Leitsatz (amtlich)
Ein Schreibtelefon ist ein "anderes Hilfsmittel" (§ 13 Abs 1 BVG). Mit diesem "Hilfsgerät" ist ein gehörloser Beschädigter auszustatten, wenn er darauf nicht nur für seinen persönlichen Gebrauch angewiesen ist, sondern es auch nutzbringend verwenden kann.
Leitsatz (redaktionell)
Leistungen im Rahmen der Heilbehandlung nach §§ 10 ff BVG sind gegenüber denjenigen aus der Kriegsopferfürsorge vorrangig zu gewähren.
Normenkette
BVG § 13 Abs 1; BVG§11Abs3§13DV § 1 S 1 Nr 18, § 2 S 1 Nr 13, § 4; BVG § 10
Verfahrensgang
LSG Berlin (Entscheidung vom 25.03.1982; Aktenzeichen L 11 V 74/80) |
SG Berlin (Entscheidung vom 28.07.1980; Aktenzeichen S 48 V 27/80) |
Tatbestand
Der Kläger leidet an beiderseitiger Taubheit mit gestörter Sprachentwicklung. Dieser Befund ist als Schädigungsfolge nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) anerkannt. Im Dezember 1978 beantragte der Kläger, ihm ein Schreibtelefon zu gewähren. Der Antrag wurde abgelehnt (Bescheid vom 23. Januar 1979, Widerspruchsbescheid vom 11. Januar 1980). Das Sozialgericht (SG) gab der Klage statt (Urteil vom 28. Juli 1980). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 25. März 1982): Was als Hilfsmittel iS des § 13 BVG beansprucht werden könne, sei in der Verordnung zur Durchführung (DV) des § 11 Abs 3 und des § 13 BVG abschließend geregelt. Die in § 1 Satz 1 Nr 18 DV aufgeführten "Geräte für Behinderte und Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens" müßten ebenso wie die übrigen in § 1 aufgeführten Hilfsmittel die eingeschränkte oder aufgehobene Verwendung der beschädigten Gliedmaßen oder Organe erleichtern oder ersetzen und außerdem als Einzelgegenstände funktionieren. Das treffe für ein Schreibtelefon nicht zu. Es sei als kleiner Fernschreiber, der Töne in Buchstaben und diese umgekehrt bei einem anderen Fernsprechteilnehmer in Töne verwandele, nicht gesondert zu benutzen, sondern müsse jeweils mit einem Telefonapparat verbunden werden. Zu solchen Kommunikationsmitteln, die im übrigen auf den häuslichen Bereich beschränkt seien, könne wohl nach § 2 Nr 13 DV ein Zuschuß gezahlt werden. Darüber werde aber in diesem Verfahren nicht gestritten.
Der Kläger rügt mit der - vom LSG zugelassenen - Revision eine Verletzung der Vorschriften des BVG über die orthopädische Versorgung sowie des § 1 Satz 1 Nr 18 und des § 4 Abs 12 DV zu § 11 Abs 3 und § 13 BVG. Das Schreibtelefon könne - so der Kläger unter Bezug auf ein Gutachten des bayerischen Landesarztes für Hör- und Sprechbehinderte, Prof. Dr. K - nicht allein nichtberufliche Verrichtungen des täglichen Lebens erleichtern, sondern diene außerdem der Gesundheit. Es erleichtere die direkte Verbindung tauber Menschen mit anderen, erspare also einen umständlichen Schriftverkehr. Diese Kommunikation verhindere eine Isolation, die zu Verhaltensstörungen führen könne, und sei deshalb für die geistige und emotionale Gesundheit des Behinderten fundamental bedeutsam. Die vom LSG angenommene Einschränkung, daß Hilfsmittel aus der orthopädischen Versorgung als Einzelgegenstände funktionieren müßten, sei mit der gesetzlichen Ermächtigung nicht vereinbar.
Der Kläger beantragt, unter Aufhebung des Berufungsurteils die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG zurückzuweisen, hilfsweise, die Sache an das LSG zurückzuverweisen.
Der Beklagte und der Vertreter der Beigeladenen beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Sie pflichten der vom LSG vertretenen Rechtsauffassung bei. Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung den Physiker Dr. K, der ein Schreibtelefon konstruiert hat, als Sachverständigen über dessen Funktionieren gehört.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers hat Erfolg. Das Berufungsurteil ist aufzuheben; die Sache ist zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Der Beklagte hat dem Kläger ein Schreibtelefon als Hilfsgerät für Behinderte im Rahmen der orthopädischen Versorgung zu gewähren, falls noch im einzelnen zu erörternde Voraussetzungen gegeben sind (§ 10 Abs 1, § 11 Abs 1 Satz 1 Nr 8, § 13 Abs 1 und 2, § 18c Abs 1 Satz 1 und 2, § 24a Buchst a und b BVG, § 1 Satz 1 Nr 18, § 4 Abs 12 DV zu § 11 Abs 3 und § 13 BVG vom 23. August 1976 - BGBl I 2422 -). Darüber hat das Berufungsgericht zu entscheiden.
Dieser Gegenstand gehört deshalb zu den "Hilfsgeräten", "die besonders für Behinderte entwickelt worden sind" (§ 1 Satz 1 Nr 18, § 4 Abs 12 DV), weil es sich um ein entsprechendes Hilfsmittel der - in einem weiteren Sinne - "orthopädischen" Versorgung handelt. Die dagegen vom LSG, vom Beklagten und von der Beigeladenen vorgebrachten Bedenken vermögen nicht zu überzeugen (vgl auch zur Auffassung des BMA: 44. Bundestags-Sitzung vom 16. Juni 1981 - Anlage 11 - Plenarprotokolle, Seite 2511 B/C). Ein Schreibtelefon ermöglicht dem tauben Beschädigten Telefon"Gespräche", die er wegen seiner Gehörlosigkeit nicht auf übliche Weise führen kann. Ein solches Gerät kann wie eine Schreibmaschine bedient werden, überträgt die Schriftzeichen in Töne, die auf dem üblichen Telefonweg vermittelt werden, und übersetzt die Antworten des Gesprächspartners, der ebenfalls ein Schreibtelefon zusätzlich benutzen muß, für den Tauben wieder in lesbare Schrift (Lichtenstein, Behindertenrecht 1979, 18 f). Damit rechnet es zu der in § 13 Abs 1 BVG geregelten Versorgungsart.
Diese umfaßt ua die Ausstattung mit Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln. Während die erstgenannten Gegenstände unmittelbar einen Körperteil ersetzen (insbesondere Kunstglieder, zB § 1 Abs 1 Nrn 1 bis 4, 23, §§ 3, 4 Abs 1 DV), gleichen die orthopädischen Hilfsmittel auf sonstige Weise, uU nur teilweise, den Ausfall oder die erhebliche Störung einer Funktion in dem der Orthopädie zugeordneten Stütz- und Bewegungsapparat aus (dazu zB § 1 Satz 1 Nrn 5, 6, 8 bis 10, 15, 20, §§ 3 und 4 Abs 2 bis 4, 8, 9 DV). "Andere" Gegenstände dieser Art sind jedenfalls solche, die die gleiche Aufgabe wegen der Beeinträchtigung einer anderen Körperfunktion, insbesondere eines Sinnesorganes, haben (zB § 1 Satz 1 Nrn 7, 11 bis 13, 15, 16, 19, § 4 Abs 5 bis 8, 19 DV; zu § 182b Reichsversicherungsordnung -RVO-: BSGE 45, 133 = SozR 2200 § 182b Nr 4). Zu diesen "anderen Hilfsmitteln" ist ein Schreibtelefon für einen Gehörlosen zu rechnen; denn es genügt der gemeinsamen Anforderung an alle drei Arten von Hilfsmitteln: Es hat eine entsprechende Ausgleichsfunktion beim Ausfall des Gehörs (BSG SozR 3100 § 13 Nr 1 S 3 mN). Dieses Gerät erfüllt speziell die Voraussetzung des § 4 Abs 12 Satz 1 DV zu § 11 Abs 3 und § 13 BVG, daß es Verrichtungen des täglichen Lebens erleichtert.
Ein solches "anderes Hilfsmittel" muß außerdem den Zweck der orthopädischen Versorgung erfüllen, soweit er durch die umfassendere Aufgabe der Heilbehandlung, der diese Arten von Versorgungsleistungen zuzurechnen sind, bestimmt wird (BSG SozR 3614 § 1 Nr 2; 3614 § 4 Nr 3 S 3; BSG 5. März 1981 - 9 RV 47/80 -; zu § 182b RVO: BSGE 45, 134). Auch das trifft hier zu. Dieser Gegenstand beseitigt oder "verbessert", dh verringert die durch die Schädigungsfolgen bewirkte Beeinträchtigung der Berufs- oder Erwerbsfähigkeit, erleichtert die Folgen der Schädigung im Bereich einer bestimmten Lebensäußerung und trägt zur Eingliederung in Arbeit, Beruf und Gesellschaft bei (§ 10 Abs 1 Satz 1 BVG). Wegen dieser praktischen Bedeutung soll nach der Stellungnahme des BMA in der 44. Bundestagssitzung das Schreibtelefon ein Mittel der orthopädischen Versorgung für Unfallverletzte sein. Es ist nicht einzusehen,warum dies für Kriegsopfer anders sein soll.
Schließlich ist gerade ein Schreibtelefon allgemein den beruflichen und persönlichen Bedürfnissen eines Tauben angepaßt und entspricht auch dem allgemeinen Entwicklungsstand der Technik (Jussen in: Günter Panser /Stefan Winter - Hg -, Angewandte Sprachwissenschaft, Bonn 1981, 307, 318); dies verlangt § 13 Abs 2 Satz 1 Halbs 2 BVG. Die Möglichkeit, einen Text bereits vor dem Telefongespräch in das Gerät einzugeben, und die Schreibbänder aufzubewahren, erhöht den Wert dieses Hilfsmittels für den Gehörlosen.
Entgegen der Ansicht des Beklagten, der Beigeladenen und des LSG braucht ein Hilfsmittel der umstrittenen Art nicht unmittelbar eine gestörte Körperfunktion - hier das Gehör - in der Weise auszugleichen, daß es sie ganz oder teilweise wiederherstellt oder gleichförmig, dh auf technische statt auf organische Art, ersetzt und insbesondere direkt am Körper wirksam wird (zu § 182b RVO: BSGE 51, 206, 207 = SozR 2200 § 182b Nr 19). Das wäre zB bei einem Hörgerät für einen Schwerhörigen der Fall. Eine solche Wirkung ist aber keine unabdingbare Voraussetzung für ein "anderes Hilfsmittel". Sonst wären Blinde, deren Sehkraft durch keinerlei technische Vorrichtung ganz oder teilweise wiederhergestellt werden kann, im Unterschied zu Sehschwachen schlechterdings von der orthopädischen Versorgung ausgeschlossen. Das Gegenteil ist jedoch für verschiedene Gegenstände Rechtens. Entsprechende Hilfen werden ausdrücklich in § 1 Abs 1 DV zu § 11 Abs 3 und § 13 BVG für verschiedene Schwerstbeschädigte aufgeführt. Wohl muß die beeinträchtigte Funktion eines Körperorgans, soweit sie im gesunden Zustand irgendwelche Lebensäußerungen ermöglicht, überhaupt in irgendeiner Weise ausgeglichen werden. Das kann zB beim Blinden auch im Bereich der Fortbewegung, für die das Sehen unerläßlich ist, mit Hilfe von Gegenständen geschehen, die das Sehen nur mittelbar ersetzen (BSGE 51, 207). So ist es hier beim Gehörlosen, allerdings auf besondere Art, und zwar auf dem Umweg über die Mitwirkung anderer Körperorgane.
Das Gehör, das beim Kläger ausgefallen ist, ermöglicht umfassend das Wahrnehmen von Tönen und Geräuschen; es hat Orientierungs-, Alarm- und Kommunikationsfunktionen (vgl hierzu und zum folgenden Karlheinz Flehinghaus, Gehörlose im Kommunikationsfeld unter besonderer Berücksichtigung sprachtauber Heranwachsender, Diss. Bochum, 1970, S 7 ff, 18 ff, 42, 50, 118 f, 140 ff, 205 ff; Jussen aaO, 308, 313 f, 315 ff, 319 ff; Löwe in: Deutscher Bildungsrat, Gutachten und Studien der Bildungskommission, Sonderpädagogik 2, Stuttgart 1974, S 15, 54 ff, 97 ff; Löwe in: Handbuch der Behindertenpädagogik, Band 2, München 1979, S 173 ff, 246, 250 ff; Werner Richtberg, Hörbehinderung als psycho-soziales Problem, Band 32 der Reihe "Gesundheitsforschung" des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung, 1980, insbesondere S 2, 5 f, 15, 19 ff, 32 ff, 36 ff, 47 ff, 59, 76 f, 92 ff, 101 ff, 120, 126 ff, 168 ff, 191 ff, 202 ff; Paul Watzlawick/Janet H. Beavin/Don D. Jackson, Menschliche Kommunikation, Bern, Stuttgart, Wien, 5. Aufl 1980, insbesondere S 240). In gesellschaftlicher Hinsicht ist ein ungestörtes Hören unerläßlich für die Unterhaltung mit anderen Menschen in Form eines Gesprächs. Solche Kommunikation ist ein menschliches Grundbedürfnis. Sie ist für die geistige und seelische Verfassung und Entwicklung einer Person unverzichtbar. Wer gar nicht oder nur unzulänglich sprachlich sich mit anderen verständigen kann, wird isoliert. Gerade Spätertaubte, dh Menschen, die wie die meisten kriegsbeschädigten Tauben, als Erwachsene das Gehör verloren haben, vereinsamen leicht. Das beeinträchtigt die seelische und geistige Gesundheit. Auch für das Vermeiden solcher weiterer, nichtkörperlicher Schäden, die durch Taubheit entstehen können, ist eine Hörhilfe als "anderes Hilfsmittel" geeignet und notwendig. Darüber hinaus leiden besonders Spätertaubte an schädigenden Auswirkungen im vegetativen und sonstigen körperlichen Bereich. Wenn ein Schreibtelefon das Telefonieren ermöglicht, dann erfüllt es eine wichtige Aufgabe im Bereich der zwischenmenschlichen Verständigung und eröffnet einen für Gehörlose bedeutsamen Verbindungsweg zu anderen Menschen. Das gehört zu den elementaren Lebensbetätigungen, die speziell durch Eingliederungshilfen als Teil der Heilbehandlung erleichtert oder überhaupt erst möglich gemacht werden sollen. Ferngespräche sind für einen Gehörlosen aus verschiedenen Gründen besonders wichtig. Er kann im allgemeinen nicht mit Gewinn an kulturellen Veranstaltungen teilnehmen und ist auch vom Hören des Rundfunks und Fernsehens ausgeschlossen, die ihn zeitgerecht über das Geschehen in der Welt unterrichten sowie unterhalten und belehren könnten. Um so mehr ist der Taube auf Gespräche mit einzelnen anderen Menschen verwiesen. Mit unmittelbar Anwesenden kann er sich aber nur unterhalten, wenn sie für ein Ablesen deutlich genug sprechen oder ebenso wie er eine andere Gehörlosensprache beherrschen, sonst nur mit Hilfe eines "Dolmetschers". Anderenfalls bleibt das "Gespräch" auf übliche Gestik und Mimik beschränkt, die allein einfachste Mitteilungen erlauben. In solche Unterhaltungen schleichen sich leicht Mißverständnisse ein, zumal dann, wenn - wie beim Kläger - Sprechstörungen hinzukommen. In vielen täglichen Situationen ist ein Tauber darüber hinaus wie jeder andere Mensch und noch mehr als nicht gehörgestörte Personen auf Ferngespräche angewiesen. Der umständliche und zeitraubende Verständigungsweg des normalen Schriftverkehrs reicht vielfach nicht aus. Das wird allgemein - außerhalb der Kriegsopferversorgung - durch Vergünstigungen bei den Fernmeldegebühren für Alte, Einkommensschwache und besonders stark Behinderte anerkannt (BSG SozR 3870 § 3 Nr 13 S 30). In solchen Lagen ist ein Schreibtelefon notwendig. Aber auch sonst ist es zur Verständigung mit anderen besonders geeignet und unerläßlich, weil es durch die Schreibtechnik Mißverständnisse vermeidet, durch die Gespräche mit Gehörlosen leicht belastet werden.
Die ausgefallene Hörfähigkeit wird mit Hilfe eines Schreibtelefons durch Anschlagen der Schreibtasten und durch Sehen ersetzt. Ähnlich wirkt eine Schreibmaschine für einen Blinden (vgl § 1 Satz 1 Nr 14, § 4 Abs 8 DV zu § 11 Abs 3 und § 13 BVG). Ein derartiger Ausgleich eines ausgefallenen Sinnesorganes mit Hilfe anderer Fähigkeiten ist ebenso eine Aufgabe von Hilfsmitteln iS des § 13 Abs 1 BVG, wie es für einen Gegenstand zutrifft, der unmittelbar das Hören beim Telefonieren ermöglichen könnte.
Im übrigen ist es selbst der gesetzlichen Krankenversicherung, die nach der Praxis des Bundessozialgerichts -BSG- (zB BSGE 42, 229, 230 ff, insbesondere 232 = SozR 2200 § 182b Nr 2; SozR 2200 § 182b Nr 12) in engeren Grenzen als die Kriegsopferversorgung orthopädische und andere Hilfsmittel gewähren soll (§ 182 Abs 1 Nr 1, § 182b RVO), nicht fremd, solche Gegenstände zu leisten, die nicht ausschließlich vom Behinderten benutzt werden können und die einen Funktionsausfall in einem umfassenden Betätigungsbereich und bei vielfältigen Lebensbedürfnissen ausgleichen (vgl zB Fernlesegerät - BSG SozR 2200 § 182b Nr 12; Krankenfahrstuhl - SozR 2200 § 182b Nr 13; BSGE 50, 68, 70 = SozR 2200 § 182b Nr 16; Blattwendegerät - BSGE 50, 77, 78 ff = SozR 2200 § 182b Nr 17; Blindenführhund - BSGE 51, 206, 207 f = SozR 2200 § 182b Nr 19; Krankenlifter - BSGE 51, 268, 269 f = SozR 2200 § 182b Nr 20; Kopfschreiber - BSG 26. Oktober 1982 - 3 RK 16/81 -; Schreibtelefon - BSG 26. Oktober 1982 - 3 RK 28/82 -).
Vom Kreis der Hilfsmittel iS des § 13 Abs 1 BVG ist das Schreibtelefon nicht etwa deshalb ausgenommen, weil es nicht für sich allein die beeinträchtigte Hörfunktion ersetzt, sondern nur in technischer Verbindung mit dem Telefon als einem Gerät, das nicht ebenfalls zur orthopädischen Versorgung gehört. Aus § 13 Abs 1 und § 24a Buchst b BVG läßt sich lediglich entnehmen, daß das Hilfsmittel, mit dem ein Versorgungsberechtigter auszustatten ist, nicht selbst bloß ein "Zubehör" zu einem solchen, dh eine dienende Nebensache (§ 1 Satz 2 DV zu § 11 Abs 3 und § 13 BVG), sein darf. Vielmehr kommt ein Gegenstand als "Zubehör" neben Hilfsmitteln ("deren Zubehör") in Betracht, setzt also solche voraus. Obgleich das Schreibtelefon in diesem Sinn eine Nebensache des Telefons ist, läßt diese Beziehung die selbständige Aufgabe unberührt, die jenes Gerät zum Ausgleich des gestörten Körperorgans und damit als Hilfsmittel im zuvor erläuterten Sinn des § 13 Abs 1 BVG hat. Von diesem Bezug auf die Schädigungsfolgen her läßt sich auch umgekehrt der Fernsprechapparat als ein Zubehör des Schreibtelefons bewerten. Die Sachlage ist ähnlich wie beim Beinamputierten, der einen Schuh nicht ohne ein Kunstbein tragen kann; eine Prothese gehört für ihn ungeachtet dessen zu den Hilfsmitteln iS des § 13 Abs 1 BVG. § 4 Abs 12 DV zu § 11 Abs 3 und § 13 BVG nimmt Gegenstände von der in § 1 Satz 1 Nr 18 aufgeführten Art nicht deshalb von den zu gewährenden Hilfsmitteln aus, weil sie allein in Verbindung mit einem anderen Gerät benutzt werden können. Nach Satz 2 des § 4 Abs 12 werden wohl unbewegliche Gegenstände nicht zu diesen Hilfsmitteln gerechnet (vgl dazu BSG SozR 3100 § 13 Nr 1).
Entgegen der Ansicht des LSG ist das Schreibtelefon kein "Kommunikationsgerät des häuslichen Bereiches" im Sinne der Spezialvorschrift des § 2 Satz 1 Nr 13 und des § 5 Abs 14 DV zu § 11 Abs 3 und § 13 BVG, zu dem nur ein Zuschuß als eine Ersatzleistung gem § 11 Abs 3 Satz 1 BVG geleistet werden kann. Das Schreibtelefon ist schon deshalb nicht jenen Gegenständen zuzuordnen, weil es auch außerhalb des "häuslichen Bereiches" des Beschädigten, zB in anderen Wohnungen und in Telefonzellen, benutzt werden kann.
Der Kläger könnte allerdings ein Schreibtelefon nach der die Notwendigkeit (§ 11 Abs 1 S 5 BVG, § 182 Abs 2 RVO) regelnden Spezialvorschrift des § 4 Abs 12 Satz 1 DV zu § 11 Abs 3 und § 13 BVG nur dann verlangen, wenn er auf den Gebrauch des Geräts im Fernsprechverkehr dringend angewiesen wäre. Ob diese Voraussetzung erfüllt ist, hat das LSG, das sich von seinem Rechtsstandpunkt aus damit nicht befaßt hatte, nunmehr zu prüfen. Dieses Erfordernis ist nicht etwa deshalb von vornherein ausgeschlossen, weil dem Kläger bereits ein Schreibtelefon von privater Seite bis zur Entscheidung dieses Rechtsstreits und weil außerdem seiner taubstummen Ehefrau ein solches vom Bezirksamt geliehen worden ist. Sein eigener Besitz, der zudem auf privater, unverbindlicher Grundlage beruht, ist vorübergehend; er endet mit diesem Verfahren. Gegenüber seinem eigenen vorrangigen Versorgungsanspruch wird die Sozialhilfeleistung an seine Ehefrau als nachrangig beurteilt, so daß die Sozialbehörde das zur Verfügung gestellte Schreibtelefon zurückfordern kann (§ 2 Bundessozialhilfegesetz -BSHG-). Orthopädische Hilfen sollen gerade den Beschädigten möglichst von fremdem Beistand unabhängig machen. Sie sind seinen persönlichen und beruflichen Bedürfnissen anzupassen (§ 13 Abs 2 S 1 Halbs 2 BVG). Der persönliche Bedarf des Klägers ist auch nicht deshalb zu verneinen, weil ihm seine 5 Kinder, die zwischen 1972 und 1980 geboren sind, den Kontakt mit der Außenwelt abnehmen könnten. Sie sind im übrigen nicht alt genug, um für ihren Vater alle Angelegenheiten, insbesondere gegenüber Behörden und Geschäftsleuten, erledigen zu können.
Vor allem wird zu klären sein, ob der Kläger ein Schreibtelefon genügend nutzbringend verwenden kann. Auch das gehört zu der Voraussetzung, daß der Beschädigte auf diese Hilfe dringend angewiesen sein muß. Die Verbreitung solcher Geräte im Bundesgebiet (dazu Auskunft in der 44. Bundestags-Sitzung, Anlage 30, Seite 2516 B) reicht für sich allein nicht ohne weiteres aus, um in allen Fällen eines Antrages auf ein Schreibtelefon ein solches Hilfsmittel zuzuerkennen. Es ist entscheidend, ob der Kläger, der in Berlin wohnt, außer den zahlreichen dortigen Behörden, die für ihn wichtig werden können, genügend Bekannte, Verwandte, Geschäftsleute, Ärzte und sonstige Personen, mit denen er Kontakt aufzunehmen pflegt, mit Schreibtelefon erreichen kann. Der Kläger müßte dank eines solchen Telefonnetzes hinreichend Gelegenheit finden, die für ihn bedeutsame Kommunikation auf diesem Gesprächsweg zu betreiben. Daß er in der Lage wäre, eine solche Art von besonderer Schreibmaschine sachgemäß zu bedienen, dürfte aufgrund der Erfahrung, die er im Umgang mit dem Leihgerät bereits gewonnen hat, unterstellt werden können.
Die begehrte Leistung darf dem Kläger allerdings nicht mit der Begründung versagt werden, er könnte ein Schreibtelefon als Eingliederungshilfe zur Ergänzung der Kriegsopferversorgung aus der Kriegsopferfürsorge erhalten (§ 25 Abs 1 und 2, § 25a Abs 1, § 25b Abs 1 Satz 1 Nr 6, Abs 5, § 27d Abs 1 Nr 6, Abs 2 und 3 Satz 1 und Abs 6, § 27 f BVG, § 40 Abs 1 Nr 2 BSHG, § 9 Ein- gliederungshilfe-Verordnung vom 1. Februar 1975 - BGBl I 433). Ob ihm eine solche rein fürsorgerische Leistung zusteht, kann dahingestellt bleiben. Ein derartiger Anspruch ließe das entsprechende Versorgungsrecht aus den §§ 10 bis 24 BVG gem § 27d Abs 3 Satz 2 BVG unberührt. Die Hilfen aus der orthopädischen Versorgung sind gegenüber denjenigen aus der Kriegsopferfürsorge vorrangig zu gewähren.
Das LSG hat nunmehr die erforderliche Sachaufklärung über die noch nicht geklärte Voraussetzung nachzuholen und sodann in Bindung an die vorstehende Rechtsauffassung des Revisionsgerichts darüber zu erkennen. Es hat auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden.
Fundstellen
Haufe-Index 1655400 |
Breith. 1983, 516 |