Verfahrensgang
LSG Bremen (Teilurteil vom 10.01.1983) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Teilurteil des Landessozialgerichts Bremen vom 10. Januar 1983 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Klägerin, eine Reederei, die die Hochseefischerei mit dem Fangfabrikschiff „Sonne” betreibt und im Jahre 1976 auch den Beigeladenen G. beschäftigte, beanstandet die Berechnung von Sozialversicherungsbeiträgen durch die beklagte See-Berufsgenossenschaft. Diese berechnete für die Zeit ab April 1976 die für G. zu entrichtenden Beiträge in allen Versicherungszweigen ua nach einer monatlichen Durchschnittsheuer von 2.916 DM; in dieser Höhe hatte ein bei der Beklagten gebildeter Ausschuß die Heuer für Beschäftigte wie G. (Elektriker nach vierjähriger Fahrzeit auf Fangfabrikschiffen) festgesetzt. In ihr war auch ein Betrag zur zur Abgeltung von Zuschlägen für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit enthalten (495 DM = 50 % der tariflichen Produktprämie). Die Klägerin hält diesen – lohnsteuerfreien – Abgeltungsbetrag wegen der Koppelung der Beitragspflicht an die Lohnsteuerpflicht für beitragsfrei. Anderenfalls würden Seeleute gegenüber sonstigen Arbeitnehmern außerhalb der Unfallversicherung (UV) ungleich behandelt. Im übrigen habe die Beklagte selbst die Abgeltungsbeträge bis März 1976 als beitragsfrei angesehen, diese Übung habe gewohnheitsrechtliche Geltung erlangt.
Die Beklagte stützt ihre – seit April 1976 geänderte – Verwaltungspraxis auf Sonderregelungen für Seeleute; aus ihnen ergebe sich, daß bei ihnen die Beiträge nach den festgesetzten Durchschnittsheuern – ohne Abzug der fraglichen Abgeltungsbeträge – zu berechnen seien. Dafür sprächen auch sozialpolitische Gründe, insbesondere die Höhe der Abgeltungsbeträge und ihre wirtschaftliche Bedeutung für die betroffenen Versicherten.
Die Vorinstanzen sind der Auffassung der Beklagten gefolgt und haben die Klage für unbegründet gehalten. Das Landessozialgericht (LSG) hat dies in einem – zunächst auf den Beigeladenen G. beschränkten – Teilurteil näher ausgeführt, auf seine Ausführungen wird verwiesen.
Die Klägerin hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt und sie im wesentlichen damit begründet, daß nach dem hier noch anwendbaren Gemeinsamen Erlaß von 1944 die Lohnsteuerfreiheit der streitigen Abgeltungsbeträge auch deren Beitragsfreiheit zur Folge habe. Entgegen der Ansicht des LSG gehe der Gemeinsame Erlaß den sonstigen für Seeleute getroffenen Beitragsregelungen vor. Jedenfalls sei die Beitragsfreiheit der streitigen Beträge gewohnheitsrechtlich begründet. Außerdem wäre es mit dem Gleichheitssatz nicht vereinbar, wenn die Beitragspflicht für die mit den streitigen Beträgen abgegoltenen Zuschläge bei Seeleuten und den übrigen Arbeitnehmern unterschiedlich geregelt wäre. Entgegen der Annahme des LSG würde es schließlich keine verwaltungsmäßigen Schwierigkeiten bereiten, wenn von den Abgeltungsbeträgen keine Beiträge erhoben würden.
Die Klägerin beantragt,
das Teilurteil des LSG vom 10. Januar 1983 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 20. Mai 1976 sowie unter Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 1. Oktober 1976 zu verurteilen, bei der Neuberechnung des Beitrages die lohnsteuerfreien Anteile der Produktprämien, die als Abgeltung der Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit gezahlt werden, außer Ansatz zu lassen, hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, bei der Neuberechnung des Beitrages die lohnsteuerfreien Anteile der Produktprämien, die als Abgeltung der Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit gezahlt werden, nur bei Festsetzung der Beiträge zur UV und der Seemannskasse zu berücksichtigen, sie aber bei Festsetzung der Beiträge für die übrigen Zweige der Sozialversicherung außer Ansatz zu lassen, weiter hilfsweise, das Urteil des LSG aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung an das LSG zurückzuverweisen.
Die Beklagte und die beigeladenen Versicherungsträger beantragen, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Die übrigen Beteiligten haben sich im Revisionsverfahren nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Klägerin gegen das Teilurteil des LSG ist nicht begründet. Die Beklagte – als derjenige Versicherungsträger, der in allen Versicherungszweigen für den Einzug der Sozialversicherungsbeiträge von Seeleuten zuständig ist (vgl §§ 1375, 476 der Reichsversicherungsordnung –RVO–) – hat mit Recht auch Beiträge von den streitigen Abgeltungsbeträgen gefordert.
Das gilt zunächst für die Beiträge zur UV. Sie werden in der See-UV (anders als in der allgemeinen UV, wo sich ihre Höhe in der Regel nach dem wirklich verdienten Entgelt oder der Lohnsumme richtet, §§ 725 ff RVO) für die auf Seefahrzeugen beschäftigten Arbeitnehmer „nach den Beträgen der durchschnittlichen Entgelte” berechnet (§ 872 Abs. 1 Nr. 1 RVO). Diese durchschnittlichen Entgelte – der monatliche Durchschnitt des baren Entgelts und der Durchschnittssatz für Beköstigung – werden von einem dazu von der Vertreterversammlung der Beklagten gebildeten Ausschuß festgesetzt; die Festsetzung bedarf der Genehmigung des Bundesversicherungsamts –BVA– (§ 842 Abs. 1 und 3 RVO). Sie wird in jedem Jahr einmal nachgeprüft (§ 843 RVO) und erfolgt im Bereich gleicher Tätigkeiten einheitlich für den Geltungsbereich der RVO (§ 844 Abs. 1 RVO). Bei der Festsetzung sind die Sätze für die baren Entgelte und die Sachbezüge in den zwischen den Reedern und Vereinigungen seemännischer Arbeitnehmer abgeschlossenen Tarifverträgen zu berücksichtigen (§ 844 Abs. 2 RVO). Demgemäß sind in den Durchschnittsentgelten seit 1. April 1976 auch Abgeltungsbeträge für Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit enthalten (vgl. die 22. Änderung der Bekanntmachung aller Durchschnittsheuern und Durchschnittssätze für Beköstigung der Seeleute vom 17. März 1976, BAnz 1976 Nr. 98; die früher in der 21. Änderung festgesetzten Entgelte, BAnz 1975 Nr. 97, enthielten dagegen noch keine Abgeltungsbeträge, so daß die Durchschnittsheuer für G. bis März 1976 nur 2.289 DM betrug).
Für die genannten Zuschläge bestimmte schon der – als Rechtsverordnung ergangene – Erlaß des früheren Reichsarbeitsministers (RAM) vom 18. Februar 1941, daß die Zuschläge „bei der Berechnung der Beiträge und der Leistungen in der Unfallversicherung zu berücksichtigen sind” (AN 1941, II 108). Anlaß für diese Regelung waren kurz vorher erlassene Bestimmungen, nach denen ua die genannten Zuschläge, soweit sie aufgrund gesetzlicher oder tariflicher Bestimmung über den Grundlohn hinaus gezahlt wurden, von der Lohnsteuer befreit waren (Verordnung des Reichsministers der Finanzen vom 7. November 1940, RGBl I 1478); „bis auf weiteres” waren sie auch nicht als Entgelt im Sinne der Sozialversicherung anzusehen (Erlaß des RAM vom 29. November 1940, AN 1940, II 427). Von diesen Bestimmungen, die aus kriegsbedingten Gründen einen zusätzlichen Anreiz zur Leistung von Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit geben sollten, hielt der RAM die zuletzt genannte in der UV offenbar nicht für tragbar: Obwohl in der UV – anders als in der Rentenversicherung – Beiträge und Leistungen nicht unmittelbar in „Wechselwirkung” zueinander stehen (BSGE 53, 117, 121), sind beide jedoch auch in der UV (über die gemeinsame Bemessungsgrundlage des Entgelts) so eng miteinander verknüpft, daß jede tatsächliche oder rechtliche Minderung des Entgelts, mithin auch eine Ausscheidung einzelner Bezüge aus dem Entgeltbegriff, nicht nur die Beitragspflicht des Arbeitgebers beeinflußt, sondern auch zu Leistungsausfällen beim Versicherten führen kann. Solche Ausfälle wollte man offenbar denjenigen Arbeitnehmern, die sich im Kriege zur zusätzlichen Leistung von Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit bereit fanden, für den Fall eines Arbeitsunfalls nicht zumuten (vgl. hierzu BSGE 53 aaO und 53, 133, 135).
An diesem Rechtszustand hat der – ebenfalls als Rechtsverordnung ergangene – Gemeinsame Erlaß des Reichsministers der Finanzen und des RAM vom 10. September 1944 betr. weitere Vereinfachung des Lohnabzugs (AN 1944, II 281) nichts geändert. Er hat zwar die Bemessungsgrundlagen für die gesetzlichen Lohnabzüge (Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge) weiter einander angeglichen, indem er die Beitragspflicht grundsätzlich von der Lohnsteuerpflicht abhängig gemacht hat, so daß lohnsteuerfreie Bezüge seitdem in der Regel auch beitragsfrei waren. Die Beitragspflicht der fraglichen Zuschläge in der UV ist dadurch jedoch – trotz ihrer Lohnsteuerfreiheit – nicht beseitigt worden. Ob dies schon deswegen nicht der Fall war, weil der Gemeinsame Erlaß nur den „Lohnabzug” durch den Arbeitgeber vereinfachen sollte, Beiträge zur UV aber nicht vom Lohn der Versicherten abzuziehen sind, sondern vom Arbeitgeber allein getragen werden, kann dahinstehen. Die Fortdauer der – seit dem Erlaß des RAM vom 18. Februar 1941 bestehenden – Beitragspflicht der fraglichen Bezüge in der UV ergab sich vor allem daraus, daß schon der genannte Erlaß als Reaktion auf die kurz vorher erfolgte Angleichung der Steuer- und beitragsrechtlichen Bemessungsgrundlage für die genannten Zuschläge ergangen war und nichts dafür spricht, daß der RAM die diesem Erlaß zugrunde liegende Wertung – Beitragspflicht der Zuschläge ungeachtet ihrer Lohnsteuerfreiheit – inzwischen geändert hatte. Der genannte Erlaß ist deshalb zutreffend auch nach dem Kriege als weiterhin gültiges Recht angesehen worden (vgl. BSGE 53, 133, 135 f). Inhaltlich ist er nach der Neuregelung des Entgeltbegriffs durch § 14 des Sozialgesetzbuchs – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – (SGB 4) vom 23. Dezember 1976 (BGBl I 3845) und die aufgrund von § 17 SGB 4 ergangene Arbeitsentgeltverordnung (ArEVO) vom 6. Juli 1977 (BGBl I 1208) als deren § 3 in das neue Recht übernommen worden (vgl. dazu BSGE 53, 117, 120 und BR-Drucks 244/77 vom 20. Mai 1977, § 8, Begründung zu § 3 ArEVO).
Sind somit die genannten Zuschläge trotz ihrer Lohnsteuerfreiheit (sie ist jetzt in § 3b des Einkommensteuergesetzes –EStG- und war früher in dessen § 34a geregelt) in der UV beitragspflichtig, so gilt dies auch für die Abgeltungsbeträge, die in der Hochseefischerei anstelle dieser Zuschläge gezahlt werden (bei Fangfabrikschiffen seinerzeit in Höhe der halben den Besatzungsmitgliedern zustehenden Produktprämie). Auch sie sind deshalb trotz ihrer Lohnsteuerfreiheit (vgl. dazu jetzt Lohnsteuer-Richtlinien idF der Bekanntmachung vom 20. Dezember 1983, Abschnitt 17 Abs. 7 Nr. 5 Satz 2) in der UV beitragspflichtig. Dafür besteht hier sogar ein besonderes Bedürfnis, weil sie häufig einen erheblichen Teil (bis 20 %) des gesamten Arbeitsentgelts ausmachen; wäre dieser Teil des Entgelts nicht beitragspflichtig, so könnte er auch bei den Leistungen nicht berücksichtigt werden. Daß dies sozialpolitisch schwer erträglich wäre, haben die Beklagte und das LSG zutreffend ausgeführt.
Die zur See-UV zu entrichtenden Beiträge werden allerdings nicht nach dem wirklich verdienten Entgelt (einschließlich der tatsächlich gezahlten Abgeltungsbeträge), sondern, wie dargelegt, nach Durchschnittsentgelten berechnet. Diese Besonderheit der See-UV ändert indessen nichts an der Beitragspflicht der Abgeltungsbeträge. Denn die von dem zuständigen Ausschuß festgesetzten Durchschnittsentgelte werden ihrerseits aufgrund der tatsächlich gezahlten, in der Regel in den einschlägigen Tarifverträgen vereinbarten Entgelte ermittelt, was zur Folge hat, daß auch die genannten Abgeltungsbeträge in die Durchschnittsberechnung eingehen (§ 844 Abs. 2 RVO). Die so ermittelten Werte werden dann als Durchschnittsentgelte „festgesetzt” (zur normativen Wirkung dieser Festsetzung vgl. Lauterbach, Unfallversicherung, 3. Aufl, § 842 Anm. 1). Damit sind sie allein Bemessungsgrundlage der Beiträge.
Daß der zuständige Ausschuß der Beklagten nach den Feststellungen des LSG bis März 1976 die Abgeltungsbeträge trotz ihrer Beitragspflicht nicht in die von ihm festgesetzten Durchschnittsentgelte einbezogen hat, verstieß zwar gegen geltendes Recht, nämlich gegen den Erlaß des RAM vom 18. Februar 1941 und gegen § 844 Abs. 2 RVO. Einen Anspruch auf Aufrechterhaltung dieses rechtswidrigen Zustands hat die Klägerin dadurch jedoch nicht erworben; insbesondere kann sie das Fortbestehen dieses Zustandes nicht wegen dessen angeblich gewohnheitsrechtlicher Geltung verlangen.
Ob Gewohnheitsrecht auch im Widerspruch zum geschriebenen Recht entstehen kann, braucht der Senat nicht zu entscheiden (dagegen anscheinend BSGE 43, 289, 291 unten; aA BGHZ 37, 219, 224). Auch wenn die Frage zu bejahen wäre, sind jedenfalls an den Nachweis von „gesetzesänderndem” Gewohnheitsrecht strenge Anforderungen zu stellen, sowohl was die Dauer der Übung wie die Überzeugung der Beteiligten von ihrer Rechtmäßigkeit betrifft, zumal wenn sich das Gewohnheitsrecht – wie hier bei einer Nichteinbeziehung der Abgeltungsbeträge in die Beitragspflicht – zu Ungunsten der Versicherten durchsetzen soll. In einem solchen Fall ist ein Gewohnheitsrecht nur anzunehmen, wenn aufgrund einer langdauernden, von Rechtsüberzeugung getragenen Übung alle, „die es angeht”, darauf vertrauen dürfen, daß auch in Zukunft entsprechend dieser Übung verfahren werde (vgl. dazu besonders BSGE 11, 126, 128; 20, 10, 18; 21, 209, 219).
Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt, wie das LSG richtig entschieden hat. Obwohl der Festsetzungsausschuß der Beklagten bis März 1976 mit Genehmigung des BVA die fraglichen Abgeltungsbeträge nicht in die Durchschnittsheuern einbezogen hatte (vgl. die genannten Bekanntmachungen vom 23. April 1975 und 17. März 1976, BAnz 1975 Nr. 97 und 1976 Nr. 98), durfte die Klägerin nicht darauf vertrauen, daß dies auch künftig so sein würde. Dabei ist es unerheblich, aus welchem Grund die Einbeziehung der Abgeltungsbeträge früher unterblieben war, ob aus Unkenntnis über die Zahlung solcher Beträge oder wegen unrichtiger Rechtsauffassung des Ausschusses. Ein zur Setzung autonomen Rechts berufener Ausschuß, der sich nachträglich davon überzeugt, daß er seinen Normsetzungsauftrag überschritten oder bisher falsch ausgelegt hat, insbesondere dabei zu Ungunsten der Versicherten verfahren ist, muß seine Normsetzung für die Zukunft entsprechend der wirklichen Rechtslage ändern können. Anderenfalls würde autonomes Recht trotz Widerspruchs mit höherrangigem staatlichen Recht weiter angewendet werden, was mit dem Nachrang des autonomen Rechts im Verhältnis zum staatlichen Recht unvereinbar wäre.
Hat die Beklagte somit für den Beigeladenen G. die Beiträge zur UV zutreffend berechnet, nämlich nach der für ihn festgesetzten Durchschnittsheuer (einschließlich des in ihr enthaltenen Abgeltungsbetrags für Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit), so ist die Beitragsberechnung der Beklagten auch in den übrigen Versicherungszweigen nicht zu beanstanden.
Das gilt zunächst für die Beiträge zur Krankenversicherung (KV). Wie in der UV ist auch hier die Berechnung der Beiträge für Seeleute insofern abweichend von den allgemeinen Vorschriften geregelt, als die Beiträge nicht nach dem tatsächlich verdienten Entgelt, sondern nach dem Durchschnittsverdienst bemessen werden. Das ergibt sich aus § 479 Abs. 1 RVO (idF des Gesetzes vom 16. Dezember 1927). Diese Vorschrift verweist ausdrücklich auf den „nach § 1068 (den Vorläufer des § 842 RVO) festgesetzten monatlichen Durchschnittsverdienst”; dessen 30. Teil gilt für die KV als Grundlohn, ist mithin auch der Beitragsberechnung zugrunde zu legen (§ 385 Abs. 1 RVO). Die Rentenversicherung verweist wiederum wegen der zu ihr zu entrichtenden Beiträge auf den für die Berechnung der Beiträge zur KV maßgebenden Grundlohn (§ 1400 Abs. 2 RVO). Die gleiche Bemessungsgrundlage gilt nach einer weiteren Verweisung im Arbeitsförderungsgesetz (§ 175 Abs. 1 Nr. 1) auch für die Arbeitslosenversicherung.
Anders als in der UV, in der, wie ausgeführt, die fraglichen Zuschläge bzw die dafür gezahlten Abgeltungsbeträge sowohl bei den in der allgemeinen UV versicherten Arbeitnehmern wie auch bei Seeleuten (bei ihnen als Teil der Durchschnittsheuer) beitragspflichtig sind, besteht eine solche Übereinstimmung in den übrigen Versicherungszweigen nicht; hier unterliegen vielmehr nur die den Seeleuten gezahlten Abgeltungsbeträge der Beitragspflicht (vgl. dazu auch die schon genannte BR-Drucks 244/77, die aaO ebenfalls davon ausgeht, daß sich nur bei Seeleuten die für die UV vorgeschriebene Beitragspflicht der fraglichen Bezüge „über die Festsetzung der Durchschnittssätze in der See-UV auf die gesamte See-Sozialversicherungauswirkt”, während diese Bezüge bei den übrigen Arbeitnehmern außerhalb der UV beitragsfrei bleiben). Darin liegt, wie das LSG entgegen der Ansicht der Klägerin zutreffend entschieden hat, keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung von seemännischen und anderen Arbeitnehmern.
Beide Arbeitnehmergruppen unterscheiden sich schon insofern erheblich voneinander, als bei Seeleuten die fraglichen Abgeltungsbeträge häufig einen wesentlichen Teil ihres Gesamtverdienstes ausmachen, was bei anderen Arbeitnehmern nicht oder jedenfalls nicht in gleichem Maße der Fall ist. Ein Weiteres kommt hinzu: Im Steuerrecht sind die genannten Zuschläge bzw die für sie gezahlten Abgeltungsbeträge bei allen Arbeitnehmern lohnsteuerfrei. Bei nicht seemännischen Arbeitnehmern sind sie deshalb, abgesehen von der UV, auch beitragsfrei, weil sonst – entgegen dem Vereinfachungszweck des Gemeinsamen Erlasses und der ArEVO – Lohnsteuer und Beiträge nicht von der gleichen Bemessungsgrundlage berechnet werden könnten. Diese Begründung trifft bei Seeleuten nicht zu, da bei ihnen die Lohnsteuer und die Beiträge, wie die Klägerin selbst vorgetragen hat, ohnehin von unterschiedlichen Bemessungsgrundlagen berechnet werden, die Lohnsteuer nach dem tatsächlich verdienten Entgelt, die Beiträge nach dem festgesetzten Durchschnittsentgelt. Damit entfällt bei ihnen zugleich der einzige Grund, der bei den nicht seemännischen Arbeitnehmern eine Beitragsbefreiung der fraglichen Bezüge rechtfertigen kann.
Ob allerdings dieser Grund auch bei den nicht seemännischen Arbeitnehmern in allen Fällen genügend sachliches Gewicht hat, um die genannten Bezüge beitragsfrei zu lassen, kann fraglich sein, insbesondere dann, wenn diese Bezüge im Einzelfall für den Versicherten eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung haben. Darüber hinaus kann sogar gefragt werden, ob die 1940 als Kriegsmaßnahme eingeführte Lohnsteuerbefreiung der Bezüge heute noch – unter völlig veränderten Verhältnissen – zeitgemäß ist (weitere Bedenken, auch gegen die Verfassungsmäßigkeit der derzeitigen Regelung, bei Frotscher, Kommentar zum EStG, § 3b Anm. 1.5). Da diese Fragen jedoch in erster Linie andere als seemännische Arbeitnehmer betreffen und sie im übrigen überwiegend sozialpolitischer Natur sind, ist der Senat nicht näher auf sie eingegangen. Nach geltendem Recht unterscheiden sich jedenfalls die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse von seemännischen und anderen Arbeitnehmern so erheblich, daß Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes nicht verletzt ist, wenn bei Seeleuten von den fraglichen Bezügen Beiträge zur Kranken–, Renten- und Arbeitslosenversicherung erhoben werden, diese Bezüge bei anderen Arbeitnehmern dagegen in den bezeichneten Versicherungszweigen beitragsfrei bleiben.
Wenn das LSG außerdem auf den Gesichtspunkt der Verwaltungsvereinfachung hingewiesen hat – seiner Ansicht nach wäre es „kaum durchführbar”, wenn die Beklagte als der für den Einzug der Gesamtsozialversicherungsbeiträge allein zuständige Versicherungsträger die Beiträge zu den einzelnen Versicherungszweigen nach verschiedenen Entgeltbegriffen berechnen müßte –, so hat der Senat diesem Gesichtspunkt keine wesentliche Bedeutung beigemessen; denn auch für nicht seemännische Arbeitnehmer, die Zuschläge der fraglichen Art. erhalten, müssen die Beiträge zur UV (wo die Zuschläge beitragspflichtig sind) und zu den übrigen Versicherungszweigen (wo sie beitragsfrei sind) vom Arbeitgeber nach verschieden hohen Entgelten berechnet werden, mögen bei diesen Arbeitnehmern – anders als bei Seeleuten – für den Beitragseinzug auch verschiedene Versicherungsträger zuständig sein.
Das Urteil des LSG erweist sich nach allem im Ergebnis und weitgehend auch in seiner Begründung als richtig. Die von der Klägerin erhobene Klage gegen den Beitragsbescheid der Beklagten vom 30. Mai 1976 idF des Widerspruchsbescheids vom 1. Oktober 1976 ist unbegründet, soweit sie den Beigeladenen G. betrifft. Die Beklagte hat den für ihn zu entrichtenden, auf die streitige Zeit entfallenden Gesamtsozialversicherungsbeitrag zutreffend nach der festgesetzten Durchschnittsheuer berechnet; dabei hat sie den in der Heuer enthaltenen Abgeltungsbetrag der fraglichen Zuschläge trotz deren Lohnsteuerfreiheit mit Recht nicht abgezogen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen