Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der Gehfähigkeit iS des DV § 13 BVG § 4 Abs 4 S 1 idF vom 1964-10-30.

 

Normenkette

BVG § 13 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1964-02-21, § 13 DV § 4 Abs. 4 S. 1 Fassung: 1964-10-30

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 11. August 1966 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Der 1917 geborene Kläger, von Beruf Edelsteinkommissionär und Edelsteinlieferant in I, erhält Versorgung nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 50 v.H. ua wegen linksseitiger Wadenbein- und Schienbeinnervenlähmung mit völliger Lähmung des linken Fußes und erheblicher Abmagerung des linken Beines mit erschwertem Gang. Sein im August 1963 gestellter Antrag, ihm zu dem am 25. März 1963 vorgenommenen Kauf eines Personenkraftwagens (Pkw) einen Zuschuß von 2.000,- DM zu gewähren, weil er wegen der Kriegsbeschädigung zur Ausübung des Berufes auf ein solches Fahrzeug angewiesen sei, wurde mit Bescheid des Landesversorgungsamtes (LVersorgA) vom 30. September 1963 wegen Versäumung der Antragsfrist abgelehnt. Der Widerspruch blieb erfolglos. Im Klageverfahren hat das Sozialgericht (SG) Prof. Dr. R zur Frage der Gehfähigkeit des Klägers gutachtlich gehört und mit Urteil vom 25. November 1964 den Anspruch des Klägers dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Auf die zugelassene Berufung hat das Landessozialgericht (LSG) nach Einholung eines Gutachtens von Dr. F/Dr. A mit Urteil vom 11. August 1966 das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Für den vorliegenden Fall komme es entscheidend auf § 5 Abs. 1 Nr. 1 und § 4 Abs. 4 Satz 1 der Verordnung zur Durchführung des § 13 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) in der Fassung vom 30. Oktober 1964 (BGBl I 835, 843 - DVO -) an. Danach sei zunächst erheblich, ob der Kläger einen Rechtsanspruch auf ein handbetriebenes Krankenfahrzeug für den Straßengebrauch habe. Ein solches stehe nur dann zu, wenn mit Hilfe von Körperersatzstücken und orthopädischen und anderen Hilfsmitteln eine den Bedürfnissen des Beschädigten entsprechende Gehfähigkeit nicht erzielt werden könne. An dieser - negativen - Voraussetzung fehle es hier. Denn der Kläger sei nach dem Gutachten von Dr. F/Dr. A durch die orthopädischen Schuhe gut versorgt; er könne mit diesem Hilfsmittel relativ gut und ohne weitere Hilfsmittel kurze ebene Wegstrecken bis ca 250 m gehen und auch Treppen steigen; auch mittelweite ebene Strecken bis ca 1000 m könne er mit Unterbrechungen zurücklegen; für stärker bergige Gegenden betrage die Gehleistung etwa die Hälfte der Strecken von 250 m bzw. 1000 m. Zwar habe Prof. Dr. R die Ansicht vertreten, daß eine den Bedürfnissen des Klägers entsprechende Gehfähigkeit durch die orthopädischen Schuhe nicht erzielt worden sei. Dem könne jedoch nicht beigepflichtet werden. Denn Prof. Dr. R habe zuvor in dem Hauptgutachten vom 21. Juli 1964 hervorgehoben, daß der Kläger in seinem Beruf die Bedürfnisse seiner Kunden nicht zu Fuß befriedigen könne und deswegen auf einen Pkw angewiesen sei. Die alsdann in dem Ergänzungsgutachten enthaltene Erweiterung, bei dem Kläger sei auch "im allgemeinen - ohne Berücksichtigung seines Berufes -" durch das orthopädische Schuhwerk eine ausreichende Gehfähigkeit nicht erzielt, sei nicht geeignet, die Überzeugungskraft des von Dr. F/Dr. A erstatteten Gutachtens in Zweifel zu ziehen; diese hätten in Kenntnis der Ansicht von Prof. Dr. R ausführlich dargelegt, daß ein handbetriebenes Krankenfahrzeug für den Straßengebrauch nicht erforderlich, andererseits aber für die Erfüllung der beruflichen Verpflichtungen ein Pkw notwendig sei. Aber auch wenn man der Ansicht des Prof. Dr. R folgen könne, sei die Versagung des begehrten Zuschusses nicht ermessensfehlerhaft, denn der Rechtsanspruch auf ein handbetriebenes Krankenfahrzeug sei nur eine der Voraussetzungen für die im übrigen in das pflichtgebundene Ermessen der Verwaltungsbehörde gestellte Gewährung eines verlorenen Zuschusses; hier aber fehle es an den weiteren in § 5 Abs. 1 Nr. 2 DVO normierten Voraussetzungen, wonach der Zuschuß - abgesehen von anderen, hier nicht in Betracht kommenden Fällen - nur dann gewährt werden könne, wenn der Beschädigte entweder ein Krankenfahrzeug mit Handhebelantrieb für den Straßengebrauch oder einen Krankenschiebewagen für den Straßengebrauch wegen Schädigungsfolgen, Körperschwäche übergroßen Körpergewichts oder bergiger Wohngegend oder aus ähnlichen zwingenden Gründen nicht benutzen könne. Ob der Beschädigte für Berufszwecke auf ein Kraftfahrzeug angewiesen sei, sei seit Inkrafttreten der DVO in der Fassung vom 6. Juni 1961, insbesondere auch nach der hier anzuwendenden Fassung vom 30. Oktober 1964, nicht mehr erheblich. Denn die beruflich bedingte Notwendigkeit der Benutzung eines Kraftfahrzeuges sei im Wege der Kriegsopferfürsorge, nicht aber der Kriegsopferversorgung zu berücksichtigen. Die entsprechende Leistung aus der Kriegsopferfürsorge, nämlich ein zinsloses Darlehn von 1.500,- DM, sei aber dem Kläger schon im März 1964 gewährt worden. Allein auf die berufliche Notwendigkeit habe der Kläger jedoch seinen Antrag vom 23. August 1963 gestützt. Daher sei die Versagung des Zuschusses in keinem Falle ermessensfehlerhaft.

Mit der zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts, und zwar des § 13 Abs. 1 Satz 3 BVG und der §§ 4 Abs. 4 Satz 1, 5 Abs. 1 Nr. 1 und § 2 Satz 2 DVO. Zu der vom LSG verneinten Voraussetzung, daß aus medizinischen Gründen die Benutzung eines handbetriebenen Krankenfahrzeuges für den Straßengebrauch notwendig sei, sei zu sagen, daß es jeder sinnvollen Überlegung widerspreche, einem sonst organisch gesunden - erst nahezu 50-jährigen - Menschen wegen der Auswirkungen seiner Schädigungsfolgen in einem so geringfügig bemessenen Umfange Bewegungsmöglichkeiten - je nach Beschaffenheit des Gehweges - von nur 125 m bis längstens 1000 m einzuräumen. Abgesehen davon, daß weder das Gesetz (§ 13 BVG) noch die DVO diese enge Auslegung und die für den hier zu entscheidenden Einzelfall gravierende Einschränkung erkennen ließen, stehe eine solche Auslegung auch dem gesetzgeberischen Willen eindeutig entgegen. Danach solle orthopädische Versorgung ua auch zur Erleichterung der Folgen der Schädigung gewährt werden. Von einer solchen Erleichterung könne aber dann nicht die Rede sein, wenn trotz Versorgung mit orthopädischem Schuhwerk nur eine entsprechende Gehfähigkeit (hier längstens bis 1000 m auf ebener Strecke mit Unterbrechung) erzielt werden könne. Diese erhebliche schädigungsbedingte Einschränkung der Bewegungsfähigkeit des Klägers komme in ihrer Auswirkung der im Sinne des § 4 Abs. 4 DVO zu fordernden Gehunfähigkeit gleich. Dabei werde eingeräumt, daß die aus beruflichen Gründen notwendige Benutzung eines Kraftfahrzeuges für die Ausübung der Tätigkeit eines Edelsteinkommissionärs und -lieferanten bei der Beurteilung der Gehfähigkeit im Sinne des § 4 Abs.4 DVO unberücksichtigt zu bleiben habe; es sei jedoch zu überprüfen, ob dem so erheblich durch Schädigungsfolgen in seiner Gehfähigkeit eingeschränkten Kläger für die Erfüllung der Bedürfnisse des täglichen Lebens die vom Gesetzgeber zugestandenen Maßnahmen, die die Folgen der Schädigung erleichtern sollten, auch tatsächlich zuerkannt werden könnten. In diesem Zusammenhang könne dem LSG schon deshalb nicht gefolgt werden, weil aus den Entscheidungsgründen seines Urteils nicht ersichtlich sei, weshalb der Kläger bei der Bejahung eines Rechtsanspruchs auf ein handbetriebenes Krankenfahrzeug dieses Fahrzeug auch in seiner bergigen Wohngegend benutzen könnte. Dabei sei es unerheblich, daß der Kläger seinen Antrag vom 23. August 1963 mit der beruflichen Notwendigkeit der Benutzung eines Kraftfahrzeugs begründet habe. Entscheidend könne nur sein, ob unter besonderer Berücksichtigung der (bergigen) Wohngegend des Klägers die verbliebene Gehfähigkeit - bei Außerachtlassung der beruflichen Verpflichtungen - zur Erfüllung der Bedürfnisse des täglichen Lebens ausreichend sei; das sei zu verneinen. Denn der Kläger wäre ohne Kraftfahrzeug in seinem "Wohnsitzbereich" I nach den auch für das Bundessozialgericht (BSG) bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts ohne Gefährdung der Verschlimmerung seiner Schädigungsfolgen nur in der Lage, 250 m zu gehen. Ein so geringer Spielraum an Bewegungsmöglichkeit lasse die Feststellung zu, daß eine entsprechende Gehfähigkeit zur Erfüllung der Bedürfnisse des täglichen Lebens trotz orthopädischen Schuhwerks nicht erzielt sei. Dabei sei in Betracht zu ziehen, daß zu den Bedürfnissen des täglichen Lebens - neben der Nahrungsaufnahme - nicht nur Bewegungsmöglichkeiten in der nächsten Umgebung der Wohnung gehörten, sondern darüber hinaus auch dem gehbehinderten Beschädigten, da ihm nach dem Willen des Gesetzgebers die Folgen der Schädigung erleichtert werden sollten, jede denkbare Möglichkeit zur Besserung seiner Gehleistung und damit auch zum Erreichen weiterer Gehstrecken eingeräumt werden müsse, wie sie von einem Nichtgehbehinderten zurückgelegt werden könnten. Das LSG habe jedoch den in einer bergigen Gegend wohnhaften Kläger praktisch von jeder Möglichkeit, längere Wege (über 250 m) zurückzulegen, ausgeschlossen. Besäße er kein Kraftfahrzeug, würde dies zur Folge haben, daß er trotz orthopädischen Schuhwerks die Verschlimmerung seiner Schädigungsfolgen oder erhöhte Beschwerden in Kauf nehmen müsse, wenn er Wegstrecken von mehr als 250 m in seiner Wohngegend zurücklegen wolle. Käme der Kläger dagegen nur der ihm von dem medizinischen Sachverständigen noch zugemuteten Gehleistung nach, würde dies eine auch vom Gesetzgeber nicht gewollte Einschränkung seines persönlichen Lebensbereichs zur Folge haben, weil sich ohne nähere Prüfung der Einzelumstände im Ablauf des täglichen Lebens mit Sicherheit feststellen lasse, daß die Teilnahme am kulturellen und öffentlichen Leben bei einer so eingeschränkten Gehfähigkeit mit einem Radius von 250 bis 1000 m unmöglich werde.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des LSG nach dem Klageantrag zu erkennen.

Der Beklagte beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Dem Urteil des LSG sei zuzustimmen. Was der Gesetzgeber unter der "den Bedürfnissen des Beschädigten entsprechenden Gehfähigkeit" verstanden wissen wolle, sei in der Verordnung nicht zum Ausdruck gebracht. Nach einer authentischen Interpretation des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung (BMA) werde der Begriff "entsprechende Gehfähigkeit" des § 4 Abs. 4 der DVO dann nicht richtig ausgelegt, wenn man an die Gehfähigkeit eines Amputierten oder eines mit orthopädischen oder anderen Hilfsmitteln Versorgten Maßstäbe anlege, die nur für Gesunde gelten könnten; andernfalls müsse praktisch jeder Beinverletzte oder Beinamputierte einen Anspruch auf ein Krankenfahrzeug haben. Es sei aber nur ein Vergleich mit anderen prothetisch versorgten Personen angebracht. Daher sei zu prüfen, ob der Beschädigte mit seinen orthopädischen Hilfsmitteln eine Gehfähigkeit erziele, die seinen Bedürfnissen so weit entspreche, wie das bei einem gut versorgten Prothesenträger zu erwarten und möglich sei. Insoweit sei eine Gesamtschau der Einzelbedürfnisse notwendig. Nur wenn die Gehfähigkeit des Beschädigten zur Gesamtheit seiner Bedürfnisse in einem Mißverhältnis stehe, sei ihm ein Krankenfahrzeug zu liefern. Eine Gehunfähigkeit, die lediglich im Hinblick auf ein bestimmtes einzelnes Bedürfnis bestehe (etwa das hier in den Vordergrund gerückte Bedürfnis, den Weg zur Arbeitsstätte, d.h. zu Kundenbesuchen zurückzulegen), könne hingegen den Anspruch auf ein Krankenfahrzeug nicht begründen. Das Bedürfnis, den Weg zur Arbeitsstätte zurückzulegen, sei unbeachtlich, sofern nicht daneben Bedürfnisse bestünden, die in ihrer Summation eine Gehunfähigkeit im Sinne des § 4 Abs. 4 der DVO bedingten. Letzteres sei hier eindeutig nicht der Fall. Wollte man der Auffassung der Revision folgen und das Tatbestandsmerkmal "bergige Wohngegend" als objektives Merkmal ansehen, so könne man doch in den allgemeinen Straßen- und Verkehrsverhältnissen kein diesem Tatbestandsmerkmal "ähnliches" Merkmal erblicken. Die Revision wolle anscheinend den Begriff "ähnlich zwingende Gründe" im § 5 Abs. 1 Nr. 2 der DVO mit dem Begriff "andere" zwingende Gründe gleichsetzen, was jedoch nicht zuletzt im Hinblick auf die unterschiedliche sprachliche Bedeutung (ähnlich bedeute: in wichtigen Merkmalen übereinstimmend) nicht zulässig erscheine.

Die durch Zulassung statthafte Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und daher zulässig (§ 162 Abs. 1 Nr. 1, 164, 166 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -); sachlich ist sie nicht begründet.

Das SG ist auf die vom Beklagten zunächst geltend gemachte Fristversäumnis (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 4 der DVO zu § 13 BVG in der Fassung vom 6. Juni 1961 - BGBl I, 669 -) nicht näher eingegangen, weil es in der Klage eine Wiederholung des früheren Antrags des Klägers im Sinne des Art. 2 Abs. 3 der Verordnung (VO) zur Änderung und Ergänzung der VO zur Durchführung des § 13 BVG vom 30. Oktober 1964 (BGBl I, 835 - DVO -) erblickt hat, mit der Folge, daß der Kläger den Zuschuß erhalten könne, der ihm bei rechtzeitiger Antragstellung zugestanden hätte. Dies ist nicht zu beanstanden. Das Klageverfahren ist im Januar 1964 anhängig gemacht und mit Urteil des SG vom 25. November 1964 abgeschlossen worden. In Art. 2 Abs. 3 der genannten Änderungs- und Ergänzungs-VO ist bestimmt, daß Beschädigte, deren Antrag auf einen Zuschuß zur Beschaffung eines Motorfahrzeuges als verspätet abgelehnt worden ist, die Leistungen erhalten können, die ihnen bei rechtzeitiger Antragstellung zugestanden hätten, wenn sie den Antrag innerhalb eines Jahres nach Verkündung dieser Verordnung (7. November 1964) wiederholen oder nachholen. Diese Voraussetzung konnte das SG als erfüllt ansehen. Demgemäß hat der Beklagte in der Berufungsschrift insoweit keine Einwendungen erhoben, auch das LSG ist nicht mehr auf diesen Punkt eingegangen. Unter diesen Umständen war der Entscheidung § 13 BVG in der Fassung des Zweiten Neuordnungsgesetzes (2. NOG) vom 21. Februar 1964 (BGBl I 85 - nF -) sowie die DVO zu § 13 BVG in der Fassung vom 30. Oktober 1964 (DVO) zugrundezulegen.

§ 13 Abs. 1 Satz 3 BVG nF bestimmt, daß den Beschädigten zur Ergänzung der orthopädischen Versorgung zu dem in Satz 1 genannten Zweck (Sicherung des Erfolgs der Heilbehandlung oder Erleichterung der Folgen der Schädigung) Zuschüsse zu den Kosten der Beschaffung von Motorfahrzeugen an Stelle bestimmter Hilfsmittel gewährt werden können (Ersatzleistungen). Damit ist klargestellt, daß es sich hier - wie allgemein bei den Geldleistungen des § 5 DVO - um Ersatzleistungen zur Ergänzung der orthopädischen Versorgung handelt (vgl. van Nuis/Vorberg, Das Recht der Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen, III. Teil, 1962 S. 89). Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 DVO kann Beschädigten, denen nach § 4 Abs. 4 Satz 1 ein handbetriebenes Krankenfahrzeug für den Straßengebrauch zusteht, beim Vorliegen der in den Nummern 2, 3, 8 und 9 bezeichneten Voraussetzungen an Stelle dieses Hilfsmittels ein Zuschuß zur Beschaffung eines Motorfahrzeuges, und zwar gemäß § 2 Nr. 1 bis zu 2.000,- DM, gewährt werden. Die Voraussetzungen für die Lieferung eines handbetriebenen Krankenfahrzeuges sind in § 4 Abs. 4 Satz 1 DVO geregelt. Hiernach werden handbetriebene Krankenfahrzeuge für den Straßen- und für den Hausgebrauch geliefert, wenn mit Hilfe von Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln eine den Bedürfnissen des Beschädigten entsprechende Gehfähigkeit nicht erzielt werden kann. Das LSG hat bereits diese Voraussetzungen aufgrund der vorliegenden Sachverständigengutachten verneint, ohne daß die Revision gegen die hierzu getroffenen tatsächlichen Feststellungen Verfahrensrügen erhoben hätte; diese sind sonach gemäß § 163 SGG für das BSG bindend. Soweit die Revision dem Sinne nach geltend macht, das LSG habe die von ihr als verletzt gerügten materiell-rechtlichen Normen unzutreffend auf den festgestellten Sachverhalt angewandt und nicht genügend berücksichtigt, daß die orthopädische Versorgung die Schädigungsfolgen erleichtern und dem Beschädigten nicht zumuten wolle, in seiner bergigen Wohngegend ohne die Gefahr einer Verschlimmerung seiner Schädigungsfolgen nur bis zu Entfernungen von 250 m (125 m) bis 1000 m zu gehen, konnte sie im Ergebnis keinen Erfolg haben.

Bei der Gewährung eines Zuschusses zu den Kosten der Beschaffung eines Pkw's handelt es sich um eine Ermessensleistung, weshalb die Gerichte insoweit nur prüfen können, ob die Versorgungsbehörde die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (§ 54 Abs. 2 Satz 2 SGG). Voraussetzung dieser Ermessensleistung ist allerdings, daß dem Beschädigten an sich ein handbetriebenes Krankenfahrzeug nach § 4 Abs. 4 Satz 1 DVO zusteht (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 1 DVO) oder daß er ein solches wegen der Schädigungsfolgen, Körperschwäche, übergroßen Körpergewichts oder bergiger Wohngegend oder aus ähnlichen zwingenden Gründen nicht benutzen kann (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 DVO). Dabei ist die Entscheidung zunächst darüber, ob dem Beschädigten ein handbetriebenes Krankenfahrzeug zusteht, von den Gerichten in vollem Umfang nachprüfbar, weil es sich insoweit um einen Anspruch und nicht um eine Kannleistung handelt (vgl. BSG in SozR Nr. 1 zu § 13 BVG).

Die Frage, ob die Voraussetzungen für die Lieferung eines handbetriebenen Krankenfahrzeuges gegeben sind, d.h. ob mit Hilfe von Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln eine "den Bedürfnissen des Beschädigten entsprechende Gehfähigkeit nicht erzielt werden kann" (§ 4 Abs. 4 Satz 1 DVO), ist in erster Linie vom medizinischen Sachverständigen, insbesondere dem Fachorthopäden zu beurteilen. Das Gericht hat allerdings im Streitfall zu prüfen, ob der Sachverständige von einer zutreffenden Auslegung des Begriffs einer "den Bedürfnissen des Beschädigten entsprechenden Gehfähigkeit" ausgegangen ist. Dieser Begriff ist in der DVO nicht näher bestimmt. Das BSG hat sich im Urteil vom 26. Februar 1962 - 8 RV 1025/59 - (vgl. SozR Nr. 1 zu § 13 BVG) mit dieser Vorschrift befaßt, ohne aber den Begriff der den Bedürfnissen des Beschädigten "entsprechenden Gehfähigkeit" näher zu umreißen oder zu erläutern, weil der dort entschiedene Fall dazu keinen Anlaß gab; das BSG konnte hier dahingestellt sein lassen, ob die unzureichende Gehfähigkeit durch eine "unmittelbare Gehbehinderung" verursacht sein muß. Dieser Entscheidung kann aber entnommen werden, daß es auf die Verhältnisse des Einzelfalles ankommt, daß z.B. bei Blinden mit zusätzlicher Gehbehinderung an die ausreichende Gehfähigkeit besondere Anforderungen zu stellen sind. Auch der erkennende Senat ist der Auffassung, daß auf die Verhältnisse des Einzelfalles abzustellen und unter Würdigung des Gesamtzustandes und der Gesamtverhältnisse des Beschädigten zu prüfen ist, ob mit Hilfe von orthopädischen und anderen Hilfsmitteln eine seinen Bedürfnissen entsprechende, d.h. ausreichende Gehfähigkeit erzielt "werden kann", d.h. es ist nicht allein die schon gewährte orthopädische Versorgung in Betracht zu ziehen, sondern ggf. auch zu prüfen, ob diese zunächst noch verbessert werden kann. Ob hiernach eine ausreichende Gehfähigkeit vorliegt, hängt dabei nicht allein davon ab, ob und in welcher Weise der Beschädigte mit oder ohne glaubhafte Beschwerden 250 m, 1000 m oder mehr (bzw. bei bergiger Gegend die Hälfte) zurücklegen kann. Vielmehr sind auch die Möglichkeiten der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel und sonstige Umstände des Einzelfalls in Betracht zu ziehen; danach ist zu prüfen, ob gemessen an den dem Fachorthopäden bzw. der Orthopädischen Versorgungsstelle bekannten Verhältnissen bei der Vielzahl gehbehinderter Personen, die erfahrungsgemäß ohne Zuhilfenahme eines handbetriebenen Krankenfahrzeuges auskommen, im konkreten Fall bei objektiver Beurteilung noch eine ausreichende Gehfähigkeit angenommen werden kann. Zutreffend weist daher der Beklagte darauf hin, daß nicht die Maßstäbe anzulegen sind, die nur für Gesunde gelten, weil andernfalls praktisch jeder Beinverletzte oder Beinamputierte einen Anspruch auf ein Krankenfahrzeug hätte. Ein Beschädigter hat somit nicht schon dann Anspruch auf ein Krankenfahrzeug, wenn er wegen seiner schädigungsbedingten und berenteten Gehbeschwerden nicht genauso unbehindert wie ein gesunder Mensch am kulturellen und öffentlichen Leben teilnehmen kann. Hat der Beschädigte mit seinen orthopädischen oder anderen Hilfsmitteln eine Gehfähigkeit erzielt, die seinen Bedürfnissen so weit entspricht, wie das bei einem gut versorgten Prothesenträger oder dem Träger orthopädischer Schuhe zu erwarten und möglich ist, so ist grundsätzlich davon auszugehen, daß eine ausreichende Gehfähigkeit im Sinne des § 4 Abs. 4 Satz 1 DVO vorliegt. Denn solche Beschädigte können erfahrungsgemäß - wie im vorliegenden Fall auch aus dem Gutachten des H-Hauses zu schließen ist - ohne ein handbetriebenes Krankenfahrzeug auskommen. Daß dies auch beim Kläger bis zum Kauf des Pkw's im Jahre 1963 der Fall war, konnte das LSG aus dem festgestellten Sachverhalt schließen. Denn es ist weder festgestellt noch von der Revision geltend gemacht, daß sich der Kläger jemals um die Gewährung eines handbetriebenen Krankenfahrzeuges bemüht oder versucht hätte, ein solches in seiner Wohngegend zu benutzen. Es ist im Gegenteil aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens zu folgern, daß der Kläger mit einem handbetriebenen Krankenfahrzeug bei Ausübung seines Berufs schon deshalb nichts anfangen könnte, weil er nach dem Gutachten des H-Hauses seine Kunden in einem Umkreis von etwa 50 - 100 km aufsuchen und dabei ca 60 - 70 kg Ware mitführen muß. Dieser Umstand stünde zwar der Feststellung, daß beim Kläger trotzdem durch orthopädische Hilfsmittel keine ausreichende Gehfähigkeit erzielt werden kann, nicht unbedingt entgegen. Andererseits genügen aber die durch die Berufsausübung des Klägers sich ergebenden besonderen Schwierigkeiten nicht, daß eine ausreichende Gehfähigkeit im Sinne des § 4 Abs. 4 Satz 1 DVO zu verneinen wäre. Daß der Kläger für die Erfüllung seiner beruflichen Verpflichtungen als Edelsteinkommissionär und -lieferant einen Pkw benötigt, hat das LSG nicht bezweifelt, zumal auch das Gutachten des H-Hauses betont hatte, der Kläger sei zur Erfüllung dieser beruflichen Verpflichtungen ohne Zweifel auf einen Pkw angewiesen. Mit Recht hat aber das LSG ausgeführt, es komme seit Inkrafttreten der DVO idF vom 6. Juni 1961, insbesondere auch nach der Fassung der DVO vom 30. Oktober 1964, nicht mehr darauf an, ob der Beschädigte für Berufszwecke auf ein Kraftfahrzeug angewiesen ist. Während in § 5 Abs. 2 Satz 1 DVO zu § 13 BVG vom 18. August 1956 (BGBl I, 751) noch bestimmt war, daß dem Beschädigten ein Zuschuß zur Beschaffung eines Motorfahrzeuges gewährt werden kann, "sofern er für Berufszwecke hierauf angewiesen ist", ist in § 5 Abs. 1 DVO idF vom 6. Juni 1961 (BGBl I, 669) als Voraussetzung zur Zuschußgewährung nur noch auf § 4 Abs. 4 DVO verwiesen, der mit der jetzigen Fassung der Vorschrift des § 4 Abs. 4 DVO übereinstimmt. Statt dessen wird in § 13 Abs. 1 bzw. 4 der Verordnung zur Kriegsopferfürsorge in den Fassungen vom 30. Mai 1961 (BGBl I, 653, 656) und vom 27. August 1965 (BGBl I, 1082, 1085) die beruflich bedingte Notwendigkeit zur Haltung eines Kraftfahrzeuges im Wege der Kriegsopferfürsorge (zur Erreichung seines Arbeitsplatzes) berücksichtigt. Da insoweit kein Streit besteht und die Feststellung des LSG, daß der Kläger die entsprechende Leistung aus der Kriegsopferfürsorge, nämlich ein zinsloses Darlehn von 1.500,- DM, schon im März 1964 erhalten hat, von der Revision nicht angegriffen ist, konnte der Senat von weiteren Ausführungen hierzu absehen. Ob der Beruf bei einer auf den Einzelfall abgestellten Prüfung des Bedürfnisses wenigstens insoweit zu berücksichtigen ist, als es sich um den Berufsweg bis zum nächsten öffentlichen Verkehrsmittel oder zum (ständigen) Arbeitsplatz handelt, oder ob es Sinn der Vorschrift sein kann, einem Beschädigten etwa auch für berufliche Wege, auf denen sich jeder Gesunde eines anderweitigen Verkehrsmittels bedienen müßte, einen Krankenfahrstuhl zu gewähren (vgl. hierzu van Nuis/Vorberg aaO S. 87, 87 a und die dort zitierte Rechtsprechung) kann zweifelhaft sein, nachdem gemäß § 13 Abs. 4 der geänderten VO zur Kriegsopferfürsorge idF vom 27. August 1965 für den Fall, daß der Beschädigte zur Erreichung seines Arbeitsplatzes infolge der Schädigung auf die Benutzung eines Kraftfahrzeuges angewiesen ist, Hilfen zur Beschaffung eines Kraftfahrzeuges gewährt werden. Diese Frage brauchte hier jedoch nicht entschieden zu werden, da der Sachverhalt hierzu keinen Anlaß bietet. Denn der Kläger ist selbständiger Edelsteinkommissionär und -lieferant. Soweit er größere Fahrten ausführen muß, dienen sie zum Besuch seiner Kunden, wobei er schweres Gepäck mit sich führt. Unter solchen Umständen wäre aber auch eine gesunde, voll gehfähige Person auf einen Pkw angewiesen.

Das LSG konnte nach alledem dem Gutachten des Chefarztes der Orthopädisch-Chirurgischen Klinik H-Haus vom 1. Juli 1966 folgen, das in Kenntnis der nicht ganz einheitlichen Beurteilung der Orthopädischen Universitätsklinik B (Prof. Dr. R) erstattet worden ist. In diesem Gutachten des Dr. F heißt es eindeutig, daß der Kläger mit orthopädischen Schuhen "gut versorgt" und ein handbetriebenes Fahrzeug nicht erforderlich sei. Damit konnte das LSG die in § 4 Abs. 4 Satz 1 DVO geforderte Voraussetzung für ein handbetriebenes Krankenfahrzeug, daß nämlich mit Hilfe von orthopädischen Hilfsmitteln eine den Bedürfnissen des Beschädigten entsprechende Gehfähigkeit nicht erzielt werden kann, für den vorliegenden Fall verneinen. Prof. Dr. R hat zu dem Erfordernis eines handbetriebenen Krankenfahrzeuges nicht Stellung genommen. Er hat im Gutachten vom 21. Juli 1964 die berufliche Inanspruchnahme des Klägers stark herausgestellt und betont, zur prompten Belieferung seines Kundenkreises, der in einem Umkreis bis zu 100 km ansässig sei, benötige der Kläger "dringend einen Pkw", er "dürfte" in seinem neuen Beruf nicht in der Lage sein, die Bedürfnisse seiner Kunden zu Fuß zu befriedigen; "zur Erfüllung seiner beruflichen Verpflichtungen" werde die Anschaffung eines Pkw's für erforderlich gehalten. Erst in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 30. September 1964 hat er dann erklärt, daß dem Kläger "auch im Allgemeinen - ohne Berücksichtigung seines Berufes - keine ausreichende Gehfähigkeit, selbst durch Versorgung mit orthopädischem Schuhwerk, gegeben worden" sei. Das LSG konnte diese gutachtliche Äußerung des Prof. Dr. R bei kritischer Würdigung ohne weiteres dahin werten, daß damit zur Überzeugung des Gerichts im wesentlichen nur dargelegt sei, daß der Kläger aus den geschilderten beruflichen Gründen einen Pkw benötige, nicht jedoch, daß die Voraussetzungen der Gewährung eines handbetriebenen Krankenfahrzeugs gegeben seien. Steht dem Kläger sonach kein handbetriebenes Krankenfahrzeug zu, so kann es auch keine Rolle spielen, ob er ein solches wegen bergiger Wohngegend etwa nicht benutzen könnte. Im übrigen fehlt es an hinreichend stichhaltigen Anhaltspunkten dafür, daß der in der Industrie-Stadt I wohnhafte Kläger mit besonderen Schwierigkeiten einer "bergigen Wohngegend" zu kämpfen hätte.

Da das LSG sonach bereits die Voraussetzungen des § 4 Abs. 4 Satz 1 DVO ohne Gesetzesverstoß verneinen konnte, begegnet seine Feststellung, daß die Versagung des Zuschusses nicht ermessensfehlerhaft sei, keinen Bedenken. Das inzwischen in Kraft getretene 3. NOG vom 28. Dezember 1966 (BGBl I, 750) regelt die Gewährung von solchen Zuschüssen nun in § 11 Abs. 3 BVG, und zwar in ähnlichem Sinne. Allerdings ist in § 10 Abs. 1, auf den § 11 Abs. 3 ausdrücklich verweist, neu bestimmt worden, daß die in § 11 geregelte Heilbehandlung auch gewährt wird, um die - schädigungsbedingten - Gesundheitsstörungen oder die durch sie bewirkte Beeinträchtigung der Berufs- oder Erwerbsfähigkeit zu beseitigen oder zu bessern oder die Folgen der Schädigung zu erleichtern. Daß damit der in der DVO geforderte Nachweis nicht ausreichender Gehfähigkeit gemildert worden wäre, kann jedoch nicht angenommen werden, weil orthopädische Versorgung nach § 13 Abs. 1 Satz 1 BVG in der Fassung des 2. NOG ebenfalls schon gewährt wurde, um die Folgen der Schädigung zu erleichtern. Demgemäß bringt auch die DVO zu § 11 Abs. 3 und §§ 13 und 15 BVG vom 18. Dezember 1967 (BGBl I, 1285) insoweit keine wesentliche Änderung, jedenfalls keine Verbesserung (vgl. § 2 Nr. 1, § 5 Abs. 1 Nr. 1 und 2, § 1 Nr. 10, § 4 Abs. 4), wo bestimmt wird, daß die - in Frage kommenden - Behinderten hinsichtlich des Ausmaßes der Gehbehinderung den einzeln aufgeführten Querschnittsgelähmten, Beinamputierten usw. "gleichzuachten" sein müssen). Daß die orthopädische Versorgung, wie sie in den DVOen geregelt ist, vor allem auch einer Erleichterung der Schädigungsfolgen dient, kann im übrigen nicht zweifelhaft sein. Jedoch kann aus diesem Zweck der orthopädischen Versorgung nicht die Forderung abgeleitet werden, jeder Gehbehinderte müsse Hilfsmittel oder Ersatzleistungen in einem solchen Ausmaß erhalten, daß der "einem Nichtgehbehinderten" gleichgestellt sei.

Da nach alledem das angefochtene Urteil im Ergebnis nicht zu beanstanden war, mußte die Revision als unbegründet zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2324406

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