Leitsatz (amtlich)
FAG-SV § 3 bedeutet nicht, daß eine auf Grund der SudetenV SV vom 1940-06-27 (RGBl 1 1940, 957) umgerechnete und nach dem Erlaß des RAM vom 1944-02-09 (AN 1944, II 40) als Dauerrente geltende ehemalige tschechoslowakische Rente nach dem Inkrafttreten des FAG SV nur unter der Voraussetzung des RVO § 608 neu festgestellt werden kann; auch hinsichtlich einer solchen Dauerrente begründet das FAG SV einen selbständigen, gegenüber dem früheren Recht neuen Anspruch (Vergleiche BSG 1959-04-21 2 RU 19/57 = BSGE 9; 273. Vergleiche BSG 1959-07-30 2 RU 274/56 = BSGE 10, 220; Vergleiche BSG 1959-07-30 2 RU 2 &; 78/56 = BSGE 10, 224
Leitsatz (redaktionell)
Die "unselbständige" Anschlußberufung ist im Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit möglich (Vergleiche BSG 1956-03-01 4 RJ 129 154= BSGE 2, 229). Für die Anschlußberufung ist nach der in Rechtsprechung und Schrifttum allgemein vertretenen Ansicht keine Beschwer erforderlich.
Erforderlich ist für die Zulässigkeit der Anschlußberufung allerdings, daß der Berufungsbeklagte mit ihr mehr erstrebt, als ihm durch das erstinstanzliche Urteil zugesprochen worden ist.
Normenkette
RVO § 608 Fassung: 1924-12-15; SVFAG § 3 Fassung: 1953-08-17, § 17 Fassung: 1953-08-17; SGG § 143; SVSudetenV Fassung: 1940-06-27
Tenor
Das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 9. September 1959 wird aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen.
Gründe
I
Der Kläger war selbständiger Landwirt in S im Sudetenland. Er wurde am 26. Juli 1936 in seinem landwirtschaftlichen Unternehmen von einem Unfall betroffen, der zum Verlust von vier Fingern der rechten Hand führte. Für die Folgen dieses Unfalls hatte er von dem tschechoslowakischen Versicherungsträger Rente erhalten. Nach der Eingliederung des Sudetenlandes in das Deutsche Reich übernahm die Sudetendeutsche landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft ( Sudd . lwBG) die Gewährung der Rente und berechnete sie auf Grund der Verordnung über die endgültige Regelung der Reichsversicherung in den ehemaligen tschechoslowakischen, dem Deutschen Reich eingegliederten Gebieten vom 27. Juni 1940 - SudetenVO - (RGBl I 957) mit Wirkung vom 1. April 1940 neu. Der Jahresarbeitsverdienst (JAV) wurde mit 840.- RM zugrunde gelegt, später nach § 2 der Zweiten Verordnung zur Durchführung und Ergänzung des Sechsten Gesetzes über Änderungen in der Unfallversicherung vom 13. November 1942 (RGBl I 657) auf 1320.- RM erhöht. Zuletzt erhielt der Kläger von der Sudd . lwBG eine Rente im Betrage von 55.- RM zuzüglich 11.- RM Kinderzulage, insgesamt also von 66.- RM. Die Rentenhöhe ließ auf die Berücksichtigung einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 65 v. H. schließen.
Im August 1946 wurde der Kläger aus seiner inzwischen wieder tschechisch gewordenen Heimat ausgewiesen. Er wohnt seitdem in O, Kreis B, in Baden.
Am 13. September 1946 beantragte er die Weiterzahlung der mit dem Zusammenbruch des Deutschen Reiches weggefallenen Rente in dem bisherigen Betrage. Dem Antrag entsprach die badische Ausführungsbehörde für Unfallversicherung (UV) in K. In dem Bescheid vom 11. März 1947 hierüber teilte die Ausführungsbehörde dem Kläger ausdrücklich mit, daß die Rente ohne Anerkennung eines Rechtsanspruchs gezahlt werde. Im Jahre 1948 ließ sie den Kläger nachuntersuchen; in den Verletzungsfolgen hatte sich nichts geändert. Die Rentenhöhe wurde auch weder durch das Gesetz über Verbesserungen der gesetzlichen Unfallversicherung (UVVG) vom 10. August 1949 (WiGBl S. 251) noch durch das Gesetz über Zulagen und Mindestleistungen in der gesetzlichen Unfallversicherung (UZG) vom 29. April 1952 (BGBl I 253) beeinflußt; hiervon unterrichtete die Ausführungsbehörde den Kläger durch formlose Mitteilungen.
Auf Grund des inzwischen in Kraft getretenen Fremdrenten- und Auslandsrentengesetzes (FAG) vom 7. August 1953 (BGBl I 848) gab die badische Ausführungsbehörde für UV die Unterlagen an die Beklagte ab. Diese prüfte die Anspruchsgrundlagen nach. Dabei stellte sich heraus, daß der Kläger, der bisher für die Verletzung der rechten Hand unter Berücksichtigung des Verlustes seines rechten Auges entschädigt worden war, dieses nicht bei dem Unfall vom 26. Juli 1936, sondern schon im Jahre 1929 durch einen Unfall bei einer nach dem damaligen tschechoslowakischen Recht nicht versicherten Tätigkeit eingebüßt hatte. Die Beklagte erkannte daher als Unfallfolge nur den Verlust von vier Fingern der rechten Hand mit mäßiger Einschränkung der Beweglichkeit im Handgelenk an. Sie gewährte dem Kläger durch Bescheid vom 7. Mai 1955 eine Rente nach einer MdE von 50 v. H. und berechnete die Rente nach einem JAV von 990.- DM, den sie aus einer Kürzung des in Betracht zu ziehenden Durchschnitts-JAV von 1320.- DM um 25 v. H. wegen der Vorschädigung durch den Verlust des rechten Auges errechnete.
Mit der rechtzeitigen Klage hat der Kläger geltend gemacht, für den Augenverlust sei er von der Sudd . lwBG mit entschädigt worden, so daß er, da sich der Verletzungszustand nicht gebessert habe, die Rente in der bisher gezahlten Höhe weiter erhalten müsse.
Das Sozialgericht (SG) Karlsruhe hat die Beklagte am 28. Februar 1957 verurteilt, dem Kläger wegen der Folgen des Unfalls vom 26. Juli 1936 vom 1. Juni 1955 an eine Teilrente von 65 v. H. der Vollrente zu gewähren und entsprechend ihrem Anerkenntnis den ungekürzten JAV von 1320.- DM zugrunde zu legen. Das SG ist der Ansicht, daß der frühere Verlust des rechten Auges bei der Bemessung der Rente, die dem Kläger durch die Sudd . lwBG im Betrage von zuletzt monatlich 55.- RM zuzüglich 11.- RM Kinderzulage nach einer MdE von 65 v. H. gezahlt worden war, berücksichtigt gewesen sei; diese Rente habe als Dauerrente gegolten und diesen Charakter nach § 3 Abs. 1 und Abs. 2 FAG auch für die Dauer dieses Gesetzes behalten, so daß eine Herabsetzung nur unter den - hier aber nicht vorliegenden - Voraussetzungen des § 608 der Reichsversicherungsordnung (RVO) möglich sei.
Hiergegen hat die Beklagte rechtzeitig Berufung eingelegt. Sie meint, es handele sich um einen Anwendungsfall des FAG und demzufolge bei dem Rentenanspruch um einen ohne Bindung an frühere Bescheide nachprüfbaren Anspruch.
Der Kläger hat nach Ablauf der Berufungsfrist Anschlußberufung eingelegt. Ihm geht es um die Leistungsverbesserung nach dem Gesetz zur vorläufigen Neuregelung von Geldleistungen in der gesetzlichen Unfallversicherung ( NeuberechnungsG UV) vom 27. Juli 1957 (BGBl I 1071); er erstrebt für die fortzuzahlende Rente die Berücksichtigung eines JAV von 2970.- DM.
Das Landessozialgericht (LSG) hat durch Urteil vom 9. September 1959
a) die Berufung der Beklagten zurückgewiesen,
b) auf die Anschlußberufung des Klägers die Beklagte
verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 1. Juni 1955 bis 31. Dezember 1956 eine monatliche Rente von 55.- DM zuzüglich der ihm zustehenden Kinderzulagen zu zahlen und der Rentenberechnung vom 1. Januar 1957 an einen JAV von 2970.- DM zugrunde zu legen.
Zur Begründung ist ausgeführt: Die Berufung und die Anschlußberufung seien zulässig. Das Urteil des SG habe nicht nur den Grad der MdE, sondern auch den damals noch umstrittenen JAV betroffen. Der Ausschlußgrund des für die Beurteilung der Zulässigkeit der Berufung maßgebenden § 145 Nr. 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) aF sei daher nicht gegeben. Daraus folge auch die Zulässigkeit der Anschlußberufung. Nur diese habe Erfolg. Die Beklagte sei an die durch die Sudd . lwBG nach Reichsrecht festgestellten Leistungen gebunden. Gemäß § 3 Abs. 1 und 2 FAG sei im Rahmen des Fremdrentenrechts die SudetenVO samt den dazu ergangenen Ergänzungs- und Durchführungsbestimmungen anzuwenden. Demzufolge dürfe die von der Sudd . lwBG gewährte Dauerrente nur unter der Voraussetzung des § 608 RVO geändert werden. Ohne diese Einschränkung hätte diese BG auf Grund des Erlasses des Reichsarbeitsministers (RAM) vom 21. August 1941, betr. UV im Sudetenland, (AN 1941, II 352) die Rente bei der Umstellung herabsetzen dürfen. Seit die umgestellte Rente nach zweijähriger Gewährung als Dauerrente gelte, sei dies nicht mehr möglich. Dieser Rechtszustand sei dem Kläger durch § 3 FAG garantiert worden. Daher müsse es bei der bisherigen Rente verbleiben, da die Verletzungsfolgen unverändert fortbestünden. Dieses Ergebnis sei auch auf § 17 Abs. 6 FAG zu stützen. Der Vorbehalt der badischen Ausführungsbehörde für UV, daß die Weiterzahlung der Rente an den Kläger ohne Anerkennung einer Rechtspflicht aufgenommen wurde, sei zwar anfangs gerechtfertigt gewesen; er habe aber seine Wirkung verloren, nachdem für den Kläger durch die Flüchtlingsrentengesetzgebung ein Rechtsanspruch auf die Rente begründet worden sei. Die badische Ausführungsbehörde habe in der Zwischenzeit auch verschiedentlich zum Ausdruck gebracht, daß sie nunmehr in Erfüllung einer Rechtspflicht leisten wolle. So sei in den Mitteilungen vom 17. Januar 1950 und 29. Juli 1952, die aus Anlaß des UVVG vom 10. August 1949 und des UZG vom 29. April 1952 an den Kläger ergingen, von einer Leistung ohne Anerkennung einer Rechtspflicht nicht mehr die Rede. Diese beiden Schreiben hätten die Bedeutung einer rechtskräftigen Feststellung im Sinne des § 17 Abs. 6 FAG, da diese nicht formbedürftig sei. Der Kläger könne sich mit seinem weiteren Begehren, die Rente bis zum Inkrafttreten des NeuberechnungsG UV im Betrage von 55.- DM gezahlt zu erhalten, zwar nicht auf § 3 FAG stützen, da dieser Betrag auf Grund der Verordnung über die Anpassung der sozialen Unfallversicherung an den totalen Kriegseinsatz vom 9. November 1944 (RGBl I 324) errechnet worden sei, die nicht den in § 3 FAG bestimmten begrenzten Personenkreis betraf. Wohl aber rechtfertige sich sein Anschlußberufungsbegehren aus § 17 Abs. 6 FAG in Verbindung mit § 608 RVO. Der JAV sei vom 1. Januar 1957 an nach § 3 Abs. 2 und § 6 NeuberechnungsG UV auf 2970.- DM festzusetzen.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Das Urteil ist der Beklagten am 26. Oktober 1959 zugestellt worden. Sie hat am 29. Oktober 1959 Revision eingelegt und diese am 23. Dezember 1959 und 27. Januar 1960 wie folgt begründet: Das LSG habe verkannt, daß der Beklagten auch in Fällen der vorliegenden Art das Recht zur Feststellung der Dauerrente ohne Bindung an frühere Bescheide zustehe. Es handele sich auch hier trotz der Regelung in § 3 FAG um einen neuen, selbständigen Anspruch. Ebensowenig treffe die Auffassung des LSG über die Anwendbarkeit des § 17 Abs. 6 FAG zu. Die Mitteilungen der badischen Ausführungsbehörde für UV, die in den Jahren 1950 und 1952 an den Kläger ergingen, könnten schon wegen Formmangels nicht als rechtskräftige Feststellungen im Sinne des § 17 Abs. 6 FAG gelten. Der Zahlungsvorbehalt, mit dem die Rentenzahlung im Jahre 1946 an den Kläger aufgenommen wurde, habe nie seine Wirkung verloren. Wegen der vom LSG für richtig gehaltenen JAVe werde das Urteil nicht mehr angegriffen.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile der Vorinstanzen mit der Maßgabe aufzuheben, daß es bei den von ihnen der Rentenberechnung zugrunde gelegten JAVen verbleibt, und mit dieser Maßgabe die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die Sache an die Vorinstanz zurückzuverweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er pflichtet der Begründung des angefochtenen Urteils im wesentlichen bei.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Der Senat hat von dieser Entscheidungsmöglichkeit Gebrauch gemacht (§ 124 Abs. 2 SGG).
II
Die Revision ist durch Zulassung statthaft (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG), form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, somit zulässig. Sie hatte auch Erfolg.
Der Senat hatte zunächst von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung und die Anschlußberufung der Beteiligten zulässig sind (BSG 2, 227; 6, 253). Das LSG hat dies zu Recht bejaht. Hinsichtlich der am 25. März 1957 eingelegten Berufung der Beklagten ist die Zulässigkeitsfrage vom LSG zutreffend nach den §§ 143 ff SGG in der Fassung vor dem Zweiten Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes vom 25. Juni 1958 (BGBl I 409) beurteilt worden (BSG 8, 135; SozR SGG § 143 Bl. Da 2 Nr. 3). Das Urteil des SG betraf, wie das LSG mit Recht angenommen hat, nicht nur den Grad der MdE, sondern auch den JAV, der ebenso wie der Grad der MdE Gegenstand des Berufungsverfahrens blieb. Der JAV von 1320.- DM, der nach dem Urteil des SG der Rentenberechnung zugrunde zu legen ist, war hinsichtlich der Kürzung wegen des früheren Augenverlustes umstritten. Die Beklagte begehrte schlechthin die Abweisung der Klage gegen ihren Bescheid vom 7. Mai 1955, nach dem die Rente unter Zugrundelegung eines JAV von nur 990.- DM berechnet worden war. Der Kläger verlangte die Berücksichtigung eines JAV von 1320.- DM. Dieser im Berufungsverfahren fortbestehende Streit um den JAV erledigte sich auch nicht dadurch, daß die Beteiligten in der Berufungsverhandlung einig geworden waren, von einem ungekürzten JAV von 1320.- DM auszugehen. Denn der Kläger verlangte im Wege der Anschlußberufung die Weiterzahlung der Rente nach dem Grundbetrag von 55.- DM monatlich, die Beklagte hingegen Abweisung der Klage gegen ihren Bescheid mit dem um 25 v. H. gekürzten JAV. Bei dieser Sachlage ist, worauf das LSG zutreffend hingewiesen hat, die Berufung nicht nach § 145 Nr. 4 SGG aF ausgeschlossen (BSG 5, 222). Da auch kein sonstiger Ausschließungsgrund nach §§ 143 ff SGG aF gegeben war, ist die Berufung zulässig.
Auch die "unselbständige" Anschlußberufung des Klägers, die im Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit möglich ist (BSG 2, 229), ist in zulässiger Weise eingelegt. Dem steht nicht entgegen, daß der Kläger durch das erstinstanzliche Urteil nicht beschwert war; seinem Klagantrag war in vollem Umfange entsprochen worden. Für die Anschlußberufung ist nach der in Rechtsprechung und Schrifttum allgemein vertretenen Ansicht keine Beschwer erforderlich (Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Band I S. 252 a; Baumbach/Lauterbach, ZPO, 26. Aufl., S. 816 Anm. I B b zu § 521; Stein/Jonas/Schönke/Pohle, Komm. z. ZPO, 18. Aufl., Anm. I 1 zu § 521; Wieczorek, Komm. z. ZPO, Band III S. 116 Anm. B III a zu § 521; RGZ 156, 291; auch Ule, Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 351 Anm. I zu § 127 VerwGO). Die abweichende Ansicht des LSG Rheinland-Pfalz in der Entscheidung vom 3. Oktober 1960 (veröffentlicht in Soziale Sicherheit, 1961, Rechtsprechung Nr. 1235), die darauf abstellt, daß sich der Verzicht auf das Erfordernis der Beschwer für die Anschlußberufung auf den Berufungskläger nachteilig auswirken könne, bietet angesichts der Tatsache, daß die Anschlußberufung selbst kein Rechtsmittel, sondern nur ein angriffsweise wirkender Antrag des Berufungsbeklagten innerhalb der Berufung des Gegners ist (BSG 2, 232), keinen ausreichenden Anlaß, von der als herrschend zu bezeichnenden Meinung abzuweichen. Erforderlich ist für die Zulässigkeit der Anschlußberufung allerdings, daß der Berufungsbeklagte mit ihr mehr erstrebt, als ihm durch das erstinstanzliche Urteil zugesprochen worden ist. Diesem Erfordernis ist hier genügt. Der Kläger beansprucht im Berufungsverfahren nunmehr nicht nur eine Rente nach einer MdE von 65 v. H. und einem JAV von 1320.- DM, sondern einen im Vergleich hierzu höheren Rentenbezug von monatlich 55.- DM, der sich aus der in § 4 der Verordnung über die Anpassung der sozialen Unfallversicherung an den totalen Kriegseinsatz vom 9. November 1944 (RGBl I 324) getroffenen Regelung ergibt. Außerdem hat der Kläger seinen Klaganspruch auf die Berücksichtigung des ihm nach dem NeuberechnungsG UV zustehenden JAV von 2970.- DM erweitert.
Die Beteiligten streiten, nachdem sich die Beklagte im Revisionsverfahren nicht mehr gegen die vom LSG festgestellte Höhe des JAV wendet, nur noch über die Frage, ob die Beklagte die Rente des Klägers auf Grund des FAG unabhängig von der Voraussetzung des § 608 RVO herabsetzen durfte. Das LSG hat diese Frage verneint. Seine Auffassung, der Kläger habe Anspruch auf die ihm von der Sudd . lwBG gewährte und von der badischen Ausführungsbehörde für UV weitergezahlte Rente auch nach dem Inkrafttreten des FAG gehabt, ist nicht frei von Rechtsirrtum.
Die Vorinstanzen sind zutreffend davon ausgegangen, daß der Anspruch des Klägers nach dem FAG zu beurteilen ist. Der Kläger ist nach §§ 1, 7 dieses Gesetzes gegenüber der Beklagten leistungsberechtigt. Da er von einem sudetendeutschen Versicherungsträger entschädigt wurde, gelten nach § 2 FAG für die Bemessung der Leistung gemäß § 3 Abs. 1 und 2 FAG die SudetenVO und die dazu ergangenen Ergänzungs- und Durchführungsbestimmungen. Damit ist gewährleistet, daß sich durch das FAG nichts an dem Besitzstand änderte, der durch die Vorschriften über die Einführung des deutschen Sozialversicherungsrechts in Gebieten, die nach dem 31. Dezember 1937 vorübergehend dem Deutschen Reich eingegliedert waren (Sudetenland), geschaffen war; es sollten, soweit dies die gesetzliche UV angeht, die Voraussetzungen und das Ausmaß von Leistungsansprüchen auch nach dem Inkrafttreten des FAG gewahrt bleiben. Diesem Zweck diente auch der Erlaß des RAM vom 9. Februar 1944, betr. UV im Sudetenland, (AN 1944, II 40). Er bestimmte auf Grund von § 68 SudetenVO mit Wirkung vom 1. April 1940, daß die nach § 22 dieser Verordnung umzurechnenden tschechoslowakischen Renten, die mindestens zwei Jahre gewährt wurden, als Dauerrente im Sinne der RVO gelten und daher nur unter der Voraussetzung des § 608 RVO neu festgestellt werden können. Diese Bestimmung schuf entgegen der Auffassung der Vorinstanzen gegenüber der Regelung des § 3 FAG nicht einen besonderen Besitzstand in dem Sinne, daß es auch unter der Herrschaft des Fremdrentenrechts bei der sich aus § 608 RVO ergebenden Einschränkung des Neufeststellungsrechts des Versicherungsträgers verbleiben sollte.
Der angeführte Erlaß des RAM brachte keine neue Rechtsetzung; er sollte, wie durch seine Eingangsworte auch zum Ausdruck kommt, nur der "Klärung von Zweifeln" dienen. Er konnte daher nur bedeuten, daß auf Grund der SudetenVO die Rentenberechtigten nach der Eingliederung in die deutsche Sozialversicherung so gestellt werden sollten, als wären sie immer schon nach den Vorschriften der RVO entschädigt worden. Daraus folgt, daß die umgestellten Renten als Dauerrenten zu behandeln waren und wie jede nach der RVO festgestellte Dauerrente nur unter der Voraussetzung des § 608 RVO geändert werden durften. Hiernach ist für die von einem sudetendeutschen Versicherungsträger umgestellte Rente kein stärkerer Bestandschutz begründet worden, als er für jede sonstige Dauerrente besteht. Auch für jene Rente gilt daher der in ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) anerkannte Grundgedanke des Fremdrentenrechts, daß durch das FAG selbständige, dem früheren Recht gegenüber neue (originäre) Leistungsansprüche begründet worden sind und daß eine Bindung an vorhergehende Bescheide nur unter den Voraussetzungen des § 17 Abs. 6 FAG in Betracht kommt (BSG 9, 273; 10, 220, 224). Von dieser Auffassung abzuweichen, bieten die Ausführungen des LSG keinen Anlaß. Die Vorinstanzen haben somit der Tatsache, daß der Kläger bis zum Zusammenbruch des Deutschen Reiches von der Sudd . lwBG eine Dauerrente erhalten hatte, auf Grund unrichtiger Anwendung des § 3 Abs. 1 und 2 FAG die Bedeutung beigemessen, die Rente dürfe nach dem Inkrafttreten des FAG nur unter der Voraussetzung des § 608 RVO geändert werden.
Ohne den Nachweis einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse (§ 608 RVO) wäre der Beklagten die Herabsetzung der Rente allerdings verwehrt gewesen, wenn ein Anwendungsfall des § 17 Abs. 6 FAG vorläge. Das LSG hat auch dies zu Unrecht angenommen. Daß der Bescheid der badischen Ausführungsbehörde für UV vom 11. März 1947 keine rechtskräftige Feststellung im Sinne dieser Vorschrift darstellt, weil er ausdrücklich ohne Anerkennung einer Rechtspflicht zur Entschädigungsleistung an den Kläger erging, hat das LSG zwar nicht verkannt; entgegen seiner Auffassung konnte indessen der Schutz des Klägers aus § 17 Abs. 6 FAG nachträglich nicht dadurch gesichert werden, daß ihm auf Grund der inzwischen ergangenen Flüchtlingsrentengesetze ein Entschädigungsanspruch erwuchs, wenn, wie hier, der zuständige Versicherungsträger dieser gesetzlichen Regelung nicht durch einen Feststellungsbescheid Rechnung trug. Ebensowenig kann eine Leistungsfeststellung im Sinne des § 17 Abs. 6 FAG in der bloßen Weiterzahlung der von der Sudd . lwBG festgestellten Rente erblickt werden, solange nicht der leistende Versicherungsträger zu erkennen gegeben hat, daß es sich bei den Zahlungen um echte Versicherungsleistungen und nicht um bloße Fürsorgegewährung, auf die kein Rechtsanspruch besteht, handeln sollte (vgl. BSG 8, 59; SozR FAG § 17 Bl. Aa 8 Nr. 13 und die dortigen Nachweise). Daß, wie das LSG annimmt, die badische Ausführungsbehörde für UV entgegen ihrem ursprünglichen Leistungsvorbehalt späterhin durch die schriftlichen Mitteilungen an den Kläger über - negative - Auswirkungen des UVVG und des UZG auf die Rentenhöhe ihre Absicht bekundet hätte, nunmehr die Leistungen rechtskräftig festgestellt zu wissen, ist nicht erkennbar. Der Umstand, daß in diesen Mitteilungen, deren Formlosigkeit allerdings nicht rechtserheblich wäre, von dem angeführten Leistungsvorbehalt nicht mehr die Rede war, rechtfertigt nicht die Annahme des LSG, daß die für die Anwendung des § 17 Abs. 6 FAG erforderliche rechtskräftige Feststellung der Leistungen nachgeholt worden sei. Dasselbe gilt von den Aktenvermerken der badischen Ausführungsbehörde vom 23. Januar 1951 und vom 29. Juli 1952, in denen sich nach Ansicht des LSG ihre Absicht offenbart hat, die Zahlungen an den Kläger nunmehr auf Grund anerkannter Rechtspflicht zu leisten. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Ausführungsbehörde von ihrem Leistungsvorbehalt abgehen wollte; denn jedenfalls wäre auch dann dem Erfordernis des § 17 Abs. 6 FAG nur genügt gewesen, wenn die Absicht, nunmehr auf Grund einer Rechtspflicht zu leisten, dem Kläger eröffnet worden wäre (vgl. Entscheidung des erkennenden Senats vom 30. Januar 1962 - 2 RU 24/59 -).
Hiernach war die Beklagte berechtigt, den Entschädigungsanspruch des Klägers neu zu prüfen und die Rente unabhängig von dem Vorliegen einer Änderung der für ihre frühere Feststellung maßgebenden Verhältnisse neu festzustellen. Da das angefochtene Urteil keine tatsächlichen Feststellungen enthält, auf Grund deren die Frage beurteilt werden könnte, in welcher Höhe dem Kläger die Unfallrente zusteht, konnte das BSG in der Sache nicht abschließend entscheiden. Die erneute Prüfung der streitigen Rentenhöhe im Rahmen der im Revisionsverfahren gestellten Anträge der Beteiligten muß daher dem LSG überlassen bleiben. Insoweit erstreckt sich der Revisionsantrag der Beklagten nur noch auf die Nachprüfung der Frage, in welchem Maße die Erwerbsfähigkeit des Klägers durch die Folgen seines Unfalls vom 26. Juli 1936 gemindert worden ist; der Ausspruch des angefochtenen Urteils über die der Verurteilung der Beklagten zur Rentengewährung an den Kläger zugrunde zu legenden JAVe von 1320.- DM bis zum 31. Dezember 1956 und von 2970.- DM für die anschließende Zeit ist von der Revision nicht mehr angegriffen worden.
Das angefochtene Urteil mußte daher aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen werden (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG).
Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.
Fundstellen