Entscheidungsstichwort (Thema)
Insolvenzsicherung, des Arbeitnehmers. Vorruhestandsgeld, als Leistung der BA. Vorruhestandsgesetz, Anwendung nach 1988. Zuschußleistungen, an Arbeitgeber
Leitsatz (amtlich)
1. Die Befristung des Vorruhestandsgesetzes (§ 14 VRG) gilt auch für die Insolvenzsicherung nach § 9 VRG.
2. Die Bundesanstalt für Arbeit hat danach Vorruhestandsgeld für die Zeit ab 1.1.1989 nur zu leisten, wenn die Voraussetzungen für den Anspruch des Arbeitnehmers auf Vorruhestandsgeld gegenüber seinem Arbeitgeber bereits vor diesem Zeitpunkt vorgelegen haben.
Normenkette
VRG §§ 14, 9, 4 S. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5, § 2 Abs. 1 Nr. 3, § 1 Abs. 1-2
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 18.08.1992; Aktenzeichen L 15 Ar 23/92) |
SG Gelsenkirchen (Entscheidung vom 11.03.1992; Aktenzeichen S 4 Ar 90/91) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 18. August 1992 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Streitig ist ein Anspruch auf Vorruhestandsgeld (Vog) gegen die Bundesanstalt für Arbeit (BA) nach § 9 des Gesetzes zur Förderung von Vorruhestandsleistungen (VRG).
Der am 25. Dezember 1930 geborene Kläger war von Oktober 1966 an bei der Fa. M. Sch. Textilproduktionsgesellschaft mbH (Fa. Sch.) beschäftigt. Auf sein Arbeitsverhältnis mit der Fa. Sch. fand der Vorruhestandstarifvertrag (Vog-TV) zwischen dem Verband der Nord-Westdeutschen Textilindustrie e.V., Münster, und der Gewerkschaft Textil-Bekleidung, Bezirke Münster-Arnsberg und Minden-Lippe, vom 9. Mai 1985 Anwendung. Mit Schreiben vom 23. Juni 1986 teilte der Kläger unter Bezugnahme auf den Vog-TV mit, er wolle von der Möglichkeit des Eintritts in den Vorruhestand Gebrauch machen und „zum 31. Dezember 1988” aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden. Damit erklärte sich die Fa. Sch. im Mai 1987 einverstanden. Der Kläger bezog bis einschließlich Dezember 1988 Gehalt und anschließend ab 1. Januar 1989 Vog, das zum Schluß die B. Textilproduktions GmbH zahlte. Mit Ablauf des 14. Oktober 1990 wurden die Zahlungen eingestellt. Ein Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen dieser Gesellschaft wurde mangels Masse abgelehnt.
Den Antrag des Klägers vom 17. Oktober 1990 auf Gewährung von Vog gem § 9 VRG lehnte die BA unter Hinweis auf § 14 VRG ab, da die Voraussetzungen für den Anspruch nicht erstmalig vor dem 1. Januar 1989 vorgelegen hätten (Bescheid vom 25. Oktober 1990). Auf einen gleichzeitig gestellten Antrag des Klägers bewilligte sie ihm hingegen mit Wirkung vom 17. Oktober 1990 Arbeitslosengeld (Alg). Seit dem 1. November 1991 erhält der Kläger Knappschaftsruhegeld gem § 48 Reichsknappschaftsgesetz nach einem Versicherungsfall vom 16. Oktober 1991.
Der Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 25. Oktober 1990 blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 27. März 1991). Seine hiergegen gerichtete Klage hat das Sozialgericht (SG) abgewiesen (Urteil vom 11. März 1992). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers mit Urteil vom 18. August 1992 zurückgewiesen: Die zeitliche Begrenzung in § 14 VRG habe auch für § 9 VRG Bedeutung. Die Insolvenzsicherung greife nicht, wenn der Arbeitnehmer erst nach dem 31. Dezember 1988 Anspruch auf Vog habe. Im übrigen ergebe sich aus der Verknüpfung der Insolvenzsicherung mit den in §§ 1 und 2 VRG genannten Voraussetzungen für die Gewährung eines Zuschusses die genannte Rechtsfolge.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung der §§ 9 Abs. 1 und 14 VRG. Das LSG sei unzutreffend davon ausgegangen, daß der Anspruch nach § 9 VRG durch § 14 VRG begrenzt werde. Die zeitliche Begrenzung des § 14 VRG beziehe sich allein auf die Zuschußgewährung, wie deutlich aus den Gesetzesmaterialien hervorgehe. Die Annahme des LSG, es bestehe eine Intention des Gesetzgebers, daß sich die BA an den nach Ablauf des 31. Dezember 1988 eingetretenen Vorruhestandsfällen finanziell nicht mehr zu beteiligen habe, gehe weder aus dem Gesetz selbst noch aus den zugrundeliegenden Materialien hervor. Durch die Verknüpfung der Insolvenzsicherung mit den – zeitlich beschränkten – Voraussetzungen des § 14 VRG habe das LSG die Anspruchsvoraussetzungen des § 9 VRG unzulässig eingeengt. Schließlich überzeuge die Auffassung des LSG nicht, daß das Ausscheiden zum 31. Dezember 1988 nach § 14 VRG nicht ausreiche. Die Vorschrift könne nur so verstanden werden, daß der Arbeitnehmer bis zum 31. Dezember 1988 ausgeschieden sein müsse, da bei jeder anderen Auslegung die Vertragspartner – völlig praxisfremd – eine Beendigung zum 30. Dezember 1988 hätten wählen müssen. § 14 VRG erfordere nur, daß die Voraussetzungen für den Anspruch, nicht aber auch die Leistungsgewährung, erstmals vor dem Stichtag habe vorliegen müssen.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts und des Landessozialgerichts sowie des Bescheides der Beklagten vom 25. Oktober 1990 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27. März 1991 die Beklagte zu verurteilen, ihm Vorruhestandsgeld vom 15. Oktober 1990 bis zum 31. Oktober 1991 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Sie hält die Feststellungen des LSG zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses „am 31. Dezember 1988” und zum Eintritt in den Vorruhestand ab 1. Januar 1989 für zutreffend. § 14 VRG beziehe sich nach seinem eindeutigen Wortlaut nicht nur auf die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung von Zuschußleistungen an den Arbeitgeber, sondern auch auf das im Falle der Insolvenz des Arbeitgebers von ihr zu gewährende eigenständige Vog als Sozialleistung nach § 9 VRG. Denn folgte man der Auffassung des Klägers, bedeutet dies die unbegrenzte Geltung des VRG, soweit es um die Gewährung von Vog nach § 9 VRG gehe. Das wäre mit der Ablösung des VRG durch das Altersteilzeitgesetz nicht zu vereinbaren.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist unbegründet.
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist, nachdem der Kläger in der mündlichen Verhandlung seinen schriftsätzlich angekündigten Antrag präzisiert hat, ob die BA ihm für den Zeitraum vom 15. Oktober 1990 bis zum 31. Oktober 1991 gern § 9 VRG Vog zu leisten hat. Nach dieser Vorschrift gewährt die BA Vog wie ein Arbeitgeber, soweit der Arbeitgeber seine Verpflichtung zur Zahlung von Vog nicht erfüllt und der Arbeitnehmer aufgrund tarifvertraglicher Vereinbarungen für den Fall der Zahlungseinstellung durch den Arbeitgeber nicht geschützt ist und wenn ua der Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers mangels Masse abgewiesen worden ist. Der Senat teilt die Auffassung der Vorinstanz, daß die BA im vorliegenden Fall nicht leistungspflichtig ist.
Ob die Voraussetzungen des § 9 VRG gegeben sind, wie das LSG angenommen hat, läßt der Senat offen. Ungeachtet der Frage, ob der Kläger Ansprüche auf Vog gegen die Fa. Sch. hat und ob sich diese realisieren lassen, könnte die aus dieser Vorschrift hergeleitete Verpflichtung der BA deshalb fraglich sein, weil sie Vog nur „wie ein Arbeitgeber” zu leisten hätte. Ob die Leistungspflicht der BA im Hinblick hierauf auch dann bestünde, wenn sich der Kläger – wie geschehen – arbeitslos gemeldet und Alg bezogen hätte, könnte deshalb zweifelhaft sein, weil der Kläger sich dadurch, daß er sich der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestellt hatte, in das Erwerbsleben zurückgekehrt und den Vorruhestand aufgegeben haben könnte. Das wiederum könnte zur Folge haben, daß der Anspruch auf Vog nach dem zwischen dem Kläger und seinem früheren Arbeitgeber geltenden Tarifvertrag (Vog-TV) möglicherweise entfallen wäre, denn § 2 Nr. 1 Vog-TV setzt für den Anspruch auf Vog voraus, daß der Arbeitnehmer aus dem Erwerbsleben ausgeschieden und in den Vorruhestand getreten ist. Folgerichtig sieht § 8 Nr. 2 Vog-TV vor, daß der Anspruch auf Vog dann ruht, wenn der Vorruheständler wieder eine Beschäftigung, die die Geringfügigkeitsgrenze überschreitet, aufnimmt. Immerhin liegt es nicht völlig fern, daß diese Rechtsfolge auch den Fall erfassen könnte, daß der betreffende Arbeitnehmer statt dessen Lohnersatz in Form von Alg bezieht. Diese Frage kann der Senat hier freilich offenlassen, denn § 14 VRG umfaßt auch die Fälle der Insolvenzsicherung des § 9 VRG.
Der Wortlaut der Vorschrift, ihre Stellung im VRG und die mit dem VRG einschließlich der Insolvenzsicherung nach § 9 VRG bezweckte Gesamtkonzeption führen zu dieser allein systemgerechten Auffassung.
§ 14 lautet: Für die Zeit ab 1. Januar 1989 ist dieses Gesetz nur noch anzuwenden, wenn die Voraussetzungen für den Anspruch erstmals vor diesem Zeitpunkt vorgelegen haben.
Mit der Bezeichnung „dieses Gesetz” werden sämtliche Vorschriften des als Art. 1 des Gesetzes zur Erleichterung des Übergangs vom Arbeitsleben in den Ruhestand vom 13. April 1984 (BGBl I 601) verkündeten VRG erfaßt. Konsequenterweise kann unter „dieser Anspruch” dann nicht ausschließlich der Anspruch des Arbeitgebers auf einen Zuschuß verstanden werden, sondern darunter ist der maßgebliche Anspruch des jeweiligen Sachzusammenhanges, im Falle des § 9 VRG also entweder der Anspruch des Arbeitnehmers gegenüber der BA auf Gewährung von Vog-Ersatz oder der arbeitsrechtliche Anspruch des Arbeitnehmers gegenüber seinem Arbeitgeber auf Leistung von Vog, zu verstehen.
Die Stellung des § 14 am Ende des VRG vor der Berlin-Klausel spricht ebenfalls dafür, daß das gesamte VRG von dieser Vorschrift erfaßt werden soll. Denn hätte § 9 VRG von der „Befristung der Regelung” (so die Überschrift des § 14 VRG) nicht erfaßt werden sollen, die Insolvenzsicherung durch die BA also auch Vorruhestandsgeld-Empfängern zugute kommen sollen, die nicht die Voraussetzungen des VRG erfüllen (vgl. dazu BSG SozR 3-4100 § 118 b Nr. 1), wäre es systemgerecht gewesen, sie entweder im Arbeitsförderungsgesetz im Anschluß an die Bestimmungen über die Gewährung von Konkursausfallgeld oder in den Art. 2 ff des Gesetzes zur Erleichterung des Übergangs vom Arbeitsleben in den Ruhestand zu regeln. Denn in diesen Artikeln werden insbesondere die Vorschriften des Arbeitsförderungs-, Rentenversicherungs- und Krankenversicherungsrechts allgemein an die Einführung von Vorruhestandsleistungen angepaßt, indem zB Bezieher von Vorruhestandsleistungen – ungeachtet der Voraussetzungen des VRG – zu Zwecken der Kranken- und Rentenversicherung entgeltlich beschäftigten Arbeitnehmern gleichgestellt werden. Die Absicherung für den Fall der Insolvenz des Arbeitgebers hätte der Gesetzgeber konsequenterweise, hätte er eine von § 14 VRG abweichende Regelung schaffen wollen, ebenfalls in diesem Rahmen regeln müssen.
Sinn und Zweck des VRG sprechen ebenfalls dafür, daß § 9 des Gesetzes das Schicksal der anderen von § 14 VRG erfaßten Bestimmungen teilt. Ziel des VRG war es, Arbeitslose und ausgebildete Jugendliche ohne Arbeitsplatz auf Arbeitsplätze einzugliedern, die von älteren, freiwillig aus dem Erwerbsleben ausscheidenden Arbeitnehmern freigemacht werden sollten. Die Eingliederung förderte die BA durch Zuschüsse zu den Vorruhestandsleistungen der Arbeitgeber, allerdings nur, wenn die Wiederbesetzung des Arbeitsplatzes bis zum 31. Dezember 1988 erfolgt war. Sinn und Zweck des VRG wird daher zwar maßgeblich durch die Zuschußgewährung bestimmt (BSG SozR 3-7825 § 14 Nr. 1). § 9 VRG ist jedoch ebenfalls Bestandteil des Gesetzes und gewährleistet den Arbeitnehmern, die in der begünstigten Zeit von dem Angebot des Arbeitgebers Gebrauch machen, Schütz im Falle späterer Insolvenz ihres Arbeitgebers. Der Insolvenzschutz ist zudem – wenngleich nur in lockerer Weise – durch Verknüpfung mit den Regelungen über die Gewährung des Zuschusses an Arbeitgeber in die Gesamtkonzeption des Gesetzes eingebunden. Diese Verknüpfung spricht dafür, daß § 9 VRG das Schicksal der Vorschriften über die Zuschußgewährung teilt. Die Verknüpfung besteht grundsätzlich bereits darin, daß nicht nur die Zuschußgewährung an Arbeitgeber eine Subventionsleistung ist, sondern dieses auch für die Insolvenzsicherung des Arbeitnehmers zutrifft. Bei letzterer handelt es sich zwar der Form nach um eine öffentlich-rechtliche Sozialleistung im Sinne des § 19 a Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – (SGB I), diese stellt in diesem Zusammenhang ihrer Funktion nach jedoch eine Subventionsleistung dar. Einmal tritt sie nach § 9 Abs. 1 VRG an die Stelle einer fehlenden tarifvertraglichen Absicherung des Arbeitnehmers im Insolvenzfall. Zum anderen ist dies dem Verweis in § 9 Abs. 2 VRG auf § 3 Abs. 1 Nr. 1 und § 4 Satz 2 VRG zu entnehmen, wonach die BA die bisherige Arbeitgeberleistung nur in dem für die Zuschußgewährung maßgeblichen Umfang zu übernehmen hat (vgl. BSG SozR 3-7825 § 9 Nr. 1).
§ 9 VRG ist auch dadurch in die Gesamtkonzeption des Gesetzes eingebunden, daß hier ebenso wie für die Vorschriften über die Zuschußgewährung die Grundkonzeption des VRG erkennbar wird, daß Vorruhestandsverhältnisse grundsätzlich durch die arbeitsrechtliche Selbstbestimmung der Arbeitgeber und Arbeitnehmer bzw der beiderseitigen Tarifpartner geprägt wird. Das VRG knüpft lediglich in Form von Rahmenvorschriften als Mindestnormen an die arbeitsrechtlich getroffenen Regelungen an. Das gilt nicht nur für die Regelungen über die Gewährung von Zuschüssen an Arbeitgeber, sondern auch für § 9 VRG. Dort heißt es nämlich, daß die BA unter den dort genannten Voraussetzungen Vog „wie ein Arbeitgeber zu gewähren hat”. Damit hat der Gesetzgeber an die arbeitsrechtlichen Vorruhestandsvereinbarungen angeknüpft, ohne die vorrangige Regelungskompetenz insbesondere der Tarifpartner zu berühren. Dieser Zusammenhang rechtfertigt es, eine Einstandspflicht der BA im Falle der Insolvenz des Arbeitgebers jedenfalls insoweit zu verneinen, als sich die arbeits- bzw tarifvertragsrechtlichen Voraussetzungen für den Anspruch auf Vog mit den gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Zuschüssen decken und es in dem vom Gesetz allgemein erfaßten Geltungszeitraum bereits an diesen Voraussetzungen mangelt. Denn fehlt es an der Vollendung des 58. Lebensjahres des Arbeitnehmers oder ist der Arbeitnehmer, der 1988 in den Vorruhestand treten will, nicht vor 1931 geboren oder ist das Beschäftigungsverhältnis 1988 noch nicht beendet, kommt weder ein Anspruch des Arbeitgebers auf Zuschuß in Betracht (§ 1 Abs. 1 und 2, § 2 Abs. 1 Nr. 3 VRG), noch ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Vog gegenüber seinem Arbeitgeber, für den die BA „wie ein Arbeitgeber” einstehen müßte. Dieses hat zur Folge, daß nur derjenige Arbeitnehmer, der vor 1989 einen Anspruch auf Vog erworben hat und in den Vorruhestand eingetreten ist, einen schutzwürdigen Besitzstand erworben hat, der zu einer Insolvenzsicherung gemäß § 9 VRG führt, auch wenn die Insolvenz selbst erst im Laufe des Jahres 1989 oder später eintreten sollte.
Nur dieses Ergebnis ist systemgerecht, weil für den Insolvenzschutz nach § 9 VRG insoweit nichts anderes gilt als für den Anspruch des Arbeitgebers auf Zuschuß, denn auch dessen Voraussetzungen müssen nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sämtlich vor Ablauf des Jahres 1988 vorgelegen haben, damit dieser gewährt werden kann (BSG SozR 3-7825 § 14 Nr. 1). Nicht systemkonform wäre es hingegen, wenn § 9 VRG auch für nach 1988 entstandene Vog-Ansprüche von Arbeitnehmern gegenüber ihrem Arbeitgeber Anwendung finden könnte, denn dann müßte die BA auch diese Ansprüche im Insolvenzfall grundsätzlich ohne zeitliche Beschränkung befriedigen. Damit steht nicht in Einklang, daß das VRG nicht verlängert worden ist, so daß die BA neue Vorruhestandsfälle nicht mehr zu fördern hat.
Dafür spricht weiter, daß mit dem Wegfall des Anspruchs auf Zuschuß ab 1989 auch die mittelbare Beitragsleistung der Arbeitgeber zur Finanzierung der Insolvenzsicherung entfallen ist. Hatten nämlich die Tarifvertragspartner keine Insolvenzsicherung vereinbart, wie es die Regel sein dürfte, betrug der Zuschuß der BA an die Arbeitgeber nicht 35 vH, sondern nur 34 vH der Aufwendungen des Arbeitgebers für das dem ausgeschiedenen Arbeitnehmer in Höhe von 65 vH des Bruttoarbeitsentgelts gezahlte Vog (§ 3 Abs. 5 iVm Abs. 1 Nr. 1 VRG). Bliebe es bei der unbeschränkten Geltung des § 9 VRG über 1988 hinaus, führte das zu einer systemfremden Finanzierung der Insolvenzsicherung, denn diese könnte dann nur noch aus den allgemeinen Beiträgen der Versichertengemeinschaft erfolgen.
Die Berufung der Revision auf die Gesetzesmaterialien dafür, daß § 14 VRG den § 9 VRG nicht einschließt, schlägt demgegenüber nicht durch. Richtig ist zwar, daß es in der Begründung des Regierungsentwurfs zu § 13 (= § 14 VRG) lediglich heißt, die Zuschußgewährung für die Zeit ab 1. Januar 1989 sei auf Fälle beschränkt, in denen die Fördervoraussetzungen bereits vor diesem Zeitpunkt erfüllt waren (BT-Drucks 10/880 S 18 vom 18. Dezember 1983). Gegen die Annahme, daß § 9 nach dieser Begründung von der Befristung ausgenommen werden sollte, spricht die Entstehungsgeschichte dieser Begründung. § 9 VRG ist offensichtlich nur aufgrund einer Sachverständigenanhörung am 24. November 1983 vor dem Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Bestandteil des Regierungsentwurfs geworden. Der Ausschuß hatte sich nämlich zu dem Zeitpunkt mit dem damals allein vorliegenden Entwurf der Fraktion der SPD zu einem Vorruhestandsgeldgesetz (BT-Drucks 10/122) zu befassen. Dieser enthielt keine dem § 9 VRG entsprechende Insolvenzschutzklausel. Die angehörten Sachverständigen befürworteten jedoch einhellig die Aufnahme einer entsprechenden Klausel in das Gesetz. Zu diesem Zeitpunkt dürfte die Begründung zu § 14 des in Arbeit befindlichen Regierungsentwurfes bereits abgefaßt gewesen sein. Nahe liegt deshalb die Annahme, daß nach Einfügung des § 9 VRG in den Regierungsentwurf die Begründung zu § 14 VRG im Hinblick daraufhin nicht mehr überprüft und deshalb auch nicht mehr geändert worden ist.
Das dargestellte Gesetzesverständnis führt im vorliegenden Fall zur Bestätigung des angefochtenen Urteils. Abzustellen ist nämlich darauf, wann beim Kläger die arbeitsrechtlichen Voraussetzungen für den Bezug von Vog gegeben waren. Das ist im Jahre 1988 nicht mehr der Fall gewesen. Sämtliche erforderlichen Anspruchsvoraussetzungen dafür lagen vielmehr erst nach Ablauf des Jahres 1988 vor. Dafür war neben den hier gegebenen Alters- und Beschäftigungszeitvoraussetzungen gemäß § 5 Nr. 1 Vog-TV auch das Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Beschäftigungsverhältnis Voraussetzung, denn hiernach hat der in den Vorruhestand tretende Arbeitnehmer erst nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses gegenüber seinem bisherigen Arbeitgeber Anspruch auf ein monatlich zu zahlendes Vog. Der Vorruhestand des Klägers begann jedoch erst am 1. Januar 1989, denn er ist zum 31. Dezember 1988, dh mit Ablauf des Jahres 1988 aus dem Beschäftigungsverhältnis ausgeschieden. Daß es hier so liegt, wird dadurch bestätigt, daß der Kläger nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG, an die der Senat gebunden ist (§ 163 SGG), für den 31. Dezember 1988 Lohn erhalten hat und auch für diesen Tag noch als Arbeitnehmer sozialversichert war. Der Anspruch auf Vog konnte deshalb erst mit dem 1. Januar 1989 entstehen.
Entgegen der Auffassung der Revision besteht insoweit kein Spielraum für eine abweichende Auslegung der hier zwischen den Partnern des Vog-TV bzw dem früheren Arbeitgeber des Klägers und diesem getroffenen Vereinbarungen. Der Kläger hatte durchaus die Möglichkeit, spätestens zum 30. Dezember 1988 aus der Firma auszuscheiden. Dann wäre er in den Schutz der Insolvenzsicherung gekommen. Daß das nicht geschehen ist, dürfte darauf beruhen, daß der Insolvenzfall bei den getroffenen Vereinbarungen nicht ins Auge gefaßt wurde. Dieser Umstand kann jedoch an den obigen Ausführungen zum Ende des Beschäftigungsverhältnisses des Klägers nichts ändern.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 927573 |
ZIP 1993, 1896 |
Breith. 1994, 601 |