Leitsatz (amtlich)
1. Wird gegen einen ablehnenden Bescheid Klage auf Aufhebung des Bescheids und Verurteilung zur Gewährung von Leistungen erhoben, so haben die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit, falls sie den ablehnenden Bescheid bestätigen, auch darüber zu befinden, ob nicht von einem späteren Zeitpunkt an Leistungen zu gewähren sind, weil in der Zeit zwischen der Erteilung des ablehnenden Bescheids und dem Schluß der letzten mündlichen (Tatsachen-) Verhandlung die Voraussetzungen zur Gewährung von Leistungen erfüllt sind (Anschluß BSG 1957-10-24 4 RJ 118/ 56 = SozR Nr 24 zu § 54 SGG).
2. Witwenbeihilfe nach BVG § 44 S 4 aF und Beihilfe in Höhe der Witwenrente nach BVG § 44 Abs 3 nF sind nur nach dem Tode desjenigen Ehemannes zu gewähren, mit dem sich eine rentenberechtigt gewesene Witwe erstmals wiederverheiratet hat.
3. Hat die Witwe eines an den Folgen einer Schädigung Verstorbenen sich wiederverheiratet und ist die neue Ehe rechtskräftig geschieden worden, so besteht kein Anspruch auf Witwenbeihilfe (BVG § 44 S 4 aF) oder Beihilfe in Höhe der Witwenrente (BVG § 44 Abs 3 nF), wenn nach erneuter Eheschließung mit dem geschiedenen Ehemann dieser stirbt.
Leitsatz (redaktionell)
Auch bei Wiederheirat voneinander geschiedener Gatten gilt EheG § 8 (Eheverbot der Wartezeit).
Normenkette
SGG § 54 Fassung: 1953-09-03; EheG § 41 Fassung: 1946-02-20, § 8 Fassung: 1946-02-20; BVG § 44 S. 4 Fassung: 1953-08-07, § 44 Abs. 3 Fassung: 1956-06-06
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Schleswig vom 24. Juli 1958 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
Der erste Ehemann der Klägerin, der Handelsschiffsoffizier H M, ist seit der am 12. August 1942 durch Feindeinwirkung erfolgten Versenkung des Handelsschiffes D. "B" als zweiter Offizier dieses Schiffes verschollen und am 9. April 1943 durch Beschluß des Amtsgerichts Hamburg für tot erklärt worden; als Zeitpunkt des Todes wurde der 12. August 1942 festgestellt.
Am 4. September 1948 verheiratete sich die Klägerin in zweiter Ehe mit dem Betriebsarbeiter J K in H. Diese Ehe wurde durch Urteil des Landgerichts Flensburg vom 31. März 1950 rechtskräftig geschieden; dabei wurden nach § 52 Abs. 2 des Ehegesetzes (EheG) beide Ehegatten für schuldig erklärt. Am 13. Dezember 1955 heiratete die Klägerin ihren geschiedenen Ehemann J K zum zweiten Male; zwei Tage später, am 15. Dezember 1955, starb der Ehemann.
Schon vor ihrer dritten Eheschließung, der zweiten mit J K, hatte die Klägerin wiederholt, zuletzt am 23. Februar 1955 beantragt, ihr wegen Auflösung der zweiten Ehe die bereits früher gewährte Witwenversorgung wieder zu bewilligen. Der Antrag hatte keinen Erfolg, weil die zweite Ehe der Klägerin nicht aufgehoben, sondern geschieden worden sei (Bescheid vom 26.3.1955). Der Widerspruch gegen diesen ablehnenden Bescheid wurde mit Widerspruchsbescheid vom 25. Mai 1955 zurückgewiesen: Das Bundesversorgungsgesetz (BVG) sehe das Wiederaufleben einer Versorgung für Witwen, die eine neue Ehe eingegangen und wieder geschieden worden seien, nicht vor. Ein Erlaß des Bundesministers für Arbeit (vom 16.8.1954), der die Möglichkeit einer Versorgung im Wege des Härteausgleichs eröffne, wenn die neue Ehe aus besonderen Gründen aufgehoben worden sei, könne auf geschiedene Witwen wie die Klägerin keine Anwendung finden.
Das Sozialgericht (SG.) Schleswig hat die Klage - mit dem Antrage, die Bescheide vom 26. März 1955 und 25. Mai 1955 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin vom 1. Februar 1955 an Hinterbliebenenversorgung zu gewähren - abgewiesen (Urteils vom 3.7.1956).
Mit Urteil vom 24. Juli 1958 hat das Landessozialgericht (LSG.) Schleswig die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG. zurückgewiesen. Es hat ausgeführt: Nach der bis zum 31. März 1956 geltenden Fassung des § 44 des BVG sei die Versorgungsberechtigung einer Witwe nach ihrer Wiederverheiratung wieder aufgelebt, wenn auch der zweite Ehemann gestorben sei und sie dadurch zum zweiten Mal Witwe geworden sei. In der Zeit von der Antragstellung im Februar 1955 an bis zu ihrer erneuten Wiederverheiratung mit J K am 13. Dezember 1955 sei die Klägerin aber nicht Witwe im Sinne des Gesetzes, sondern von ihrem zweiten Ehemann geschieden gewesen, so daß schon allein aus diesem Grunde ein Anspruch nach § 44 BVG a. F. nicht bestehe. Durch das Fünfte Gesetz zur Änderung und Ergänzung des BVG vom 6. Juni 1956 (BGBl. I S. 463) habe der § 44 BVG zwar insofern eine Änderung erfahren, als nunmehr auch im Falle der Scheidung oder Aufhebung der neuen Ehe unter bestimmten Voraussetzungen eine Witwenbeihilfe gewährt werden könne. Seit ihrer dritten Eheschließung - der zweiten mit Johannes Kröger - gehöre aber die Klägerin nicht mehr zu dem Personenkreis, dessen Versorgung im § 44 BVG n. F. geregelt werde. Daran ändere nichts, daß der dritte Ehemann gestorben sei. J K sei der dritte Ehemann der Klägerin, auch wenn sie ihn zweimal geheiratet habe. Unter dem Begriff "neue Ehe" im Sinne des § 44 BVG n. F. sei immer nur die erste nach dem Tode des an Schädigungsfolgen gestorbenen Ehemannes zu verstehen. Eine Fortsetzung der Versorgungskette über mehrere weitere Ehen hinaus sei mit dem Sinn und Zweck des BVG nicht in Einklang zu bringen.
Gegen dieses am 3. November 1958 zugestellte Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die mit Schriftsatz vom 1. Dezember 1958 eingelegte, am 2. Dezember 1958 beim Bundessozialgericht (BSG.) eingegangene Revision der Klägerin. Sie rügt mit der am 30. Dezember 1958 eingegangenen Revisionsbegründung die Verletzung des § 44 Abs. 3 BVG n. F.; sie habe nicht, wie das LSG. meine, drei Ehemänner gehabt, sondern sei entgegen dieser Auffassung nur mit zwei Männern verheiratet gewesen, nämlich mit H M und J K. Dabei sei unerheblich, daß sie in der Zeit von 1950 bis zum 13. Dezember 1955 von J K geschieden gewesen sei und diesen dann - zum zweiten Male - wiedergeheiratet habe. Durch die erneute Eheschließung mit J K seien lediglich die bereits 1948 geschlossene Ehe wiederhergestellt und die Wirkung der 1950 erfolgten Ehescheidung beseitigt worden. Die eheliche Gemeinschaft könne wie in ihrem Falle während einer Zwischenzeit vorübergehend gelöst sein, in jedem Falle stelle eine erneute Eheschließung die bereits früher begründete vollkommene Lebensgemeinschaft wieder her. Dies sei, da die Personen dieselben geblieben seien, gar nicht anders denkbar. Da sonach mit J K ihr zweiter Ehemann gestorben sei, habe sie nach § 44 Abs. 3 BVG n. F. Anspruch auf Witwenbeihilfe in Höhe der Witwenrente.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils und des Urteils des SG. Schleswig vom 3. Juli 1956 nach dem Klagantrag zu erkennen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Entgegen der Auffassung der Revision sei die von der Klägerin am 13. Dezember 1955 mit J K geschlossene (zweite) Ehe als ihre dritte Ehe anzusehen, deshalb könne die Vorschrift des § 44 Abs. 3 BVG n. F. vorliegend keine Anwendung finden.
Auf die Schriftsätze der Klägerin vom 1. und 29. Dezember 1958 und den des Beklagten vom 20. April 1959 wird verwiesen.
Die Revision ist durch Zulassung statthaft (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) und in der gesetzlich vorgeschriebenen Form und Frist eingelegt und begründet worden; sie ist deshalb zulässig.
Die Revision ist jedoch nicht begründet.
Die Klägerin rügt in ihrer Revisionsbegründung lediglich eine Verletzung des § 44 Abs. 3 BVG in der seit dem 1. April 1956 geltenden Fassung (Fünftes Gesetz zur Änderung und Ergänzung des BVG vom 6.6.1956 (BGBl. I S. 463) Art. I Nr. 18, Art. IV Abs. 2 a) und trägt vor, nach dieser Vorschrift habe sie infolge des Todes ihres Ehemannes J K einen Anspruch auf Beihilfe in Höhe der Witwenrente. Wollte man nur diese ausdrücklich erhobene Rüge beachten, so käme eine Nachprüfung des angefochtenen Urteils lediglich für die Zeit vom 16. Dezember 1955 an in Betracht, da J K am 15. Dezember 1955 gestorben ist. Das Berufungsgericht hat jedoch im angefochtenen Urteil nicht nur über diesen Zeitraum entschieden, seine Entscheidung betrifft vielmehr - im Hinblick auf den Antrag der Klägerin vom 23. Februar 1955 und die ablehnenden Bescheide der Versorgungsverwaltung vom 26. März und 25. Mai 1955 - auch die Zeit von der Antragstellung an bis zum Ableben des J K. Darüber hinaus geht der Revisionsantrag der Klägerin ausdrücklich dahin, "unter Abänderung des angefochtenen Urteils und des Urteils des SG. Schleswig vom 3. Juli 1956 nach dem Klagantrag zu erkennen". Mit der Klage und dem in ihr gestellten Antrag aber hatte die Klägerin, die im Zeitpunkt der Klageerhebung geschieden und mit ihrem Ehemann J K noch nicht wieder verheiratet war, Hinterbliebenenversorgung für die Zeit von der Stellung ihres Antrags an (23.2.1955) begehrt. Deshalb hat das Revisionsgericht trotz Rüge nur der Verletzung des § 44 Abs. 3 BVG n. F. das angefochtene Urteil auch insoweit nachzuprüfen, als mit ihm für die Zeit von der Antragstellung an bis zum Tod des J K entschieden worden ist.
Im Zeitpunkt der Antragstellung am 23. Februar 1955, der Bescheiderteilung durch die Versorgungsbehörde (26.3. und 25.5.1955) und der Klageerhebung am 25. Juni 1955 war die Klägerin - nach ihrer Ehescheidung durch Urteil vom 31. März 1950 - eine geschiedene Ehefrau, und zwar bis zu ihrer Wiederverheiratung mit J K am 13. Dezember 1955. Für diese Zeit, vom Februar 1955 bis zum Tode des Ehemannes Johannes Kröger am 15. Dezember 1955, hat das Berufungsgericht einen Anspruch der Klägerin auf Witwenversorgung zu Recht verneint. Dabei hat es zutreffend die Vorschrift des § 44 BVG in der Fassung des Zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des BVG vom 7. August 1953 (BGBl. I S. 862) angewandt, obwohl am Tage seiner Entscheidung (24.7.1958) das BVG bereits in der Fassung des Sechsten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des BVG vom 1. Juli 1957 (BGBl. I S. 661) mit der durch das Fünfte Gesetz zur Änderung und Ergänzung des BVG vom 6. Juni 1956 (BGBl. I S. 463) geschaffenen Neufassung und Erweiterung des § 44 BVG Geltung hatte. Denn die am 1. April 1956 in Kraft getretene Neuregelung im § 44 BVG (Art. IV Abs. 2 a der 5. Novelle vom 6.6.1956) hat keine Rückwirkung über den 1. April 1956 hinaus für die Zeit vor diesem Tage des Inkrafttretens. Das ergibt sich zwanglos sowohl aus allgemeinen Rechtssätzen über die zeitliche Anwendung von Gesetzen als auch aus dem zeitlichen Geltungswillen der 5. Novelle zum BVG vom 6. Juni 1956 (vgl. dazu das Urteil des 9. Senats des BSG. vom 24.8.1955 (BSG. 1 S. 189) über das Inkrafttreten der Neufassung des § 44 BVG durch die 2. Novelle zum BVG vom 7.8.1953). Dem steht die Entscheidung des erkennenden Senats vom 30. August 1958 (BSG. 3 S. 234 (237)) nicht entgegen, nach der gegebenenfalls auch eine im Zeitpunkt der Entscheidung geltende neue gesetzliche Regelung, durch die die vorher geltenden materiell-rechtlichen Vorschriften geändert worden sind, sofort und auch für die rückliegende Zeit berücksichtigt werden muß. Denn hierzu hat der Senat ausdrücklich ausgeführt, daß dies nur in solchen Fällen gilt, in denen sich die Rückwirkung der neuen gesetzlichen Regelung aus dem Sinn und Zweck des neuen Gesetzes und insbesondere aus seinem erkennbaren zeitlichen Geltungswillen ergibt. Das aber ist vorliegend beim § 44 BVG nicht der Fall. Das LSG. hat danach diese Vorschrift zutreffend in der Fassung der 2. Novelle vom 7. August 1953 angewandt. Es hat sie auch richtig angewandt. Im § 44 BVG in der Fassung der 2. Novelle vom 7. August 1953 betrifft, während in den Sätzen 1 bis 3 die Heiratsabfindung (für den Fall der Wiederverheiratung) geregelt ist, nur der Satz 4 das Wiederaufleben eines durch Wiederverheiratung erloschenen Anspruchs auf Witwenversorgung: "Stirbt nach der Wiederverheiratung der Ehemann, so gelten die Vorschriften über die Witwenbeihilfe (§ 48) entsprechend". Danach ist bis zum Inkrafttreten der 5. Novelle zum BVG vom 6. Juni 1956 Raum für die Versorgung einer wiederverheirateten Witwe nur dann, wenn nach der Wiederverheiratung auch der neue Ehemann gestorben ist, d. h., wenn die wiederverheiratete Witwe erneut Witwe geworden ist. Das aber war bei der Klägerin sowohl zur Zeit der Antragstellung (23.2.1955) als auch zur Zeit der Erteilung der angefochtenen Bescheide (26.3. und 25.5.1955), und zwar bis zu ihrer Eheschließung am 13. Dezember 1955, unstreitig nicht der Fall. Während dieses Zeitraums lebte sie nicht als Witwe, sondern war durch das rechtskräftige Scheidungsurteil vom 31. März 1950 eine geschiedene Ehefrau (deren geschiedener Ehemann überdies noch lebte), für die nach dem eindeutigen Wortlaut des § 44 BVG a. F. eine Versorgung nach dem BVG in keiner Form in Frage kommen konnte.
Zu der Frage, ob der Klägerin für die Zeit vom 13. Dezember 1955 bis zum 15. Dezember 1955 eine Versorgung nach dem BVG zustand, bedurfte es keiner Erörterung, da die Klägerin am 13. Dezember 1955 ihren geschiedenen Ehemann J K wiedergeheiratet hatte und bis zu dessen Ableben am 15. Dezember 1955 eine wiederverheiratete Ehefrau mit einem gesetzlichen Unterhaltsanspruch gegen ihren Ehemann war.
Der Senat hat die weitere Frage, ob das Berufungsgericht zu Recht auch über ein Begehren der Klägerin für die Zeit nach dem Tode des J K, d. i. vom 16. Dezember 1953 an, entschieden hat, bejaht. Zwar liegt den angefochtenen Bescheiden der Versorgungsverwaltung und auch noch der Klage beim SG. nur zugrunde, daß es sich bei der Klägerin um eine von ihrem zweiten Ehemann geschiedene Ehefrau handelte. Schon das SG. hat sich aber mit der durch die neue Eheschließung der Klägerin mit J K (am 13.12.1955) und der durch dessen Ableben (am 15.12.1955) entstandenen neuen Sach- und Rechtslage befaßt. Darüber hinaus bezieht sich auch das Berufungs- (und Revisions-) begehren der Klägerin nicht nur auf die Zeit vom Februar 1955 bis zu ihrer erneuten Eheschließung am 13. Dezember 1955, sondern auch auf die Zeit vom Ableben des J K an; ebenso hat sich auch der Beklagte auf dieses Vorbringen eingelassen. Im übrigen gilt folgendes: Die Sozialgerichtsbarkeit stellt eine richterliche Kontrolle dar, sie hat also zunächst die Aufgabe zu prüfen, ob die Verwaltungsbehörde beim Erlaß eines Verwaltungsakts rechtmäßig gehandelt hat; daraus ergibt sich, daß maßgebend für die richterliche Prüfung grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsakts zu sein hat (BSG. 7 S. 8 (13)). Die Versorgungsbehörden nehmen aber während eines anhängigen Rechtsstreits nicht nur eine reine Parteistellung ein, sondern sie hören auch während des Rechtsstreits - bis zum letzten Rechtszug - nicht auf, sozialfürsorgerisch tätig zu sein; sie haben dabei die Verpflichtung, auch während eines Rechtsstreits ihre Verwaltungsmaßnahmen einer nach Erlaß des angefochtenen Verwaltungsakts zweifelsfrei veränderten Sach- und Rechtslage gegebenenfalls durch Setzen eines neuen Verwaltungsakts anzupassen. Unterlassen sie dies, so verstoßen sie gegen eine Rechtsverpflichtung und unterlassen rechtswidrig einen Verwaltungsakt; damit aber ist dann die Möglichkeit zur Erhebung einer Verpflichtungs- und Leistungsklage gegeben, die entweder wie vorliegend aus dem Sachantrag gefolgert oder durch Ausübung des richterlichen Fragerechts erzielt werden kann (vgl. Peters-Sautter-Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, § 54 S. 154/155). Das gilt insbesondere für Verwaltungsakte ohne Dauerwirkung, die entweder einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung betreffen (z. B. Rentenentziehung) oder den Erlaß eines solchen ablehnen (z. B. Rentenablehnung). In beiden Fällen sind die Verwaltungsakte (ohne Dauerwirkung) für die Zeit des Streitverfahrens als nicht abgeschlossen anzusehen, weil die Bindungswirkung des § 77 SGG fehlt und sowohl die Entziehung der Leistung als auch der Leistungsantrag noch der richterlichen Entscheidung unterworfen sind (BSG. 7 S. 129 (134); vgl. auch BSG. im SozR. SGG § 54 Bl. Da 6 Nr. 24). Das aber zwingt in diesen Fällen zum Beurteilen des Verwaltungsakts nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des (tatrichterlichen) Urteils, mit der Folge, daß die veränderte Sach- und Rechtslage den zunächst rechtmäßigen Verwaltungsakt ganz oder teilweise zum rechtswidrigen werden lassen kann.
Danach hat das Berufungsgericht zu Recht auch für die Zeit entschieden, die sich nach dem zweitägigen Bestehen der zweiten Ehe der Klägerin mit J K an dessen Ableben anschließt. Für diese Zeit gilt vom Tage nach dem Tode des Johannes Kröger (16.12.1955) bis zum 31. März 1956 § 44 BVG in der Fassung der 2. Novelle zum BVG vom 7. August 1953, vom 1. April 1956 (dem Tage des Inkrafttretens des § 44 in der Fassung der 5. Novelle zum BVG vom 6.6.1956) an gilt § 44 BVG neue Fassung.
Der Senat hat die Frage, ob die Klägerin für die Zeit vom 16. Dezember 1955 bis 31. März 1956 Anspruch auf eine Hinterbliebenenversorgung hat, verneint. Die Versorgung der Witwen mit Anspruch auf Rente, die eine neue Ehe eingehen und deren (neuer) Ehemann stirbt, ist im § 44 Satz 4 BVG a. F. geregelt: An die Stelle des durch die Wiederverheiratung endgültig erloschenen Anspruchs auf Witwenrente tritt nach dem Tode des (neuen) Ehemannes eine als Pflichtleistung zu gewährende (§ 48 BVG) Witwenbeihilfe. Diesem Anspruch auf Witwenbeihilfe nach § 44 Satz 4 BVG a. F. (§ 48 BVG) steht nicht entgegen, daß die neue Ehe schon vor dem Inkrafttreten des BVG (1.10.1950) geschlossen oder daß aus Anlaß der Wiederverheiratung eine Heiratsabfindung (§ 44 Satz 1 BVG a. F.) nicht gewährt worden ist, wenn nur der Zeitpunkt des Todes des neuen Ehemannes nach dem 30. September 1950 liegt (vgl. BSG. 1 S. 210 (217))., d. h. wenn dieses Ableben nach dem Inkrafttreten des BVG erfolgt ist. Allerdings kann, das ergibt sich eindeutig sowohl aus dem Wortlaut als auch aus dem Sinn und Zweck des Gesetzes, Ehemann einer wiederverheirateten Witwe, dessen Tod einen Anspruch der abermals Witwe Gewordenen auf eine Witwenbeihilfe entstehen läßt, immer nur der erste nach dem Tode des an einer Schädigungsfolge Verstorbenen wiedergeheiratete Ehemann sein. Denn der Anspruch auf Witwenbeihilfe wird nur eingeräumt, wenn vor der Wiederverheiratung ein Anspruch auf Witwenrente - aus Anlaß des Todes des an einer Schädigung Verstorbenen - bestanden hat. Darüber kann beim Vergleich der Vorschriften des § 44 Satz 1 BVG a. F. und des § 44 Satz 4 BVG a. F. kein Zweifel bestehen: § 44 Satz 1 BVG a. F. schreibt für den Fall der "Wiederverheiratung" die Gewährung einer Heiratsabfindung anstelle des erloschenen Anspruchs auf Witwenrente vor, § 44 Satz 4 BVG a. F. regelt die Gewährung der Witwenbeihilfe aus Anlaß des Todes des (neuen) Ehemannes nach der "Wiederverheiratung". Zwischen der "Wiederverheiratung" im Sinne des § 44 Satz 1 BVG a. F. und der des § 44 Satz 4 BVG a. F. aber besteht kein Unterschied, jedenfalls nicht dahingehend, daß mit ihr im § 44 Satz 1 BVG a. F. nur die erste Eheschließung nach dem Tode des an einer Schädigungsfolge Gestorbenen, im § 44 Satz 4 BVG a. F. auch jede darüber hinaus geschlossene weitere - dritte und vierte - Ehe gemeint sein könnte. Das wird besonders deutlich, wenn man den § 44 BVG in seiner ersten Fassung (vom 20.12.1950 (BGBl. I S. 791)) und ohne die durch die 2. Novelle zum BVG eingefügten, lediglich die Heiratsabfindung betreffenden Sätze 2 und 3 betrachtet; "Im Falle der Wiederverheiratung erhält die Witwe anstelle des Anspruchs auf Rente eine Abfindung von 1200 Deutschen Mark. Stirbt nach der Wiederverheiratung der Ehemann, so gelten die Vorschriften über die Witwenbeihilfe (§ 48) entsprechend". Weiter gilt noch folgendes: Daß das BVG der nach ihrer Wiederverheiratung wiederum Witwe gewordenen Frau einen Rechtsanspruch auf Witwenbeihilfe einräumt, setzt wie bereits ausgeführt voraus, daß sie bis zu ihrer Wiederverheiratung einen Anspruch auf Witwenrente gehabt hat; die Gewährung einer Versorgung nach dem Tode des neuen Ehemannes ist nur deshalb eine Rechtspflicht des Staates, weil die Witwe durch ihre Wiederverheiratung das Recht auf Versorgung wegen des Todes ihres früheren Ernährers verloren hat. Dabei kommt es auf die persönlichen Verhältnisse des neuen Ehemannes, besonders auch auf die Ursachen seines Todes, nicht an. Der Versorgungsgrund für die Gewährung der Witwenbeihilfe nach § 44 a. F. ist also nicht der Tod des neuen Ehemannes, sondern die Schädigung, an deren Folgen der frühere Ehemann gestorben ist (BSG. 1 S. 214). Eine Fortsetzung dieser "Versorgungskette", immer wieder im Hinblick auf den an Schädigungsfolgen Verstorbenen, auch über einen dritten oder noch weiteren Ehemann hinaus wäre mit dem Sinn und Zweck der Vorschriften über die Hinterbliebenenversorgung nicht mehr vereinbar. Im übrigen deckt sich diese Auffassung auch mit der herrschenden Ansicht zu § 39 Abs. 1 Satz 2 des Reichsversorgungsgesetzes (RVG). Diese Vorschrift stimmt mit § 44 Satz 4 BVG a. F. wörtlich überein: "Stirbt nach der Wiederverheiratung der Ehemann, so gelten die Vorschriften über die Witwenbeihilfe entsprechend"; zu ihr ist im Kommentar von Reichsversorgungsbeamten zum RVG (1929, § 39 Anm. 22) ausgeführt: "Hat die Witwe nach dem Tode des zweiten Ehemannes nochmals geheiratet und stirbt auch dieser (dritte) Ehemann, so kann jedoch Witwenbeihilfe nach dem ersten Ehemann nicht gewährt werden". Danach kann eine Witwenbeihilfe nach § 44 a. F. nur nach dem Tode desjenigen Ehemannes gewährt werden, mit dem eine aus Anlaß des Todes eines an den Folgen einer Schädigung Verstorbenen rentenberechtigt gewesene Witwe sich erstmals wiederverheiratet hat. Diese Voraussetzung liegt entgegen der Auffassung der Klägerin vorliegend nicht vor. Zwar trifft zu, daß die Klägerin mit nur zwei Männern, H M und J K, verheiratet gewesen ist, von denen der erste an den Folgen einer Schädigung, letzterer am 15. Dezember 1955 aus nicht festgestellter Ursache gestorben ist. J K war dabei sowohl der zweite als auch der dritte Ehemann. Denn die erste 1948 geschlossene Ehe ist im Jahre 1950 rechtskräftig geschieden worden, während erst die am 13. Dezember 1955 geschlossene zweite Ehe mit J K durch dessen Tod gelöst worden ist. Die Klägerin irrt, wenn sie meint, der verstorbene J K müsse deshalb, weil sie gerade ihn nach Scheidung ihrer Ehe wiedergeheiratet habe, als ihr zweiter Ehemann und somit auch als Ehemann einer wiederverheirateten Witwe im Sinne des § 44 BVG a. F. angesehen werden. Es trifft entgegen ihrer Auffassung nicht zu, daß durch die erneute Eheschließung am 13. Dezember 1955 die Wirkungen der 1950 ausgesprochenen Ehescheidung beseitigt und die frühere, 1948 geschlossene Ehe einfach wiederhergestellt worden seien, ohne daß die Zeit zwischen der Scheidung und der erneuten Eheschließung beachtet zu werden brauchte. Richtig ist vielmehr, daß mit der Rechtskraft des Scheidungsurteils vom 31. März 1950 die 1948 mit J K geschlossene Ehe dem Bande nach zerschnitten, völlig aufgelöst und für die Zukunft beseitigt worden ist (§ 41 EheG). Mit der Scheidung einer Ehe hören alle gegenseitigen Pflichten und Rechte der Eheleute für die Zukunft zu bestehen auf, güterrechtliche Wirkungen und etwaige erbrechtliche Beziehungen sind für immer beendet und jeder der geschiedenen Ehegatten ist berechtigt, eine neue Ehe einzugehen (h. M.; vgl. Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 18. Aufl. Anm. 4 vor § 41 EheG). Eine solche neue Ehe kann auch, ohne daß ein Eheverbot entgegenstände (wie z. B. im Code civil Art. 295), von den von einander rechtskräftig geschiedenen Ehegatten geschlossen werden. Damit wird aber nicht etwa die frühere geschiedene Ehe als fortbestehend angesehen, wieder fortgesetzt und so die schon früher einmal begründet gewesene Lebensgemeinschaft wiederhergestellt, sondern eine neue Ehe ohne jede Beziehung zu der früheren wird gegründet, mit allen ehelichen Pflichten und Rechten vom Tage der neuen Eheschließung an. Diese Auffassung kann im Hinblick auf den gesetzgeberischen Willen bei Regelung des Ehe- und des Scheidungsrechts nicht zweifelhaft sein. Dieser gesetzgeberische Wille kommt im übrigen auch darin zum Ausdruck, daß die Wartezeit des § 8 EheG - als aufschiebendes Eheverbot - unterschiedslos für alle Frauen gilt, die sich nach Auflösung ihrer Ehe wieder verheiraten wollen; sie gilt auch für die Frau, die ihren früheren geschiedenen Ehemann wieder heiraten will (vgl. Palandt a. a. O., § 8 EheG Anm. 2; Godin, EheG, 2. Aufl., § 8 Anm. 1). Aus alledem ergibt sich, daß der verstorbene Johannes Kröger im Zeitpunkt seines Ablebens rechtlich nicht der zweite, sondern der dritte Ehemann der Klägerin gewesen ist. Das aber hat zur Folge, daß ein Anspruch der Klägerin auf die im § 44 Satz 4 BVG a. F. vorgesehene Witwenbeihilfe nicht besteht.
Auch durch die 5. Novelle zum BVG vom 6. Juni 1956 - mit Wirkung der Änderungen und Ergänzung des § 44 BVG vom 1. April 1956 an - ist die Klägerin in keine für sie günstigere Lage gekommen. Der § 44 BVG hat insgesamt zwar eine wesentliche Veränderung und Erweiterung erfahren, insbesondere dahingehend, daß auch im Falle der Scheidung oder Aufhebung der Ehe einer wiederverheirateten, bis zu ihrer Wiederverheiratung rentenberechtigt gewesenen Ehefrau unter bestimmten Voraussetzungen vom 1. April 1956 an Witwenversorgung im Wege einer Beihilfe gewährt werden kann (§ 44 Abs. 4 BVG n. F.). § 44 Abs. 3 BVG n. F., der an die Stelle des § 44 Satz 4 BVG a. F. getreten ist, hat aber die frühere Vorschrift nicht dahingehend geändert, daß vom 1. April 1956 an die Rechtsstellung der Klägerin verbessert worden wäre. Denn die Voraussetzungen, unter denen nach dem Tode des wiedergeheirateten Ehemannes ein Anspruch auf Beihilfe, und zwar nun in Höhe der Witwenrente besteht, sind dieselben geblieben. Insbesondere hat auch die Vorschrift des § 44 Abs. 3 n. F. eine Erweiterung der "Versorgungskette" - nach dem ersten Ehemann - nicht gebracht; als neue Ehe ist wie vorher nur diejenige anzusehen, die als erste nach dem Tode des an einer Schädigung verstorbenen - ersten - Ehemannes geschlossen worden ist (so auch BMA vom 3.5.1957 - Va 2 - 2888/57 - im BVBl. 1957 S. 85). Damit aber entfällt, da, wie bereits dargelegt, der Ehemann J K bei seinem Ableben der zweite wiedergeheiratete Ehemann nach dem Tode des an einer Schädigungsfolge gestorbenen - ersten - Ehemannes H M gewesen ist, ebenso wie für die Zeit bis zum 31. März 1956 auch vom 1. April 1956 an ein Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Witwenversorgung.
Die Revision war deshalb als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Fundstellen
BSGE, 127 |
NJW 1960, 1491 |
MDR 1960, 709 |