urlaub eintreten können. Wenn jede Verpflichtung für wöchentlich mindestens 20 Einzelaufträge hätte ernstlich ausgeschlossen werden sollen, so hätte es keiner Kündigungsfrist von 14 Tagen bedurft (Ziff. 7 des Vertrages). Durch diese Vereinbarung wird vielmehr gerade bekräftigt, daß die Arbeit der Beigeladenen zu 1) in den Betriebsablauf fest eingeplant ist.
In dem Vertrag ist nicht ausgeschlossen, daß die Beigeladene zu 1) auch für andere Arbeitgeber tätig wird. Nach der Sachlage sind dafür aber die Voraussetzungen ernstlich nicht gegeben. Die Beigeladene zu 1) besitzt nicht die für die Erstellung der Abrechnungen notwendigen Hilfsmittel. Der Kläger hat ihr diese Hilfsmittel wie Rechenmaschine, Nachschlagewerke usw. zur Arbeitsleistung für ihn zur Verfügung gestellt; die Hilfsmittel sind spätestens bei Beendigung des Vertrages zurückzugeben (Ziff. 5 des Vertrages). Praktisch gesehen ist nur die Ausstattung des Arbeitsplatzes einer Schadensabrechnerin aus den Betriebsräumen in die Wohnung verlegt worden.
Die Beigeladene zu 1) trägt kein Unternehmerrisiko. Zwar hat sie durch den Vertrag das Risiko schwankender Vergütung je nach der Zahl der Aufträge auf sich genommen, das bei den in den Betriebsräumen des Klägers gegen festes Gehalt arbeitenden Beschäftigten nicht besteht. Doch ist dieses Risiko seiner Art nach nicht anders als bei Beschäftigten, die Stücklohn beziehen. Der Garantie eines bestimmten Mindestlohnes bei Stücklohnarbeit entspricht hier die allgemeine Verpflichtung des Klägers, wöchentlich mindestens 20 Aufträge zu erteilen. Zwar erhält die Beigeladene zu 1) eine Vergütung nur für ordnungsgemäß erstellte Schadensabrechnungen (Ziff. 6 des Vertrages). Damit wird aber kein Unternehmerrisiko begründet. Aus dem Vertrag ist nicht zu entnehmen, daß die Beigeladene zu 1) für Schäden haftet, die auf eine falsche Schadensabrechnung zurückgehen. Vielmehr erschöpfen sich die Folgen einer falschen oder nicht weisungsgemäßen Abrechnung darin, daß der Kläger die Arbeit nicht bezahlt. Nach dem Gesamtinhalt des Vertrages erscheint eine Anwendung der für einen Werkvertrag geltenden §§ 633 bis 637 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) bei der Tätigkeit der Beigeladenen nicht möglich. Das Gegenstück des Unternehmerrisikos ist der Unternehmergewinn. Die Gewinnmöglichkeiten der Beigeladenen zu 1) sind durch die Höchstzahl von wöchentlich 50 Abrechnungen begrenzt. Die Beigeladene zu 1) kann ihre Einkommensmöglichkeiten nicht steigern, indem sie, wie zB ein Unternehmer, Hilfskräfte für Teile ihrer Tätigkeit heranzieht und dadurch mehr Abrechnungen liefern kann. Aus der Festsetzung einer bestimmten Höchstzahl von wöchentlichen Aufträgen ergibt sich, daß die Beigeladene zu 1) die Abrechnungen allein anzufertigen hat.
Daß die Beigeladene zu 1) zur Einkommen-, Gewerbe- und Umsatzsteuer herangezogen wird, fällt nicht entscheidend ins Gewicht; denn für das Steueraufkommen ist es aus der Sicht der Finanzbehörde nicht so wesentlich, ob der Verpflichtete Lohn- oder Einkommensteuer zahlt. Die für die Sozialversicherung entscheidenden Merkmale sind für die Finanzbehörden nur von geringerer Bedeutung.
Zwar könnte ein Gewerbeschein unter Umständen für eine selbständige Erwerbstätigkeit sprechen; jedoch handelt es sich hier um einen Gewerbeschein, der auf "eine Versicherungsagentur" lautet. Die Tätigkeit eines Versicherungsagenten im Sinne der §§ 43 bis 48 des Versicherungsvertragsgesetzes ist aber völlig verschieden von der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) für den Kläger.
Gegenüber den Umständen, die die Beigeladene zu 1) in ihrer Tätigkeit für den Kläger mit Beschäftigten gemeinsam hat, treten die Freiheiten, die denen von Selbständigen ähnlich sind, in den Hintergrund. Die Freiheiten bestehen darin, daß sie im wesentlichen die Tageszeit ihrer Arbeit bestimmen kann, daß Urlaub ihrem Belieben überlassen ist, daß sie Krankheiten nicht nachweisen muß und daß sie, wenn sie durch die Arbeit für den Kläger nicht ausgelastet ist, ihre Arbeitskraft anderweitig verwerten kann. Diese Freiheiten sind aber dadurch sehr eingeschränkt, daß die Wahl der Tageszeit nur innerhalb von drei Werktagen möglich ist und wegen der Verpflichtung zu wöchentlich 20 Aufträgen der Urlaub nicht allzusehr ausgedehnt werden kann.
Unter Würdigung der gesamten Umstände des Falles bedeuten diese Freiheiten nur eine gewisse Lockerung der persönlichen Abhängigkeit der Beigeladenen zu 1) und machen sie noch nicht zur freien Mitarbeiterin des Klägers mit einer Selbständigkeit, wie sie etwa in § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB für einen selbständigen Handelsvertreter vorausgesetzt wird. Vielmehr ist bei ihr eine abhängige Beschäftigung mit der Folge der Versicherungspflicht zu bejahen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen