Verfahrensgang
Hessisches LSG (Urteil vom 10.05.1988) |
SG Frankfurt am Main (Urteil vom 11.04.1986) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 10. Mai 1988 aufgehoben.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/Main vom 11. April 1986 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind weder für das Berufungs- noch das Revisionsverfahren zu erstatten.
Tatbestand
I
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte der Klägerin aus der Versicherung ihres früheren Ehemannes Geschiedenen-Witwenrente gemäß § 1265 der Reichsversicherungsordnung (RVO) zu zahlen hat.
Die im Januar 1916 geborene Klägerin war die erste Ehefrau des 1922 geborenen und 1968 in Ost-Berlin verstorbenen Versicherten. Sie und der Versicherte hatten 1948 geheiratet und lebten ab 1957 gemeinsam in der DDR. Im Oktober 1960 kam die Klägerin in die Bundesrepublik Deutschland zurück. Die Ehe wurde im November 1961 durch Urteil des Kreisgerichts L … /DDR rechtskräftig geschieden. Eine Unterhaltsvereinbarung wurde anläßlich der Scheidung nicht getroffen. Der Versicherte heiratete im Mai 1962 wieder. Er wohnte bis zu seinem Tod in der DDR; auch seine zweite Ehe wurde geschieden.
Die Klägerin bezog in der Zeit vom 9. November bis 31. Dezember 1961 ein Brutto-Arbeitsentgelt von 581,– DM. Im Zeitraum vom 27. März 1964 bis 13. Februar 1968 war sie nicht versicherungspflichtig beschäftigt, dann wieder ab 14. Februar 1968 bis zuletzt 13. November 1969. Zur Zeit des Todes des Versicherten verfügte sie nach eigener Angabe über keine Erträge aus Grundbesitz, Vermögen oder dergleichen zur Bestreitung ihres Unterhalts. Sie bezieht eine geringe Erwerbsunfähigkeitsrente und Sozialhilfe. Über die Höhe der Einkünfte des Versicherten zur Zeit seines Todes liegen keine Angaben vor; nach Angaben der Klägerin war er bis zu seinem Tod bei der Feuerwehr in L … beschäftigt.
Im August 1977 beantragte die Klägerin die Gewährung von Geschiedenen-Witwenrente nach dem Versicherten. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom März 1978 ab. Die dagegen erhobene Klage wies das Sozialgericht (SG) mit Urteil vom 27. Juni 1978 rechtskräftig ab. Das Ersuchen der Klägerin um Überprüfung vom September 1981 wies die Beklagte mit Schreiben vom 13. Mai 1982 an die Klägerin – ohne Rechtsmittelbelehrung – zurück. Mit Schreiben vom 11. April 1983, beim SG eingegangen am 13. April 1983, verfolgte die Klägerin ihren Überprüfungsantrag weiter. Durch Urteil vom 11. April 1986 wies das SG die Klage ab.
Auf die Berufung der Klägerin hob das Landessozialgericht (LSG) dieses Urteil am 10. Mai 1988 auf und verurteilte die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13. Mai 1982, der Klägerin unter Rücknahme des Bescheides vom 6. März 1978 ab 1. September 1977 Hinterbliebenenrente aus der Versicherung ihres früheren Ehemannes zu gewähren. Es begründete seine Entscheidung im wesentlichen damit, daß zwar nicht die Voraussetzungen für die Rentengewährung gemäß § 1265 Satz 1 RVO, wohl aber nach Satz 2 erfüllt seien. In Fällen wie dem vorliegenden sei das Unterhaltsrecht der Bundesrepublik Deutschland ergänzend heranzuziehen und demgemäß für die Klägerin das Ehegesetz 1946 anzuwenden. Es komme daher auf den Schuldausspruch im Ehescheidungsurteil, auf die Unterhaltsfähigkeit des früheren Ehemannes und die Unterhaltsbedürftigkeit der Klägerin zur Zeit des Todes des Versicherten an. Zur Unterhaltsfähigkeit des Versicherten lägen nur ungefähre Angaben der Klägerin vor; der Senat habe angesichts des Standes der innerdeutschen Beziehungen auch keine Möglichkeit, eine weitere Sachaufklärung zu erreichen. Bereits deshalb seien die Voraussetzungen der ersten Alternative von § 1265 Satz 1 RVO nicht feststellbar; die weiteren Alternativen der Vorschrift seien ebenfalls nicht gegeben. Für einen Anspruch aus Satz 2 der Vorschrift seien dagegen alle erforderlichen Merkmale gegeben. Die vor allem für Nr 1 der Regelung entscheidende Frage, ob eine Unterhaltsverpflichtung des Versicherten allein wegen der Vermögensverhältnisse der Klägerin nicht bestanden habe, sei angesichts der Lebensumstände der Klägerin zu verneinen; es fehlten jegliche Gesichtspunkte dafür, daß die Klägerin ihren angemessenen Unterhalt aus ihrem Vermögen hätte bestreiten können. Die als Voraussetzung einer Unterhaltspflicht nach §§ 58 bis 60 des Ehegesetzes 1946 (EheG) notwendige Schuldfeststellung sei nicht möglich. Zu Gunsten der Klägerin sei daher nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) die entsprechende Anwendung des § 61 Abs 2 EheG geboten. Hierfür sei ein ausreichendes Leistungsvermögen des Versicherten zu unterstellen und davon auszugehen, daß die Klägerin keine Erträge aus einer Erwerbstätigkeit gehabt habe. Da sie über kein Vermögen verfügt habe, sei ihr Unterhaltsanspruch nach § 61 Abs 2 EheG auch mindestens 25 vH ihres notwendigen Mindestbedarfs gewesen.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte die vom 5. Senat des BSG zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt die Verletzung von § 1265 RVO und des innerdeutschen Kollisionsrechtes.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 10. Mai 1988 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt vom 11. April 1986 zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Die Beteiligten haben sich gemäß § 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
II
Die kraft Zulassung durch den 5. Senat des BSG statthafte, form-und fristgerecht eingelegte und damit zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Das LSG hat zu Unrecht das klageabweisende Urteil des SG aufgehoben. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Geschiedenen-Witwenrente gemäß § 1265 Abs 1 Satz 1 oder 2 RVO aus der Versicherung ihres verstorbenen früheren Ehemannes.
Nach § 1265 Abs 1 Satz 1 RVO idF des Art 4 Nr 1 Buchst b des 1. Gesetzes zur Reform des Ehe- und Familienrechts vom 14. Juni 1976 (BGBl I 1421) wird einer früheren Ehefrau des Versicherten, deren Ehe mit dem Versicherten vor dem 1. Juli 1977 geschieden, für nichtig erklärt oder aufgehoben worden ist, nach dem Tode des Versicherten Rente gewährt, wenn ihr der Versicherte zur Zeit seines Todes Unterhalt nach den Vorschriften des EheG oder aus sonstigen Gründen zu leisten hatte oder wenn er im letzten Jahr vor seinem Tode Unterhalt geleistet hat. Zwar ist die Eingangsvoraussetzung für einen Rentenanspruch der Klägerin: Scheidung vor dem 1. Juli 1977, erfüllt; Scheidungsurteile der Gerichte der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) wirken unmittelbar auch in der Bundesrepublik Deutschland, ohne daß es hierzu einer besonderen Anerkennung bedarf (BSG SozR 2200 § 1265 Nr 20; BGH in BGHZ 34, 137; 85, 18). Nicht ebenfalls gegeben ist aber das weiter erforderliche Merkmal einer Unterhaltsverpflichtung oder -leistung des früheren Ehemannes.
Der Versicherte hatte der Klägerin zur Zeit seines Todes keinen Unterhalt nach den Vorschriften des EheG vom 20. Februar 1946 zu leisten. Dieses Gesetz war auf die Rechtsbeziehungen zwischen ihm und der Klägerin schon im Jahr der Scheidung (1961) nicht mehr anzuwenden. Maßgebend für einen Unterhaltsanspruch der Klägerin gegen ihren geschiedenen Ehemann bis zu dessen Tod war vielmehr allein das Eherecht der DDR, dh ab 1. Januar 1956 bis 31. März 1966 die Verordnung (VO) über Eheschließung und Eheauflösung vom 24. November 1955 (GBl I 849) und ab 1. April 1966 §§ 5 – 41 des Familiengesetzbuches (GBl I 1966, 2) iVm §§ 2, 7 des Einführungsgesetzes zum Familiengesetzbuch vom 20. Dezember 1965 (GBl I 1966, 19). Die Ablösung der VO von 1955 durch das Familiengesetzbuch war als bloß formaler Statutenwechsel für die Bestimmung des letzten gemeinsamen Ehestatuts der geschiedenen Eheleute unbeachtlich; entscheidend war vielmehr, daß der sachlich-rechtliche Inhalt in der Frage des nachehelichen Unterhalts im wesentlichen übereinstimmend geregelt war (BSG SozR 2200 § 1265 Nrn 20 und 46).
Die Tatsache, daß die Klägerin bereits ab Oktober 1960 auf Dauer in der Bundesrepublik Deutschland (in den damaligen Grenzen) wohnte, war hierfür ohne Belang. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) bestimmen sich im innerdeutschen Kollisionsrecht die Scheidungsfolgen ausschließlich nach dem Recht der DDR, wenn die (deutschen) Ehegatten während der Ehe ihren gewöhnlichen Aufenthalt zuletzt beide dort gehabt haben und ein Ehegatte in die Bundesrepublik Deutschland übergesiedelt, der andere aber in der DDR verblieben ist (Beschluß vom 16. Mai 1984, BGHZ 91, 186, in Weiterentwicklung und teilweiser Fortführung von BGHZ 34, 134; 85, 16). Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsauffassung des für das Scheidungsfolgenrecht letztinstanzlich zuständigen Gerichts an. Durch den Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands – Einigungsvertrag – vom 31. August 1990 (BGBl II 889) hat sich an den vom BGH entwickelten Grundsätzen nichts geändert (BGH Beschluß vom 12. Dezember 1990, FamRZ 1991, 421).
Allerdings haben der 4. und der 11. Senat des BSG mit Entscheidungen aus den Jahren 1979 und 1982 (Urteil vom 2. August 1979, 11 RA 20/78 = SozR 2200 § 1265 Nr 43; Urteil vom 25. Oktober 1979, 4 RJ 129/78 = SozR 2200 § 1265 Nr 46; Urteil vom 11. Februar 1982, 11 RA 10/81, unveröffentlicht; jeweils mwN) im Anschluß an die Entscheidung des BGH vom 30. November 1960 (BGHZ 34, 134) erklärt, grundsätzlich sei zwar für die Beurteilung der Scheidungsfolgen im interlokalen Bereich an das Statut des letzten gemeinsamen Wohnsitzes der Eheleute, das für einen geschiedenen Ehegatten fortgilt, anzuknüpfen. Ein Ehegatte, der bei Erlaß des Scheidungsurteils in der Bundesrepublik Deutschland wohnte oder sich hier dauernd aufhielt, könne aber in ergänzender Heranziehung des Unterhaltsrechts der Bundesrepublik Deutschland doch noch einen Unterhaltsanspruch nach diesem Recht insoweit haben, als der Anspruch den in der DDR bestehenden Unterhaltsanspruch übersteige; hiernach könne sogar ein Anspruch auch allein nach dem Unterhaltsrecht der Bundesrepublik Deutschland gegeben sein. Der erkennende Senat sieht aber keinen Anlaß, den Großen Senat des BSG gemäß § 42 SGG wegen Abweichung anzurufen. Der 11. Senat ist nicht mehr für die Rentenversicherung zuständig. Im Urteil des 4. Senats ist die zitierte Aussage nur obiter dictum.
Der Versicherte war der Klägerin auch nicht aus sonstigen Gründen gemäß § 1265 Abs 1 Satz 1 RVO zur Unterhaltszahlung verpflichtet. Zwar konnte eine Unterhaltsverpflichtung iS dieser Regelung auch auf dem materiellen Scheidungsfolgenrecht der DDR beruhen (BSG SozR 2200 § 1265 Nr 46 in Fortführung von BSG SozR 2200 § 1265 Nr 38). Der Klägerin stand aber gegen ihren früheren Ehemann bei seinem Tod kein Unterhaltsanspruch aufgrund des Scheidungsfolgenrechts der DDR zu. Die maßgeblichen Vorschriften dieses Rechts kann der erkennende Senat, auch wenn es sich hierbei um nicht revisibles Recht handelt (BSG SozR 2200 § 1265 Nr 46 und SozR 5050 § 15 Nrn 21 und 22), ausnahmsweise selbst feststellen und auf den vom LSG ermittelten Sachverhalt anwenden, da das Berufungsgericht hierzu keinerlei Feststellungen getroffen hat (vgl BSG SozR 5050 § 15 Nrn 21 und 22). Daß dieses Recht für Ehen wie die der Klägerin auch nach Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Rentenversicherung weiter anzuwenden ist, ergibt sich inzident aus Art 1 Nr 56 des Gesetzes zur Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung (Renten-Überleitungsgesetz ≪RÜG≫) vom 31. Juli 1991 (BGBl I 1605), wonach in das Sechste Buch Sozialgesetzbuch § 243a eingefügt wird und dieser – bezogen auf Ehegatten, die vor dem 1. Juli 1977 geschieden wurden – beginnt: „Bestimmt sich der Unterhaltsanspruch der geschiedenen Ehegatten nach dem Recht, das im Beitrittsgebiet gegolten hat …”.
Zum einen sahen § 13 Abs 1 der VO über Eheschließung und Eheauflösung und § 29 Abs 1 Familiengesetzbuch eine Unterhaltsverpflichtung im Grundfall nur „für eine Übergangszeit, jedoch nicht für länger als zwei Jahre nach Rechtskraft der Scheidung” vor. Die Klägerin hätte hiernach also allenfalls bis Ende 1963 einen Unterhaltsanspruch haben können, nicht jedoch auch noch im Jahr 1968. Zum anderen machten § 13 Abs 3 der VO uneingeschränkt und § 29 Abs 3 Satz 1 Familiengesetzbuch in der Regel den Unterhaltsanspruch formal davon abhängig, daß der Antrag auf Unterhaltszahlung im Scheidungsverfahren gestellt wurde. An einem solchen Antrag der Klägerin fehlte es.
Die Ausnahmetatbestände des § 14 der VO und der §§ 29 Abs 2 und Abs 3 Satz 2, 31 Familiengesetzbuch waren ebenfalls nicht erfüllt. § 14 der VO und § 31 Familiengesetzbuch gaben dem Gericht die Möglichkeit, die „Fortdauer der Unterhaltszahlung” auszusprechen, setzten also den bei der Klägerin gerade nicht gegebenen Fall voraus, daß zuvor bereits eine Unterhaltsgewährung gemäß dem Grundfall aus § 13 Abs 1 und Abs 3 der VO, § 29 Abs 1 und Abs 3 Satz 1 Familiengesetzbuch im Scheidungsverfahren erfolgt war. Die in § 29 Abs 2 Familiengesetzbuch normierte Befugnis, die Unterhaltsverpflichtung bei bestimmter Situationsprognose bereits von vornherein auch unbefristet auszusprechen, war lediglich eine spezifizierte Ausgestaltung (Ausnahme) des Grundtatbestands der Unterhaltsgewährung in § 29 Abs 1 Familiengesetzbuch (inhaltlich so auch Komm z Familiengesetzbuch der DDR, 5. Aufl Berlin 1982, herausgeg. vom Ministerium der Justiz, Anm 1.4 und 2 zu § 29) und daher ebenfalls an die – von der Klägerin versäumte – Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs im Scheidungsverfahren nach § 29 Abs 3 Satz 1 Familiengesetz gebunden. Zugunsten der Klägerin griff schließlich auch nicht die Regelung des § 29 Abs 3 Satz 2 Familiengesetzbuch ein, wonach auf Unterhalt ausnahmsweise noch nach dem Scheidungsverfahren geklagt werden konnte, wenn die einen Unterhalt rechtfertigenden Gründe in ihrem vollen Ausmaß erst nach Verfahrensbeendigung erkennbar geworden waren. Da eine derartige Klage „nicht später als zwei Jahre nach Rechtskraft des Scheidungsurteils” erhoben sein mußte, die Norm als Teil des Familiengesetzbuches jedoch erst am 1. April 1966 in Kraft trat, wurde der Fall der Klägerin mangels einschlägiger Übergangsvorschriften im Familiengesetzbuch aufgrund seiner zeitlichen Daten (insbesondere Scheidungsurteil vom November 1961) schon grundsätzlich nicht von der Ausnahme des § 29 Abs 3 Familiengesetzbuch erfaßt.
Aus § 1265 Abs 1 Satz 1 RVO ist die beantragte Rente der Klägerin schließlich auch nicht aufgrund der dritten Alternative schlichter Zahlung von Unterhalt zu gewähren. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts, die nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen worden und damit für den erkennenden Senat gemäß § 163 SGG bindend sind, hat der Versicherte der Klägerin im letzten Jahr vor seinem Tod nicht tatsächlich Unterhalt geleistet.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist die Ausnahmeregelung des § 1265 Abs 1 Satz 2 RVO ebenfalls keine Grundlage für den Rentenanspruch der Klägerin. Rente wird hiernach – neben weiteren, im gegebenen Fall erfüllten Voraussetzungen – nur gewährt, wenn eine Unterhaltsverpflichtung wegen der Vermögens-oder Erwerbsverhältnisse des Versicherten oder wegen der Erträgnisse der früheren Ehefrau aus einer Erwerbstätigkeit nicht bestanden hat, § 1265 Abs 1 Satz 2 Nr 1 RVO. Zur Anspruchsbegründung ist also erforderlich, daß die unterhaltsrechtlichen Beziehungen der früheren Ehegatten so ausgestaltet waren, daß sie bei Unterstellung der vollen Leistungsfähigkeit des früheren Ehemannes und des Fehlens von Erwerbseinkommen bei der früheren Ehefrau zu einer konkreten Unterhaltsverpflichtung des früheren Ehemannes geführt hätten (Verbandskomm zur RVO, Stand Januar 1990, RdNr 15 zu § 1265; inhaltlich gleich BSG SozR 2200 § 1265 Nrn 18 und 55). Von einer derartigen, in ihren Merkmalen eng umgrenzten Situation konnte für die Lage, in der sich die Klägerin seit der Scheidung bis zum Tod ihres früheren Ehemannes befand, nicht gesprochen werden. Denn selbst wenn für diese Zeit unterstellt würde, daß ihr früherer Ehemann voll leistungsfähig war und sie kein Erwerbseinkommen hatte, folgte daraus allein noch nicht, daß ihr nach dem Scheidungsfolgenrecht der DDR, das für sie auch hier galt, ein Unterhaltsanspruch gegen ihren früheren Ehemann zugestanden hätte.
Abgesehen von den oben bereits angeführten zeitlichen und verfahrensmäßigen Erfordernissen stellten § 13 Abs 1 der VO von 1955 und § 29 Abs 1 Familiengesetzbuch für einen Unterhaltsanspruch auch materielle Voraussetzungen auf, die nach Inhalt und Umfang beträchtlich über das hinausgingen, was für § 1265 Abs 1 Satz 2 Nr 1 RVO allein erheblich ist. Die „Berücksichtigung aller Umstände” gemäß § 13 Abs 1 der VO und die „Berücksichtigung der Lebensverhältnisse, der Entwicklung der Ehe und der Umstände, die zur Scheidung geführt haben” nach § 29 Abs 1 Familiengesetzbuch machte die Bejahung eines Unterhaltsanspruchs von Gesichtspunkten abhängig, die – wie etwa das Verschulden oder sonstige Scheidungsvoraussetzungen – aus dem Tatbestand des § 1265 Abs 1 Satz 2 Nr 1 RVO gerade ausgeklammert sind. Hierauf gerichtete Ermittlungen sollen nach der Konzeption des § 1265 Abs 1 Satz 2 RVO von den Leistungsträgern und Gerichten gerade nicht angestellt werden (s Beschlüsse des erkennenden Senats vom 28. Juni und 9. August 1991 – 13 RJ 17/91). Waren damit aber die Voraussetzungen für einen Unterhaltsanspruch nach dem Scheidungsfolgenrecht der DDR zahl- und umfangreicher als für den Rentenanspruch aus § 1265 Abs 1 Satz 2 RVO, so bedeutete das zugleich, daß ein Unterhaltsanspruch nach DDR-Recht auch aus zahlreichen anderen Gründen als der Situation ausgeschlossen sein konnte, die in § 1265 Abs 1 Satz 2 Nr 1 RVO für allein maßgeblich erklärt ist. Die bei Anwendung des § 1265 Abs 1 Satz 2 Nr 1 RVO anzustellende fiktive Überlegung zur finanziellen Situation der geschiedenen früheren Ehegatten führt demzufolge nicht notwendig zur Bejahung einer konkreten Unterhaltsverpflichtung des früheren Ehemannes und macht damit deutlich, daß unter solchen Vorbedingungen die finanzielle Lage der früheren Ehegatten nicht von vornherein, wie für § 1265 Abs 1 Satz 2 Nr 1 RVO erforderlich, alleiniger Grund für das Fehlen eines Unterhaltsanspruchs war.
Nach allem war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts zurückzuweisen, § 170 Abs 2 Satz 1 SGG.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen