Entscheidungsstichwort (Thema)
Erziehungsgeld. Ausländer. ausländischer Ehegatte eines Deutschen. Aufenthaltserlaubnis. Besitz der Aufenthaltsberechtigung, -erlaubnis oder -befugnis. Tatbestandswirkung der ausländerbehördlichen Entscheidung. sozialrechtlicher Herstellungsanspruch
Leitsatz (amtlich)
Soweit der Anspruch auf Erziehungsgeld voraussetzt, daß ein Ausländer “im Besitz” einer Aufenthaltsberechtigung, -erlaubnis oder -befugnis ist, muß das Aufenthaltsrecht durch die Ausländerbehörde bereits zu Beginn des Leistungszeitraums förmlich festgestellt sein. Auch bei einem ausländischen Ehegatten eines Deutschen steht der Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis der erteilten Erlaubnis nicht gleich (Fortführung von BSGE 70, 197 = SozR 3-7833 § 1 Nr 7 sowie BSG SozR 3-7833 § 1 Nr 12 und 14).
Normenkette
BErzGG § 1 (Fassung:9.7.1990), § 1 (Fassung: 23.6.1993); AuslG §§ 23, 25, 69; BGB § 839; GG Art. 34
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 19. April 1995 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Klägerin begehrt Erziehungsgeld (Erzg).
Die aus Skopje/Makedonien stammende Klägerin reiste 1988 als jugoslawische Staatsangehörige in die Bundesrepublik Deutschland ein. Ihr Asylantrag blieb erfolglos. Am 22. November 1991 heiratete sie den deutschen Staatsangehörigen C.… R.… Aus der Ehe ging der am 25. November 1992 geborene Sohn A.… hervor. Den Antrag der Klägerin vom 19. Januar 1993 auf Gewährung von Erzg lehnte der Beklagte ab (Bescheid vom 15. März 1993, Widerspruchsbescheid vom 29. Juli 1993), weil die Klägerin nicht im Besitz eines zum Bezug von Erzg berechtigenden Aufenthaltstitels war. Die am 28. November 1991 beantragte Aufenthaltsgenehmigung war bis dahin von der zuständigen Ausländerbehörde allein deshalb noch nicht erteilt worden, weil der abgelaufene Reisepaß der Klägerin verlängert werden mußte und, nachdem dies im November 1992 geschehen war, es noch an der Umschreibung auf den neuen Familiennamen R.… fehlte. Erst am 14. Januar 1994 erhielt die Klägerin die Aufenthaltserlaubnis. Bis dahin waren ihr fortlaufend Bescheinigungen über die Beantragung der Aufenthaltsgenehmigung nach § 69 Abs 3 Ausländergesetz (AuslG) erteilt worden. Da die Klägerin nunmehr im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis war, hat der Beklagte der Klägerin für die Zeit ab 14. Januar 1994 bis zum Ablauf des 18. Lebensmonats des Kindes Erzg in Höhe von 600,-- DM monatlich gewährt (Bescheid vom 26. Juli 1994).
Das Sozialgericht (SG) hat der Klage auf Gewährung von Erzg für den Zeitraum vom 25. November 1992 bis zum 13. Januar 1994 stattgegeben (Urteil vom 19. April 1995). Der Anspruch sei bereits dann begründet, wenn die materiellen Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erfüllt seien und eine positive Entscheidung der Ausländerbehörde allein noch von “Formalien” abhänge, die in den Zuständigkeitsbereich ausländischer Behörden fallen, die Verzögerung der Entscheidung mithin weder vom Antragsteller noch von deutschen Behörden zu vertreten sei.
Mit der vom SG zugelassenen Sprungrevision rügt der Beklagte die Verletzung des § 1 Abs 1 Satz 2 Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG). Der Anspruch eines Ausländers auf Erzg setze in jedem Fall die förmliche Feststellung des Aufenthaltsrechts durch die Ausländerbehörde für den beantragten Leistungszeitraum voraus. Der Anspruch auf Erteilung des Aufenthaltstitels allein reiche nicht aus; dies gelte unabhängig davon, aus welchen Gründen sich die ausländerbehördliche Entscheidung verzögert.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 19. April 1995 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
Entscheidungsgründe
II
Die Sprungrevision des Beklagten ist begründet. Er hat den Antrag auf Gewährung des Erzg für die Zeitraum vom 25. November 1992 bis zum 13. Januar 1994 zu Recht abgelehnt, weil die Klägerin in dieser Zeit nicht im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung, -erlaubnis oder -befugnis war.
Der Anspruch auf Erzg richtet sich in dem noch streitigen Zeitraum nach § 1 Abs 1 BErzGG idF des Art 10 des Gesetzes zur Neuregelung des Ausländerrechts (AuslRNG) vom 9. Juli 1990 (BGBI I 1354). Diese Fassung ist mit Wirkung vom 1. Januar 1991 anzuwenden (Art 15 Abs 2 AuslRNG). Der Anspruch eines Ausländers auf Erzg setzt danach neben dem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes (Satz 1 Nr 1 des § 1 Abs 1 BErzGG) ua voraus, daß er “im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung, Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsbefugnis ist” (Satz 2 des § 1 Abs 1 BErzGG). Zwar wurde durch Art 4 Nr 1 des Gesetzes zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms (FKPG) vom 23. Juni 1993 (BGBl I 944), in Kraft getreten am 27. Juni 1993 (Art 43 Abs 1 FKPG), § 1 Abs 1 Satz 2 BErzGG gestrichen; nach dem ebenfalls durch Art 4 Nr 1 FKPG mit Wirkung zum 27. Juni 1993 neu eingefügten § 1 Abs 1a Satz 1 BErzGG ist nunmehr für den Anspruch eines Ausländers Voraussetzung, daß er “im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis ist”. Diese Änderung erfaßt jedoch nach ihrem zeitlichen Anwendungsbereich den streitigen Anspruchszeitraum nicht. Sie gilt nicht für Kinder, die vor dem 27. Juni 1993 geboren worden sind (Bundessozialgericht ≪BSG≫, Urteil vom 6. September 1995 – 14 REg 4/95 – SozR 3-7833 § 1 Nr 17), wie dies beim Sohn der Kägerin (geboren am 25. November 1992) der Fall ist.
Nach § 4 Abs 1 Satz 1 BErzGG in der hier anzuwendenden Fassung durch Art 1 Nr 4 des Zweiten Gesetzes zur Änderung des BErzGG und anderer Vorschriften (2. BErzGGÄndG) vom 6. Dezember 1991 (BGBl I 2142) ist Erzg für Kinder, die in dem Zeitraum vom 1. Juli 1990 bis zum 31. Dezember 1992 geboren sind, längstens bis zum 18. Lebensmonat zu gewähren. Die Erweiterung des Bezugszeitraums auf 24 Lebensmonate nach § 4 Abs 1 Satz 2 BErzGG gilt nur für Kinder, die nach dem 31. Dezember 1992 geboren wurden.
Diese Vorschriften hat der Beklagte zutreffend angewandt, als er der Klägerin Erzg ab 14. Januar 1994 bis zur Vollendung des 18. Lebensmonats ihres Sohnes gewährte, den Anspruch für die vorangegangene Zeit jedoch ablehnte.
Der Anspruch eines Ausländers auf Erzg für ein nach dem 1. Januar 1992 geborenes Kind setzt nach § 1 Abs 1 Satz 2 BErzGG idF des AuslRNG (BErzGG aF) voraus, daß dieser im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung, -erlaubnis oder -befugnis ist. Das Gesetz mißt diesem Grundsatz eine solche Bedeutung zu, daß von ihm sogar auch für Ausländer, die später als asylberechtigt anerkannt werden, keine Ausnahme gemacht wird, wie der Senat sowohl zur Rechtslage vor Inkrafttreten der Änderung durch das AuslRNG (BSGE 70, 197, 199 = SozR 3-7833 § 1 Nr 7; BSG SozR 3-7833 § 1 Nr 10 sowie Urteile vom 9. September 1992, 14b/4 REg 10/91, 14b/4 REg 14/91 und 14b/4 REg 24/91) als auch für die Zeit nach dem Inkrafttreten des AuslRNG entschieden hat (BSG SozR 3-7833 § 1 Nr 12). Dabei verfügt ein asylberechtigter Ausländer für die Zeit nach der unanfechtbaren Anerkennung seiner Asylberechtigung in ausländerrechtlicher Hinsicht sogar über eine stärkere Stellung als der ausländische Ehegatte eines Deutschen für die Zeit nach der Heirat. Asylberechtigte haben in solchen Fällen einen Anspruch auf Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis nach § 68 Abs 1 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) idF der Bekanntmachung vom 27. Juli 1993 (BGBl I S 1361); für die Zeit bis zum 30. Juni 1992 folgte dies aus § 29 Abs 1 AsylVfG idF der Bekanntmachung vom 9. April 1991 (BGBl I S 869). Demgegenüber haben ausländische Ehegatten eines Deutschen nach § 23 Abs 1 Nr 1 AuslG zunächst lediglich einen Anspruch auf Erteilung einer befristeten Aufenthaltserlaubnis. Sie wird nach § 23 Abs 2 AuslG in der Regel für drei Jahre erteilt und anschließend befristet verlängert, solange die familiäre Lebensgemeinschaft mit dem Deutschen im Bundesgebiet fortbesteht und die Voraussetzungen für die unbefristete Verlängerung noch nicht vorliegen. Ein Anspruch auf unbefristete Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis besteht gemäß § 25 Abs 3 AuslG erst nach Ablauf der Dreijahresfrist und nur dann, wenn der Ausländer sich auf einfache Art in deutscher Sprache mündlich verständigen kann und kein Ausweisungsgrund vorliegt (§ 24 Abs 1 Nrn 4 und 6 AuslG).
Mit Blick auf den in § 1 Abs 1 Satz 2 BErzGG aF bzw § 1 Abs 1a BErzGG nF geforderten “Besitz” des entsprechenden Aufenthaltstitels ist die rechtliche Stellung des anerkannten Asylberechtigten und die des ausländischen Ehegatten eines Deutschen vor Erteilung der jeweiligen Aufenthaltserlaubnis jedoch gleich. Beide Gruppen genießen nicht in dem Sinne “Inländerbehandlung”, daß sie wie Inländer keines Aufenthaltstitels bedürfen. Für anerkannte Asylberechtigte gilt dies ungeachtet der Tatsache, daß sie nach Unanfechtbarkeit der Anerkennung ihres Asylanspruchs gemäß § 2 Abs 1 AsylVfG nF (§ 3 Abs 1 AsylVfG aF) iVm Art 24 Abs 1 der Genfer Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (FlüAbK) vom 28. Juli 1951 (BGBl II 1953, 559) in bestimmten arbeits- und sozialrechtlichen Fragen grundsätzlich Anspruch auf Gleichbehandlung mit Deutschen haben (vgl BSG SozR 3-7833 § 1 Nr 7). Erforderlich ist für beide Gruppen von Ausländern ein Aufenthaltstitel iS eines Verwaltungsaktes mit Wirkung für den Bezugszeitraum des Erzg; das materielle Aufenthaltsrecht steht diesem nicht gleich und führt nicht zu seiner Rückwirkung. Als Anspruchsvoraussetzung für Erzg hat der Gesetzgeber bei Ausländern einen gesicherten Aufenthaltsstatus vorgeschrieben, der in Form eines Aufenthaltstitels iS des § 1 Abs 1 Satz 2 BErzGG aF bzw § 1 Abs 1a BErzGG nF bei Beginn des Leistungszeitraums vorliegen muß. Die ausländerbehördliche Entscheidung über das Aufenthaltsrecht hat insoweit Tatbestandswirkung für den Anspruch auf Erzg (vgl Urteile des Senats aaO). Daran hält der Senat fest.
Bis zum 13. Januar 1994 war der Klägerin noch keine Aufenthaltserlaubnis, -berechtigung oder -befugnis erteilt worden. Erst ab 14. Januar 1994 war sie im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis. In dem hier streitigen Leistungszeitraum fehlt es an dem nach dem BErzGG erforderlichen Aufenthaltstitel. Ein tituliertes Aufenthaltsrecht ergab sich auch nicht daraus, daß die Klägerin bereits am 28. November 1991 einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung gestellt hatte und sich damit gemäß § 69 Abs 3 AuslG erlaubt im Geltungsbereich des Gesetzes aufhielt. Die Bescheinigung über die vorläufige Erlaubnis des Aufenthalts nach dieser Vorschrift ist keine Aufenthaltsberechtigung, -erlaubnis oder -befugnis iS von § 1 Abs 1 Satz 2 BErzGG aF (BSG SozR 3-7833 § 1 Nrn 3 und 12).
Von der Erteilung des ausländerrechtlichen Aufenthaltstitels als Voraussetzung für das Vorliegen des für den Anspruch auf Erzg notwendigen Tatbestandsmerkmals des Besitzes dieses Aufenthaltstitels kann auch im Einzelfall nicht abgesehen werden. Auch bei einem etwaigen alleinigen Verschulden einer ausländischen Behörde an der Verzögerung der Erteilung des Aufenthaltstitels durch die inländische Ausländerbehörde ist davon keine Ausnahme zu machen. Im Verhältnis zur Beklagten fällt der Umstand, daß die Klägerin die für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis grundsätzlich erforderlichen gültigen Reisedokumente nicht besaß, allein in den Risikobereich der Klägerin. Die mit der Auflösung der Föderativen Republik Jugoslawien und der staatlichen Konstituierung der nun selbständigen ehemaligen Teilrepublik Makedonien verbundenen Schwierigkeiten bei der Paßverlängerung können es allenfalls rechtfertigen, in Auslegung des Ausländerrechts der Klägerin schon vor der Paßverlängerung einen Anspruch auf die Aufenthaltserlaubnis zu gewähren. Sie können es jedoch nicht rechtfertigen, in Auslegung des BErzGG von der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gänzlich abzusehen.
Ein Anspruch auf Gewährung von Erzg kann in diesem Zusammenhang insbesondere auch nicht darauf gestützt werden, daß der Klägerin im Hinblick auf die Erlangung eines Aufenthaltstitels erfolgversprechender zeitgerechter Rechtsschutz möglicherweise nicht zur Verfügung stand. Die Klägerin macht dazu geltend, die Verzögerung bei der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis durch die Ausländerbehörde sei allein darauf zurückzuführen, daß die konsularischen Vertretungen ihrer Heimat über Jahre hinweg nicht in der Lage gewesen seien, ihr ordnungsgemäße Reisedokumente auszustellen. Ein rechtswidriges Verhalten deutscher Behörden liege nicht vor. Eine Untätigkeitsklage gegen die Ausländerbehörde sei in dieser Situation nicht geeignet gewesen, sie früher in den Besitz eines Aufenthaltstitels iS des § 1 Abs 1 Satz 2 BErzGG aF zu versetzen.
Der Senat hat bereits darauf hingewiesen, daß der Gesetzgeber mögliche Härten gesehen hat, die durch die Einfügung des § 1 Abs 1 Satz 2 BErzGG aF durch das BErzGGÄndG vom 30. Juni 1989 (BGBl I 1297) und dessen spätere Änderungen insoweit auftreten, als die Regelung auf die Tatbestandswirkung der ausländerbehördlichen Entscheidung abstellt und damit den Anspruch auf Erzg auch von Zufälligkeiten des Verfahrensablaufs abhängig macht (BSGE 70, 197, 204). Die dadurch eintretenden unvermeidlichen Verzögerungen und Härten hat der Gesetzgeber – ohne daß dies verfassungsrechtlich zu beanstanden wäre – in Kauf genommen (vgl dazu BSG SozR 3-7833 § 1 Nr 10). Es bedarf keiner Feststellungen, ob im Falle der Klägerin das Verwaltungsverfahren bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis rechtswidrig verzögert worden ist. Im Falle rechtswidriger Verzögerung eines Asylverfahrens oder eines Aufenthaltsgenehmigungsverfahrens sind die Antragsteller grundsätzlich gehalten, den dafür vorgesehenen verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz, insbesondere die Form der Untätigkeitsklage, in Anspruch zu nehmen (BSGE 70, 197, 209). Die Erzg-Behörde ist nicht gehindert, sogar eine trotz Ausschöpfung aller Rechtsbehelfe eingetretene Verzögerung der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis dem Betroffenen anspruchsausschließend entgegenzuhalten (BSG SozR 3-7833 § 1 Nr 12). Auch daran ist festzuhalten. Wenn aber selbst ein rechtswidriges Verhalten der deutschen Ausländerbehörden nicht geeignet ist, den “Besitz” eines Aufenthaltstitels auf einen vor dessen Erteilung liegenden Zeitpunkt – etwa im Wege rechtlicher Fiktion – zu verlagern, so kann dies erst recht nicht gelten, wenn deutschen Behörden ein rechtswidriges Verhalten hinsichtlich der Verfahrensdauer nicht vorgeworfen werden kann und der die Verzögerung verursachende Umstand in die Sphäre eines Dritten fällt, dessen Verhalten weder von den deutschen Behörden noch vom Antragsteller beeinflußt werden kann.
Von daher braucht auch nicht geklärt zu werden, ob die Ausländerbehörde nach den Vorschriften des AuslG nicht doch in der Lage oder gar verpflichtet gewesen wäre, der Klägerin die Aufenthaltserlaubnis schon vor dem 14. Januar 1994 zu erteilten. So war ihr der in seiner Gültigkeitsdauer verlängerte Reisepaß der Klägerin von der jugoslawischen Konsularbehörde mit Schreiben vom 16. November 1992 zugesandt worden. Da die Identität der Klägerin nicht in Frage stand, erscheint es zumindest zweifelhaft, ob der Umstand, daß der Reisepaß noch auf den vor der Heirat getragenen Familiennamen A.… lautete, einer Erteilung der bereits ein Jahr zuvor beantragten Aufenthaltsgenehmigung noch im November 1992 entgegenstand und die vorherige Umschreibung bzw Neuausstellung des Passes dafür unumgänglich war. Und es kann auch offenbleiben, ob die Klägerin ihrerseits gegenüber den konsularischen Vertretungen ihrer Heimat und gegenüber der inländischen Ausländerbehörde alle notwendigen und zumutbaren Schritte unternommen hat, um zu einer früheren Paßverlängerung bzw zu einer schnelleren Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zu gelangen.
Da die Verzögerung des ausländerrechtlichen Verfahrens von dem Beklagten nicht zu vertreten ist, kann der eingetretene Rechtsnachteil auch nicht im Wege des sog sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ausgeglichen werden. In diesen Fällen ist dem Bürger die Sozialleistung zuerkannt worden, wenn aufgrund eines Fehlverhaltens der Behörde eine Anspruchsvoraussetzung nicht erfüllt war (vgl BSG SozR 2200 § 1241a Nr 9; SozR 2200 § 1241d Nr 9). Indes kommt bei der Verfahrensverzögerung im Aufenthaltserlaubnisverfahren nur das Verschulden einer Behörde (ausländische konsularische Vertretung oder Ausländerbehörde) in Betracht, die weder über den Sozialleistungsanspruch zu befinden hat noch als Antrags- oder Auskunftsstelle funktional in das Sozialleistungsverfahren einbezogen ist. Ein Fehlverfahren einer solchen “fremden” Behörde muß sich der zuständige Sozialleistungsträger im Rahmen eines Herstellungsanspruchs nicht zurechnen lassen (stRspr des BSG, vgl zuletzt BSGE 71, 217 = SozR 3-1200 § 14 Nr 8; SozR 1200 § 14 Nrn 26, 28, 29; BSGE 58, 283 = SozR 1200 § 14 Nr 19). Für den Schaden in Form entgangenen Erzg, der aufgrund einer pflichtwidrigen Verzögerung des Verfahrens durch die Ausländerbehörde bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis entstanden ist, verbleibt der Amtshaftungsanspruch nach § 839 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) iVm Art 34 Grundgesetz ≪GG≫ (BSG SozR 3-7833 § 1 Nr 12). Er fällt in die sachliche Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte. Deshalb bedarf es hier auch unter diesem Gesichtspunkt keiner Feststellungen dazu, ob die Ausländerbehörde die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis in pflichtwidriger Weise verzögert hat.
Die Rechtsprechung des BSG zum Begriff des “Besitzes” eines Aufenthaltstitels iS des § 1 Abs 1 Satz 2 BErzGG aF bzw § 1 Abs 1a BErzGG nF ist auch nicht etwa, worauf die Argumentation der Kägerin und des SG hindeutet, dahingehend zu verstehen, sie sei wesentlich getragen durch die Überlegung, in Fällen dieser Art könne ein Antragsteller hilfsweise auf einen Amtshaftungsanspruch nach § 839 BGB iVm Art 34 GG ausweichen, und dies sei, so ihre Auffassung, hier gerade ausgeschlossen. Ein solches Verständnis der Rechtsprechung des BSG ginge fehl. Vielmehr beruht sie entscheidend darauf, daß der Gesetzgeber die mit der getroffenen Regelung verbundenen unvermeidlichen Verzögerungen und Härten gesehen und ungeachtet des Grundes für den “verspäteten” Abschluß des ausländerrechtlichen Verfahrens in Kauf genommen hat (BSGE 70, 197; BSG SozR 3-7833 § 1 Nr 12). Auf den Amtshaftungsanspruch bei pflichtwidriger Verzögerung des Verfahrens ist lediglich ergänzend im Rahmen der Ausführungen zum sozialrechtlichen Herstellungsanspruch im Sinne eines im Einzelfall möglicherweise gegebenen Schadenersatzanspruchs hingewiesen worden. Dessen Bestehen ist für die Entscheidung über den Anspruch auf Erzg unerheblich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Fundstellen
SozSi 1997, 319 |
SozSi 1997, 78 |