Leitsatz (amtlich)
Ist die Rente eines Versicherten zur Zeit seines Todes durch ein RAG bereits erhöht gewesen, ihm aber hierüber noch keine schriftliche Mitteilung zugegangen, so ist bei der Prüfung, ob der Versicherte seiner früheren Ehefrau zur Zeit seines Todes Unterhalt nach den Vorschriften des EheG zu leisten hatte, die höhere Rente als Erwerb zu berücksichtigen und nicht nur diejenige, welche er bis zu seinem Tode bezogen hatte. 2. Der Unterhaltsanspruch einer früheren Ehefrau der eine Hinterbliebenenrente nach RVO § 1265 auslösen soll, muß mehr als nur einen geringfügigen Teil des Unterhalts ausmachen; ein Anspruch auf Zahlung von monatlich 10 DM genügt jedenfalls nicht, in der Regel werden etwa 25% des zeitlich und örtlich notwendigen Mindestbedarfs eines Unterhaltsberechtigten zu fordern sein.
Normenkette
RVO § 1265 S. 1 Alt. 1 Fassung: 1957-02-23
Tenor
Das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 7. Juli 1961 wird mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen.
Gründe
Die im Jahre 1903 geborene Klägerin war seit 1922 mit dem Buchdrucker-Schriftsetzer Fritz S verheiratet, der Pflichtmitglied der Rentenversicherung der Arbeiter war. Ihre Ehe wurde durch Urteil des Landgerichts Berlin vom 1. Juli 1941 aus alleinigem Verschulden des Ehemannes geschieden. Im Anschluß an die Verkündung des Scheidungsurteils schlossen die Klägerin und ihr früherer Ehemann zu Protokoll des Gerichts einen Vergleich, in dem sich der geschiedene Ehemann verpflichtete, der Klägerin bis zu einer etwaigen Wiederheirat einen wöchentlichen Unterhalt von 16,50 RM vom 1. Juli 1941 an zu zahlen. Durch Beschluß des Amtsgerichts Lichterfelde vom 24. März 1952 ist die Verbindlichkeit aus dem Vergleich im Verhältnis 1 : 1 auf D-Mark umgestellt worden.
Im Jahre 1941 verheiratete sich Fritz S. wieder. Seine Ehefrau starb im November 1959.
Im Jahre 1958 erwirkte die Klägerin gegen ihren geschiedenen Ehemann wegen Unterhaltsrückstände in Höhe von 3.872,- DM sowie wegen eines laufenden wöchentlichen Unterhalts von 16,50 DM einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluß, mit dem sie die Rentenforderung des Versicherten gegen die Beklagte pfändete und sich überweisen ließ. Die Beklagte zahlte nicht, weil die Rente den pfändungsfreien Betrag von 215,- DM nicht übersteige.
Der geschiedene Ehemann der Klägerin war bis 1957 berufstätig. Er gab seine Arbeit wegen Krankheit auf und bezog zunächst Arbeitslosenunterstützung. Mit Bescheid vom 15. April 1959 bewilligte ihm die Beklagte Rente wegen Berufsunfähigkeit, seit dem 1. Dezember 1957 von 161,70 DM und seit dem 1. Januar 1959 von 171,40 DM monatlich. 1960 wurde die Rente auf 181,60 DM umgestellt. Die Auszahlung dieses umgestellten Betrages erlebte der am 5. April 1960 verstorbene Versicherte nicht mehr.
In dem über den Nachlaß des geschiedenen Ehemannes der Klägerin durchgeführten Nachlaßkonkurs erhielt die Klägerin auf ihre angemeldete Unterhaltsforderung von 4.000,- DM aus der Konkursmasse 334,80 DM. Die Aktiva des überschuldeten Nachlasses bestanden aus etwas Bargeld, den Möbeln und Haushaltsgegenständen; sonstiges Vermögen war nicht vorhanden.
Die Klägerin bezog im Mai 1960 aus ihrer eigenen Sozialversicherung eine Rente von monatlich 88,60 DM und zusätzlich Sozialunterstützung.
Im April 1960 beantragte die Klägerin Witwenrente aus der Versicherung ihres geschiedenen Ehemannes. Auf Anfrage teilte sie mit, die letzte Unterhaltszahlung habe ihr Ehemann am 9. Juli 1957 geleistet.
Die Beklagte lehnte den Rentenantrag der Klägerin ab, weil sich seit Abschluß des Vergleichs vom 1. Juli 1941 vor dem Landgericht Berlin die beiderseitigen Einkommensverhältnisse grundlegend geändert hätten, so daß der geschiedene Ehemann zur Zeit seines Todes keinen Unterhalt mehr zu leisten gehabt habe; tatsächlich habe er auch keinen Unterhalt geleistet. Das Sozialgericht (SG) hat die hiergegen erhobene Klage abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung der Klägerin das Urteil des SG und den ablehnenden Bescheid der Beklagten aufgehoben und diese verurteilt, der Klägerin Rente aus der Rentenversicherung ihres geschiedenen Mannes zu gewähren. Es hat dazu ausgeführt: Ein gerichtlicher Unterhaltsvergleich könne dann kein sonstiger Grund im Sinne des § 1265 der Reichsversicherungsordnung (RVO) sein, wenn der nach ihm zu leistende Unterhalt sich im Rahmen der Unterhaltsleistungen halte, die nach den Vorschriften des Ehegesetzes (EheG) ohnehin zu leisten wären. Es komme daher darauf an, ob der geschiedene Ehemann der Klägerin zur Zeit seines Todes nach den §§ 58, 59 EheG von 1946 Unterhalt zu leisten hatte. Das sei der Fall. Der Versicherte sei während des letzten, seinem Tode vorhergehenden wirtschaftlichen Dauerzustandes, der mit der letzten Rentenerhöhung am 1. Januar 1960 begonnen habe, bei einer Rente von monatlich 181,60 DM nach dem EheG verpflichtet gewesen, der Klägerin Unterhalt in Höhe von mindestens 10,- DM monatlich zu leisten.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Mit der Revision beantragt die Beklagte,
das Urteil des LSG Berlin vom 7. Juli 1961 aufzuheben und die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise,
das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Sie rügt, das LSG habe § 1265 RVO unrichtig angewendet. Das Berufungsgericht halte für die Beurteilung der Unterhaltspflicht den letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Tode des Versicherten für ausschlaggebend. Das sei nicht richtig. Unter "Zeit des Todes" im Sinne des § 1265 RVO sei ein engerer Zeitraum als der des Jahres vor dem Tode, in Ausnahmefällen aber auch eine Zeitspanne bis zu einem Jahr zu verstehen. Der einjährige Zeitraum beginne also, da der versicherte frühere Ehemann am 5. April 1960 verstorben sei, frühestens am 5. April 1959. Zu dieser Zeit habe der geschiedene Ehemann eine Rente von 171,40 DM gehabt, die sich erst nach seinem Tode rückwirkend mit dem 1. Januar 1960 auf 181,60 DM erhöht habe. Bei diesem Einkommen sei der Versicherte nach §§ 58, 59 EheG nicht verpflichtet gewesen, Unterhalt zu leisten, auch nicht in Höhe von 10,- DM monatlich. Außerdem sei ein Betrag von 10,- DM monatlich so gering, daß von einer echten Unterhaltsleistung nicht gesprochen werden könne. Deshalb habe das LSG zu Unrecht die Voraussetzungen der 1. Alternative des § 1265 RVO bejaht. - Auch aus sonstigen Gründen habe der frühere Ehemann seiner geschiedenen Ehefrau zur Zeit seines Todes keinen Unterhalt zu leisten gehabt, denn ein Vergleich ohne materielle Anspruchsvoraussetzungen sei kein sonstiger Grund im Sinne von § 1265 RVO. Eine tatsächliche Unterhaltsleistung an die Klägerin sei in den letzten zwei Jahren vor dem Tode ihres früheren Ehemannes nicht erfolgt.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für richtig und trägt dazu noch vor: Die Konkursakten wiesen aus, welche Werte der geschiedene Ehemann anzuschaffen in der Lage gewesen sei, und bewiesen, daß er Nebenverdienst gehabt haben müsse.
Die Revision ist zulässig. Sie ist auch begründet.
Nach § 1265 RVO steht der Klägerin Hinterbliebenenrente zu, wenn ihr der Versicherte zur Zeit seines Todes Unterhalt nach den Vorschriften des EheG oder aus sonstigen Gründen zu leisten hatte oder wenn er - was nach den Feststellungen des LSG nicht der Fall ist - im letzten Jahr vor seinem Tode Unterhalt geleistet hat. Das LSG meint, ein Unterhaltsvergleich wie der vorliegende sei kein sonstiger Grund im Sinne des § 1265 RVO, weil der nach ihm zu leistende Unterhalt sich im Rahmen der Unterhaltsleistungen halte, die nach den Vorschriften des EheG ohnehin zu leisten gewesen seien. Das LSG hat deshalb nur geprüft, ob der frühere Ehemann der Klägerin dieser zur Zeit seines Todes Unterhalt nach den Vorschriften des EheG zu leisten hatte. Es ist dabei zutreffend in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) davon ausgegangen, daß unter "Zeit des Todes" im Sinne des § 1265 RVO der letzte wirtschaftliche Dauerzustand vor dem Tode des Versicherten maßgebend ist (SozR RVO § 1265 Nr. 8 und 9). Da der Versicherte am 5. April 1960 gestorben ist, also unter der Geltung des EheG vom 20. Februar 1946, ist entscheidend, ob er nach den Vorschriften dieses Gesetzes während des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes vor seinem Tode verpflichtet war, der Klägerin Unterhalt zu gewähren (vgl. BSG 5, 276). Dieser letzte Dauerzustand rechnet von der letzten vor dem Tode des Versicherten eingetretenen wesentlichen Änderung der Einkommensverhältnisse eines Familienmitgliedes mit Dauerwirkung an (BSG in SozR RVO § 1266 Bl. Aa 1 Nr. 1). Die Rente des Versicherten, die seit dem 1. Januar 1959 171,40 DM betrug, ist durch das Zweite Rentenanpassungsgesetz vom 21. Dezember 1959 auf 181,60 DM erhöht worden, und zwar mit Wirkung vom 1. Januar 1960 an. Die Erhöhung der Rente trat kraft Gesetzes auf Grund der neuen Bestimmungen ein. Auf diese erhöhte Rente hatte der Versicherte zur Zeit seines Todes einen Anspruch und nicht nur - im Unterschied zu dem vom 5. Senat des BSG am 14. April 1964 entschiedenen Falle (SozR RKG § 65 Nr. 1) - eine Aussicht. Der erhöhte Betrag der Rente stand dem Versicherten zu dieser Zeit zu, wenn auch die Mitteilung über die Erhöhung und die Zahlung der Rente noch ausstanden. Nach § 58 EheG hat der für allein schuldig erklärte Mann der geschiedenen Frau den nach den Lebensverhältnissen der Ehegatten angemessenen Unterhalt zu gewähren, soweit die Einkünfte aus dem Vermögen der Frau und die Erträgnisse einer Erwerbstätigkeit nicht ausreichen. Die kraft Gesetzes mit Wirkung vom 1. Januar 1960 an erhöhte Rente des geschiedenen Ehemannes der Klägerin ist nach den vorstehenden Ausführungen bei Feststellung seiner Lebensverhältnisse im Sinne des § 58 Abs. 1 EheG im Zeitpunkt seines Todes mit zu berücksichtigen. Die grundsätzlich für den allein schuldig geschiedenen Ehemann aus § 58 EheG der geschiedenen Ehefrau gegenüber bestehende Unterhaltsverpflichtung wird durch § 59 EheG insoweit eingeschränkt, als der frühere Ehemann bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen den eigenen angemessenen Unterhalt gefährdet.
Für die Auslegung des Begriffs "Unterhalt leisten" im Sinne des § 1265 RVO kommt es nicht entscheidend darauf an, was unter "Unterhalt" im Sinne des bürgerlichen Rechts im allgemeinen und des EheG im besonderen zu verstehen ist. Deshalb kann es auch dahinstehen, ob jede D-Mark oder gar jeder D-Pfennig, der auf Grund einer durch Urteil oder Vergleich festgestellten oder nach den Vorschriften des EheG bestehenden Verpflichtung zu leisten ist, Unterhalt im Sinne jener bürgerlich-rechtlichen Vorschriften darstellt. Bei der Auslegung des § 1265 RVO muß im Vordergrund stehen, daß die Hinterbliebenenrente an eine frühere Ehefrau - ebenso wie die Witwenrente - Unterhaltsersatzfunktion hat. Sie wird gewährt, weil der Versicherte zu seinen Lebzeiten seine frühere Ehefrau unterhalten hat oder zu unterhalten hatte und diese Leistung oder Verpflichtung mit dem Tode weggefallen ist. Für die Gewährung eines Unterhaltsersatzes in der Gestalt einer Rente nach § 1265 RVO fehlt es jedoch an einer Rechtfertigung, wenn der Betrag, der infolge des Todes des Versicherten nicht mehr geleistet werden kann, zu geringfügig war, als daß die frühere Ehefrau davon auch nur zu einem nennenswerten Teil hätte leben können. Der Senat verkennt nicht, daß die Hinterbliebenenrente für die frühere Ehefrau nach der Rentenversicherungsneuregelung des Jahres 1957 - im Unterschied zum früheren Recht (§§ 1256 Abs. 4, 1272 Abs. 4 RVO aF) - nicht mehr durch den Betrag des verlorenen Unterhaltsanspruchs begrenzt ist. Gerade weil nach der Neuregelung auch ein die Höhe der Hinterbliebenenrente für die frühere Ehefrau nicht erreichender Unterhaltsbetrag jene Rente grundsätzlich auszulösen vermag, müssen verschwindend geringfügige Unterhaltsansprüche als zur Auslösung der Hinterbliebenenrente ungeeignet ausscheiden. Dies gebietet neben der Unterhaltsersatzfunktion der Hinterbliebenenrente auch die Möglichkeit der Kollision zwischen der Witwenrente und der Rente einer früheren Ehefrau. Wollte man jede geringfügige Unterhaltsverpflichtung oder -leistung zu Gunsten der früheren Ehefrau genügen lassen, um die Voraussetzungen des § 1265 RVO zu erfüllen, so würde dadurch - gegebenenfalls - die Hinterbliebenenrente der Witwe des Versicherten nach § 1268 Abs. 4 RVO in unbilliger Weise unter Umständen erheblich beschränkt. Es entspricht auch nicht der Verkehrsauffassung verschwindend geringfügige, wenn auch regelmäßige Zuwendungen als Unterhaltsleistung im Sinne der 3. Alternative des § 1265 RVO zu bezeichnen. Was aber für die 3. Alternative gilt, muß auch für die beiden anderen Alternativen des § 1265 RVO gelten; denn für eine unterschiedliche Bedeutung des in § 1265 RVO dreimal verwendeten Begriffs "Unterhalt leisten" bietet das Gesetz keine Stütze. Für diese Auslegung spricht auch die von § 1265 RVO abweichende Fassung des § 592 RVO nF, wo die Worte "nach den Vorschriften des Ehegesetzes" weggelassen worden sind. Deshalb ist der Schluß gerechtfertigt, daß einer früheren Ehefrau die Hinterbliebenenrente nicht zusteht, wenn der "Unterhalt", der zu gewähren gewesen wäre oder gewährt worden ist, wegen seiner Geringfügigkeit für die Lebensführung der Frau ohne nennenswerte wirtschaftliche Bedeutung ist. Mit dieser Auslegung des § 1265 RVO befindet sich der erkennende Senat in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des 5., 1. und 11. Senats des BSG (BSG 5, 179, 185 und SozR RVO § 1265 Nr. 9 und 18; vgl. auch Jantz-Zweng, Das neue Recht der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten, § 1265 RVO Anm. II 2; Elsholz/Teile, Die gesetzliche Rentenversicherung, § 1265 RVO Nr. 493 f; Verbands-Kommentar, § 1265 RVO Anm. 12; Etmer, Kommentar zur RVO, § 1265 Anm. 3 Abs. 4).
Eine für die Gewährung der Hinterbliebenenrente nach § 1265 RVO bedeutsame Unterhaltspflicht in dem dargelegten Sinne bestand im vorliegenden Falle für den geschiedenen Ehemann gegenüber der Klägerin nicht. Er war nicht in der Lage, von seiner Rente von 181,60 DM einen Betrag zu erübrigen, aus dem die Klägerin ihren Unterhalt zu einem nicht nur geringfügigen Teil hätte bestreiten können. Von einer Unterhaltsleistung im Sinne des § 1265 RVO kann nur dann gesprochen werden, wenn Werte zu leisten sind oder gewährt worden sind, die nach der allgemeinen Auffassung unter besonderer Berücksichtigung auch der zeitlichen und örtlichen Verhältnisse nominell ins Gewicht fallen. Dies ist bei einem Betrag von 10,- DM monatlich auch in Kreisen, die der gesetzlichen Rentenversicherung zugehören, nicht der Fall. Weiter müßte dieser Betrag auch im Hinblick auf den Gesamtunterhalt erheblich sein. Dieses Erfordernis erfüllt eine Zahlung von 10,- DM monatlich ebenfalls nicht. Man wird in der Regel fordern müssen, daß der von dem Versicherten an seine frühere Ehefrau gezahlte oder zu zahlende Betrag, wenn er die Hinterbliebenenrente auslösen soll, etwa 25 v. H. des Betrages ausmacht, den ein Unterhaltsberechtigter unter den gegebenen zeitlichen und örtlichen Verhältnissen zur Deckung seines notwendigen Mindestbedarfs benötigt (vgl. hierzu auch das Urteil des erkennenden Senats in SozR KGG § 2 Nr. 11). Das LSG hat danach den in § 1265 RVO enthaltenen Begriff "Unterhalt leisten", um dessen Konkretisierung es im vorliegenden Rechtsstreit geht, unrichtig angewendet.
Der Versicherte hatte der Klägerin danach Unterhalt im Sinne des § 1265 RVO nur zu leisten, wenn er einen erheblich höheren Betrag als 10,- DM monatlich an die Klägerin abzuführen in der Lage gewesen wäre. Dies könnte dann der Fall sein, wenn ihm im Zeitpunkt seines Todes - was das LSG in Betracht gezogen, aber nicht abschließend geprüft hat - etwa auf Grund des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes vom 25. Februar 1960 (BGBl I, 93) oder der Verordnung über verlorene Versicherungsunterlagen vom 3. März 1960 (BGBl I, 137) eine 181,60 DM übersteigende Rente und der Klägerin damit ein höherer Unterhaltsanspruch als 10,- DM monatlich zugestanden hätte, wobei auch mit zu berücksichtigen sein wird, daß der Versicherte seine zweite Ehefrau seit ihrem Tode - 28. November 1959 - nicht mehr zu unterhalten hatte. Insoweit und auch zur Frage des Mindestbedarfs der Klägerin fehlen die für die Entscheidung erforderlichen Feststellungen. Daher läßt sich nicht beurteilen, ob der Versicherte während des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes vor seinem Tode der Klägerin Unterhalt in dem dargelegten Sinne zu leisten hatte.
Entgegen der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts ist auch ein Unterhaltsvergleich grundsätzlich als sonstiger Grund im Sinne des § 1265 RVO anzusehen, wie der Große Senat des BSG durch Beschluß vom 27. Juni 1963 entschieden hat (BSG 20, 1). Der Große Senat hat diesen Grundsatz dahin eingeschränkt, daß ein "sonstiger Grund" nicht vorliegt, wenn der Versicherte die Wirkungen des Titels nach den Grundsätzen der §§ 323, 767 der Zivilprozeßordnung (ZPO) hätte beseitigen können, weil zwischenzeitlich eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen eingetreten war und infolgedessen eine Unterhaltspflicht nicht mehr bestand. Auch insoweit fehlen die für die Entscheidung über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Versicherten und der Klägerin zur Zeit des Abschlusses des Vergleichs notwendigen Feststellungen. Daher kann auch nicht entschieden werden, ob zwischen dem Abschluß des Unterhaltsvergleichs und dem Tode des Versicherten eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen eingetreten ist, auf Grund deren der frühere Ehemann nun nicht mehr in der Lage war, die Unterhaltsleistung zu erbringen. Das Berufungsgericht wird die hierfür erforderlichen Feststellungen ebenfalls noch zu treffen haben.
Aus allen diesen Gründen muß gemäß § 170 Abs. 2 SGG das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen werden.
Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.
Fundstellen
BSGE, 44 |
NJW 1965, 414 |
NJW 1965, 990 |