Entscheidungsstichwort (Thema)
Merkmale der Selbständigkeit
Leitsatz (amtlich)
Ob ein Arbeitnehmer mit einer selbständigen (Neben-)Tätigkeit (hier als Gastwirt) die Kurzzeitigkeitsgrenze des § 102 AFG überschreitet und deshalb nicht arbeitslos ist (§ 101 Abs 1 S 2 AFG), richtet sich allein nach den zeitlichen Anforderungen der Tätigkeit; dabei sind auch solche der selbständigen Tätigkeit zu widmende Stunden zu berücksichtigen, in denen kein Umsatz erzielt wird.
Orientierungssatz
Wer für unbestimmte Zeit eine Tätigkeit in eigener wirtschaftlicher Verantwortung und in persönlicher Unabhängigkeit mit dem Ziele ausübt, aus dieser Tätigkeit Einkommen zu erzielen, ist selbständig. Persönliche Unabhängigkeit, eigene wirtschaftliche Verantwortung und Verfügungsgewalt über die Betriebseinrichtung sind die Hauptmerkmale der selbständigen Tätigkeit.
Normenkette
AFG § 101 Abs 1 S 2 Nr 1, § 102 Abs 1
Verfahrensgang
LSG Niedersachsen (Entscheidung vom 11.03.1986; Aktenzeichen L 7 Ar 123/85) |
SG Hildesheim (Entscheidung vom 13.03.1985; Aktenzeichen S 16 Ar 38/85) |
Tatbestand
Streitig ist die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg).
Der Kläger ist Eigentümer von 15 Morgen Wald und 45 Morgen landwirtschaftlich genutzter Fläche, von der 40 Morgen verpachtet sind. In seinem Wohnhaus betreibt der Kläger eine seit Jahren bestehende Gaststätte, die täglich außer donnerstags in der Regel von 19.30 bis 23.00 Uhr geöffnet ist.
Von 1970 bis zum 13. Juli 1984 war der Kläger als Metallarbeiter beschäftigt. Am 16. Juli 1984 meldete er sich arbeitslos und beantragte Alg. Dabei gab er an, daß er 21 Stunden wöchentlich in seinem Betrieb arbeite und Einnahmen von wöchentlich 100,-- DM habe. Auf Anfrage gab er wenig später schriftlich an, daß er seine Gaststätte an sechs Wochentagen täglich drei Stunden geöffnet habe und während dieser Zeit dort tätig sei. Schließlich erklärte der Kläger im August 1984 gegenüber einem Ermittlungsbeamten der Beklagten, die Gaststätte sei - je nach Besuch - in der Regel bis 23.00 Uhr geöffnet; er arbeite dort nach Bedarf etwa eine Stunde. Für Einkäufe benötige er alle 14 Tage zwei Stunden (einschließlich Weg). Das 1 ha große Land erfordere keine wöchentliche Arbeit, da nur Saat und Ernte anfielen; auch der 3,5 ha große Wald erfordere keinen wöchentlichen Arbeitsaufwand.
Die Beklagte lehnte den Antrag ab, da nicht dargelegt sei, daß die selbständige Tätigkeit die Grenzen der Kurzzeitigkeit nicht übersteige (Bescheid vom 4. Oktober 1984, Widerspruchsbescheid vom 15. Januar 1984). Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte unter Aufhebung der ergangenen Bescheide dem Grunde nach verurteilt, unter Anrechnung des Verdienstes aus der Gastwirtschaft Alg vom 16. Juli 1984 bis zum 28. Februar 1985 zu zahlen (Urteil vom 13. März 1985). Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) dieses Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 11. März 1986).
Das LSG hat angenommen, es fehle an der Anspruchsvoraussetzung der Arbeitslosigkeit (§§ 100, 101 Abs 1 Arbeitsförderungsgesetz -AFG-). Nicht arbeitslos sei ein Arbeitnehmer, der eine Tätigkeit als mithelfender Familienangehöriger oder Selbständiger ausübe, die die Grenzen des § 102 AFG überschreite. Es dürfe somit nur eine Tätigkeit vorliegen, die auf weniger als 20 Stunden wöchentlich der Natur der Sache nach beschränkt zu sein pflege. Die Gaststätte sei nach den eigenen Angaben des Klägers 21 (= 6 x 3,5) Stunden in der Woche geöffnet, in denen der Kläger dort auch anwesend sei. Damit sei der Kläger mehr als kurzzeitig in der Gaststätte tätig. Daß an vielen Tagen nur ein bis zwei Gäste die Gaststätte aufsuchten, führe nicht dazu, daß der Kläger eine geringere Zeit zu arbeiten habe; denn Arbeitszeit sei nach natürlichem Sprachgebrauch die Zeitspanne, die der Arbeitnehmer verpflichtet sei, seine Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen. Das sei regelmäßig die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne Ruhepausen. Allerdings werde zumeist in dieser Zeit nicht nur Vollarbeit verrichtet; es wechselten vielmehr Zeiten angespannter Tätigkeit mit Zeiten entspannter Tätigkeit verschiedener Grade. Man unterscheide Arbeit, Arbeitsbereitschaft, Bereitschaft (auch Bereitschaftsdienst, reine Bereitschaft) und Rufbereitschaft. Lege man an die vom Kläger ausgeführte Tätigkeit als Gastwirt diese Unterscheidung an, so sei seine Tätigkeit mit der Arbeit eines Verkäufers oder Telefonisten vergleichbar, die während der Arbeitszeit Vollarbeit leisteten, indem sie ua Kunden bedienten bzw Anrufe vermittelten, und zum Teil auf Kunden bzw Anrufe warteten und damit Arbeitsbereitschaft leisteten. Beim Kläger habe es immer wieder Zwischenzeiten gegeben, in denen er untätig gewesen sei und, wenn keine Gäste anwesend waren, auf das Eintreten von Gästen oder, wenn sich Gäste in seiner Gaststätte aufgehalten hätten, auf ihre Bestellungen gewartet hätte. Diese Zwischenzeiten hätten vom Kläger keinerlei Dienstverrichtung verlangt, er habe sich ausruhen können. Indessen habe er sich für das Eintreffen seiner Gäste bzw ihre Bestellungen bereithalten müssen. Wenn nicht gerade Vorbereitungen zu treffen oder Gläser abzuräumen oder zu spülen gewesen waren, habe er in dieser Wartezeit keinerlei Verrichtungen ausführen müssen. Dies sei zwar gegenüber der vollen Tätigkeit eines Gastwirts oder Kellners eine mindere Leistung, aber noch Arbeitsbereitschaft und damit Arbeit. Demgegenüber sei es unerheblich, daß sich zeitweise die Familie des Klägers in der Gaststätte aufgehalten und sich dort ein Fernsehapparat befunden habe. Welche zusätzliche Zeit die Tätigkeit des Klägers in seiner Landwirtschaft und der Einkauf für seine Gastwirtschaft erfordert hätte, könne dahingestellt bleiben.
Der Kläger rügt mit der Revision eine Verletzung des § 102 AFG. Er trägt vor, es treffe zwar zu, daß die Frage, ob die Grenze der kurzzeitigen Beschäftigung von 20 Stunden in der Woche überschritten sei, nach der Natur der Sache, dh nach der Art und dem Umfang der anfallenden Verrichtungen sowie den zeitlichen Umständen ihrer Erledigung zu beurteilen sei. Der Wertung des LSG könne indes nicht gefolgt werden, weil es die arbeitsrechtlichen Grundsätze zum Begriff der zu bezahlenden Arbeitszeit falsch angewendet habe. Das Arbeitsrecht unterscheide die voll zu entlohnende Arbeitszeit von der minder zu entlohnenden Arbeitsbereitschaft/Rufbereitschaft und der nicht zu entlohnenden Ruhezeit. Arbeitsbereitschaft sei die mindere Leistung und insoweit auch mit einem minderen Lohnanspruch ausgestattet, wenn sie regelmäßig und in erheblichem Umfange auftrete; dennoch handele es sich um Arbeit, weil der Arbeitnehmer in wachem Zustand Geschehnisse ständig beobachten und im Bedarfsfalle eingreifen müsse. Der Bedarfsfall sei dabei aber weder weniger die Regel und mehr der Ausnahmefall. Ein typisches Beispiel dafür sei der Nachtpförtner. Ruhezeit sei keine Arbeit; der Arbeitnehmer könne schlafen. Im Bedarfsfalle werde er durch geeignete Signale geweckt; wo er sich aufhalte, sei unerheblich. Typische Beispiele dafür seien die Feuerwehrwachen oder der Notdienst in Krankenhäusern. In keinem Falle führe der gelegentliche Arbeitsmangel, zB das Ausbleiben von Kunden im Einzelhandel oder von Gästen in der Gastronomie, zur Arbeitsbereitschaft für den Verkäufer oder für den Kellner mit der Folge, daß für diese Zeit nur ein verminderter Lohnanspruch bestehe. Dienste dieser Art seien schon immer als volle Arbeitsleistung voll zu entlohnen. Zwar gehe das LSG davon aus, daß sich die Frage der Entlohnung der Zeit als Vollarbeit oder als mindere Leistung nach dem Grad der Beanspruchung richte und daß dieser Grad der Beanspruchung ohne Einschränkung auch für die Tätigkeit eines Selbständigen gelten müsse; dann sei das LSG dieser Frage indessen nicht weiter nachgegangen, weil es die Arbeitsbereitschaft als vollwertige Arbeitsleistung bewertet habe. Darin liege der entscheidende Fehler. Arbeitnehmer, in deren Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichem Umfange Arbeitsbereitschaft falle, hätten - je nach dem Grad der Beanspruchung - eine regelmäßige tarifliche Arbeitszeit bis zu 60 Stunden in der Woche bei einer Entlohnung, die sonst einer Arbeitszeit von 40 Stunden in der Woche entspreche. Im Gaststättengewerbe betrage die regelmäßige Arbeitszeit 40 Stunden in der Woche. Gaststätten, in denen Kellner regelmäßig und in erheblichem Umfange herumsäßen, würden nicht lange existieren; einen solchen Luxus könne sich nur ein selbständiger Gastwirt erlauben, dem es gleichgültig sei, ob er abends in seiner Wirtschaft oder in seiner Wohnung fernsehend nichts verdiene. Der vom SG festgestellte Umsatz des Klägers von 1.500,-- DM im Monat würde die Lohnkosten eines Kellners als Halbtagsbeschäftigung vielleicht decken; der Wareneinkauf sowie weitere Betriebskosten wären jedoch nicht mehr gedeckt. Der Umsatz gebe zugleich auch Aufschluß über die Beanspruchung des Klägers bzw darüber, in welchem Umfange Zeiten der vermeintlichen Arbeitsbereitschaft anfielen; bei einem Bierpreis von 2,50 DM je Glas hätte der Kläger im Monat 600 oder in der Woche 140 Glas oder 6,6 Glas in der Stunde ausgeschenkt. Da das LSG lediglich die Öffnungszeiten der Gastwirtschaft seiner Entscheidung zugrunde gelegt habe, stelle sich die Frage, wie Art und Umfang der Verrichtungen des Klägers sowie die zeitlichen Umstände ihrer Erledigung zu werten seien. Abzustellen sei auf die Frage, ob der Arbeitslose neben der (kurzzeitigen) Beschäftigung noch eine weitere, mehr als kurzzeitige Beschäftigung ausüben könne. Diese Frage sei regelmäßig zu verneinen, wenn beide Beschäftigungen zusammen das Maß der regelmäßigen tarifüblichen Vollbeschäftigung erreichten. Daher habe der Gesetzgeber die Kurzzeitigkeitsgrenze auch auf weniger als die Hälfte der (damals geltenden) tarifüblichen Arbeitszeit von 40 Stunden, also auf weniger als 20 Stunden in der Woche, festgesetzt. Betrage die tarifübliche Arbeitszeit jedoch 60 Stunden, weil Zeiten der Arbeitsbereitschaft regelmäßig und in erheblichem Umfange anfielen, dann bedeute Kurzzeitigkeit iS des § 102 AFG weniger als die Hälfte von 60 Stunden; denn § 102 AFG stelle nicht auf die Zeit ab, die irgendwie entlohnungspflichtig sei. Maßgeblich sei vielmehr die Zeit, in der der Arbeitnehmer beschäftigt sei und nicht, in welcher Zeit er sich für die Aufnahme einer Beschäftigung bereithalte (Arbeitsbereitschaft). Da der Kläger für Zeiten, in denen er selbst nicht tätig sei, kein Erwerbseinkommen erziele, gehe es auch nicht darum, die Arbeitsbereitschaft eines Arbeitnehmers entsprechend auf den Selbständigen zu übertragen. Die geminderte Beschäftigung infolge geringer Nachfrage sei typischer Ausdruck des Unternehmerrisikos. Insoweit unterscheide sich die selbständige Erwerbstätigkeit von der abhängigen Beschäftigung. Das verbiete eine Betrachtungsweise, derzufolge der Selbständige sich selbst zur Verfügung stehe und dies wie ein Beschäftigungsverhältnis zu beurteilen sei. Wenn Zeiten der Arbeitsbereitschaft eines Arbeitnehmers nach § 102 AFG als Beschäftigung zu werten seien, weil der Arbeitnehmer dafür einen Lohnanspruch habe, so komme eine entsprechende Rechtsanwendung auf den selbständig Erwerbstätigen nicht in Betracht. Zu einem anderen Ergebnis könnte man allenfalls dann gelangen, wenn ein Fall der "selbständig ausgeübten Arbeitsbereitschaft" vorliegen würde (zB der selbständige Wächter oder Bewacher bestimmter Anlagen oder Gebäude). Hier läge es auf der Hand, daß aus der "wachen Bereitschaft" zur jederzeitigen Tätigkeitsaufnahme Erwerbseinkommen erzielt werde, so daß der Analogieschluß berechtigt sei. Das sei aber beim Kläger nicht der Fall; aus seiner wachen Bereitschaft beziehe er kein Einkommen, sondern allein aus dem tatsächlichen Verzehr von Getränken in seiner Gastwirtschaft.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Sie stimmt der Auffassung des LSG in vollem Umfange zu und verweist auf die Urteile des Bundessozialgerichts vom 25. August 1981 - 7 RAr 68/80 - und vom 8. Oktober 1981 - 7 RAr 38/80 -). Hiernach müsse bei einem Selbständigen (Rechtsanwalt) die Bereitschaftszeit für mögliche Mandantenbesuche, Telefonate (etwa während der üblichen Bürostunden) bei der Prüfung der Frage, ob die selbständige Tätigkeit geringfügig (kurzzeitig) sei, voll berücksichtigt werden. Im übrigen weist die Beklagte darauf hin, daß das LSG die Frage, welchen zeitlichen Aufwand die Tätigkeit des Klägers in dessen Landwirtschaft sowie Vor- und Nacharbeiten in der Gastwirtschaft (Einkauf und Warenannahme) erfordern, offen gelassen habe.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Er ist nicht iS des § 101 AFG arbeitslos und erfüllt damit nicht die Voraussetzungen des Anspruchs auf Alg (§ 100 Abs 1 AFG), wie das LSG zu Recht erkannt hat.
Nach Abs 1 Satz 1 des zuletzt durch das Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (SGB 4) vom 23. Dezember 1976 (BGBl I 3845) geänderten § 101 AFG ist arbeitslos ein Arbeitnehmer, der vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht oder nur eine kurzzeitige Beschäftigung ausübt. Nach dem Verlust seiner Beschäftigung als Metallarbeiter am 13. Juli 1984 stand der Kläger zwar vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis. Indessen ist nach § 101 Abs 1 Satz 2 Nr 1 AFG ein beschäftigungsloser Arbeitnehmer nicht arbeitslos, der eine Tätigkeit als Selbständiger ausübt, die die Kurzzeitigkeitsgrenze des § 102 AFG überschreitet. Letzteres ist hier der Fall.
Der Kläger übt eine selbständige Tätigkeit aus. Selbständig ist, wer für unbestimmte Zeit - nicht nur gelegentlich - eine Tätigkeit in eigener wirtschaftlicher Verantwortung und in persönlicher Unabhängigkeit mit dem Ziele ausübt, aus dieser Tätigkeit Einkommen zu erzielen. Persönliche Unabhängigkeit, eigene wirtschaftliche Verantwortung und Verfügungsgewalt über die Betriebseinrichtungen und Betriebsmittel sind die Hauptmerkmale der selbständigen Tätigkeit. Ausgenommen sind Verrichtungen, die nur aus Liebhaberei, zum Zeitvertreib, aus Gründen der körperlichen Ertüchtigung, aus Nächstenliebe oder ähnlichen Motiven vorgenommen werden (BSGE 16, 56, 58 = SozR Nr 6 zu § 75 AVAVG; nicht veröffentlichtes Urteil des Senats vom 17. Mai 1983 - 7 RAr 32/82 -; Gagel/Steinmeyer, Komm zum AFG, Stand Juli 1987, § 101 Rdz 31; Knigge/Ketelsen/Marschall/Wittrock, Komm zum AFG, § 101 Rdz 22; Schönefelder/Kranz/Wanka, Komm zum AFG, § 101 aF Rdz 13). Der Kläger ist trotz der Verpachtung des größeren Teils seiner landwirtschaftlich nutzbaren Flächen möglicherweise als Landwirt selbständig tätig; auf jeden Fall übt er als Gastwirt eine selbständige Tätigkeit aus. Es ist nämlich nichts dafür ersichtlich, daß er die Gaststätte nur aus Liebhaberei, aus Zeitvertreib oder aus ähnlichen Motiven betreibt und nicht zur Erzielung von Erwerbseinkommen.
Allein mit der Tätigkeit als Gastwirt überschreitet der Kläger nach den den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) die Kurzzeitigkeitsgrenze mit der Folge, daß die Anspruchsvoraussetzung der Arbeitslosigkeit nicht gegeben ist. Daß der Kläger aus der Gaststätte keinen oder keinen nennenswerten Ertrag erzielt, steht dem nicht entgegen. Die Höhe des Gewinns aus einer selbständigen Tätigkeit mag im Einzelfalle in tatsächlicher Hinsicht Rückschlüsse auf deren Umfang und darauf zulassen, inwieweit der Selbständige bereit und in der Lage ist, daneben noch eine abhängige Beschäftigung zu ergreifen. Für die Frage indes, ob eine Tätigkeit des Arbeitnehmers als Selbständiger die Grenze des § 102 AFG überschreitet und der Arbeitnehmer deshalb nicht arbeitslos ist, ist es rechtlich unerheblich, ob und in welchem Umfange durch die selbständige Tätigkeit tatsächlich Gewinn erzielt wird (Gagel/Steinmeyer, aaO, Rdz 32; Hennig/Kühl/Heuer, Komm zum AFG, Stand April 1987, § 101 Anm 6; Knigge/Ketelsen/Marschall/Wittrock, aaO, Rdz 23; Schönefelder/Kranz/Wanka, aaO, Rdz 13).
Kurzzeitig iS des § 101 Abs 1 AFG ist nach § 102 Abs 1 AFG in der zuletzt durch das SGB 4 geänderten Fassung, die bis zum 31. Dezember 1985 gegolten hat, eine Beschäftigung, die auf weniger als 20 Stunden wöchentlich der Natur der Sache nach beschränkt zu sein pflegt oder im voraus durch einen Arbeitsvertrag beschränkt ist; gelegentliche Abweichungen von geringer Dauer bleiben unberücksichtigt. Für die Anspruchsvoraussetzung "Arbeitslosigkeit" wird bei einer bestehenden Beschäftigung damit allein auf deren Dauer abgestellt, und zwar auch dann, wenn der Antragsteller neben dieser Beschäftigung in der Lage ist, eine längere als kurzzeitige Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes auszuüben. Letzteres betrifft die Anspruchsvoraussetzung der Verfügbarkeit. Die Verfügbarkeit ist kein Merkmal des Begriffs der Arbeitslosigkeit, sondern eine weitere Voraussetzung des Anspruchs auf Alg, die neben der Arbeitslosigkeit gegeben sein muß (§§ 100 Abs 1, 103 AFG). Beide Anspruchsvoraussetzungen sind begrifflich scharf zu unterscheiden und voneinander unabhängig (Gagel/Steinmeyer, aaO, Rdz 1a und 43). Der Anspruchsvoraussetzung der Arbeitslosigkeit kommt dabei die Aufgabe zu, das Risiko zu konkretisieren, bei dessen Eintritt Alg bzw Arbeitslosenhilfe (Alhi) in Betracht kommt (Gagel/Steinmeyer, aaO, Rdz 1). Die Anspruchsvoraussetzung der Verfügbarkeit stellt demgegenüber zur Wahrung des Vorrangs der Vermittlung von Arbeit vor der Gewährung von Alg und Alhi sicher, daß grundsätzlich Leistungen dieser Art nur der Arbeitslose erhält, der in der Lage und auch bereit ist, einer Beschäftigung bestimmten Umfangs nachzugehen. Wie trotz mangelnder Arbeitslosigkeit Verfügbarkeit vorliegen kann, kann es bei Arbeitslosigkeit an Verfügbarkeit fehlen; bei einer vorhandenen kurzzeitigen Beschäftigung ist dies zB dann der Fall, wenn der Arbeitslose wegen der Tageszeit, an der er dieser Beschäftigung nachgeht, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes eine weitere Beschäftigung, die nach § 103 Abs 1 AFG länger als kurzzeitig sein muß, nicht ausüben kann (vgl Hennig/Kühl/Heuer, aaO, § 102 Anm 4; ferner Bayer. LSG BayAmtsBl 1979 B 43). Eine nur kurzzeitige Beschäftigung, die die Arbeitslosigkeit nicht ausschließt, ist daher nicht schon deshalb zu bejahen, weil der Antragsteller trotz der vorhandenen Beschäftigung für eine längere als kurzzeitige weitere Beschäftigung zur Verfügung steht. Da § 101 Abs 1 AFG bei Fortbestand einer Beschäftigung oder einer selbständigen Tätigkeit für den Begriff der Arbeitslosigkeit allein darauf abstellt, ob die Beschäftigung bzw die Tätigkeit die Grenze des § 102 AFG überschreitet, gilt auch für den beschäftigungslosen Arbeitnehmer, der eine selbständige Tätigkeit ausübt, daß ungeachtet seiner Verfügbarkeit allein nach der Dauer seiner selbständigen Tätigkeit sich entscheidet, ob er arbeitslos ist. Arbeitslosigkeit kann mithin nicht deshalb bejaht werden, weil der bisherige Arbeitnehmer verfügbar ist, wie dies angesichts der Öffnungszeiten der Gaststätte beim Kläger der Fall gewesen sein dürfte.
Ob eine Beschäftigung kurzzeitig ist, ist zunächst den vertraglichen Vereinbarungen über die Arbeitszeit zu entnehmen; erst wenn Vereinbarungen hinsichtlich der Arbeitszeit nicht bestehen, ist maßgebend, ob die Beschäftigung der Natur der Sache nach auf weniger als 20 Stunden wöchentlich beschränkt zu sein pflegt (BSG SozR 4100 § 102 Nrn 3 und 4; Urteil vom 19. Juni 1980 - 7 RAr 14/79 - USK 80292; Eckert in Ambs u.a., Gemeinschaftskommentar zum AFG, Stand Juni 1987, § 102 Rdz 8 f; Gagel/Steinmeyer, aaO, § 102 Rdz 6; Knigge/Ketelsen/Marschall/Wittrock, aaO, § 102 Rdz 6). Ist wie hier zu beurteilen, ob eine selbständige Tätigkeit die Grenze des § 102 AFG überschreitet, kann mangels vertraglicher Vereinbarungen über eine Arbeitszeit allein nach der Natur der Sache beurteilt werden, ob die Tätigkeit auf weniger als 20 Stunden wöchentlich beschränkt zu sein pflegt. Davon ist das LSG zutreffend ausgegangen.
Die Beurteilung, ob eine Beschäftigung der Natur der Sache nach auf weniger als 20 Stunden wöchentlich beschränkt zu sein pflegt, hat von Art und Umfang der anfallenden Verrichtungen auszugehen, die der Arbeitnehmer nach den individuellen Besonderheiten seines Beschäftigungsverhältnisses auszuführen hat. Für den Zeitaufwand, den diese Verrichtungen erfordern, sind aber nicht die Fähigkeiten des individuellen Arbeitnehmers zugrundezulegen, sondern durchschnittliche. Maßgebend ist, welchen Zeitaufwand bei normalem Ablauf der Ereignisse ein durchschnittlich begabter Ausführender mit durchschnittlichen Fähigkeiten unter den üblichen Bedingungen benötigt (BSG SozR 4100 § 102 Nrn 3 und 4; Gagel/Steinmeyer, aaO, § 102 Rdz 9, 18 f und 39; Hennig/Kühl/Heuer, aaO, § 102 Anm 4). Benötigt ein Arbeitnehmer für eine hiernach kurzzeitige Beschäftigung infolge unterdurchschnittlicher Fähigkeiten einen über dem Durchschnitt liegenden Zeitaufwand, wirkt sich das ggfs bei der Verfügbarkeit aus; denn wie die Tageszeit, an der die kurzzeitige Beschäftigung auszuführen ist, kann auch ein überdurchschnittlicher Zeitaufwand für dieselbe zur Folge haben, daß der Antragsteller daneben eine längere als kurzzeitige weitere zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht auszuüben vermag.
Keine anderen Grundsätze gelten für die Beurteilung, ob eine selbständige Tätigkeit der Natur der Sache nach auf weniger als 20 Stunden wöchentlich beschränkt ist. Das Gesetz verneint in § 101 Abs 1 AFG das Vorliegen von Arbeitslosigkeit allein nach dem zeitlichen Umfang der vorhandenen Erwerbstätigkeit, ohne zwischen abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit zu unterscheiden. Das verbietet es grundsätzlich, den zeitlichen Umfang einer Tätigkeit nach anderen Maßstäben als dem zeitlichen Umfang zu beurteilen. Dementsprechend hat der Senat im Hinblick auf die Dauer der selbständigen Tätigkeit von Rechtsanwälten schon entschieden, daß es nicht auf die Fähigkeiten des einzelnen Rechtsanwalts ankomme, sondern auf durchschnittliche, daß andererseits nicht von einer abstrakten generalisierten Tätigkeit auszugehen sei, sondern von den Verrichtungen, die der jeweilige Rechtsanwalt nach der Gestaltung, die er seiner selbständigen Tätigkeit gegeben hat, vorzunehmen hat bzw voraussichtlich vornehmen muß (Urteil vom 25. August 1981 - 7 RAr 68/80 -, DBl R BA 2677 a AFG § 102; Urteil vom 8. Oktober 1981 - 7 RAr 38/80 -). Hiernach hat das LSG zu Recht Arbeitslosigkeit des Klägers allein wegen der wöchentlichen Öffnungszeit seiner Gaststätte verneint, weil der Kläger während der Öffnungszeit anwesend zu sein pflegt und die Öffnungszeit mit 21 Stunden (je 3,5 Stunden an 6 Tagen) die Kurzzeitigkeitsgrenze überschreitet.
Unabhängig von der Frage, welchen zeitlichen Umfang die Tätigkeit des Klägers in seinem Gaststättenbetrieb über die Öffnungszeiten hinaus erfordert, sind jedenfalls die regelmäßigen Öffnungszeiten voll zu berücksichtigen. Schon in den beiden zitierten Urteilen vom 25. August und 8. Oktober 1981 hat der Senat zum Ausdruck gebracht, daß Stunden wie die üblichen Bürostunden, in denen sich ein Selbständiger für die Erledigung seiner Tätigkeiten, insbesondere auch für Telefonate und Besuche seiner Geschäftspartner bereitzuhalten pflegt, voll zu berücksichtigen sind, selbst wenn in Ermangelung von Aufträgen der Selbständige sie nicht voll mit eigentlicher Arbeit auszufüllen vermag (in diesem Sinne auch Schönefelder/Kranz/Wanka, aaO, § 101 aF, Rdz 13). Hieran hält der Senat fest. Betriebe der Kläger die Gaststätte nicht selbst, sondern wäre er als Kellner in einem Beschäftigungsverhältnis in der Gaststätte beschäftigt, und zwar nur während der Öffnungszeiten, wäre nicht zweifelhaft, daß er nicht nur eine kurzzeitige Beschäftigung ausübte und daher nicht arbeitslos wäre. Das räumt auch die Revision ein. Für den anstelle eines Kellners tätigen Selbständigen kann nichts anderes gelten. Es besteht keine Möglichkeit, bei dem zeitlichen Umfang, den eine selbständige Tätigkeit erfordert, Zeiten unberücksichtigt zu lassen, aus denen der Selbständige mangels Umsatzes unmittelbar kein Einkommen bezieht. Die Revision verkennt, daß es für die Verneinung von Arbeitslosigkeit nach §§ 101, 102 AFG unerheblich ist, ob der Arbeitnehmer durch eine bestehende Beschäftigung oder die Tätigkeit als Selbständiger oder mithelfender Familienangehöriger Erwerbseinkommen erzielt, auch wenn gerade das in der Regel bei einer mehr als kurzzeitigen Beschäftigung und bei einer mehr als kurzzeitigen selbständigen Tätigkeit erzielte Einkommen schon den Ausschluß von den Leistungen wegen Arbeitslosigkeit rechtfertigt. Ist unerheblich, ob die selbständige Tätigkeit insgesamt Ertrag abwirft, kann nicht von Bedeutung sein, ob eine Verrichtung wie das werbende Warten auf Geschäftskunden bzw das Warten auf Bestellungen anwesender Gäste unmittelbar Umsatz oder gar Gewinn bringt, zumal da das Warten auf Kundschaft während der Öffnungszeiten von Gaststätten und Läden für selbständige Tätigkeiten dieser Art typisch ist. Im übrigen ist auch bei entgeltlicher Beschäftigung ggfs eine Zeit, die unmittelbar nicht entlohnt wird, zu berücksichtigen, wie das § 102 Abs 2 Nr 1 AFG vorsieht; hiernach ist nämlich eine Beschäftigung dann nicht kurzzeitig, wenn sie zwar auf weniger als 20 Stunden wöchentlich beschränkt ist, aber zusammen mit der für die Ausübung erforderlichen Vor- und Nacharbeit die Arbeitskraft des Beschäftigten in der Regel mindestens 20 Stunden wöchentlich in Anspruch nimmt (vgl auch § 102 Abs 2 Nr 2 AFG).
Das Ergebnis dieser Rechtsauffassung ist nicht unbillig. Wenn in Fällen vorliegender Art die selbständige Tätigkeit die Existenz nicht sichert, aber den Anspruch auf Alg ausschließt, so verwirklicht sich damit gerade das in der eigenen wirtschaftlichen Verantwortung begründete Risiko, das für jede selbständige Tätigkeit typisch ist. Im übrigen hat es der Selbständige in der Hand, die seine Arbeitslosigkeit ausschließende selbständige Tätigkeit aufzugeben oder so einzuschränken, daß sie die Kurzzeitigkeitsgrenze des § 102 AFG nicht überschreitet. Letzteres erscheint gerade dann als zumutbar, wenn die Tätigkeit unbedeutende oder praktisch keine Erträgnisse abwirft.
Das LSG hat daher zutreffend allein auf die Öffnungszeiten der Gaststätte abgestellt, in denen der Kläger regelmäßig selbst anwesend ist, auch wenn es an Gästen fehlt. Da diese nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen mehr als 20 Stunden in der Woche ausmachen, übt der Kläger eine selbständige Tätigkeit aus, die die Grenze des § 102 AFG überschreitet. Mangels Arbeitslosigkeit hat das LSG daher einen Anspruch des Klägers auf Alg zu Recht verneint.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen