Leitsatz (amtlich)
Ausgleichsrente und Erhöhungsbeträge hierzu (BVG § 32) sind Einkommen nach AlfuV BY § 6. Sie sind bei der Anrechnung auf die Arbeitslosenfürsorgeunterstützung zu berücksichtigen.
Normenkette
AlfuV BY § 6; BVG § 32 Fassung: 1950-12-20
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 20. Oktober 1954 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben Kosten einander nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
I. Der Kläger erhielt nach Weggang aus der sowjetischen Besatzungszone ab 20. Juni 1949 zunächst Arbeitslosenunterstützung (Alu) und anschließend Arbeitslosenfürsorgeunterstützung (Alfu) mit Familienzuschlägen für seine zweite Ehefrau und für zwei in der Sowjetzone lebende Kinder aus erster Ehe.
Ferner bezog er als Schwerkriegsbeschädigter nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) Grundrente sowie Ausgleichsrente; zu letzterer wurden ihm Kinderzuschläge mit je 20,- DM monatlich für die beiden Kinder gezahlt.
Auf Erfüllung seiner Unterhaltspflicht gegenüber den Kindern verklagt, erklärte sich der Kläger vor dem Amtsgericht Landsberg/Lech im Wege gerichtlichen Vergleichs am 15. Juni 1954 damit einverstanden, daß die Kinderzuschläge zur Ausgleichsrente für die Zeit ab 1. Februar 1954 an das Kreisjugendamt L abgeführt und von dort im Rahmen der bestehenden Währungs- und Devisengesetze an die Kinder weitergeleitet wurden.
II. Die Ausgleichsrente nebst Zuschlägen wurde nach den Vorschriften der Bayer. VO über Arbeitslosenfürsorge laufend auf die Alfu-Zahlungen angerechnet. Als Ausgleichsrente und Zuschläge erhöht worden waren, teilte das Arbeitsamt Augsburg dem Kläger mit Bescheid vom 2. März/13. April 1954 mit, daß er ab 1. Mai 1954 nur noch eine Teil-Alfu von 10,94 DM wöchentlich erhalte. Sein Widerspruch wurde durch Entscheidung vom 18. Juni 1954 zurückgewiesen.
III. Im Klagewege vor dem Sozialgericht München erklärte der Kläger, die Kürzung sei zwar rechnerisch zutreffend, doch könne er mit seiner Ehefrau von 114,- DM monatlich nicht leben. Die Anrechnung der Kinderzuschläge insbesondere, die ihm tatsächlich nicht zuflössen, benachteilige ihn ungebührlich. Er begehre deshalb, an ihn so viel Unterstützung zu zahlen, als wenn er ohne Kinder wäre, und erst danach den noch verbleibenden Rest für seine Kinder anzuweisen.
Durch Urteil vom 20. Oktober 1954 wurde die Klage abgewiesen.
Berufung wurde zugelassen.
IV. Der Kläger legte mit Schriftsatz vom 27. Januar 1955, beim Bundessozialgericht eingegangen am 28. Januar, Revision gemäß § 161 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG - (Sprungrevision) ein und beantragte,
das angefochtene Urteil und die vorausgegangenen Entscheidungen aufzuheben sowie die Beklagte zu verurteilen, an ihn Alfu in Höhe des für ein kinderloses Ehepaar geltenden Satzes zu zahlen.
Er begründete die Revision - nach der Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist - mit Schriftsatz vom 30. März 1955, eingegangen am 31. März, damit, das Vordergericht habe den § 1 des Gesetzes über die Anrechnung von Renten in der Arbeitslosenfürsorge vom 18. Juli 1953 verletzt. Von den Kinderzuschlägen habe er mit seiner Ehefrau keinen Nutzen, weil sie in vollem Umfange vom Versorgungsamt unmittelbar an das Jugendamt abgeführt würden. Gleichwohl würden sie ihm aber angerechnet. Eine solche unbillige Härte könne nicht im Sinne des Gesetzes liegen. Ausgleichsrente und Alfu seien dazu bestimmt, den Lebensunterhalt des Empfängers sicherzustellen. Das sei bei ihm aber keineswegs der Fall. Man möge ihn und seine Ehefrau bei Anrechnung der Alfu daher wie ein kinderloses Ehepaar behandeln, wie es auch den tatsächlichen Verhältnissen entspreche.
Die Beklagte beantragte,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Sie machte geltend, als Einkommen im Sinne der Bayer. AlfuVO seien alle Bezüge oder wirtschaftlichen Vorteile in Geld oder Geldeswert zu verstehen, insbesondere auch alle Bezüge aus Rentenansprüchen öffentlicher Art. Daher müsse auch die dem Kläger gewährte Rente in vollem Umfange, also einschließlich der Kinderzuschläge, als Einkommen angesehen werden. Das gelte auch dann, wenn der Kläger etwa durch Rechtsgeschäfte oder - wie hier - durch gerichtlichen Vergleich über einen Teil seiner Rente zugunsten Dritter verfügt habe. Bei Auszahlung der gekürzten Rente werde der Kläger gleichzeitig im Umfange des Kürzungsbetrags von seiner Schuld aus der Unterhaltsverpflichtung gegenüber seinen Kindern befreit, so daß sich insoweit seine wirtschaftliche Lage bessere. Folge man dem Begehren des Klägers, so würde dies bedeuten, daß er sich auf Kosten der Allgemeinheit seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht entziehe.
Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die Schriftsätze verwiesen.
V. Die Sprungrevision ist zulässig, konnte aber keinen Erfolg haben.
Rechtsgrundlage für den vorliegenden Unterstützungsfall ist die Bayer. VO über die Arbeitslosenfürsorge vom 24. November 1948 in der Fassung der Zweiten Verordnung über die Arbeitslosenfürsorge vom 30. Mai 1949 (GVBl. S. 172). Dort ist in § 6 Abs. 1 Buchst. a bestimmt:
"Auf die wöchentliche Arbeitslosenfürsorge ist anzurechnen das Einkommen des Arbeitslosen, soweit es nach Abzug etwaiger Werbungskosten den Betrag von 6,- DM übersteigt. Hat der Arbeitslose aus mehreren Quellen Einkommen, so bleibt der Betrag von 6,- DM wöchentlich nur einmal von der Anrechnung frei."
Nur die im Abs. 4 a. a. O. unter den Buchst. a bis i ausdrücklich bezeichneten Pflegegelder, Sonderzulagen, Leistungen, Übergangsrenten, Zuwendungen und Unterstützungen bleiben von der Anrechnung ausgenommen. Hierunter sind aber die "Kinderzuschläge" zur Ausgleichsrente nach § 32 BVG, die ohnehin rechtlich nicht gesondert zu betrachten sind, sondern nur eine Erhöhung der Ausgleichsrente bewirken, nicht aufgeführt. Demzufolge kann der Kläger nicht beanspruchen, daß diese Zuschläge unangerechnet gelassen werden. Ebensowenig besteht eine Rechtsgrundlage dafür, den Kläger und seine Ehefrau für den Unterstützungsfall als kinderloses Ehepaar zu behandeln. Ihm kommen die Kinderzuschläge auch wirtschaftlich zugute, indem er insoweit von seiner Unterhaltspflicht gegenüber den Kindern befreit wird. Die Zuschläge sind zweifelsfrei Einkommen im Sinne des § 6 a. a. O. Daß der Arbeitslose in diesem Falle über jenes Einkommen durch gerichtlichen Vergleich in besonderer Weise verfügt hat, ist seine Sache und entspringt eigener Willensentschließung.
Auch § 1 des Gesetzes über die Anrechnung von Renten in der Arbeitslosenfürsorge vom 18. Juli 1953 (BGBl. I S. 660), dessen Verletzung der Kläger rügt, kann sein Begehren nicht stützen. Diese Vorschrift nimmt nur die Grundrente nach § 31 BVG von der Anrechnung auf die Alfu aus, nicht aber die Ausgleichsrente (§ 32 BVG) und zu ihr gezahlte Kinderzuschläge (§ 32 Abs. 3 und 4 BVG).
Nach alledem mußte die Revision als unbegründet zurückgewiesen werden (§ 170 Abs. 1 Satz 1 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen