Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Wiederaufnahme des Verfahrens nach SGG § 180 Abs 1 Nr 1 zulässig ist.
Normenkette
SGG § 180 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1953-09-03
Tenor
Das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 21. Januar 1959 wird im Ausspruch zu Ziffer 3 und 4 aufgehoben.
Der Antrag der Klägerin auf Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 180 des Sozialgerichtsgesetzes wird als unzulässig abgewiesen.
Die Klägerin hat den Beklagten die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
I
Der Ehemann und Vater der Beklagten, der Gärtner A... F... erlag am 14. April 1947 einem Unfall. Dieser stieß ihm beim Holzeinschlag zu, für den er sich im Rahmen der Aufarbeitung von Brennholz durch die Bevölkerung im Bezirk des Staatlichen Forstamts K... zur Verfügung gestellt hatte. Das Forstamt erstattete bald danach Unfallanzeige an die Badische landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft (BG) und bezeichnete den tödlich Verunglückten als Holzhauer (Selbstwerber) im forstwirtschaftlichen Betrieb. Die Badische landwirtschaftliche BG erteilte den Beklagten am 8. Oktober 1947 einen Bescheid über die Gewährung der Hinterbliebenenentschädigung aus der gesetzlichen Unfallversicherung (UV), Am 21. August 1947 erstattete auch der Oberbürgermeister des Stadtkreises K... die Unfallanzeige. Er richtete sie an das damalige badische Wirtschaftsministerium - Abteilung Unfallversicherung - in K... darin wurde mitgeteilt, F... sei beim Holzeinschlag zur Aufbereitung von Brennholz durch die Bevölkerung ums Leben gekommen. Diese Ausführungsbehörde für UV des früheren Landes Baden gewährte den Beklagten ebenfalls die Hinterbliebenenentschädigung und erteilte ihnen darüber den Bescheid vom 29. Dezember 1947. Am 17. April 1951 gab sie die Unfallsache unter Bezug auf die Verordnung zur Überführung der Ausführungsbehörde für UV in der britischen Zone vom 14. März 1951 (BGBl I 190) zuständigkeitshalber an die Klägerin ab. Diese nahm die Zahlungen an die Beklagten vom Juli 1951 an auf. Im Juni 1952 setzte sie die Zulage nach dem Gesetz über Zulagen und Mindestleistungen in der gesetzlichen UV (UZG) vom 29. April 1952 (BGBl I 253) fest und benachrichtigte davon die Beklagten durch formloses Schreiben. Im Oktober 1952 berücksichtigte auch die Badische landwirtschaftliche BG dieses Zulagengesetz. Für sie endete die Entschädigungspflicht gegenüber den Beklagten mit Wirkung vom 1. Januar 1954, da von diesem Zeitpunkt an die Staatsforsten in die Eigenunfallversicherung des inzwischen errichteten Landes Baden-Württemberg übernommen worden waren. Die Hinterbliebenenrente wurde nunmehr an die Beklagten von der Ausführungsbehörde für UV des Landes für die Regierungsbezirke Nord- und Südbaden gezahlt.
Die Klägerin hatte inzwischen ihre Zuständigkeit für die Entschädigungsleistung wiederholt in Zweifel gezogen, da sie mit Rücksicht auf die Art der unfallbringenden Arbeit F... das Land Baden-Württemberg als Versicherungsträger für zuständig hielt. Die Zahlungen leistete sie jedoch trotzdem weiter. Anfang Juli 1955 stellte sie fest, daß die Beklagten aus demselben Unfall doppelt entschädigt worden waren.
Daraufhin hat die Klägerin am 25. Juli 1955 beim Sozialgericht (SG) Konstanz nach § 180 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 und 5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) beantragt, die Wiederaufnahme des Verfahrens einzuleiten und anzuordnen, daß ihr die von ihr gewährten Rentenleistungen zurückzuerstatten seien.
Das SG hat das Land Baden-Württemberg, vertreten durch die Ausführungsbehörde für UV des Landes für die Regierungsbezirke Nord- und Südbaden, zum Verfahren beigeladen. Dieser Beigeladene hat beantragt, den Bescheid der Badischen landwirtschaftlichen BG vom 8. Oktober 1947 aufzuheben und anzuordnen, daß die seit dem 1. Januar 1954 von ihm gezahlten Beträge (798,-- DM) an ihn zurückerstattet werden. Das SG hat durch Urteil vom 18. September 1956 erkannt, die Klägerin sei zur Gewährung der Hinterbliebenenrente an die Beklagten verpflichtet.
Hiergegen haben die beiden bisher beteiligten Versicherungsträger Berufung eingelegt. Die Klägerin hat geltend gemacht, das SG habe ihre Leistungspflicht zu Unrecht aus dem Erlaß des Reichsarbeitsministers vom 15. Juni 1944 (AN II 175) hergeleitet. Für Unfälle bei Arbeiten der in diesem Erlaß bezeichneten Art (Aufarbeitung von Brennholz durch die Bevölkerung) sei nach dem Untergang des Reiches das in Betracht kommende Land zuständig.
Das beigeladene Land hat mit seiner Berufung beanstandet, daß in dem Urteil nicht über seinen Rückerstattungsanspruch entschieden worden sei.
Die Beklagten, welche die Entschädigungspflicht der Klägerin für gegeben erachten, haben ihre Verpflichtung zur Rückerstattung der Beträge anerkannt, die sie von dem Beigeladenen auf Grund des Bescheides vom 8. Oktober 1947 erhalten haben.
Im Berufungsverfahren ist noch die Badische landwirtschaftliche BG zum Verfahren beigeladen worden.
Durch Urteil vom 21. Januar 1959 hat das Landessozialgericht (LSG) das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und das Land Baden-Württemberg (Beigeladener zu 1) verurteilt, den Beklagten über den Monat Juni 1951 hinaus Hinterbliebenenrente zu gewähren; die Beklagten sind verurteilt worden, die auf Grund des Bescheides der Badischen landwirtschaftlichen BG (Beigeladene zu 2) vom 8. Oktober 1947 vom Land Baden-Württemberg erhaltenen Beträge zurückzuzahlen. Zur Begründung ist im wesentlichen ausgeführt: Es sei fraglich, ob die Klägerin befugt war, einen Wiederaufnahmeantrag nach § 180 Abs. 1 Nr. 1 SGG zu stellen. Sie habe ihre Leistungspflicht nicht durch einen förmlichen Bescheid endgültig anerkannt, vielmehr nur ihre Bereitschaft bekundet, die Hinterbliebenenrente im Wege der vorläufigen Fürsorge zu zahlen. In ihrem Wiederaufnahmeantrag eine Feststellungsklage zu erblicken, gehe nicht an, da es ihr an dem erforderlichen Feststellungsinteresse fehle. Ihr Prozeßziel, wegen mangelnder Zuständigkeit von der Leistung aus dem Bescheid vom 29. Dezember 1947 befreit zu werden, hätte sie leichter durch einen ablehnenden Verwaltungsakt erreichen können. Indessen sei es nach der gegebenen Prozeßlage möglich und aus Gründen der Prozeßökonomie geboten, in dem Wiederaufnahmeantrag einen auf die Ablehnung der Hinterbliebenenansprüche gerichteten Verwaltungsakt zu erblicken, dem gegenüber die Beklagten die Verurteilung des zuständigen Versicherungsträgers auf Leistungsgewährung forderten. Demzufolge könne eine Entscheidung in der Sache selbst ergehen. Zur Entschädigungsleistung sei auf Grund des Erlasses des Reichsarbeitsministers vom 15. Juni 1944 das Land und nicht der Bund verpflichtet. Nach dem angeführten Erlaß sei die durch den Bescheid des Badischen Finanz- und Wirtschaftsministeriums vom 29. Dezember 1947 begründete Entschädigungspflicht des Landes Baden nicht rechtswirksam auf die Klägerin übergegangen. Damit rechtfertige sich die Entscheidung der "Kern"-frage des Berufungsverfahrens.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Gegen das am 12. März 1959 zugestellte Urteil hat der Beigeladene zu 1) am 10. April 1959 Revision eingelegt und sie am 9. Mai 1959 damit begründet: Die zum Unfall führende Tätigkeit F... sei im Rahmen einer von der öffentlichen Hand organisierten Gemeinschaftsarbeit zur Brennholzversorgung geleistet worden. Daher lägen Unfallschäden, die bei diesen Arbeiten entstanden seien, als "Kriegsfolgelast" dem Bund ob. Die Zuständigkeit des Bundes für die Entschädigungspflicht ergebe sich aus dem fortgeltenden Erlaß des Reichsarbeitsministers vom 15. Juni 1944.
Außerdem rügt die Revision, das angefochtene Urteil sei verfahrensrechtlich nicht einwandfrei zustande gekommen, da es unter der unzulässigen Mitwirkung eines Hilfsrichters ergangen sei.
Der Beigeladene zu 1) beantragt,
in erster Linie das angefochtene Urteil wegen des geltend gemachten Verfahrensmangels aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuverweisen,
sonst aber unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Berufung der Klägerin gegen das erstinstanzliche Urteil zurückzuweisen und festzustellen, daß die Klägerin für die Entschädigung der Beklagten zuständig ist.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie tritt im wesentlichen der Begründung des angefochtenen Urteils bei.
Die Beklagten beantragen,
dem unterliegenden Versicherungsträger die ihnen im Berufungs- und Revisionsverfahren erwachsenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Beigeladene zu 2) stellt keinen Antrag.
Das Bundessozialgericht (BSG) hat wegen der Besetzung des erkennenden Senats des Berufungsgerichts eine Auskunft des Präsidenten des LSG Baden-Württemberg eingeholt. Danach waren ausweislich des der Auskunft beigefügten Geschäftsverteilungsplans für das Geschäftsjahr 1959 beim LSG 30 Planrichter vorhanden; davon waren 21 als Berichterstatter tätig. Außerdem waren im Januar 1959 noch vier Sozialgerichtsräte als Hilfsrichter beschäftigt, darunter Sozialgerichtsrat Dr. S... seit dem 4. November 1957 in dem erkennenden Senat des Berufungsgerichts.
Sämtliche Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Der Senat hat von dieser Entscheidungsmöglichkeit Gebrauch gemacht (§ 124 Abs. 2 SGG).
II
Die Revision ist zulässig; sie ist durch Zulassung statthaft, form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das beigeladene Land Baden-Württemberg, vertreten durch die Ausführungsbehörde des Landes für die Regierungsbezirke Nord- und Südbaden, ist zur Einlegung der Revision schon deshalb befugt, weil es als Beteiligter vom LSG zur Entschädigungsleistung verurteilt worden und dadurch beschwert ist. Im übrigen wären aus seiner verfahrensrechtlichen Stellung als Beigeladener keine Bedenken gegen sein Recht zur Revisionseinlegung herzuleiten (vgl. BSG 6, 160; 8, 291).
Die Revision hatte aus verfahrensrechtlichen Gründen Erfolg.
Allerdings ist die Rüge, der erkennende Senat des Berufungsgerichts sei nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen, weil bei der Entscheidung ein Hilfsrichter mitgewirkt habe, nicht berechtigt. Wie das BSG unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bereits ausgesprochen hat (BSG 13, 275 ff), dürfen bei einem LSG Hilfsrichter auch zur Bewältigung eines vorübergehenden außergewöhnlichen Geschäftsanfalls beschäftigt werden; nur muß in diesen Fällen ihre Zahl dem Umfang eines solchen Geschäftsanfalls entsprechen. Daß bei den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit seit ihrer Errichtung und noch bis zum Jahre 1959 eine außergewöhnliche, in ihrer Dauer aber abzusehende Arbeitsbelastung bestanden hat, will offenbar auch die Revision nicht bezweifeln. Es ist daher für die Beurteilung der Frage, ob das LSG im vorliegenden Fall ordnungsmäßig besetzt war, davon auszugehen, daß derartige Belastungsverhältnisse auch bei dem LSG Baden-Württemberg die vorübergehende Beschäftigung von Hilfsrichtern in den Senaten erforderlich machten. Im Januar 1959 standen nach der im Revisionsverfahren eingeholten Auskunft des Präsidenten des LSG Baden-Württemberg laut Geschäftsverteilungsplan 21 als Berichterstatter tätigen Planrichtern vier Hilfsrichter gegenüber. Von diesen war Sozialgerichtsrat Dr. S... erst seit November 1957 dem 2a-Senat zugeteilt, der den vorliegenden Rechtsstreit entschieden hat. Unter diesen Umständen ist die Annahme berechtigt, daß die Mitwirkung des Sozialgerichtsrats Dr. Straub in der Sitzung des Berufungsgerichts vom 21. Januar 1959, in der das angefochtene Urteil erging, mit den in allen Verfahrensgesetzen anerkannten Rechtsgrundsätzen hinsichtlich der Erfordernisse füe eine ordnungsmäßige Besetzung der Gerichte vereinbar ist.
Das LSG ist davon ausgegangen, daß es sich bei der Streitsache nur um die "Kern"-frage handele, ob die Verpflichtung zur Entschädigung der Beklagten rechtswirksam von der Ausführungsbehörde des damaligen Landes Baden (Südbaden) auf die Klägerin übergegangen ist. Lediglich hierum (Übergang als Kriegsfolgelast) geht es auch den beiden an der Durchführung des Rechtsstreits im Revisionsverfahren noch interessierten Beteiligten, nämlich dem Beigeladenen zu 1) als Revisionskläger und der Klägerin als dessen Prozeßgegnerin. Diese Streitfrage konnte, wie das LSG nicht verkannt hat, in dem von der Klägerin beantragten Wiederaufnahmeverfahren nach § 180 SGG schon deshalb nicht entschieden werden, weil die Voraussetzungen für die Einleitung eines solchen Verfahrens im vorliegenden Fall nicht gegeben sind. Zwar liegen zwei bindend gewordene Leistungsbescheide zweier Versicherungsträger über den Anspruch auf Hinterbliebenenrente der Beklagten vor, die auf diese Weise wegen des tödlichen Unfalls ihres Ehemannes und Vaters zu Unrecht doppelt entschädigt worden sind. Gleichwohl hat das LSG aus zutreffenden Erwägungen in Frage gestellt, ob die Klägerin befugt war, ihr vermeintliches Recht auf die Bestimmung des Bei geladenen zu 1) als des Leistungspflichtigen gegenüber den Beklagten in dem beantragten Wiederaufnahmeverfahren nach § 180 SGG durchzusetzen. Das LSG hat diese Vorschrift zutreffend dahin verstanden, daß den Antrag auf Wiederaufnahme nur derjenige Versicherungsträger stellen kann, der entsprechend dem Erfordernis des § 180 Abs. 1 Nr. 1 SGG "denselben Anspruch" endgültig anerkannt hat. In Übereinstimmung mit dem angefochtenen Urteil ist auch der erkennende Senat der Auffassung, daß der Klägerin diese Antragsbefugnis nicht zusteht. Der Bescheid, auf Grund dessen sie seit Juli 1951 leistet, ist von der damaligen Ausführungsbehörde für UV des Landes Baden (Südbaden) erlassen worden. Den Anlaß, die Unfallsache an die Klägerin abzugeben, bot die Verordnung zur Überführung der Ausführungsbehörde für UV in der britischen Zone vom 14. März 1951. Die Klägerin hat zwar ihre Zuständigkeit zunächst intern bejaht und auf Grund des angeführten Bescheides vom 29. Dezember 1947 die Zahlungen aufgenommen. Sie hat jedoch die Rentenberechtigten hiervon nur formlos benachrichtigt und ihnen ebenfalls nur formlos mitgeteilt, daß die Rentenbeträge nach dem UZG erhöht wurden. Hieraus folgt, daß die Klägerin zwar den Bescheid vom 29 Dezember 1947 weiter ausführt, für sich jedoch kein förmliches Anerkenntnis der Leistungspflicht erklärt hat. Sie hat, wie der im Revisionsverfahren insoweit nicht beanstandeten Feststellung des angefochtenen Urteils zu entnehmen ist und durch die Aktenunterlagen bestätigt wird, im Gegenteil seit dem Jahre 1952 wiederholt Zweifel an ihrer Zuständigkeit für die Entschädigungspflicht zum Ausdruck gebracht. Offensichtlich kam es ihr bei den trotzdem aufrechterhaltenen Zahlungen nur darauf an, die Beklagten, ungeachtet eines Zuständigkeitsstreits, in dem Genuß der Rente zu erhalten. Das LSG hat daher die Rentenzahlung der Klägerin zutreffend als die Gewährung einer vorläufigen Fürsorge bewertet. Bei diesem Sachverhalt sind die Merkmale einer endgültigen Anerkennung der Leistungspflicht im Sinne des § 180 Abs. 1 Nr. 1 SGG nicht gegeben. Das nach dieser Vorschrift von der Klägerin beantragte und vom SG von Amts wegen eingeleitete Wiederaufnahmeverfahren ist sonach unzulässig. Anders läge der Fall nur, wenn die Klägerin etwa Rechtsnachfolgerin des Versicherungsträgers wäre, der den Bescheid erlassen hat, auf Grund dessen die Renten gezahlt werden; eine solche Rechtsnachfolge besteht jedoch für die Klägerin nicht und ist vor allem nicht durch die angeführte Überführungsverordnung vom 14. März 1951 begründet worden.
Die in dem angefochtenen Urteil unter dem Gesichtspunkt der Prozeßökonomie bejahte Möglichkeit, zu einer Sachentscheidung zu gelangen, ist nach Auffassung des erkennenden Senats nicht gegeben. Das LSG meint offenbar, ungeachtet der bisherigen Parteirollen sei in dem Wiederaufnahmeantrag ein Bescheid auf Ablehnung des Entschädigungsanspruchs der Beklagten wegen fehlender Zuständigkeit der Klägerin zu erblicken, so daß in Wirklichkeit eine Leistungsklage gegen die Klägerin und den Beigeladenen zu 1) anhängig sei, mit der die Verurteilung des aus dem Bescheid vom 29. Dezember 1947 leistungspflichtigen Versicherungsträgers erreicht werden solle. Zwar trifft es zu, daß sich der Wiederaufnahmeantrag schon wegen der begehrten Anordnung auf Rückerstattung der zu Unrecht gezahlten Beträge gegen die Beklagten richtete. Das allein verschafft entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts diesem Antrag jedoch nicht die Bedeutung eines Verwaltungsakts. Dazu gehört begrifflich im wesentlichen, daß die Verwaltungsbehörde in hoheitlicher Tätigkeit auf dem Gebiete des öffentlichen Rechts einen Einzelfall mit urmittelbar rechtlicher Wirkung für den Betroffenen regelt (Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Band I S. 232 b/c; BSG 10, 221). Eine derartige Regelung ist dem Antrag der Klägerin auf Wiederaufnahme des Verfahrens nicht zu entnehmen. Sie ist auch nicht in ihren späteren Prozeßerklärungen enthalten. Die Klägerin wandte sich mit dem Wiederaufnahmeantrag an das SG, um mit dessen gerichtlicher Hilfe ihr behauptetes Recht auf Abwehrung ihrer Leistungspflicht durchzusetzen. Sie trat damit den Beklagten nicht hoheitlich, sondern lediglich als Prozeßbeteiligte gegenüber. Der Antrag vom 18. Juli 1955 stellt daher eine reine Prozeßhandlung dar. Ihm fehlt es somit an einem wesentlichen Begriffsmerkmal des Verwaltungsakts.
Das Prozeßbegehren der Klägerin, das gemäß § 180 Abs. 5 SGG im Wiederaufnahmeverfahren verfolgt wird, läßt sich aber auch nicht in eine Feststellungsklage nach § 55 SGG umdeuten. Die Klägerin beantragt die Wiederaufnahme des Verfahrens, welches zu dem ihren Rentenleistungen zugrunde liegenden Bescheid der Ausführungsbehörde für UV des Landes Baden vom 29. Dezember 1947 geführt hat. Sie erstrebt letztlich neben der Ausschaltung unberechtigter Doppelleistungen aus den Bescheiden vom 8. Oktober 1947 und 29 Dezember 1947 die Bestimmung des Beigeladenen zu 1) als des Leistungspflichtigen aus dem Bescheid vom 29. Dezember 1947. Nach ihren ausdrücklichen Prozeßerklärungen will sie ihren Antrag allein auf § 180 SGG stützen, da der Tatbestand des § 179 Abs. 2 SGG nicht gegeben sei und die Erhebung einer Feststellungsklage im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 2 SGG wegen des Vorliegens zweier bindender Bescheide entfalle. Bei diesem Vorbringen konnte dem Antrag der Klägerin auf Wiederaufnahme des Verfahrens kein Feststellungsbegehren unterstellt werden. Das Gericht ist zwar nicht an die Fassung der Anträge gebunden; es darf aber nur über die im Verfahren erhobenen Ansprüche entscheiden (§ 123 SGG). Einen solchen Anspruch wollte die Klägerin, wie dargelegt, nicht erheben.
Hiernach war der Antrag der Klägerin auf Wiederaufnahme des Verfahrens, der, wie oben erwähnt ist, auch im Revisionsverfahren nur noch die Frage des wirksamen Übergangs der Entschädigungspflicht auf die Klägerin betraf, als unzulässig abzuweisen. Das angefochtene Urteil mußte daher einschließlich der Kostenentscheidung insoweit aufgehoben werden, als es den Beigeladenen zu 1) als den aus dem Bescheid vom 29. Dezember 1947 leistungspflichtigen Versicherungsträger bestimmt hat.
Trotz dieses Ergebnisses bleibt die Klägerin jedoch nicht ohne Rechtsschutz. Sie wird zu prüfen haben, ob sie entgegen ihrer bisherigen Auffassung die für sie im vorliegenden Rechtsstreit nicht erreichbare Befreiung von ihrer Inanspruchnahme aus dem Bescheid vom 29. Dezember 1947 mit einer Feststellungsklage erzielen kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen