Leitsatz (amtlich)
1. Die für die Anerkennung einer Kriegsdienstzeit bei der deutschen Wehrmacht und einer anschließenden Zeit der Kriegsgefangenschaft als rentensteigernde Ersatzzeit nach deutschem Recht erforderliche Vorversicherungszeit ist nicht zurückgelegt, wenn vor der Kriegsdienstzeit keine deutschen, sondern nur niederländische Sozialversicherungsbeiträge entrichtet sind.
Dies gilt nur für Rentenansprüche, welche für die Zeit vor dem 1959-01-01 geltend gemacht werden.
2. Die für die Anerkennung einer Kriegsdienstzeit bei der deutschen Wehrmacht und einer anschließenden Zeit der Kriegsgefangenschaft als rentensteigernde Ersatzzeit nach deutschem Recht erforderliche Vorversicherungszeit ist auch dann zurückgelegt, wenn zwar keine deutschen Beiträge, wohl aber solche zu der Sozialversicherung eines Mitgliedsstaates der EWG vor Beginn der Kriegsdienstzeit entrichtet sind.
Dies gilt nur für Rentenansprüche, welche für die Zeit nach dem 1958-12-31 geltend gemacht werden.
Leitsatz (redaktionell)
Nach EWGV Art 177 entscheidet das Gericht der EWG auf Vorlage im Wege einer Vorabentscheidung über die Gültigkeit und Auslegung der Handlungen der Organe der Gemeinschaft, also auch über die Gültigkeit und Auslegung der EWG-Verordnungen. Während es den Gerichten der Mitgliedsstaaten der EWG in der Regel freisteht, ob sie solche Fragen dem Gericht der EWG zur Entscheidung vorlegen, müssen die letztinstanzlichen Gerichte der Mitgliedsstaaten der EWG die Vorabentscheidung des EWG-Gerichts herbeiführen. Dies kann jedoch nicht bedeuten, daß jede Auslegung einer EWG-V dem Gericht der EWG vorgelegt werden muß, sondern nur, daß eine Vorlage dann zu erfolgen hat, wenn ernstliche Auslegungszweifel bestehen.
Normenkette
RVO § 1268 Fassung: 1957-02-23; EWGV 3 Art. 28 Fassung: 1958-09-25; EWGVtr Art. 177 Fassung: 1957-03-25; EWGV 3 Anh G Fassung: 1958-09-25; RVWehrmV § 3 Fassung: 1939-10-13; RVWehrmV 1939 § 3 Fassung: 1939-10-13; SteigerungsbeträgeV § 1 Fassung: 1941-10-08; SteigerungsbeträgeV 1941 § 1 Fassung: 1941-10-08; SVAbk NLD Art. 14 Fassung: 1951-03-29
Tenor
Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 8. Februar 1961 und des Sozialgerichts in Düsseldorf vom 30. Januar 1958 aufgehoben, soweit sie die Zeit vor dem 1. Januar 1959 betreffen. Insoweit wird die Klage abgewiesen.
Im übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
Die Beklagte hat den Klägerinnen 2/3 der außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
Die Klägerin zu 1) ist die Witwe des am 31. Dezember 1955 verstorbenen Versicherten August St, die Klägerinnen zu 2) und 3) sind dessen Kinder.
St, der stets deutscher Staatsangehöriger gewesen ist, lebte vor dem zweiten Weltkrieg in Holland und übte dort seinen Beruf aus. Während der Jahre 1929 bis 1936 war er in abhängiger Stellung beschäftigt und legte in der niederländischen Rentenversicherung Beitragszeiten von insgesamt 222 Wochen zurück. In der Folgezeit führte er selbständig einen Handwerksbetrieb. Am 1. August 1942 wurde er zur deutschen Wehrmacht eingezogen und geriet am 19. März 1945 in Kriegsgefangenschaft. Aus dieser wurde er am 10. Dezember 1947 entlassen. Nicht lange danach musste er seinen bisherigen Wohnsitz in Holland aufgeben. Seitdem lebte er in dem Gebiet der heutigen Bundesrepublik. Er nahm am 4. September 1948 in M.-G. eine pflichtversicherte Tätigkeit auf, die er bis zu seinem Tode ausübte; es wurden für ihn - erstmalig - Beiträge zur deutschen Arbeiterrentenversicherung entrichtet.
Die Beklagte gewährte der Klägerin zu 1) sowie den Klägerinnen zu 2) und 3) auf deren Antrag Hinterbliebenenrenten aus der Invalidenversicherung durch zwei getrennte Bescheide vom 12. September 1956. Sie setzte die Rente in Anbetracht der für den verstorbenen Versicherten an die niederländische Rentenversicherung geleisteten Beiträge unter Anwendung des deutsch-niederländischen Sozialversicherungsabkommens vom 29. März 1951 fest. Die Kriegsdienstzeit des Versicherten und die Zeit der anschließenden Kriegsgefangenschaft brachte sie nicht in Ansatz, weil für den Versicherten vor seinem Kriegsdienst kein Beitrag zur deutschen Rentenversicherung entrichtet worden war.
Die Klägerinnen haben gegen diese Bescheide mit Schriftsatz vom 9. November 1956, bei der Beklagten eingegangen am 10. November 1956, beim Sozialgericht (SG) in Düsseldorf eingegangen am 30. Januar 1957, Klage erhoben. Sie begehren die rentensteigernde Berücksichtigung der Zeit des Kriegsdienstes und der Kriegsgefangenschaft des Versicherten bei der Berechnung ihrer Renten.
Das SG hat durch Urteil vom 30. Januar 1958 die Beklagte unter Abänderung der angefochtenen Bescheide verurteilt, die Zeiten des Kriegsdienstes und der Kriegsgefangenschaft des Versicherten auf die gewährten Hinterbliebenenrenten rentensteigernd anzurechnen. Kriegsdienstzeiten könnten zwar als rentensteigernde Ersatzzeiten nur angerechnet werden, wenn die Versicherung vor dem Kriegsdienst bereits bestanden habe, auf Grund des deutsch-niederländischen Sozialversicherungsabkommens vom 29. März 1951 müsse die holländische Versicherungszeit des Versicherten aber als deutsche Versicherungszeit anerkannt werden. Demgemäß sei die Beklagte verpflichtet, die Zeit des Kriegsdienstes und der Kriegsgefangenschaft des Versicherten bei den Hinterbliebenenrenten der Klägerinnen rentensteigernd zu berücksichtigen.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt. Sie hat im wesentlichen ausgeführt: Eine Kriegsdienstzeit könne nicht als rentensteigernde Ersatzzeit angerechnet werden, wenn vor dem Kriegsdienst eine Versicherung noch nicht bestanden habe. Die Entrichtung von Beiträgen an einen ausländischen Versicherungsträger genüge nicht. Aus dem deutschniederländischen Sozialversicherungsabkommen ergebe sich für Fälle der vorliegenden Art keine andere Regelung.
Durch Urteil vom 8. Februar 1961 hat das Landessozialgericht (LSG) die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und hat die Revision zugelassen. Es hat im wesentlichen ausgeführt: Nach dem deutsch-niederländischen Sozialversicherungsabkommen vom 29. März 1951 sei für die Berechnung der von einem deutschen Versicherungsträger zu gewährenden Rentenleistung und damit auch für die rentensteigernde Anrechnung von Ersatzzeiten grundsätzlich das innerstaatliche, d. h. hier das deutsche Rentenrecht maßgebend. Nach der Verordnung (VO) vom 13. Oktober 1939 (RGBl I 2030) seien "Versicherten" für die Zeit des besonderen Einsatzes in der Wehrmacht Steigerungsbeträge zu gewähren. Versicherter sei jemand, für den die Anwartschaft aus Beiträgen, die für ihn vor seiner Einberufung zur Wehrmacht zur Rentenversicherung entrichtet worden seien, beim Beginn seines Kriegsdienstes erhalten gewesen sei. Der Versicherte habe von 1924 bis 1936 Beitragszeiten von insgesamt 222 Wochen zurückgelegt. Zwar handele es sich um Beiträge, die zur niederländischen Rentenversicherung erbracht worden seien. Diese müssten aber wie deutsche Beiträge berücksichtigt werden. Denn das innerstaatliche Recht sei für Fälle der vorliegenden Art durch Art. 13 des deutsch-niederländischen Sozialversicherungsabkommens ergänzt worden. Die Kriegsdienstzeit des Versicherten müsse daher rentensteigernd berücksichtigt werden. Gleiches gelte für die Zeit der Kriegsgefangenschaft des Versicherten. Eine Kriegsgefangenschaft stehe regelmäßig in unmittelbarer zeitlicher Verbindung und im engen Sachzusammenhang zum geleisteten Kriegsdienst. Es entspreche daher nur einer natürlichen Betrachtungsweise, wenn man Zeiten der Kriegsgefangenschaft den Kriegsdienstzeiten zuzähle.
Gegen das ihr am 16. Juli 1961 zugestellte Urteil hat die Beklagte durch Schriftsatz vom 10. Juli 1961, eingegangen beim Bundessozialgericht (BSG) am 11. Juli 1961, Revision eingelegt und diese gleichzeitig begründet.
Sie beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Sie rügt die unrichtige Anwendung des deutsch-niederländischen Sozialversicherungsabkommens vom 29. März 1951. Nach Art. 13 Abs. 1 dieses Abkommens könnten nur solche Zeiten zusammengefasst werden, die von dem in Frage kommenden Versicherungsträger nach dessen innerstaatlichen Rechtsvorschriften zu berücksichtigen sind. Die Prüfung, ob Versicherungszeiten nach innerstaatlichem Recht vorliegen, habe also ohne Anwendung irgendwelcher Vorschriften des Abkommens zu erfolgen. Erst wenn für den deutschen Sozialversicherungsträger feststehe, dass nach deutschem Recht eine Zeit vorhanden sei, die versicherungsrechtlich erheblich sei, könne er in die Prüfung eintreten, ob er nunmehr diese Zeit nach Art. 13 mit niederländischen Zeiten zusammenrechnen könne. Nach deutschem Recht sei die Kriegsdienstzeit des Versicherten aber nur dann eine Ersatzzeit, wenn eine Beitragsleistung vorausgegangen sei. Im vorliegenden Fall könne die Kriegsdienstzeit also nicht als Ersatzzeit angerechnet werden. Die in Art. 13 genannten Zeiten dürften zudem nur für den Erwerb, die Aufrechterhaltung und das Wiederaufleben des Leistungsanspruchs, nicht aber für die Berechnung der Rente zusammengerechnet werden. Eine Ersatzzeit könne daher hier nicht anerkannt werden.
Die Klägerinnen sind im Revisionsverfahren nicht vertreten.
Die zulässige Revision ist nur zum Teil begründet. Es war zu prüfen, ob die Kriegsdienstzeit und die Zeit der anschließenden Kriegsgefangenschaft rentensteigernd zu berücksichtigen sind. Da es sich bei dem Versicherten um einen Wanderarbeitnehmer handelt, der in Holland und in der Bundesrepublik gearbeitet hat, richtet sich der Anspruch, wie das Berufungsgericht nicht verkannt hat, nach dem deutsch-niederländischen Sozialversicherungsabkommen vom 29. März 1951, allerdings nur soweit die Ansprüche für die Zeit vor dem 1. Januar 1959 geltend gemacht werden. Soweit Ansprüche für die Zeit nach dem 31. Dezember 1958 geltend gemacht werden, gilt dagegen die EWG-VO Nr. 3. Denn diese VO geht hinsichtlich des von ihr erfassten Personenkreises den zwischen den Mitgliedsstaaten der EWG geschlossenen internationalen Sozialversicherungsabkommen vor, soweit Ansprüche für die Zeit nach dem 31. Dezember 1958 geltend gemacht werden. Nur einige ausdrücklich genannte Vorschriften der Sozialversicherungsabkommen gelten weiter. Diese Vorschriften spielen jedoch für den hier zu entscheidenden Fall keine Rolle.
Die allgemeinen Anwendungsvorschriften des deutschniederländischen Sozialversicherungsabkommens liegen vor. Die Ansprüche richten sich nach Art. 13 und 14 des Abkommens. Nach Art. 13 und 14 Nr. 1 aaO müssen für den Erwerb, die Aufrechterhaltung und das Wiederaufleben des Leistungsanspruchs, d. h. für die Entscheidung der Frage, ob der Rentenanspruch dem Grunde nach besteht, die nach dem innerstaatlichen Recht zurückgelegten Versicherungszeiten zusammengerechnet werden. Da vorliegend die Rentenansprüche dem Grunde nach anerkannt sind, bedarf es einer Prüfung, ob diese Vorschriften zutreffend angewandt worden sind, nicht. Streitig ist nur die Höhe der Rente. Die Berechnung der Rente erfolgt nach Art. 14 Nr. 2 aaO für jeden der beteiligten Versicherungsträger nach den für ihn maßgebenden innerstaatlichen Vorschriften. Sowohl der niederländische als auch der deutsche Sozialversicherungsträger haben also die von ihnen zu gewährenden Leistungen nur nach dem für sie maßgebenden innerstaatlichen Recht zu berechnen und zu erbringen. Eine hierüber hinausgehende Zusammenrechnung oder sonstige Berücksichtigung ausländischer Beitragszeiten ist somit nicht möglich.
Es war somit zu prüfen, ob die Beklagte nach deutschem Recht die streitige Ersatzzeit rentensteigernd hätte berücksichtigen müssen. Dies ist jedoch zu verneinen.
Da der Versicherungsfall im Jahre 1955, also noch vor dem Inkrafttreten des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (ArVNG) eingetreten ist, gilt nicht die günstigere Ersatzzeitenregelung des § 1251, sondern die bis zum 31. Dezember 1956 geltende entsprechende Regelung (Urteil des 1. Senats vom 28.1.1959 - 1 RA 139/58 -; SozR RVO § 1251 Aa 1 Nr. 1 und des 4. Senats vom 8.7.1959 - BSG 10, 151; SozR RVO § 1251 Aa 2 Nr. 2). Anzuwenden ist somit die VO über die Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten sowie die knappschaftliche Pensionsversicherung während des besonderen Einsatzes der Wehrmacht vom 13. Oktober 1939 (RGBl I 2030) in Verbindung mit der VO über die Gewährung von Steigerungsbeträgen im jetzigen Kriege vom 8. Oktober 1941 (RGBl I 634). Dem Wesen der Ersatzzeit entsprechend steht diese Vergünstigung, wie sich aus der Verordnung vom 13. Oktober 1939 eindeutig ergibt, nur "Versicherten" zu. Dies bedeutet, dass eine Zeit nur dann als Ersatzzeit anerkannt wird, wenn bei ihrem Beginn ein Versicherungsverhältnis bestanden hat. Vor dem Beginn einer solchen Zeit muss also wenigstens ein wirksamer Beitrag entrichtet worden sein, aus welchem bei Beginn dieser Zeit die Anwartschaft erhalten war.
Da es sich um eine Ersatzzeit nach deutschen Vorschriften handelt, kann natürlich nur ein nach deutschem Recht wirksam entrichteter Beitrag berücksichtigt werden und das heißt ein zu einem deutschen Versicherungsträger wirksam entrichteter Beitrag. Dies ist hier aber bei Beginn der Kriegsdienstzeit des Versicherten nicht der Fall gewesen. Der Versicherte war vor seiner Einberufung zur deutschen Wehrmacht niemals nach deutschem Sozialversicherungsrecht versichert und hat daher auch keinen Beitrag zu einem deutschen Versicherungsträger geleistet. Die Kriegsdienstzeit und die Zeit der Kriegsgefangenschaft können also nach diesen Vorschriften nicht als Ersatzzeit rentensteigernd berücksichtigt werden.
Auch nach dem Fremd- und Auslandsrentengesetz (FAG) vom 7. August 1953 (BGBl I 848) bestehen die geltend gemachten Ansprüche nicht. Denn nach § 1 Abs. 1 aaO bestehen Ansprüche nach diesem Gesetz nur "unbeschadet zwischenstaatlicher Abkommen". Dies bedeutet, dass Versicherungszeiten nicht berücksichtigt werden können, wenn sie in der Rentenversicherung des anderen Staates auf Grund eines Sozialversicherungsabkommens anrechnungsfähig sind (Urteil des 1. Senats des BSG vom 27.5.1964 - 1 RA 145/60 -). Dies ist aber hier der Fall. Die niederländischen Sozialversicherungsbeiträge sind nach dem deutsch-niederländischen Sozialversicherungsabkommen in der niederländischen Sozialversicherung zu berücksichtigen. Der Umstand, dass sie nach diesem Abkommen nicht in der deutschen Sozialversicherung voll wie deutsche Beiträge behandelt werden, ändert nichts daran, dass sie in der niederländischen Sozialversicherung anzurechnen sind. Dies aber schließt eine Anwendung des FAG aus. Dasselbe gilt nach § 2 Buchst. b des Fremdrentengesetzes (FRG) vom 25. Februar 1960 (BGBl I 94).
Für die Zeit vor dem 1. Januar 1959 bestehen somit die geltend gemachten Ansprüche nicht. Insoweit waren daher die Urteile des SG und des LSG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Anders beurteilt sich dagegen die Rechtslage nach der EWG-VO Nr. 3 für die Zeit nach dem 31. Dezember 1958.
Die Anwendbarkeit der EWG-VO Nr. 3 auf die Klägerinnen ergibt sich aus Art. 4 aaO. Der Umstand, dass die streitigen Versicherungszeiten vor dem Inkrafttreten der EWG-VO Nr. 3 liegen und dass der Versicherungsfall sich vor ihrem Inkrafttreten ereignet hat, steht der Anwendung dieser VO auf den vorliegenden Fall nicht entgegen. Denn nach Art. 53 Abs. 2 aaO findet diese VO Anwendung auf alte Versicherungszeiten und nach Art. 53 Abs. 3 aaO auch auf alte Versicherungsfälle. Dies gilt allerdings nach Art. 53 Abs. 1 aaO nur mit der Maßgabe, dass Ansprüche erst für die Zeit vom 1. Januar 1959 an gewährt werden.
Die Feststellung der Rente erfolgt nach Art. 27 und 28 aaO. Ebenso wie nach dem deutsch-niederländischen Sozialversicherungsabkommen werden auch nach Art. 27 und 28 Abs. 1 Buchst. a der EWG-VO Nr. 3 für den Erwerb, die Aufrechterhaltung und das Wiederaufleben des Leistungsanspruchs, d. h. für die Entscheidung der Frage, ob dieser Anspruch dem Grunde nach besteht, die nach den innerstaatlichen Vorschriften der betreffenden Mitgliedsländer der EWG zurückgelegten Versicherungszeiten zusammengerechnet. Vorliegend sind die Voraussetzungen für die Gewährung der Hinterbliebenenrenten der Klägerinnen dem Grunde nach gemäß diesen Vorschriften erfüllt, und die Renten sind demgemäß auch anerkannt worden. Streitig ist allein die Höhe dieser Renten. Die Berechnung hat gemäß Art. 28 Abs. 1 Buchst. b aaO zu erfolgen. Die hier vorgeschriebene Berechnungsart weicht von der des deutsch-niederländischen Sozialversicherungsabkommens ab. Jeder der in Betracht kommenden Sozialversicherungsträger der verschiedenen Mitgliedsstaaten der EWG berechnet zunächst einmal die Rente so, als ob sämtliche bei der Entscheidung über den Anspruch dem Grunde nach gemäß Art. 27 aaO zusammenzurechnenden Versicherungszeiten und gleichgestellten Zeiten ausschließlich nach seinen eigenen Rechtsvorschriften zurückgelegt worden wären, d. h., als ob sie an seine eigenen Sozialversicherungsträger entrichtet worden wären. Es handelt sich hierbei aber nur um eine Zwischenrechnung. Denn festzustellen und zu zahlen hat jeder Versicherungsträger nur den Teil der so errechneten Gesamtrente, der dem Zeitraum entspricht, den der Versicherte in dem Land des jeweiligen Versicherungsträgers versichert war im Verhältnis zu der Gesamtversicherungszeit bei den beteiligten Versicherungsträgern aller Mitgliedsländer der EWG. Obwohl diese Berechnungsart also von der des deutschniederländischen Sozialversicherungsabkommens abweicht, ist doch für den vorliegenden Fall das Ergebnis kein anderes, wenn dies auch auf den ersten Blick so scheinen könnte. Denn es sind doch eben nicht alle Versicherungszeiten und gleichgestellte Zeiten zusammenzurechnen, sondern nur die nach Art. 27 aaO zusammenzurechnenden. Es können also bei der Berechnung der Rente keine weiteren Versicherungszeiten und gleichgestellten Zeiten berücksichtigt werden als bei der Entscheidung der Frage, ob die Rente dem Grunde nach besteht, gemäß Art. 27 aaO zu berücksichtigen sind. Das sind aber, wie bereits ausgeführt, nur die nach dem jeweiligen innerstaatlichen Recht anzuerkennenden Versicherungszeiten und gleichgestellten Zeiten. Es wäre ja auch überraschend und mit der Systematik dieser Vorschrift nicht in Einklang zu bringen, wenn bei der Berechnung der Rente eine Versicherungszeit Berücksichtigung finden könnte, die bei der Entscheidung darüber, ob der Rentenanspruch dem Grunde nach besteht, nicht zu berücksichtigen ist. Es kann also in Art. 28 Abs. 1 Buchst. b aaO nur gemeint sein, dass die nach innerstaatlichem Recht jeweils anzuerkennenden Versicherungszeiten und gleichgestellten Zeiten bei der Berechnung der Rente zu berücksichtigen sind. Dass diese Vorschrift nur so ausgelegt werden kann, ergibt sich zudem deutlich aus der Regelung im Anhang G der EWG-VO Nr. 3, der nach Art. 50 aaO Bestandteil der EWG-VO Nr. 3 ist. Unter I B ist für Ausfall- und Zurechnungszeiten nach §§ 1259, 1260 der Reichsversicherungsordnung (RVO) bestimmt, dass die vorgeschriebenen Mindestbeitragszeiten, welche den begehrten Ausfall- und Zurechnungszeiten vorhergegangen sein müssen, auch durch Entrichtung ausländischer Beiträge zurückgelegt sind, diese also insoweit wie deutsche Beiträge behandelt werden. Unter C und D sind für andere Fälle, z. B. für die Anwartschaftserhaltung alten Rechts, ebenfalls ausländische Beitragszeiten deutschen Beitragszeiten gleichgestellt. Diese Vorschriften wären überflüssig, wenn schon nach Art. 28 Abs. 1 Buchst. b aaO ausländische Beiträge bei der Berechnung der deutschen Rente voll wie deutsche Beiträge behandelt werden müssten.
Andererseits aber ergibt sich aus der Regelung in I B bis D des Anhangs G der EWG-VO Nr. 3 der Grundgedanke, dass für solche Fälle, in welchen für die Anerkennung einer Versicherungszeit eine oder mehrere vorhergehende Beitragszeiten verlangt werden, ausländische Beiträge deutschen Sozialversicherungsbeiträgen gleichgestellt werden sollen. Wenn hierbei auch nicht ausdrücklich die Ersatzzeiten erwähnt worden sind, so kann es sich dabei doch nur um ein Übersehen dieser Fälle handeln. Anders etwa als bei den Vorschriften über die Ausfall- und Zurechnungszeiten und die Anwartschaftserhaltung alten Rechts tritt im Gesetzeswortlaut nicht so deutlich in Erscheinung, dass vorher Beiträge entrichtet sein müssen, sondern es wird lediglich davon gesprochen, dass diese Vergünstigung einem Versicherten zukommt oder dass vorher ein Versicherungsverhältnis bestanden haben muss (vgl. z. B. §§ 1263, 1268 Abs. 4 RVO aF, § 119 des Gesetzes über den Ausbau der Rentenversicherung vom 21. Dezember 1937, der VO über die Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten sowie die knappschaftliche Pensionsversicherung während des besonderen Einsatzes der Wehrmacht vom 13.10.1939). Die Interessenlage ist aber offensichtlich die gleiche wie bei den ausdrücklich geregelten Fällen. Der Senat trug daher keine Bedenken, diesen Grundgedanken auch auf die Ersatzzeitenregelung anzuwenden.
Der Senat konnte über diese Rechtsfrage entscheiden, ohne das Gericht der EWG anrufen zu müssen. Nach Art. 177 des EWG-Vertrages entscheidet das Gericht der EWG auf Vorlage im Wege einer Vorabentscheidung über die Gültigkeit und Auslegung der Handlungen der Organe der Gemeinschaft, also auch über die Gültigkeit und Auslegung der EWG-Verordnungen. Während es den Gerichten der Mitgliedsstaaten der EWG in der Regel freisteht, ob sie solche Fragen dem Gericht der EWG zur Entscheidung vorlegen, müssen die letztinstanzlichen Gerichte der Mitgliedsstaaten der EWG die Vorabentscheidung des EWG-Gerichts herbeiführen. Dies kann jedoch nicht bedeuten, dass jede Auslegung einer EWG-VO dem Gericht der EWG vorgelegt werden muss, sondern nur, dass eine Vorlage dann zu erfolgen hat, wenn ernstliche Auslegungszweifel bestehen. Das ist hier jedoch, wie ausgeführt wurde, nicht der Fall.
Demgemäß steht den Klägerinnen, soweit sie dem Grunde nach überhaupt noch einen Anspruch über den 31. Dezember 1958 hinaus haben, eine Anerkennung der Kriegsdienstzeit des Versicherten rentensteigernd zu.
Wenn auch in den Verordnungen vom 13. Oktober 1939 und 8. Oktober 1941 nur die Kriegsdienstzeiten erwähnt sind, so muss diese Regelung doch ebenso für die anschließende Zeit der Kriegsgefangenschaft gelten. Wenn in diesen Verordnungen die Zeit der Kriegsgefangenschaft auch nicht ausdrücklich erwähnt ist, so muss doch angenommen werden, dass der Begriff des Kriegsdienstes nach den Vorstellungen des damaligen Verordnungsgebers den der Kriegsgefangenschaft mitumfasste. § 24 des Heimkehrergesetzes vom 19. Juni 1950 (BGBl I, 221) hat dies lediglich bestätigt und noch weitere Vergünstigung gewährt, ohne damit aber für andere kriegsgefangene Versicherte die Anrechnung dieser Zeit als Ersatzzeit ausschließen zu wollen (vgl. dazu Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, S. 694 e und 696 a).
Soweit die Urteile des SG und des LSG die Zeit nach dem 31. Dezember 1958 betreffen, waren sie somit im Ergebnis zutreffend, so dass insoweit die Revision zurückgewiesen werden musste.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen