Leitsatz (redaktionell)
1. Der Wortlaut des BVG § 48 steht der Entziehung der Witwenbeihilfe in Höhe der Witwenrente für die Zukunft nicht entgegen, wenn der verstorbene Ehemann im Hinblick auf die Rückwirkung eines Berichtigungsbescheides die Rente eines Erwerbsunfähigen und die Pflegezulage nicht bis zu seinem Tode "bezogen" hat.
2. Zur Rücknahme eines Bescheides über die Bewilligung einer Witwenbeihilfe nach den Grundsätzen des allgemeinen Verwaltungsrechts.
Normenkette
KOVVfG § 41 Abs. 1 Fassung: 1955-05-02; BVG § 48 Fassung: 1950-12-20
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 7. März 1963 aufgehoben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 7. Dezember 1959 zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Klägerin ist die Witwe des am 12. Februar 1953 verstorbenen Zimmermanns E G. Dieser war vom 1. Februar 1944 bis November 1944 Soldat und stürzte nach seinen Angaben im Juli 1944 in einen Bunker, wobei er sich die Wirbelsäule verletzt habe. Er wurde - ebenfalls nach seinen Angaben - im Marinelazarett E behandelt, wo im August 1944 eine Bechterew'sche Erkrankung festgestellt worden sei.
Auf Grund des Gutachtens des Facharztes für Chirurgie Dr. I vom 24. Juni 1949 erkannte die H Knappschaft mit Bescheid vom 24. August 1949 "Bruch des 8. Brustwirbels mit nachfolgender beginnender Versteifung der Wirbelsäule ( Bechterew'sche Erkrankung)" als Folge von Kriegseinwirkungen an und bewilligte nach den Vorschriften der Sozialversicherungsdirektive Nr. 27 (SVD 27) mit Wirkung vom 1. März 1948 an Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 80 v. H. Mit Bescheid vom 2. Juni 1950 wurde die MdE auf 100 v. H. erhöht, gleichzeitig wurde ein Pflegegeld nach Stufe II bewilligt. Im Umanerkennungsbescheid nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) vom 8. März 1951 wurden Leidensbezeichnung, Höhe der MdE und auch die Pflegezulage nach Stufe II unverändert übernommen.
Bei einer Nachuntersuchung im Oktober 1951 in der Chirurgischen und in der Medizinischen Poliklinik der Universität G gelangten die Sachverständigen - die Chirurgen Dr. H und Dr. E (Gutachten vom 20. Dezember 1951) und die Internisten Dr. N und Dr. G (Gutachten vom 14. November 1951) - übereinstimmend zu dem Ergebnis, daß eine Bechterew'sche Erkrankung vorliege. Dres. H und E verneinten bei dieser Erkrankung einen Zusammenhang mit dem geleisteten Wehrdienst und insbesondere auch mit dem vom Beschädigten angegebenen Unfall; im übrigen seien Folgen einer alten Wirbelknochenverletzung nicht mit Sicherheit nachweisbar; ebensowenig seien die bestehende Lungentuberkulose, eine Emphysembronchitis und eine Reizleitungsstörung am Herzen als Schädigungsfolgen anzusehen. Daraufhin veranlaßte das Landesversorgungsamt (LVersorgA) Niedersachsen im März 1952 das VersorgA, den Fall für eine Berichtigung vorzumerken.
Im Februar 1953 ist der Ehemann der Klägerin gestorben, als Todesursache ist in der Sterbeurkunde "Herzschwäche bei Lungentuberkulose" angegeben. Der behandelnde Arzt Dr. B hat die Todesursache mit "Herz- und Kreislaufversagen bei Lungentuberkulose und Morbus Bechterew" bezeichnet. Mit Bescheid vom 11. Oktober 1954 lehnte das VersorgA die Bewilligung des vollen Bestattungsgeldes ab, weil der Tod an einer "Herzschwäche bei Lungentuberkulose" mit den anerkannt gewesenen Versorgungsleiden nicht im Ursachenzusammenhang stehe; gegen diesen Bescheid legte die Klägerin fristgerecht Widerspruch ein. Mit einem weiteren, rechtsverbindlich gewordenen Bescheid vom 13. Oktober 1954 wurde über den Antrag auf Gewährung von Witwenversorgung entschieden. Die Versorgungsbehörde lehnte Witwenrente ab, bewilligte aber nach § 48 BVG Witwenbeihilfe in voller Höhe der Witwenrente.
Am 15. November 1957 erteilte das VersorgA der Klägerin mit Zustimmung des LVersorgA Niedersachsen auf Grund des § 41 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (VerwVG) in der Beschädigtenangelegenheit des Verstorbenen und im Hinterbliebenenverfahren zwei inhaltlich gleiche, auch wörtlich miteinander übereinstimmende Berichtigungsbescheide, mit denen die dem Verstorbenen zu Lebzeiten erteilten Bescheide vom 24. August 1949, vom 2. Juni 1950 und vom 8. März 1951 sowie der der Klägerin am 13. Oktober 1954 erteilte Bescheid aufgehoben wurden; gleichzeitig wurde die Zahlung der Witwenbeihilfe mit Ende Dezember 1957 eingestellt. Alle diese vorgenannten Bescheide seien im Zeitpunkt ihres Erlasses tatsächlich und rechtlich ohne Zweifel unrichtig gewesen. Die dem Verstorbenen erteilten Bescheide seien deshalb unrichtig, weil sie auf Grund des Gutachtens des Dr. L von einem Bruch des 8. Brustwirbels mit nachfolgender Wirbelsäulenversteifung als Schädigungsfolge ausgegangen seien, während die Gutachter der Göttinger Kliniken im Jahre 1951 einen solchen Bruch jedoch zweifelsfrei ausgeschlossen hätten; eine bei dem Unfall im Juli 1944 lediglich erlittene Rückenprellung habe eine Bechterew'sche Erkrankung weder hervorgerufen noch verschlimmern können. Damit seien die Bedingungen für die Gewährung der Erwerbsunfähigkeitsrente und der Pflegezulage rückwirkend entfallen und dem Beschädigten habe keine Versorgung zugestanden. Daher sei auch der der Klägerin erteilte Bescheid über die Bewilligung von Witwenbeihilfe unrichtig gewesen.
Ihr Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 28. Juli 1958 zurückgewiesen; dieser hat auch den Widerspruch gegen den Bescheid vom 11. Oktober 1954 (über die Höhe des Bestattungsgeldes) als erledigt angesehen.
Auf die Klage hat das Sozialgericht (SG) Hannover nach Anhörung des Internisten Dr. K mit Urteil vom 7. Dezember 1959 den "Berichtigungsbescheid vom 15. November 1957 und den Widerspruchsbescheid vom 28. Juli 1958 abgeändert" und "festgestellt, daß der Bruch des 8. Brustwirbels Schädigungsfolge gewesen sei; eine nachfolgende beginnende Versteifung der Wirbelsäule ( Bechterew'sche Erkrankung) sei durch den Wehrdienstunfall weder hervorgerufen noch verschlimmert worden"; im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Es bestehe zumindest die entfernte Möglichkeit, daß der Ehemann der Klägerin bei dem Unfall im Juli 1944 einen Wirbel gebrochen habe; andererseits aber sei zweifelsfrei, daß zwischen dem Bruch des 8. Brustwirbels und der Versteifung der Wirbelsäule kein ursächlicher Zusammenhang bestanden habe; bei der Erstanerkennung von Schädigungsfolgen habe deshalb nur ein folgenlos ausgeheilter Wirbelkörperbruch vorgelegen.
Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen hat auf die Berufung der Klägerin mit Urteil vom 7. März 1963 das Urteil des SG sowie die Verwaltungsbescheide vom 28. Juli 1958 und vom 15. November 1957 aufgehoben. Es hat ausgeführt: Mangels Berufungseinlegung durch den Beklagten stehe rechtsverbindlich fest, daß der "Bruch des 8. Brustwirbels" bei dem Ehemann der Klägerin Schädigungsfolge im Sinne der Entstehung gewesen sei. Die Versteifung der Wirbelsäule sei jedoch zweifelsfrei zu Unrecht als Schädigungsfolge im Sinne der Entstehung anerkannt worden; ebensowenig sei die Wirbelsäulenversteifung durch den - folgenlos ausgeheilten - Wirbelbruch verschlimmert worden. Mithin seien die nach § 41 VerwVG erforderlichen Voraussetzungen für die Berichtigung des Bescheides vom 13. Oktober 1954 (über die Bewilligung der Witwenbeihilfe) und der diesem Bescheid zugrunde liegenden Bescheide vom 24. August 1949, 2. Juni 1950 und 8. März 1951 an sich gegeben. Gleichwohl sei aber § 41 VerwVG nicht anwendbar, weil dieser nicht über den Zeitpunkt des Inkrafttretens des VerwVG (1. April 1955) hinaus zurückwirke. Die Wirkungen der dem Beschädigten erteilten Bescheide seien mit dessen Ableben schon im Jahre 1953 beendet gewesen; zu diesem Zeitpunkt habe er aber die Erwerbsunfähigkeitsrente und die Pflegezulage bezogen, so daß seiner Witwe auch die Witwenbeihilfe nach § 48 BVG zustehe. In allen Fällen des § 48 BVG, in denen der Versorgungsberechtigte vor dem 1. April 1955 verstorben sei, könnten die ihm gegenüber ergangenen Bescheide nach § 41 VerwVG - auch gegenüber den Rechtsnachfolgern - nicht berichtigt werden. Im übrigen könne im Falle der Klägerin der Verwaltungsakt vom 15. November 1957 auch nicht auf andere Vorschriften gestützt werden, auch wenn dies sonst grundsätzlich als zulässig angesehen werden müsse. Da Nr. 26 der Sozialversicherungs-Anordnung Nr. 11 (SVA 11) schon am 1. Januar 1953 ersatzlos weggefallen sei, könne allenfalls der sog. Grundsatz des überwiegenden öffentlichen Interesses in Betracht kommen. Dieser Grundsatz oder auch andere allgemeine Verwaltungsrechtsgrundsätze seien vorliegend jedoch deshalb nicht anwendbar, weil der nach dem 1. April 1955 ergangene Berichtigungsbescheid sich inhaltlich auf Verwaltungsakte beziehe, deren Wirkung schon vor dem 1. April 1955 beendet gewesen sei. Das LSG hat die Revision zugelassen.
Gegen dieses am 17. Mai 1963 zugestellte Urteil hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 13. Juni 1963, eingegangen beim Bundessozialgericht (BSG) am 14. Juni 1963, Revision eingelegt. Mit der - nach Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist bis zum 17. August 1963 - am 10. August 1963 eingegangenen Revisionsbegründungsschrift vom 7. August 1963 rügt er, das Berufungsgericht habe für die Zeit vor dem 1. April 1955 zu Unrecht nicht die Grundsätze des allgemeinen Verwaltungsrechts angewandt; nach diesen sei die Rücknahme fehlerhafter Verwaltungsakte auch über den 1. April 1955 hinaus zulässig, wenn das öffentliche Interesse an der gleichmäßigen Gewährleistung eines dem Gesetz entsprechenden Zustandes das Interesse des Begünstigten an dem Schutz seines Vertrauens auf den Bestand behördlicher Verfügungen überwiege.
In der mündlichen Verhandlung am 28. April 1966 hat der Beklagte den in der Beschädigtenangelegenheit des Verstorbenen ergangenen Berichtigungsbescheid vom 15. November 1957 zurückgenommen, da der gleichlautende Bescheid im Hinterbliebenenverfahren auch die im Beschädigtenverfahren ergangenen Bescheide aufgehoben habe.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG Niedersachsen vom 7. März 1963 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Hannover vom 7. Dezember 1959 zurückzuweisen,
hilfsweise, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Vordergericht zurückzuverweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Auf den Schriftsatz des Beklagten vom 7. August 1963 und auf den der Klägerin vom 6. September 1963 wird verwiesen.
Die durch Zulassung statthafte Revision (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) ist vom Beklagten form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§ 164 Abs. 1 Satz 1 SGG) und deshalb zulässig.
Die Revision ist auch begründet.
Das LSG hat - wie bereits dargelegt - festgestellt, daß der "Bruch des 8. Brustwirbels" bei dem verstorbenen Ehemann der Klägerin Schädigungsfolge im Sinne der Entstehung gewesen ist; zweifelsfrei sei jedoch die Versteifung der Wirbelsäule zu Unrecht als Schädigungsfolge im Sinne der Entstehung anerkannt gewesen; auch habe eine Verschlimmerung der Wirbelsäulenversteifung durch den folgenlos ausgeheilten Wirbelbruch nicht in Frage kommen können. Diese Feststellungen sind, da sie mit der Revision nicht angegriffen worden sind, für das Revisionsgericht bindend (§ 163 SGG). Dasselbe gilt für die weitere Feststellung, daß sowohl der der Klägerin am 13. Oktober 1954 erteilte Bescheid (über die Bewilligung der Witwenbeihilfe in Höhe der Witwenrente) als auch die diesem Bescheid zugrunde liegenden, noch dem verstorbenen Ehemann erteilten Bescheide vom 24. August 1949, vom 2. Juni 1950 und vom 8. März 1951 hinsichtlich des bei ihrem Erlaß vorausgesetzten Sachverhalts im Zeitpunkt dieses Erlasses tatsächlich und rechtlich zweifelsfrei unrichtig gewesen seien, so daß für eine Berichtigung dieser Bescheide die gesetzlichen Voraussetzungen des § 41 VerwVG "an sich" gegeben sind.
Streitig ist somit nur noch die Frage, ob die Verwaltungsbehörde der Klägerin den Berichtigungsbescheid vom 15. November 1957 rechtswirksam erteilen konnte. Das LSG hat diese Frage verneint, weil sämtliche berichtigten Bescheide aus der Zeit vor dem Inkrafttreten des VerwVG am 1. April 1955 stammten; die Wirkung der alten, dem Beschädigten erteilten Bescheide sei mit seinem Tode beendet gewesen. Daher könne der Berichtigungsbescheid keinesfalls über diesen Zeitpunkt hinaus zurückwirken, zumal er auch nicht mit anderer Begründung aufrechterhalten werden könne. Aus diesem Grunde habe auch die Witwenbeihilfe (Bescheid vom 13. Oktober 1954) nicht entzogen werden dürfen.
Aus den Ausführungen des LSG geht nicht erkennbar hervor, ob es noch die Berichtigung eines einem Beschädigten erteilten Bescheides auch nach seinem Ableben den Hinterbliebenen gegenüber - im Hinblick auf §§ 36 Abs. 1 Satz 2, 38 Abs. 1 Satz 2 BVG - als zulässig angesehen hat. Aus der ausdrücklichen Benennung des 1. April 1955 als zeitliche Grenze und dem Hinweis, daß solche Bescheide gegenüber den Rechtsnachfolgern nicht "nach § 41 VerwVG" berichtigt werden könnten, ist jedoch zu schließen, daß das LSG - in Übereinstimmung mit dem erkennenden Senat - eine Berichtigung auch dann grundsätzlich noch für zulässig hält, wenn der auf Grund des fehlerhaften Bescheides Versorgungsberechtigte bereits verstorben ist (so der erkennende Senat für eine Berichtigung nach § 30 Abs. 4 des Gesetzes über Leistungen an Körperbeschädigte - KBLG - in BSG 7, 103 ff sowie das BSG für § 41 VerwVG, BSG 23, 7, 9, Urteil des erkennenden Senats vom 17. Dezember 1965 - 8 RV 749/64 -).
Die Versorgungsbehörde hat den Berichtigungsbescheid vom 15. November 1957 auf § 41 VerwVG gestützt. Dazu hat das Berufungsgericht zutreffend entschieden, daß § 41 VerwVG keine Rechtsgrundlage für die Aufhebung der - sämtlich vor dem 1. April 1955 ergangenen - Bescheide gibt. Zwar wirkt die Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsaktes grundsätzlich auf den Zeitpunkt zurück, in dem die - als von Anfang an als rechtswidrig ergangen angesehenen - Bescheide erlassen worden sind; das gilt jedoch dann nicht, wenn das Gesetz, das die Ermächtigung zur Rücknahme enthält, erst zu einem Zeitpunkt in Kraft getreten ist, der zeitlich hinter dem des Erlasses der in Frage stehenden Bescheide liegt, d. h. die Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte kann nicht über den Zeitpunkt des Inkrafttretens des die Rücknahmeermächtigung enthaltenden Gesetzes hinaus in die Vergangenheit wirken. Daraus folgt, daß die Verwaltungsbehörde auf Grund des ihr in § 41 VerwVG eingeräumten Berichtigungsrechts rechtswidrige Verwaltungsakte nicht über den 1. April 1955 hinaus zurücknehmen kann; die Folgen eines vor dem 1. April 1955 erlassenen rechtswidrigen Verwaltungsaktes können somit nicht bis zum 31. März 1955 beseitigt werden (vgl. u. a. BSG in SozR VerwVG § 41 Nr. 9).
Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl. u. a. BSG 16, 253, 255) muß jedoch in Fällen, in denen vor dem 1. April 1955 erlassene Bescheide gemäß § 41 VerwVG als von Anfang an rechtswidrig zurückgenommen worden sind, auch geprüft werden, ob für diese Rücknahme eines Berichtigungsbescheides für die Zeit vor dem 1. April 1955 etwa eine andere Rechtsgrundlage bestanden hat. Denn ein Verwaltungsakt, der eine unzutreffende Begründung enthält bzw. auf eine nicht anwendbare Vorschrift (hier des § 41 VerwVG) gestützt ist, kann auch dann rechtmäßig sein, wenn er auf eine andere Rechtsvorschrift gestützt werden kann. Er ist vom Gericht selbst dann als rechtmäßig zu werten, wenn der Beklagte sich nicht auf diese andere anwendbare Rechtsvorschrift beruft. Entscheidend ist in solchen Fällen allein, daß der Verwaltungsakt durch eine andere Begründung nicht nach Voraussetzungen, Art und Wirkungen etwas wesentlich anderes wird; durch eine andere Begründung allein wird jedenfalls kein anderer Verwaltungsakt geschaffen, sondern nur der bestehende auf eine andere rechtliche Grundlage gestellt (BSG aaO; 7, 8, 12). Hiernach ist ein Verwaltungsakt nicht schon deshalb rechtswidrig, weil lediglich die ihm von der Verwaltungsbehörde beigegebene Begründung nicht zutrifft. Das hat im übrigen auch das Berufungsgericht zutreffend erkannt, hat dann aber diesen Grundsatz unzutreffend dahin eingeschränkt, daß er für eine Berichtigung für die Zeit vor dem 1. April 1955 nicht Platz greifen könne.
Soweit es dabei die in der ehemals britischen Besatzungszone geltende Nr. 26 der SVA 11 nicht für anwendbar angesehen hat, weil diese Vorschrift bereits am 1. Januar 1953 ersatzlos weggefallen sei, ist dies rechtlich nicht zu beanstanden (BSG 10, 72, 74; BSG im SozR SVA 11 allgem. Nr. 3, Nr. 7, Nr. 9). Dagegen trifft jedoch die Auffassung des LSG nicht zu, im Hinblick auf die erschöpfende Neuregelung des VerwVG über die Rücknehmbarkeit rechtswidriger Verwaltungsakte könnten auch der sog. Grundsatz des überwiegenden öffentlichen Interesses oder sonstige allgemeine Verwaltungsgrundsätze für eine Zeit nicht mehr angewandt werden, die vor dem 1. April liege, zumindest bestehe kein Anlaß, "Hilfskonstruktionen dieser Art" in solchen Fällen anzuwenden, in denen vor dem 1. April 1955 in ihren Wirkungen beendet gewesene Bescheide tatsächlich und rechtlich falsch gewesen seien. Bei dem Berichtigungsbescheid vom 15. November 1957, der sich auf die in Frage stehenden vier rechtsverbindlich gewordenen Verwaltungsakte mit Dauerwirkung aus der Zeit vor dem 1. April 1955 bezieht, handelt es sich um einen Verwaltungsakt ohne Dauerwirkung, der sich in der Aufhebung der Verwaltungsakte mit Dauerwirkung erschöpft. Für diese Art Verwaltungsakte hat das BSG in nun schon ständiger Rechtsprechung entschieden, daß stets dann, wenn besondere rechtliche Vorschriften - für die Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte oder auch für die Rückforderung zu Unrecht bezogener Leistungen - fehlen, die Grundsätze des allgemeinen Verwaltungsrechts anzuwenden sind (BSG 7, 8, 16; 8, 11, 14; 10, 72, 74; 13, 232, 238). Dies gilt für alle Verwaltungsakte der Behörden der Kriegsopferversorgung, soweit nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist oder die Besonderheiten des Rechts der Kriegsopferversorgung eine andere Regelung verlangen (BSG 8, 11, 14; 15, 81, 82). Es muß deshalb uneingeschränkt auch dann gelten, wenn es sich bei den rechtswidrigen Verwaltungsakten um solche handelt, deren Wirkungen durch den Tod des Berechtigten an sich schon beendet sind.
Können danach fehlerhafte Verwaltungsakte mit Dauerwirkung im Hinblick auf die zeitlich bedingten Verhältnisse weder nach § 41 VerwVG noch nach Nr. 26 der SVA 11 zurückgenommen werden, so muß im Einzelfall geprüft werden, ob die Rücknahme der fehlerhaften Verwaltungsakte nach den Grundsätzen des allgemeinen Verwaltungsrechts rechtmäßig ist oder nicht. Nach diesen Grundsätzen richtet sich die Frage, ob rechtswidrige Verwaltungsakte widerrufen werden dürfen, danach, ob
"das Vertrauen des Klägers in ihren Fortbestand zu schützen ist. Der in der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelte allgemeine Grundsatz des Vertrauensschutzes bedeutet, daß nach dem auch im öffentlichen Recht herrschenden Grundsatz von Treu und Glauben unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes ein rechtswidriger Verwaltungsakt nur zurückgenommen werden darf, wenn das öffentliche Interesse an der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung das durch den Erlaß des fehlerhaften Aktes begründete Vertrauen des Begünstigten auf die Beständigkeit behördlicher Entscheidungen überwiegt" (vgl. BVerwG 19, 189, 190).
Handelt es sich um den rückwirkenden Widerruf eines Verwaltungsaktes
"... mit der Folge der Rückforderung einmal festgesetzter und gezahlter Bezüge, so steht der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes einer Rückwirkung des Widerrufs regelmäßig entgegen, sofern der Empfänger sich mit guten Gründen auf die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes verlassen durfte (BVerwG 8, 261, 271; 9, 251, 253; 10, 308, 309; 13, 28). Dies durfte er in der Regel, wenn die Fehler, die zum Widerruf geführt haben, allein im Verantwortungsbereich der Behörde liegen" (vgl. BVerwG 19, 190).
Steht dagegen ein Widerruf für die Zukunft in Rede,
"so hat bei der Abwägung, ob das öffentliche Interesse an der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung gegenüber dem Vertrauen des Begünstigten auf die Beständigkeit behördlicher Entscheidungen überwiegt, nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts das Interesse des Begünstigten dann in der Regel hinter dem Interesse an der Wiederherstellung des gesetzmäßigen Zustandes zurückzutreten, wenn der Verwaltungsakt den dauernden regelmäßigen Bezug von Leistungen aus öffentlichen Mitteln zum Gegenstand oder zur Folge hat (BVerwG 8, 296, 304; 9, 251, 254; 10, 308, 309). Ausnahmen von dieser Regel haben die Beamtenrechtssenate des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG 9, 251, 254 und Urt. vom 9. November 1961 - BVerwG II C 146, 59) nur in wenigen, besonders liegenden Fällen anerkannt" (BVerwG 19, 189, 190).
Nach dieser Rechtsprechung, der sich der erkennende Senat in vollem Umfange anschließt (s. auch BSG 10, 72; 15, 81), spielt es also bei der Einstellung künftig fällig werdender Leistungen infolge Widerrufs eines fehlerhaften Verwaltungsaktes grundsätzlich keine Rolle, ob die Behörde diese Fehlerhaftigkeit verschuldet hat oder nicht.
Im vorliegenden Falle ist ein Ausnahmefall der Art, wie er vom BVerwG als "Ausnahme von der Regel" gekennzeichnet ist (s. o.), nicht gegeben. Der verstorbene Ehemann der Klägerin hat nach den bindenden Feststellungen des LSG vom 1. März 1948 an bis zu seinem Ableben im Februar 1953 zweifelsfrei zu Unrecht Versorgung wegen eines Leidens ( Bechterew'sche Erkrankung) bezogen, das - ebenso zweifelsfrei - weder im Sinne der Entstehung noch im Sinne der Verschlimmerung mit dem von ihm geleisteten Wehrdienst im ursächlichen Zusammenhang gestanden hat. Dabei kann im Hinblick darauf, daß der Beklagte die in der Vergangenheit zu Unrecht gezahlten Bezüge nicht zurückgefordert hat, dahingestellt bleiben, in wessen Verantwortungsbereich, der Verwaltungsbehörde oder des Verstorbenen, die rechtswidrige Bewilligung - und die Erteilung der Bescheide vom 24. August 1949, 2. Juni 1950 und 8. März 1951 - fällt. Im übrigen sind in den Berichtigungsbescheid vom 15. November 1957 diese dem Verstorbenen erteilt gewesenen Bescheide vom Beklagten nur deshalb einbezogen worden (und mußten einbezogen werden), weil sie die Grundlage für die Erteilung des Bescheides an die Klägerin vom 13. Oktober 1954 (über die Bewilligung von Witwenbeihilfe in Höhe der Witwenrente) gebildet haben. Dieser Bescheid vom 13. Oktober 1954, um dessen Bestand für die Zukunft es letztlich hier allein geht, würde aber bei seinem Fortbestand einen Zustand aufrechterhalten, der auf Grund lediglich formeller Rechtsstellung der Klägerin Leistungen aus öffentlichen Mitteln belassen würde, die ihr tatsächlich nicht zustehen und die sachlich nicht gerechtfertigt sind. Denn schließlich darf nicht übersehen werden, daß ebensowenig wie das Leiden des verstorbenen Ehemannes der Klägerin auch dessen Tod mit dem von ihm geleisteten Wehrdienst irgendetwas zu tun hat, und daß der Klägerin Witwenversorgung nur deshalb gewährt worden ist, weil nach dem Ableben des Ehemannes § 48 BVG diese Art der Versorgung (Witwenbeihilfe in Höhe der Witwenrente) zwingend vorschrieb. Der Ehemann war bis zu seinem Tode - damals noch rechtmäßig - Empfänger der Rente eines Erwerbsunfähigen und einer Pflegezulage gewesen, mit der Folge, daß die Verwaltungsbehörde nun auch verpflichtet war, der Witwe die Beihilfe zu bewilligen. Ist aber wie dargelegt dem Bescheid vom 13. Oktober 1954 mit der zutreffenden und rechtswirksamen Beseitigung der dem verstorbenen Ehemann erteilt gewesenen Bescheide durch den Berichtigungsbescheid vom 15. November 1957 die rechtliche Grundlage entzogen worden, so kann auch dieser keinen Bestand mehr haben; denn das einzige hier für die Klägerin Sprechende, ihr Vertrauen auf den Fortbestand des Bescheides auch in Zukunft, muß im Hinblick auf die Besonderheiten dieses Falles und um der Gerechtigkeit willen gegenüber einer objektiv zweckwidrigen Verwendung öffentlicher Mittel zurückstehen.
Nach allem genügt danach die Rücknahme des Bescheides vom 13. Oktober 1954 zusammen mit den Bescheiden vom 24. August 1949, 2. Juni 1950 und 8. März 1951 durch den Berichtigungsbescheid vom 15. November 1957 den Grundsätzen des allgemeinen Verwaltungsrechts.
Im übrigen steht auch der Wortlaut des § 48 BVG der Entziehung der Witwenbeihilfe in Höhe der Witwenrente - für die Zukunft - durch die Verwaltungsbehörde nicht entgegen. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der verstorbene Ehemann der Klägerin überhaupt noch als "Beschädigter" im Sinne des § 48 BVG angesehen werden kann, nachdem die Anerkennung der Bechterew'schen Erkrankung als Schädigungsleiden (mit Zuerkennung der Erwerbsunfähigkeitsrente und der Pflegezulage) durch den Berichtigungsbescheid vom 15. November 1957 aufgehoben worden und das Rechtsverhältnis ex tune auf eine andere Grundlage gestellt worden ist, nämlich so, als ob die Anerkennung des Leidens niemals erfolgt wäre (vgl. BSG 20, 209, 213). Beschädigter im Sinne des BVG ist der Verstorbene durch die vom SG wiederhergestellte Anerkennung des Bruchs des 8. Brustwirbels als Schädigungsfolge immerhin geblieben. Er hat aber die Rente eines Erwerbsunfähigen und die Pflegezulage nicht bis zu seinem Tode im Sinne des § 48 BVG "bezogen". Zwar hat die ex tune - Wirkung des Berichtigungsbescheides vom 15. November 1957 die Zahlung der Erwerbsunfähigkeitsrente und der Pflegezulage an den verstorbenen Ehemann "bis zum Tode" nicht verhindert und auch nicht verhindern können; die Rückwirkung des Berichtigungsbescheides dahin, als ob die Anerkennung der Bechterew'schen Erkrankung mit Gewährung der Erwerbsunfähigkeitsrente und der Pflegezulage gerade wegen dieses Leidens niemals erfolgt wäre, hat aber das "Stammrecht" des Verstorbenen, seinen Rentenanspruch an sich (vgl. BSG 7, 108, 110; 20, 209, 213, 214), beseitigt und vernichtet. Nach Wegfall des Stammrechts vom Anbeginn an kann aber von einem Rentenbezug im Sinne des § 48 Abs. 1 BVG nicht mehr die Rede sein, auch wenn der Wortlaut dieser Vorschrift, wollte man ihn streng wörtlich auslegen, einen anderen Eindruck vermitteln könnte. "Sinn und Zweck des § 48 Abs. 1 BVG - und hierauf kommt es entscheidend an - ist die Gewährung einer Beihilfe an die Hinterbliebenen eines nicht an den Folgen einer Schädigung gestorbenen erwerbsunfähigen Schwerbeschädigten oder Pflegezulageempfängers, um den durch den Tod eintretenden Wegfall der Versorgungsbezüge auszugleichen, mit denen in der Regel wegen der Erwerbsunfähigkeit oder der Pflegebedürftigkeit des Ernährers der Unterhalt der Familie bis zu seinem Ableben bestritten worden ist. Diesem Sinn und Zweck kann aber ein solcher Ausgleich nur dann dienen, wenn der Unterhalt der Familie weiterhin durch die Versorgungsbezüge bestritten worden bzw. sichergestellt gewesen wäre, wenn der Ernährer nicht gestorben wäre. Das bedeutet gleichzeitig, daß ein Anspruch auf Hinterbliebenenbeihilfe dann nicht besteht, wenn wie im vorliegenden Fall die Versorgungsbezüge des Erwerbsunfähigen (oder Pflegezulageempfängers) - als Sicherung für den Unterhalt der Familie - nicht durch den Tod, sondern unabhängig vom Tode schon aus anderen Gründen weggefallen sind" (vgl. erkennender Senat in BSG 20, 214).
Der Klägerin steht demnach die Witwenbeihilfe in Höhe der Witwenrente über den 31. Dezember 1957 hinaus nicht zu, so daß der Revision des Beklagten der Erfolg nicht versagt werden konnte. Das Urteil des Vordergerichts war deshalb wie geschehen aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Hannover vom 7. Dezember 1959 zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Fundstellen