Beteiligte
Kläger und Revisionskläger |
Bundesanstalt für Arbeit, Nürnberg, Regensburger Straße 104, Beklagte und Revisionsbeklagte |
Tatbestand
I.
Streitig ist die Erstattung überzahlter Arbeitslosenhilfe (Alhi) in Höhe von 3.414, 60 DM für die Zeiträume vom 8. Dezember 1983 bis 22. Februar 1984 und 31. Januar bis 9. April 1985.
Die Bundesanstalt für Arbeit (BA) bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 9. August 1983 Alhi in Höhe von anfangs wöchentlich 170, 40 DM (täglich 28, 40 DM) und ab 2. Januar 1984 wöchentlich 163, 80 DM (täglich 27, 30 DM). Während des erstgenannten Zeitraumes wurden von der Leistung wöchentlich 28, 68 DM an das Kreisjugendamt Eutin zum Unterhalt eines 1982 geborenen nichtehelichen Kindes des Klägers abgezweigt.
Nachdem sich herausgestellt hatte, daß der Kläger vom 8. Dezember 1983 bis zum 12. März 1984 in der Justizvollzugsanstalt Lübeck in Untersuchungshaft war, hob die BA - nach vorheriger Anhörung - mit Bescheid vom 5. April 1984 die Bewilligung der Alhi ab 8. Dezember 1983 gemäß § 48 Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch - (SGB X) auf und forderte die Erstattung von zu Unrecht gezahlten Leistungen für die Zeit vom 8. Dezember 1983 bis 22. Februar 1984 in Höhe von 1.824, 90 DM.
Nach zwischenzeitlicher Beschäftigung (16. Juli bis 28. September 1984) meldete sich der Kläger am 31. Oktober 1984 erneut arbeitslos und beantragte die Wiederbewilligung der Alhi. Die BA bewilligte die Leistung ab 31. Oktober 1984 in Höhe von wöchentlich 169, 20 DM (Bescheid vom 17. Dezember 1984); ab Januar erhöhte sich der Zahlbetrag auf 169, 80 DM wöchentlich (28, 30 DM täglich). Es erfolgte wiederum bis 9. April 1985 eine Abzweigung in Höhe von wöchentlich 28, 68 DM an das Kreisjugendamt Eutin.
Nachdem der Kläger zwei Meldetermine (9. und 16. April 1985) versäumt hatte, hob die BA die Leistungsbewilligung ab 10. April 1985 auf und stellte das Ruhen des Anspruchs nach § 120 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) fest (Bescheid vom 5. Juni 1985). Mit Schreiben vom 14. Juli 1986 teilte der Kläger der BA mit, er sei seit 31. Januar 1985 inhaftiert, habe dies aber nicht eher mitteilen können, weil ihm die Korrespondenz aus dem Jahre 1985 von seinen Eltern nicht nachgesandt und erst jetzt zugänglich gemacht worden sei. Nach seinem plötzlichen Haftantritt hätten seine Eltern die notwendige Abmeldung aus dem Leistungsbezug offenbar nicht vorgenommen, so daß er ohne seine Kenntnis noch für die Zeit vom 1. Februar bis 9. April 1985 Leistungen erhalten habe, die seine Eltern unberechtigterweise einbehalten hätten. Er versichere, das Geld nicht erhalten zu haben.
Die BA ermittelte sodann, daß in der Zeit vom 30. Januar bis 10. April 1985 sechsmal 336, 60 DM postbar an die Eltern des Klägers ausgezahlt wurden. Im Anschluß an eine Auskunft der Justizvollzugsanstalt Neumünster, die bestätigte, daß der Kläger dort seit dem 31. Januar 1985 in Haft war, wies die BA den Kläger mit Schreiben vom 5. September 1986 darauf hin, daß er aufgrund verspäteter Änderungsmitteilung trotz Fehlens der rechtlichen Voraussetzungen ab 31. Januar bis zum 9. April 1985 noch Leistungen in Höhe von 1.669, 70 DM erhalten habe. Vor einer Entscheidung über die Erstattungspflicht erhalte er Gelegenheit zur Äußerung. Der Kläger teilte der BA mit Schreiben vom 8. September 1986 mit, er habe in der Zeit vom 8. Dezember 1983 bis 12. März 1984 "das Arbeitslosengeld" nicht erhalten, weil er sich in der Untersuchungshaftanstalt Lübeck befunden habe. Mit weiterem Schreiben vom 15. September 1986 bat er um einen Gesprächstermin "zur Klärung dieser Angelegenheit". Das Gespräch fand am 28. Oktober 1986 im Arbeitsamt Lübeck statt; der Kläger bestätigte schriftlich, er habe weder seinen Eltern noch seinem Bruder Kai "Vollmacht für Geldzahlungen gegeben". Sie seien nicht befugt gewesen, das Geld für den Zeitraum 1984 und vom 31. Januar bis 9. April 1985 in Empfang zu nehmen.
Mit Bescheid vom 3. November 1986 hob die BA die Alhi-Bewilligung ab 31. Januar 1985 gemäß § 48 SGB X wegen fehlender Verfügbarkeit des Klägers auf, wies auf den Bescheid vom "4.5.1985" (richtig: 5.4.1984) und die darin enthaltene Aufhebung und Rückforderung hin und stellte insgesamt die Entscheidung über eine Erstattungspflicht des Klägers bis zu einer endgültigen Klärung des Sachverhaltes zurück.
Die BA ermittelte, daß die Bundespost ab 23. Dezember 1983 bis zum 9. März 1984 die laufenden Leistungen an die Mutter des Klägers als Ersatzempfängerin bar ausgezahlt hatte. Dazu bestätigte die Oberpostdirektion Hamburg, daß nach § 51 Abs. 4 der Postordnung (PostO) Anweisungen bis zum Betrage von 1.000,-- DM auch an Eltern oder Kinder des Empfängers ausgezahlt werden dürften.
Unter dem 23. Juni 1987 erteilte die BA dem Kläger zwei Erstattungsbescheide. Im ersten Bescheid verwies sie auf den Bescheid vom 3. November 1986 betreffend die Aufhebung der Leistungsbewilligung ab 31. Januar 1985 und stellte fest, der Kläger sei gemäß § 50 Abs. 1 SGB X zur Erstattung der Überzahlung von 1.669, 70 DM verpflichtet. Zunächst habe sie jedoch die Forderung gegenüber seinen Eltern geltend gemacht und sehe daher ihm gegenüber noch von der Beitreibung ab. Im zweiten Bescheid teilte sie dem Kläger mit, sie habe unter Berücksichtigung seiner Einwendungen den Erstattungsbescheid vom 5. April 1984 nochmals überprüft. Die Forderung von 1.824, 90 DM bestehe zu Recht. Auch diese habe sie zunächst seinen Eltern gegenüber geltend gemacht, wodurch jedoch seine Erstattungspflicht nicht entfalle. Außerdem habe er den an das Kreisjugendamt Eutin überwiesenen Betrag von 315, 48 DM zu erstatten.
Nach erfolglosem Widerspruch hat der Kläger Klage erhoben, mit der er die Aufhebung der angefochtenen Bescheide insoweit verlangt, als von ihm - abzüglich eines von ihm anerkannten Betrages in Höhe von 80,-- DM - die Erstattung von 3.414, 60 DM gefordert wird. Das Sozialgericht (SG) hat Beweis erhoben durch Zeugenvernehmung der Eltern des Klägers und mit Urteil vom 9. Februar 1989 der Klage stattgegeben.
Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 15. März 1990). Es hat ausgeführt, der Tatbestand des "Erbringens" i.S. des § 50 Abs. 1 SGB X setze nicht unerläßlich voraus, daß die Leistung dem Berechtigten i.S. einer Bereicherung zugeflossen sei. Insofern decke sich der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch nicht mit der zivilrechtlichen Bereicherungskondiktion. Bezüglich der Leistungsübermittlung habe der Kläger in den Antragsformularen darum gebeten, daß postbar gezahlt werden sollte. Dieser Bitte habe die BA entsprochen. Zur Vereinbarung der Beteiligten, die Leistung unter Beachtung der für Postbarzahlungen gesetzlich vorgesehenen Modalitäten zu bewirken, gehöre nach § 51 Abs. 4 PostO, daß im Fall der Abwesenheit des Leistungsadressaten die Leistung u.a. an dessen Eltern als Ersatzempfänger ausgezahlt werden könne. Dies sei hier geschehen. Durch Auszahlung an die Eltern sei die Leistung folglich i.S. von § 50 Abs. 1 SGB X erbracht. Dies gelte auch für den Teil der Leistung, der gemäß § 48 Sozialgesetzbuch - Erstes Buch - (SGB I) abgezweigt und an das Jugendamt der Stadt Eutin überwiesen worden sei. Insoweit sei das Schuldverhältnis durch den vom Kläger seinerzeit nicht angefochtenen und demzufolge rechtsverbindlich gewordenen Abzweigungsbescheid inhaltlich verändert und die Leistung dementsprechend von der BA bewirkt worden.
Mit der zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 50 Abs. 1 SGB X. Eine "erbrachte" Leistung i.S. dieser Bestimmung setze eine Bereicherung bei dem Leistungsempfänger voraus. Dies entspreche der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch. Das LSG habe zu Unrecht auf den schuldrechtlichen Begriff der "Erfüllung" abgestellt, der mit dem Erbringen einer Leistung i.S. des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruches nichts zu tun habe. Im übrigen sei es unzulässig, die - ihm unbekannten - Risiken der Postbarzahlung auf ihn abzuwälzen.
Der Kläger beantragt, das Urteil des LSG und die Bescheide der Beklagten vom 23. Juni 1987 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Dezember 1987 insoweit aufzuheben, als er zur Erstattung eines Betrages in Höhe von DM 3.414, 60 verpflichtet worden ist.
Die Beklagte beantragt, die Revision des Klägers als unzulässig zu verwerfen, soweit sie sich gegen die Abzweigung von Leistungsbeträgen gemäß § 48 SGB I richtet, im übrigen, die Revision zurückzuweisen.
Zur Erstattung der abgezweigten Leistungsanteile sei die Revision mangels ausreichenden Vortrags unzulässig. Der Schuldnerschutz sei schon bei der Aufhebung des Leistungsbescheides nach § 45 Abs. 2 bis 4 SGB X und deshalb nicht mehr beim Erstattungsanspruch nach § 50 SGB X zu berücksichtigen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet.
Hinsichtlich der Verpflichtung des Klägers zur Erstattung auch derjenigen Leistungsanteile, die gemäß § 48 SGB I von den zu zahlenden Beträgen an das Jugendamt Eutin abgezweigt worden sind, ist die Revision - entgegen der Rechtsauffassung der BA -zulässig. Die Revisionsbegründung des Klägers enthält zwar insoweit keine näheren Darlegungen; doch die vom Kläger gegebene Revisionsbegründung, wonach als erbrachte Leistungen i.S. des § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X nur die ihm tatsächlich zugeflossenen Leistungen anzusehen seien, betrifft auch seine Verpflichtung zur Erstattung der abgezweigten Leistungsteile. Insoweit hat das LSG in seiner Entscheidung ausdrücklich betont, daß es unabhängig von der Frage der Unterhaltspflicht für die Zurechnung der Leistung nicht auf den vermögensvermehrenden Zufluß ankomme. Die vom Kläger gegebene Begründung entspricht demzufolge - auch unter Beachtung der von der BA zitierten Rechtsprechung des erkennenden Senats (BSG SozR 1500 § 164 Nrn 12 und 20) - den Anforderungen des § 164 Abs. 2 Satz 3 SGG. Die BA verlangt zu Recht vom Kläger die Erstattung von Alhi in Höhe von 3.494, 60 DM. Diese Rückforderung von Alhi greift der Kläger nicht an, soweit sie 80,-- DM beträgt. In diesem Umfang sind die angefochtenen Bescheide der BA vom 23. Juni 1987 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Dezember 1987 bindend geworden (§ 77 SGG). Streitig ist also nur noch ein Erstattungsbetrag in Höhe von 3.414, 60 DM.
Die angefochtenen Bescheide enthalten zwei Verfügungssätze, nämlich zum einen die Aufhebung der Bewilligung von Alhi für die Zeiträume vom 8. Dezember 1983 bis zum 22. Februar 1984 bzw. vom 31. Januar bis 9. April 1985 und zum anderen die Erstattungsverpflichtung des Klägers hinsichtlich der danach zu Unrecht gezahlten Alhi. Die BA hat zwar bereits mit Bescheid vom 5. April 1984 und 3. November 1986 für die jeweils genannten Zeiträume die Alhi aufgehoben und Erstattung der Leistungen in Höhe von 1.824, 90 DM und 1.669, 70 DM gefordert. In den angefochtenen Bescheiden vom 23. Juni 1987 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Dezember 1987 hat sie jedoch aufgrund der Einwendungen des Klägers die Aufhebung und Erstattung nochmals überprüft und in diesen Zweitbescheiden die alten Verwaltungsakte bestätigt, so daß bezüglich der früheren Verwaltungsakte keine Bindungswirkung (§ 77 SGG) eingetreten ist.
Über die Rechtsmäßigkeit der Aufhebung der Alhi-Bewilligung für die genannten Zeiträume hat der Senat nicht zu entscheiden; denn der Kläger hat diesen Teil der Bescheide der BA nicht angefochten. Dies folgt ohne weiteres aus seinem Klageantrag und dem Vorbringen im Verfahren. Mit der Klage hat er beantragt, die genannten Bescheide aufzuheben, soweit von ihm die Erstattung von 3.414, 60 DM verlangt wird. Auch mit der Revision rügt der Kläger nur die Verletzung von § 50 SGB X, also der Vorschrift über die Erstattung von Leistungen. Schließlich hat er auch sein Klageziel im Revisionsantrag ausdrücklich dahin formuliert, die angefochtenen Verwaltungsakte insoweit aufzuheben, als von ihm ein Betrag in Höhe von 3.414, 60 DM verlangt wird. Verfolgt der Kläger somit nur das Ziel der Aufhebung der angefochtenen Verwaltungsakte, soweit von ihm mehr als 80,-- DM zurückgefordert werden, betrifft seine Klage die gleichzeitig ausgesprochene Aufhebung der Alhi-Bewilligung nicht (vgl. auch BSG Urteil vom 17. Januar 1991 - 7 RAr 72/90 - BSG SozR 3-1300 § 50 Nr. 7). Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG SozR 1300 § 50 Nr. 16) können bei bindend gewordener rückwirkender Aufhebung der Leistungsbewilligung die dort rechtserheblichen Fragen des § 48 Abs. 1 SGB X bei der Rechtmäßigkeit der Rückforderung nach § 50 Abs. 1 SGB X nicht erneut geprüft werden.
Nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) gelangten aufgrund der Bewilligung von Alhi für die Zeiträume vom 8. Dezember 1983 bis zum 22. Februar 1984 und vom 31. Januar bis zum 9. April 1985 seitens der Beklagten insgesamt 3.494, 60 DM zur Auszahlung; davon wurden an das Kreisjugendamt Eutin (aufgrund der Abzweigung) 315, 48 DM überwiesen, während in diesen Zeiträumen die Eltern des Klägers einen Betrag in Höhe von insgesamt 3.179, 12 DM postbar ausgezahlt erhielten, wovon wiederum 80,-- DM unstreitig an den Kläger weitergeleitet wurden.
Nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist. Hier ist die Bewilligung von Alhi an den Kläger für die Zeit vom 8. Dezember 1983 bis zum 22. Februar 1984 und vom 31. Januar bis zum 9. April 1985 bindend aufgehoben worden; für die gleiche Zeit hatte die BA aufgrund der aufgehobenen Alhi-Bewilligung Leistungen in Höhe von 3.494, 60 DM "erbracht". Von diesem Betrag sind zwar nur 80,-- DM unstreitig dem Kläger zugeflossen. Der Kläger muß sich jedoch sowohl den an das Kreisjugendamt ausbezahlten Betrag in Höhe von 315, 48 DM als auch den an seine Eltern postbar ausbezahlten Betrag in Höhe von 3.179, 12 DM zurechnen lassen. Er hat diese Beträge in Höhe von insgesamt 3.414, 60 DM als eine von der BA erbrachte Leistung ebenso zu erstatten wie den Betrag, den er selbst erhalten hat.
§ 50 SGB X normiert einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch bei zu Unrecht erbrachten Sozialleistungen. Dies ist kein öffentlich-rechtlicher Bereicherungsanspruch und beruht auch nicht auf einer Analogie zu den §§ 812ff. BGB. Das bestätigen die Gesetzesmaterialien, wonach die in § 48 Abs. 1 des Regierungsentwurfs des SGB X noch vorgesehene Verweisung auf die Vorschriften des Bereicherungsrechts im Gesetzgebungsverfahren gestrichen worden sind (BT-Drucks 8/4022 zu § 48 SGB X).
Nach § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X sind "erbrachte" Leistungen zu erstatten. Das Erbringen umfaßt die Erfüllungshandlung der Behörde und den Erfolg (Zufluß). Die Leistungshandlung der BA diente hier unstreitig dem Zweck, dem Kläger den zuvor bewilligten Vermögensvorteil zu verschaffen. Daraus folgt indes nicht, daß der Leistungserfolg nur eintritt, wenn die Leistung dem aus dem Verwaltungsakt Berechtigten tatsächlich zugeflossen ist. Nur wenn die Leistung an einen weder zum Leistenden noch zum Berechtigten in einer Rechtsbeziehung stehenden - unbeteiligten - Dritten fließt, fehlt es am Leistungserfolg und damit am Erbringen i.S. des § 50 SGB X (vgl. Schneider-Danwitz, SGB - SozVers - Gesamtkommentar, § 50 SGB X Anm. 17, 18). Wird also an einen Dritten (hier: Eltern, Kreisjugendamt) geleistet, so ist zunächst zu prüfen, ob die Leistung einem beteiligten oder unbeteiligten Dritten zugeflossen ist. Dabei genügt für eine Beteiligung, daß der Leistungsträger eine solche Rechtsbeziehung des Dritten zum Leistungsberechtigten annimmt (vgl. Schneider-Danwitz a.a.O. Anm. 18c - etwa beim Vertreter ohne Vertretungsmacht oder beim eigenmächtigen Boten). Ist die Leistung nicht dem (vermeintlich) Berechtigten, sondern einem beteiligten Dritten zugeflossen, ist zu klären, ob der Forderungsinhaber oder der tatsächliche Empfänger oder beide Empfänger i.S. des § 50 SGB X sind (vgl. BSG SozR 1300 § 50 Nr. 16).
Soweit es um die postbaren Auszahlungen der Alhi an die Eltern des Klägers geht, ist der Kläger Leistungsempfänger, für den die Beklagte die Alhi entsprechend dem Inhalt des der Leistung zugrundeliegenden Sozialrechtsverhältnisses an dessen Eltern gezahlt hat.
Nach § 47 SGB I sollen, soweit die besonderen Teile dieses Gesetzbuchs keine Regelung enthalten, Geldleistungen kostenfrei auf ein Konto des Empfängers bei einem Geldinstitut überwiesen oder, wenn der Empfänger es verlangt, kostenfrei an seinen Wohnsitz übermittelt werden. Da das AFG insoweit keine Sonderbestimmungen enthält, kommt es damit auf das Verlangen des Leistungsempfängers an. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des LSG hat der Kläger um postbare Auszahlung der Leistungen gebeten; dieser Bitte hat die BA entsprochen. Aus dieser vom Kläger bezeichneten Zahlungsmodalität hat das LSG zu Recht gefolgert, daß die Leistung unter Beachtung der für Postbarzahlungen vorgesehenen Modalitäten zu bewirken war.
Die PostO vom 16. Mai 1963 (BGBl. I 341) ist gemäß § 14 des Postverwaltungsgesetzes durch den Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen für die Benutzung der Einrichtungen des Post- und Fernmeldewesens erlassen worden. Die Vorschriften der PostO gelten nicht nur im Verhältnis des Benutzers (hier der BA) zur Bundespost, sondern auch im Verhältnis zum Kläger, der durch die gewünschte postbare Zahlung die Art der Übermittlung der Leistung bestimmt hat (vgl. Palandt, Komm zum BGB, § 270 Anm. 2; siehe auch das Zustellungsverfahren nach dem Verwaltungszustellungsgesetz - Kohlrust-Eimert, Komm zum VwZG, § 4 Anm. 4b).
§ 51 Abs. 4 PostO sieht vor, daß im Fall der Abwesenheit des Leistungsadressaten die Leistung u.a. an dessen Eltern als Ersatzempfänger ausgezahlt werden kann. Dies ist hier geschehen. Damit hat die BA - denn durch die Untersuchungshaft hat sich der Wohnsitz des Klägers nicht geändert - aus ihrer Sicht alles getan, um die nach dem dargelegten Inhalt des Sozialrechtsverhältnisses geschuldete Leistung zu erbringen. Auch wenn also die Leistung nicht an den Kläger selbst postbar ausbezahlt worden ist, wurde von der BA für den Kläger mit dessen Willen an die Eltern als beteiligte Dritte gezahlt, so daß sich der Kläger die Zahlungen als empfangen zurechnen lassen muß. Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn der Kläger seinen Willen, daß eine postbare Zahlung nur an ihn persönlich erfolgen sollte, durch entsprechende Erklärung zum Ausdruck gebracht hätte oder die BA den Umständen nach von einer insoweit fehlenden Zustimmung des Klägers ausgehen mußte. Dies war jedoch nicht der Fall, zumal die Mutter des Klägers bereits in dem ersten Zeitraum während der Untersuchungshaft des Klägers die Zahlungen entgegengenommen hatte und dem Kläger die Leistungserbringung jedenfalls aufgrund des Erstattungsbescheides der BA vom 5. April 1984 bekannt sein mußte. Der Einwand des Klägers, er habe mit der gewünschten "postbaren" Leistung nur eine postbare Zahlung an sich, nicht jedoch an Dritte gewollt und ihm seien die Bestimmungen der PostO nicht bekannt gewesen, vermag zu keinem anderen rechtlichen Ergebnis zu führen. Nach der Regel des § 133 BGB, die auch für die Auslegung von Willenserklärungen im Sozialrecht entsprechend gilt (vgl. BSG SozR 1300 § 50 Nr. 16), ist bei der Auslegung einer Willenserklärung der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Damit ist nicht gemeint, daß es für die Auslegung entscheidend nur auf den inneren Willen des Erklärenden ankommt. Vielmehr sind empfangsbedürftige Willenserklärungen so auszulegen, wie sie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mußte (st Rspr, vgl. BGH 36, 33; 47, 78; NJW 82, 2235; 86, 1683). Bei der Auslegung dürfen daher nur solche Umstände berücksichtigt werden, die für den Erklärungsempfänger erkennbar waren. Auf seinen "Horizont" und seine Verständnismöglichkeit ist die Auslegung abzustellen, und zwar auch dann, wenn der Erklärende die Erklärung anders verstanden hat und auch verstehen durfte. Entscheidend ist also im Ergebnis nicht der empirische Wille des Erklärenden, sondern der durch normative Auslegung zu ermittelnde objektive Erklärungswert seines Verhaltens (BGH 36, 33). Ein dem objektiven Erklärungswert seines Verhaltens entgegenstehender Wille des Klägers ist - auch nach Ansicht des LSG - nicht zum Ausdruck gekommen, so daß er auch unter Berücksichtigung der Auslegungsregel des § 133 BGB unbeachtlich ist. Insoweit kann dahingestellt bleiben, ob das Revisionsgericht grundsätzlich an die Auslegung einer individuellen Willenserklärung durch das Tatsachengericht gebunden ist oder sie selbst auslegen darf.
Auch den an das Jugendamt abgezweigten Betrag in Höhe von 315, 48 DM muß sich der Kläger zurechnen lassen.
Die Abzweigung beruht auf der Anwendung des § 48 Abs. 1 SGB I durch die Beklagte. Nach dieser Vorschrift können laufende Geldleistungen, die - wie die Alhi - der Sicherung des Lebensunterhalts zu dienen bestimmt sind, in angemessener Höhe an den Ehegatten oder die Kinder des Leistungsberechtigten ausgezahlt werden, wenn er ihnen gegenüber seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht nachkommt (Satz 1). Die Auszahlung kann auch an die Person oder Stelle erfolgen, die dem Ehegatten oder den Kindern Unterhalt gewährt (Satz 2 aF, jetzt Satz 4). Die auf § 48 SGB I gestützte Verfügung des Leistungsträgers, eine bestimmte Sozialleistung in bestimmter Höhe an einen Dritten und nicht an den Leistungsberechtigten auszuzahlen, ändert zwar nichts an der Anspruchsberechtigung. Soweit der Leistungsträger die Sozialleistung einem Dritten zukommen läßt, verfügt er jedoch anstelle des Leistungsberechtigten. Dies hat der 7. Senat des BSG in der bereits zitierten Entscheidung vom 17. Januar 1991 (BSG SozR 3-1300 § 50 Nr. 7) ausdrücklich nochmals klargestellt.
Wie dort weiter ausgeführt ist, handelt es sich bei der Abzweigung nach § 48 Abs. 1 SGB I zwar um eine Ermessensentscheidung, jedoch müssen die tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschrift gegeben sein, was sowohl vorab von der BA als auch im Streitfall von den Gerichten zu prüfen ist. Zu dieser Prüfung gehört auch, ob der Leistungsberechtigte gegenüber dem Ehegatten oder Kindern als Abzweigungsbegünstigten unterhaltspflichtig ist und dieser Pflicht nicht nachkommt. Erst nach Feststellung dieser Tatbestandsmerkmale ist die Beklagte zur Ausübung ihres Ermessens berechtigt und verpflichtet, ob und in welchem Umfang sie eine Abzweigungsregelung trifft. Sie greift mit der Entscheidung zur Abzweigung in die Rechte des Leistungsberechtigten ein; denn Teile der ihm zustehenden Leistung werden nunmehr nicht mehr ihm, sondern einem Dritten ausbezahlt. Demgemäß hat sie den Leistungsberechtigten vor der Entscheidung gemäß § 24 Abs. 1 SGB X anzuhören. Die Entscheidung, eine Abzweigung vorzunehmen, ist dem Leistungsberechtigten bekanntzugeben, damit sie ihm gegenüber wirksam wird (§§ 37 Abs. 1, 39 Abs. 1 und 2 SGB X). Der Leistungsberechtigte hat schließlich das Recht, zu seinem Nachteil lautende Abzweigungsentscheidungen vor den Sozialgerichten anzufechten.
Aus dieser rechtlichen Ausgestaltung des Abzweigungsverfahrens folgert der 7. Senat in der zitierten Entscheidung, daß sich der Leistungsberechtigte mit allen relevanten Einwänden Gehör zu verschaffen vermöge, die er gegenüber der Auszahlung von Teilen der ihm zustehenden Leistung an Dritte besitze. Es müsse davon ausgegangen werden, daß er von diesem Recht auch Gebrauch mache, wenn er mit der angekündigten oder angeordneten Abzweigung nicht einverstanden sei. Dies werde insbesondere dann der Fall sein, wenn er der Meinung sei, daß eine Unterhaltspflicht gar nicht bestehe. Wende sich der Leistungsberechtigte hingegen dem Grunde nach weder gegen das Vorhaben einer Abzweigung noch gegen die dementsprechende Entscheidung, obwohl ihm diese eröffnet sei, folge daraus, daß er damit einverstanden sei. Er stehe rechtlich so da, als ob er in die Auszahlung eines Teils der ihm zustehenden Leistung durch den Leistungsträger an einen Dritten einwillige oder sie jedenfalls genehmige. Diese Schlußfolgerung bedeutet nach der Auffassung des 7. Senats zugleich, daß der Leistungsberechtigte sich die abgezweigten Leistungsteile ungeachtet ihrer tatsächlichen Auszahlung an einen Dritten als i.S. von § 50 Abs. 1 SGB X an sich erbracht zurechnen lassen müsse.
Dieser Auffassung des 7. Senats schließt sich der erkennende Senat an. Eine Aufhebung der Bewilligungsentscheidung zugunsten des Abzweigungsberechtigten war hier nicht erforderlich. Denn mit der Aufhebung der Alhi-Bewilligung nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X ist gleichzeitig die Abzweigung von Alhi an das Kreisjugendamt in Höhe von wöchentlich 28, 68 DM hinfällig geworden. Die Abzweigung hat nach Anspruchsvoraussetzung und Zweckbestimmung keinen selbständigen Charakter. Wie der 7. Senat in der zitierten Entscheidung vom 17. Januar 1991 (a.a.O.) ebenfalls bereits ausgeführt hat, ändert die auf § 48 SGB I gestützte Verfügung des Leistungsträgers, eine bestimmte Sozialleistung in bestimmter Höhe an einen Dritten und nicht an den Leistungsberechtigten auszuzahlen, nichts an der Anspruchsberechtigung des Leistungsberechtigten. Dieser bleibt - anders als bei der Abtretung oder der Pfändung (zu letzterer S. BSG SozR 1500 § 50 Nr. 17) -Anspruchsinhaber und der Leistungsträger verfügt, soweit er die Sozialleistung einem Dritten zukommen läßt, anstelle des Leistungsberechtigten (entsprechend § 362 Abs. 2 i.V.m. § 185 Abs. 1 BGB).
Die Wirksamkeit der Abzweigung ist mit der Aufhebung der Alhi-Bewilligung für die Zeiträume vom 8. Dezember 1983 bis zum 22. Februar 1984 und vom 31. Januar bis 9. April 1985 rückwirkend entfallen. Die auch für die Abzweigungsentscheidung maßgebliche Aufhebung der Alhi-Bewilligung durch die teilweise angefochtenen Verwaltungsakte bedeutet allerdings nicht, daß die Zahlung der abgezweigten Beträge für diese Zeiträume an das Kreisjugendamt ohne Rechtsgrund erfolgt ist. Im Zeitpunkt der Auszahlung erfolgte diese aufgrund der noch bestandskräftigen Bewilligung und Abzweigung. Sie war deshalb nicht rechtsgrundlos erfolgt; die bindende Aufhebung der Bewilligung bedeutet für die Beteiligten lediglich, daß die Auszahlung der Alhi an den Kläger und der abgezweigten Beträge an das Kreisjugendamt rechtswidrig waren. Die wirksame Aufhebung der Bewilligung ist Voraussetzung der Erstattungspflicht nach § 50 Abs. 1 SGB X. Zu erstatten hat die Leistungen derjenige, dem sie "erbracht" worden sind. Dies war hier der Kläger, der sich aus den dargelegten Gründen sowohl die an seine Eltern als auch die an das Kreisjugendamt ausgezahlten Beträge als i.S. von § 50 Abs. 1 SGB X erbracht zurechnen lassen muß.
Die Revision des Klägers ist nach alledem zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen