Orientierungssatz

1. Es handelt sich bei der Anordnung eines Oberversicherungsamtes, durch die landkrankenkassenpflichtige Versicherte aus dem Mitgliederbestand einer Ortskrankenkasse ausgeschieden und auf eine Landkrankenkasse überführt werden, um eine Maßnahme, die nach den Grundsätzen über die erstmalige Errichtung einer Landkrankenkasse für einen Bezirk, in dem bisher nicht die Zuständigkeit einer Landkrankenkasse begründet war, zu beurteilen ist (so auch BSG 1962-11-27 3 RK 97/59).

2. Eine Zustimmung nach RVO § 225a entfällt, wenn eine Gebietskrankenkasse nach zwingender Vorschrift des Gesetzes in einem Bezirk zu errichten ist - oder, was dem gleichsteht, der Zuständigkeitsbereich einer bestehenden Gebietskrankenkasse zu erweitern ist -, für den eine Kasse dieses Typus bisher nicht besteht.

 

Normenkette

RVO § 225a

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 29.09.1959)

SG Dortmund (Entscheidung vom 14.03.1957)

 

Tenor

Auf die Revisionen des beklagten Oberversicherungsamts und der beigeladenen Landkrankenkasse werden die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 29. September 1959 und des Sozialgerichts Dortmund vom 14. März 1957 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

I

Im Jahre 1944 wurden die Landkrankenkassen ( LKK'n ) für die Städte D und H sowie für die Landkreise B, M, S und U zu der LKK für den Bezirk des Oberversicherungsamts (OVA) D in S, der jetzt beigeladenen LKK für den Regierungsbezirk A in S, vereinigt. Die bei der Vereinigung untergegangene LKK für den Kreis U hatte die Stadt U nicht umfaßt.

Die im Jahre 1948 neu aufgestellte Satzung der beigeladenen LKK führte als räumlichen Geltungsbereich u. a. den Landkreis U ohne die in der Satzung der früheren LKK für den Kreis U enthaltene Einschränkung "ohne Stadt U" auf. Das frühere OVA D hat diese Satzung genehmigt.

Im Februar 1953 beantragte der Verband der LKK'n für Westfalen und Lippe namens der beigeladenen LKK beim Versicherungsamt (VA) des Kreises U, diejenigen Mitglieder der klagenden Ortskrankenkasse (OKK) auszuscheiden und auf die beigeladene LKK zu überführen, die in der Stadt U eine landkrankenkassenpflichtige Beschäftigung ausüben.

Das vom beklagten OVA als zuständig bestimmte VA (§ 281 Satz 2 der Reichsversicherungsordnung - RVO -) hörte die Beteiligten. Die klagende OKK hielt die beantragte Ausscheidung und Überführung ihrer Mitglieder für unzulässig, solange nicht die beteiligten Gemeindeverbände die Ausscheidung beschlossen hätten, da dieser Vorgang der Errichtung "kategorial gleich" zu achten sei (vgl. § 231 Abs. 1 RVO); außerdem müsse, wenn auch "in abgeschwächter Form" § 225 a RVO beobachtet werden, wonach die Mehrheit der abstimmenden beteiligten Arbeitgeber und der abstimmenden beteiligten volljährigen Arbeitnehmer zustimmen müsse.

Die außerdem noch zu einer Stellungnahme aufgeforderten Städte D und H sowie die Landkreise S, B und U - alle vom VA als zuständige Gemeindeverbände im Sinne des § 282 Abs. 1 i. V. m. § 283 Abs. 1 RVO angesehen - äußerten sich nicht. Hingegen sprach sich der Unterbezirk S der Gewerkschaft Gartenbau, Land- und Forstwirtschaft für den Antrag der beigeladenen LKK aus.

Am 10. September 1954 entschied das beklagte OVA wie folgt:

"Die bei der Allgemeinen Ortskrankenkasse für den Kreis U Versicherten, die in der Stadt U eine dem § 235 RVO entsprechende Beschäftigung ausüben, werden mit Wirkung vom 1.10.1954 aus dem Mitgliederbestand der Allgemeinen Ortskrankenkasse für den Kreis U ausgeschieden und in die Landkrankenkasse für den Bezirk des früheren Oberversicherungsamtes D und S überführt. Beide beteiligten Krankenkassen haben auf eine vermögensrechtliche Auseinandersetzung nach § 298 Abs. 3 RVO verzichtet".

In den Gründen führte es aus: Nachdem infolge der Auflösung des VA der Stadt U zwangsläufig der Bezirk der früheren LKK für den Kreis U auch die Stadt U erfaßt habe und nachdem dies in der Satzung der neuen LKK festgestellt worden sei, gehörten die landkrankenkassenpflichtigen Beschäftigten in der Stadt U kraft Gesetzes zur LKK. Dem Ausscheidungsbegehren, das der Erhaltung und Förderung berufsständischer Krankenkassen diene, müsse daher entsprochen werden. Durch den bisherigen Zustand seien die klaren Grenzen der Kassenzuständigkeit, die sich aus § 235 RVO ergäben, erheblich verwischt worden. Die Ausscheidung, die insbesondere dann erforderlich sei, wenn eine andere Abgrenzung des Verwaltungsbezirkes den Kassenbezirk berühre, entspreche der Zweckmäßigkeit und verschaffe dem Gesetz Geltung. Die Leistungen der LKK seien denen der AOK U gleichwertig, und der Bestand der AOK werde durch die Ausscheidung nicht gefährdet.

Mit der Klage vor dem Sozialgericht (SG) hat die klagende OKK beantragt,

den Beschluß des beklagten OVA vom 10. September 1954 aufzuheben.

Sie ist der Auffassung, der Bezirk der beigeladenen LKK erstrecke sich ebenso wie derjenige ihrer Rechtsvorgängerin nicht auf die Stadt U. Sowohl der Name der Kasse wie die Satzungsvorschrift über den Kassenbereich seien unrichtig und nicht etwa rechtsbegründend. Die LKK hätte ihre Grenzen nicht kraft eigener Autonomie verändern können. Der Bezirk einer Orts- oder LKK brauche sich nicht notwendig mit dem eines VA zu decken. Mit der Änderung des Versicherungsamtsbereiches hätte sich nicht automatisch der Kassenbezirk verändert. Die Vorschrift des § 298 Abs. 1 RVO über verschiedene Ausscheidungsfälle sei nicht anzuwenden; aber selbst wenn sie einen Maßstab für weitere Ausscheidungen enthalte, sei hier eine solche Maßnahme nicht nötig. Der Kassenbereich, der durch den Errichtungsakt festgelegt worden sei, könne nicht allein nach dem Ermessen des OVA, sondern nur auf Grund gesetzlicher Ermächtigung, die hier fehle, verändert werden. Da nach § 231 RVO LKK'n von Gemeindeverbänden errichtet würden, müsse auch bei einer Ausscheidung und Überführung, die einer Errichtung gleichkämen, der zuständige Gemeindeverband mitwirken, weil er sonst gegen seinen Willen zur Mitträgerschaft gezwungen werden könnte. Ebenso müßten die beteiligten Arbeitgeber und Arbeitnehmer zustimmen. Die Stellungnahmen der Gewerkschaft und des Landwirtschaftsverbandes genügten dafür nicht.

Das beklagte OVA hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es hat ergänzend vorgetragen: Da die Ausscheidung für den vorliegenden Fall nicht geregelt sei, hätte sie nach freiem, pflichtgemäßen Ermessen angeordnet werden dürfen. Sie habe nämlich zweckmäßigerweise einen Zustand herbeigeführt, der nach dem Gesetz bestehen müsse, dessen Eintritt aber allein durch die abweichende Abgrenzung des Versicherungsamtsbezirks zur Zeit der Errichtung verhindert worden sei. Da es sich lediglich um eine echte Grenzberichtigung und nicht um eine versteckte Erweiterung des Kassenbereiches handele, hätten weder die Gemeindeverbände noch die Arbeitgeber, noch die Versicherten zustimmen müssen.

Die beigeladene LKK hat ebenfalls beantragt,

die Klage abzuweisen.

Nach ihrer Ansicht hätte die Entscheidung des OVA nur mit der Beschwerde an die oberste Verwaltungsbehörde angefochten werden können; erst gegen deren Ablehnung sei die Klage zulässig. Die LKK hätte 1948 kraft Satzungsautonomie ihren Bezirk verändern dürfen. Die Satzungsgenehmigung des OVA habe konstitutiv gewirkt.

Die Errichtungsvorschriften könnten für das hier zulässige Ausscheidungsverfahren nicht gelten. Auch sei ein Ermessensfehler nicht festzustellen. Weil es sich nicht um ein Errichtungsverfahren handele, hätte die Stadt U nicht zuzustimmen brauchen. Ebensowenig sei es erforderlich gewesen, die beteiligten Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu befragen; immerhin sei dies auch weitgehend geschehen. Das OVA hätte die beantragte Maßnahme durchführen müssen, weil seit der Genehmigung der geänderten Satzung der LKK ein gesetzwidriger Zustand bestanden habe.

Mit Urteil vom 14. März 1957 hat das SG die angefochtene Entscheidung aufgehoben.

Das beklagte OVA und die beigeladene LKK haben gegen dieses Urteil Berufung eingelegt. Beide Beteiligten wiederholen im wesentlichen ihren früheren Vortrag und betonen insbesondere, daß § 298 Abs. 1 RVO nur die Ausscheidung mit einer Auseinandersetzung betreffe, andere Ausscheidungen und Überführungen aber mangels gesetzlicher Regelung nach freiem Ermessen angeordnet werden dürften, weil dem OVA insoweit Organisationsgewalt zustehe. Die Ausscheidung sei erforderlich geworden, weil sich der Kassenbereich mit der Veränderung der Versicherungsamtsgrenzen nicht automatisch ausgedehnt habe. Die LKK sieht die rechtliche Grundlage in der allgemeinen Berechtigung zur "Erstreckung" des Kassenbereiches in solchen Fällen.

Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufungen zurückgewiesen; die Revision wurde zugelassen (Urteil vom 29. September 1959). Nach seiner Auffassung durfte das beklagte OVA weder die landkrankenkassenpflichtigen Beschäftigten der klagenden OKK in U der beigeladenen LKK als der bereits zuständigen Krankenkasse zuführen noch den Zuständigkeitsbereich dieser Kasse auf den Kreis der genannten Versicherten ausdehnen. Hierfür habe es an einer Rechtsgrundlage gefehlt. Der Kassenbezirk der LKK U - später in der beigeladenen LKK aufgegangen - sei durch die Aufhebung des städtischen VA U und die dadurch bedingte Erweiterung der Zuständigkeitsbereiche des Kreis-VA auf die Stadt U nicht seinerseits in dem Sinne verändert worden, daß er sich nunmehr auf die Stadt U erstreckte. Ebensowenig hätte die vom beklagten OVA genehmigte Änderung der Satzung der beigeladenen LKK im Jahre 1948 eine Ausdehnung des Kassenbezirks auf die Stadt U zur Folge gehabt; denn die Satzung dürfe nichts Gesetzwidriges bestimmen. Ohne die Mitwirkung der am Errichtungs- oder Vereinigungsverfahren Beteiligten hätte der Kassenbezirk aber nicht erweitert werden können. Dazu wäre der Beschluß des Gemeindeverbandes nach § 231 RVO und die Zustimmung der Mehrheit der abstimmenden beteiligten Arbeitgeber und der abstimmenden beteiligten volljährigen Arbeitnehmer nach § 225 a RVO erforderlich gewesen. Im vorliegenden Streitfall lägen aber weder ein Beschluß des Gemeindeverbandes noch die Zustimmung der Mehrheit der Arbeitgeber und Arbeitnehmer vor. Da somit eine den gesetzlichen Vorschriften entsprechende Ausdehnung des Kassenbezirks der beigeladenen LKK auf die Stadt U nicht stattgefunden habe, fehle es an der entscheidenden Voraussetzung für die Ausscheidung und Überführung der landkrankenkassenpflichtigen Versicherten in U.

Gegen dieses Urteil haben das beklagte OVA und die beigeladene LKK Revision eingelegt mit dem Antrag,

das angefochtene Urteil und das Urteil des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Das beklagte OVA macht geltend, das LSG habe im angefochtenen Urteil die Befugnisse des OVA zur Organisationsänderung bei Bezirkskassen (Orts- und LKK'n ) durch Ausscheidung verkannt. Richtig sei zwar, daß die Auflösung des städtischen VA U keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Organisation der bestehenden Bezirkskassen gehabt habe. Der Zuständigkeitsbereich der klagenden OKK habe sich somit zunächst weiter auf die landkrankenkassenpflichtigen Beschäftigten in U erstreckt. Jedoch habe das OVA in einem solchen Falle die Zweckmäßigkeit und Ausgemessenheit einer Ausscheidung nach pflichtmäßigem Ermessen zu prüfen, wobei auf die Herbeiführung des von der RVO vorgesehenen Regelzustandes (§§ 226, 235 RVO) Bedacht zu nehmen sei. Demnach sei die angefochtene Aufsichtsanordnung zu Recht ergangen.

Die beigeladene LKK rügt in verfahrensrechtlicher Hinsicht, das LSG habe seiner Aufklärungspflicht insofern nicht genügt, als es nicht die Frage behandelt habe, ob nicht bereits in einer älteren Satzung der beigeladenen LKK - als der von 1948 - der Kassenbezirk auf die Stadt U erstreckt worden sei. Tatsächlich sei - mit Genehmigung des OVA D - bereits in der vom 1. Januar 1945 an gültigen Satzung der durch Vereinigung mehrerer LKK'n entstandenen, jetzt beigeladenen LKK bestimmt worden, daß der Kreis U - ohne Einschränkung - zum Kassenbezirk gehöre (§ 1 Abs. 1 der Satzung). Diese Erweiterung des Zuständigkeitsbereiches der beigeladenen LKK sei durch die dem OVA erteilten weitgehenden Ermächtigungen der "Bestimmungen über die Vereinigung von Landkrankenkassen" (Erlaß des RAM vom 6. Oktober 1944, AN S. 284 f.) gedeckt. - Materiell-rechtlich rügt die beigeladene LKK die Nichtanwendung des § 298 Abs. 1 Nr. 1 RVO. Wenn auch in der RVO Vorschriften darüber fehlten, wann eine Ausscheidung notwendig oder zweckmäßig sei, so habe sich doch ein Gewohnheitsrecht entwickelt dahingehend, daß die Oberversicherungsämter nach freiem Ermessen über die Ausscheidung zu befinden hätten. Die in der Entscheidung BSG 7, 169 entwickelten Grundsätze über den Anschluß von Innungen an eine Innungskrankenkasse seien im vorliegenden Fall unanwendbar; denn für LKK'n als "Bezirkskassen" seien, was die Errichtung anbetreffe, grundsätzlich andere Vorschriften als für "Bereichskassen" anzuwenden.

Die klagende OKK hat beantragt,

die Revisionen zurückzuweisen.

Selbst wenn es zutreffen sollte, daß die Satzung der beigeladenen LKK bereits seit Januar 1945 bei der Festlegung des Kassenbezirks den Kreis U ohne einschränkenden Zusatz aufgeführt habe, ergebe sich daraus allein noch keine Veränderung der Rechtslage. Der Vorsitzende des OVA D habe nur vereinigen können, was er vorgefunden habe, d. h. im Kreise U die dortige LKK in ihrer damaligen Ausdehnung (ohne die Stadt U). In dem Vereinigungsbeschluß vom 28. November 1944 sei nichts über eine gleichzeitige Erweiterung des Kassenbezirks der vereinigten LKK gesagt worden. Aus der Genehmigung der Satzung dieser LKK durch das OVA könne ebensowenig auf eine Rechtshandlung von solcher Tragweite geschlossen werden, wie sie eine Ausdehnung des Kassenbezirks darstelle. Die beigeladene LKK habe selbst diesen Schluß nicht gezogen, da sie sonst gegen die klagende OKK ein Verfahren nach § 258 Abs. 1 RVO angestrengt hätte. - Das beklagte OVA sei nicht berechtigt gewesen, die umstrittene Ausscheidung vorzunehmen. Zwar obliege dem OVA die Anordnung von Ausscheidungen, insbesondere auch bei Änderungen des Versicherungsamtsbezirks. Indessen sei in einem solchen Falle keineswegs immer eine Ausscheidung erforderlich. Nur wenn infolge der Änderung ein Zustand eintrete, der der Ordnung der RVO widerspreche - hierbei sei insbesondere an § 226 Abs. 2 RVO zu denken -, habe das OVA den regelwidrigen Zustand im Wege der Ausscheidung zu beseitigen. Dabei seien im vorliegenden Fall die Garantien zu berücksichtigen, die die RVO für den Fall der Errichtung einer LKK vorschreibe, insbesondere die Zustimmungen nach § 225 a RVO.

II

Die Revisionen sind begründet. Die angefochtene Aufsichtsanordnung des beklagten OVA ist rechtmäßig.

Wie der erkennende Senat in der Entscheidung vom gleichen Tage in der Sache 3 RK 97/59 näher dargelegt hat, handelt es sich bei der Anordnung eines OVA, durch die landkrankenkassenpflichtige Versicherte aus dem Mitgliederbestand einer OKK ausgeschieden und auf eine LKK überführt werden, um eine Maßnahme, die nach den Grundsätzen über die erstmalige Errichtung einer LKK für einen Bezirk, in dem bisher nicht die Zuständigkeit einer LKK begründet war, zu beurteilen ist. Zu Unrecht ist das beklagte OVA davon ausgegangen, die im Jahre 1931 verfügte Auflösung des VA der Stadt U und die damit verbundene Ausdehnung des Zuständigkeitsbereiches des VA des Kreises U auf die Stadt U habe zwangsläufig auch die Erweiterung des Bezirks der früheren LKK für den Kreis U um den Bereich der Stadt U bewirkt. Ebensowenig genügte es für eine wirksame Erweiterung des Kassenbezirks, daß die beigeladene LKK - sei es im Jahre 1948, sei es auch schon 1944 bei der Vereinigung mehrerer LKK'n zu der beigeladenen LKK - in ihrer Satzung bei der Angabe ihres räumlichen Zuständigkeitsbereichs den Kreis U (ohne Einschränkung) aufführte und daß das beklagte OVA die Satzung in dieser Gestalt genehmigte. Vielmehr enthielt erst die angefochtene Aufsichtsanordnung des beklagten OVA die nach dem hier sinngemäß anzuwendenden § 233 Abs. 2 RVO erforderliche Anordnung der Erweiterung des Kassenbezirks der beigeladenen LKK. Daß das beklagte OVA von einer "Mahnung" der säumigen Gemeindeverbände im Sinne des § 232 RVO abgesehen und gleich zu einer Errichtungsanordnung nach § 233 Abs. 2 RVO geschritten ist, kann unter den besonderen Umständen des Falles, in denen weder für eine planende Entscheidung der beteiligten Gemeindeverbände nach § 231 Abs. 2 RVO noch für Erwägungen über eine Satzungsgestaltung Raum war, hingenommen werden. Nicht erforderlich für eine Erweiterung des Kassenbezirks der beigeladenen LKK war hingegen - entgegen der Meinung der klagenden OKK - die Zustimmung der Mehrheit der abstimmenden beteiligten Arbeitgeber und der Mehrheit der abstimmenden beteiligten volljährigen Arbeitnehmer nach § 225 a RVO. Eine solche Zustimmung ist zwar grundsätzlich auch bei Ausscheidungsmaßnahmen notwendig, die der Errichtung einer Krankenkasse gleichzustellen sind (vgl. BSG 15, 264). Sie entfällt jedoch, wenn eine Gebietskrankenkasse (OKK oder LKK) nach zwingender Vorschrift des Gesetzes in einem Bezirk zu errichten ist - oder, was dem gleichsteht, der Zuständigkeitsbereich einer bestehenden Gebietskrankenkasse zu erweitern ist -, für den eine Kasse dieses Typus bisher nicht besteht. Dieser Fall ist hier gegeben. Für die landkrankenkassenpflichtigen Versicherten in der Stadt Unna mußte die Zuständigkeit einer LKK - hier sachgemäß in der Form der Ausdehnung des Kassenbezirks der beigeladenen LKK - begründet werden, nachdem feststand, daß keiner der der Errichtung einer LKK entgegenstehenden Ausnahmegründe (§§ 227 bis 229 RVO) mehr gegeben war.

Demnach ist die angefochtene Aufsichtsanordnung zu Recht ergangen. Die Urteile des LSG und des SG sind aufzuheben; die Klage ist abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 des Sozialgerichtsgesetzes.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2324602

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