Leitsatz (redaktionell)
Zusammenrechnung von Unternehmerzeiten des 1. und 2. Ehemannes nicht zulässig.
1. Auch bei Buchst b des GAL § 3 Abs 1 aF handelt es sich um einen Anspruch auf Witwenaltersgeld, nicht aber um einen solchen aus eigener Unternehmertätigkeit:
2. Eine Zusammenrechnung der Unternehmerzeiten zwecks Feststellung, ob vor Abgabe des Hofes eine Unternehmertätigkeit von mindestens 15 Jahren gegeben war, ist nur bezüglich der Klägerin und ihres 2. Ehemannes zulässig.
Normenkette
GAL § 25 Abs. 4 Fassung: 1957-07-27, § 3 Abs. 1 Buchst. b Fassung: 1957-07-27, § 25 Abs. 1 Buchst. b Fassung: 1957-07-27
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 25. April 1962 aufgehoben, soweit es sich um den Anspruch auf Altersgeld für die Zeit vom 1. April 1960 bis zum 31. Dezember 1961 handelt.
In diesem Umfange wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen.
Gründe
I
Die am 21. April 1896 geborene Klägerin war in erster Ehe seit 1920 mit dem am 20. Oktober 1887 geborenen und am 27. Juli 1947 verstorbenen Friedrich W verheiratet. Dieser bewirtschaftete bis zu seinem Tode gemeinsam mit der Klägerin ein landwirtschaftliches Unternehmen von etwa 30 ha. Nach seinem Tode führte die Klägerin das Unternehmen bis 1951 weiter. Im Jahre 1949 heiratete sie wieder; ihr zweiter Ehemann verstarb am 1. April 1960. Wegen dessen Krankheit verpachtete die Klägerin 1951 den Betrieb, zum 1. Oktober 1953 übergab sie ihn ihrer Tochter aus erster Ehe. Die Klägerin bezieht seit 1. April 1960 Witwenrente aus der Rentenversicherung ihres zweiten Ehemannes.
Den Antrag der Klägerin auf Altersgeld lehnte die Beklagte am 26. Oktober 1960 ab, weil die Klägerin durch ihre Wiederverheiratung alle Rechte nach dem Gesetz über eine Altershilfe für Landwirte vom 27. Juli 1957 (BGBl. I S. 1063) - GAL aF - verloren habe. Das Sozialgericht (SG) wies die Klage ab, das Landessozialgericht LL(SG) verurteilte die Beklagte, der Klägerin vom 1. April 1960 an Altersgeld in gesetzlicher Höhe zu zahlen. Zur Begründung führte es aus: Die Klägerin habe zwar keine Ansprüche nach § 25 Abs. 4 i. V. m. § 3 Abs. 1 Buchst. a GAL aF, da ihr erster Ehemann bei seinem Tode noch nicht 65 Jahre alt gewesen sei, also selbst keinen Anspruch auf Altersgeld gehabt habe. Dagegen bestehe ein Anspruch nach Buchst. b aaO, weil die Klägerin das 60. Lebensjahr vollendet, das landwirtschaftliche Unternehmen des ersten Ehemannes nicht weiter geführt und eine Unternehmertätigkeit von 15 Jahren vorgelegen habe. Von 1947 bis 1951 habe die Klägerin das Unternehmen allein betrieben, von 1920 bis 1947 der erste Ehemann mit der Klägerin zusammen; diese Zeit sei mit derjenigen von 1947 bis 1951 zusammenzurechnen. Die zweite Eheschließung habe auf diesen Anspruch keinen Einfluß, weil es sich nicht um einen abgeleiteten, sondern um einen eigenen Anspruch der Witwe handelt. Der Anspruch der Klägerin aus der Rentenversicherung ihres zweiten Ehemannes berühre den Anspruch auf Altersgeld nicht, er sei lediglich nach § 25 Abs. 4 GAL aF bzw. § 26 Abs. 7 des Gesetzes zur Neuregelung der Altershilfe für Landwirte vom 3. Juli 1961 (BGBl. I S. 845) - GAL nF - für die Höhe des Anspruchs von Bedeutung. Das LSG ließ die Revision zu.
Die Beklagte legte gegen das am 18. Juni 1962 zugestellte Urteil am 13. Juli 1962 Revision ein und begründete sie am 15. September 1962, nachdem ihr die Begründungsfrist bis zum 18. September 1962 verlängert worden war. Sie rügt Verletzung von § 103 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) sowie von § 3 GAL aF und § 1291 der Reichsversicherungsordnung (RVO) und trägt vor, das LSG habe ohne genügende Prüfung festgestellt, daß die Klägerin Alleinerbin ihres ersten Ehemannes gewesen sei. Des weiteren habe das LSG zu Unrecht nicht berücksichtigt, daß zwischen der Wiederverheiratung un der Abgabe des Unternehmens im Jahre 1951 der zweite Ehemann kraft des ihm zustehenden Verwaltungs- und Nutznießungsrechts Unternehmer gewesen sei. Auch die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Buchst. b GAL aF seien nicht erfüllt, weil die Klägerin nicht mehr die Witwe ihres ersten Ehemannes sei, vielmehr diese Eigenschaft mit der Eingehung ihrer zweiten Ehe verloren habe. Eine Heranziehung der in der Person des ersten Ehegatten gegebenen Tatsachen sei nach der Auflösung der zweiten Ehe nicht mehr zulässig; denn einmal habe die Klägerin vor ihrer zweiten Eheschließung keinen Anspruch auf Witwenaltersgeld gehabt, zum anderen lebe ein Anspruch auf Witwenrente nur nach unverschuldeter Auflösung der zweiten Ehe wieder auf. Die Klägerin habe auch das Unternehmen nicht während ihrer Witwenzeit abgegeben. Sie habe zwar möglicherweise durch die Wiederverheiratung die Unternehmerstellung verloren, jedoch sei die Abgabe an den Ehegatten keine Entäußerung im Sinne des GAL; außerdem sei die Klägerin zu diesem Zeitpunkt ebenfalls nicht mehr Witwe des ersten Ehemannes gewesen. Nach Auflösung der zweiten Ehe durch Tod könnten nicht die Unternehmerzeiten sowohl des zweiten als auch des ersten Ehemannes angerechnet werden.
Vom 1. Januar 1962 an erkennt die Beklagte den Anspruch auf Altersgeld an.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG Niedersachsen vom 25. April 1962 aufzuheben, soweit es sich um die Zeit vom 1. April 1960 bis zum 31. Dezember 1961 handelt, und in diesem Umfange die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II
Die nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG statthafte Revision ist zulässig und insoweit begründet, als die Feststellungen des LSG nicht ausreichen, um über den Altersgeldanspruch der Klägerin entscheiden zu können.
Das LSG hat zutreffend angenommen, daß der Klägerin kein Anspruch auf Witwenaltersgeld nach § 25 Abs. 4 i. V. m. § 3 Abs. 1 Buchst. a GAL aF hatte, da dem verstorbenen ersten Ehemann selbst noch kein Anspruch auf Altersgeld zustand.
Wenn es jedoch den Anspruch der Klägerin nach Buchst. b aaO zugesprochen hat, weil dies ein eigener Anspruch der Witwe und auf ihn § 1291 RVO nicht anwendbar sei, so übersieht es, daß es sich auch hier um einen Anspruch auf Witwenaltersgeld, nicht aber um einen solchen aus eigener Unternehmertätigkeit handelt. Zwar ist dieser Anspruch nicht von dem Altersgeldbezug des verstorbenen Ehemannes abhängig, sondern von anderen Voraussetzungen, aber es handelt sich auch hier um einen Witwenaltersgeldanspruch. Ein derartiger Anspruch steht der Klägerin aber schon deshalb nicht zu, weil sie die neue Ehe eingegangen war, ohne vorher einen Anspruch auf Witwenrente gehabt zu haben (BSG 14, 238). Des weiteren würde nach § 6 Abs. 3 GAL aF i. V. m. § 1291 RVO ein Witwenrentenanspruch nur dann wieder aufleben, wenn diese Ehe ohne alleiniges oder überwiegendes Verschulden der Witwe aufgelöst oder für nichtig erklärt worden wäre. Diese Voraussetzungen treffen aber nicht zu.
Der Klägerin könnte jedoch als Witwe ihres zweiten Ehemannes ein Anspruch auf Altersgeld zustehen, sofern dieser ebenfalls landwirtschaftlicher Unternehmer war. Das LSG hat nun zwar festgestellt, daß auch während der zweiten Ehe die Klägerin Unternehmerin gewesen sei, jedoch hat gegen diese Feststellung die Beklagte durchgreifende Revisionsangriffe erhoben, weil das LSG insoweit den Sachverhalt nicht ausreichend geklärt hat. Es hat nämlich nicht geprüft, in welchem Güterstand die Ehegatten gelebt haben und ob der Mann alleiniger Unternehmer oder nur Mitunternehmer war (vgl. hierzu Urteil vom 25.1.1963, SozR GAL § 1 Nr. 6). War der zweite Ehemann jedoch Unternehmer, so könnte seine Unternehmerzeit mit derjenigen der Klägerin zusammengezählt werden, um die 15-jährige Unternehmertätigkeit zu erfüllen, die nach § 25 GAL aF an die Stelle der 180 Kalendermonate Beiträge des § 3 Abs. 1 Buchst. b GAL aF treten. Dagegen ist eine Zusammenzählung der Unternehmertätigkeiten des ersten und des zweiten Ehemannes nicht zulässig, um einen Witwenaltersgeldanspruch zu begründen, weil der Witwenaltersgeldanspruch für jede der beiden Ehe gesondert betrachtet werden muß (vgl. auch § 1263 Abs. 2 RVO). Eine Zusammenrechnung der Unternehmerzeiten zwecks Feststellung, ob vor der Abgabe des Hofes eine Unternehmertätigkeit von mindestens 15 Jahren gegeben war, ist also nur bezüglich der Klägerin und ihres zweiten Ehemannes zulässig.
Hier wäre allerdings noch von Bedeutung, welcher Art die Verpachtung von 1951 bis 1953 war. Über die Dauer des Pachtvertrages sagt das Urteil nichts. Die tatsächliche Laufzeit des Vertrages entspricht nicht der Mindestdauer des § 2 Abs. 2 GAL aF; der Zeitpunkt der Verpachtung kann daher nicht ohne weiteres schon als die endgültige Abgabe des Hofes angesehen werden. Dies könnte nur dann der Fall sein, wenn der Pachtvertrag zwar auf die Mindestdauer gelautet hätte, aber vorher wieder aufgelöst worden wäre oder wenn diese Verpachtung die Vorstufe der endgültigen Abgabe im Jahre 1953 gewesen wäre (vgl. Urteil vom 29. August 1962, SozR GAL § 2 Nr. 4). Kann aber die Verpachtung im Jahre 1951 noch nicht als die endgültige Abgabe angesehen werden, so wären die Klägerin bzw. der zweite Ehemann von 1951 bis 1953 nicht Unternehmer gewesen, weil sie nicht mehr das Risiko des Unternehmers getragen hätten (vgl. BSG 12 S. 80 und 91); es würde dann an der 15-jährigen Unternehmertätigkeit unmittelbar vor der Abgabe fehlen.
Schließlich könnte ein Anspruch der Klägerin auf Altersgeld auch aus eigener Unternehmertätigkeit gegeben sein. Hierfür wäre wie oben Voraussetzung, daß die Abgabe schon 1951 erfolgt wäre und daß die Klägerin, von 1951 ausgehend rückwärts gesehen, 15 Jahre Unternehmerin oder Mitunternehmerin gewesen wäre. Das LSG hat festgestellt, sie habe das Unternehmen von 1920 bis 1947 gemeinsam mit dem ersten Ehemann und von 1947 bis 1951 allein bewirtschaftet. Hiergegen richten sich aber die Angriffe der Revision, die mit Recht geltend macht, daß nicht geklärt sei, wer von 1947 bis 1949 und von 1949 bis 1951 Unternehmer gewesen sei. Eine etwaige Übernahme der Bewirtschaftung durch den zweiten Ehemann wäre keine Abgabe (vgl. § 2 Abs. 3 GAL aF). Der eigene Altersgeldanspruch der Klägerin wäre also nur gerechtfertigt, wenn sie vor 1951 alleinige oder Mitunternehmerin gewesen wäre.
Je nachdem, ob die Klägerin einen Anspruch auf eigene Unternehmertätigkeit oder als Witwe des zweiten Ehemannes hätte, wäre auch der Beginn der Rente festzusetzen (ab 65 Jahren gemäß § 2 Abs. 1 Buchst. a bzw. ab 60 Jahren gemäß § 3 Abs. 1 Buchst. b GAL aF).
Nach alledem war die Sache an das LSG zurückzuverweisen. Dem LSG bleibt auch die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens überlassen.
Fundstellen