Entscheidungsstichwort (Thema)
Bergmannsrente wegen verminderter bergmännischer Berufsfähigkeit. Wartezeiterfüllung
Orientierungssatz
Hinsichtlich der Erfüllung der besonderen Wartezeit für eine Bergmannsrente nach RKG § 49 Abs 2 iVm RKG § 45 Abs 1 Nr 2 gehört der Maschinenfahrsteiger nicht zum Kreis der durch HaVO § 5 Nr 1 begünstigten Aufsichtspersonen, die den Hauerarbeiten gleichgestellte Tätigkeiten verrichten.
Normenkette
RKG § 45 Abs. 1 Nr. 2, § 49 Abs. 2; HaVO § 5 Nr. 1
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 09.02.1967) |
SG Gelsenkirchen (Entscheidung vom 28.04.1964) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 9. Februar 1967 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Unter den Beteiligten ist streitig, ob der im Jahre 1906 geborene Kläger während seiner knappschaftlichen Versicherungszeit von mehr als 300 Kalendermonaten mindestens 180 Kalendermonate Hauerarbeiten unter Tage oder diesen gleichgestellte Arbeiten verrichtet hat und ihm daher nach § 45 Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 49 Abs. 2 Reichsknappschaftsgesetz (RKG) in den bis zum 31. Dezember 1967 in Kraft gewesenen Fassungen für die Zeit vom 1. Dezember 1958 bis zum 30. November 1965 eine Bergmannsrente zu gewähren ist. Ab 1. Dezember 1965 bezieht der Kläger eine Knappschaftsrente wegen Erwerbsunfähigkeit.
Nach den Feststellungen des Landessozialgerichts (LSG) ist der Kläger erstmalig am 17. November 1927 unter Tage tätig geworden und danach mit Unterbrechungen unter Tage tätig gewesen, und zwar vom 1. Januar 1941 an ausschließlich als Maschinenfahrsteiger.
Mit Bescheid vom 11. Januar 1960 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Gewährung der Bergmannsrente wegen Vollendung des 50. Lebensjahres ab, weil er nicht mindestens 180 Kalendermonate Hauerarbeiten unter Tage oder diesen gleichgestellte Arbeiten verrichtet habe. Für derartige Arbeiten seien lediglich für 114 Monate Beiträge entrichtet worden.
Der dagegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 5. August 1960 zurückgewiesen, weil die von dem Kläger in der Zeit vom 1. Januar 1928 bis zum 13. November 1936 verrichteten Handwerkerarbeiten unter Tage als Grubenschlosser und Elektriker nicht unter die Hauerarbeiten-Verordnung (HaVO) fielen. Der Kläger habe während dieser Zeit nicht als Elektro- oder Maschinenhauer oder mit gleicher Tätigkeit im Gedinge oder zu einem besonders vereinbarten Lohn im Abbau, beim Streckenvortrieb oder in der Aus- und Vorrichtung gearbeitet. Elektro- und Maschinenhauer habe es damals noch nicht gegeben. Es sei daher geprüft worden, ob der Kläger die gleiche Tätigkeit wie die jetzigen Maschinenhauer ausgeübt habe. Das sei zu verneinen. Die Verwaltung der Zeche, in der der Kläger damals gearbeitet habe, sei nach nochmaliger Überprüfung anhand der Steigerschichtenzettel zu dem Ergebnis gekommen, daß keine Hauerarbeiten verrichtet und die jeweils tariflichen Schichtlöhne gezahlt worden seien.
Die dagegen erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen mit Urteil vom 28. April 1964 abgewiesen. Der Kläger sei nach den Beschäftigungsauskünften der Zeche während der Zeit vom 17. November 1927 bis zum 1. Februar 1936 als Grubenschlosser und vom 3. Februar 1936 bis zum 13. November 1936 als Elektriker tätig gewesen. Es könne dahingestellt bleiben, ob er in dieser Zeit Hauerarbeiten unter Tage oder diesen gleichgestellte Arbeiten verrichtet habe, denn er habe keinen Gedingelohn und auch keinen besonders vereinbarten Lohn erhalten. Selbst wenn zu den im Bescheid vom 11. Januar 1960 genannten 114 Monaten noch allenfalls 17 Monate für die Zeiten vom 1. September bis zum 22. September 1927, vom 12. Februar 1957 bis zum 30. September 1957 und von September 1959 ab anerkannt werden könnten, in denen der Kläger eine den Hauerarbeiten gleichgestellte Arbeit verrichtet habe, kämen insgesamt nur 131 Monate Hauerarbeiten in Betracht.
Die dagegen vom Kläger eingelegte Berufung hat das LSG mit Urteil vom 9. Februar 1967 zurückgewiesen. Das LSG ist ebenso wie das SG und die Beklagte davon ausgegangen, daß bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen auch der Maschinenfahrsteiger zu dem nach § 5 Nr. 1 HaVO begünstigten Personenkreis gehöre und der Kläger daher auch noch nach dem 1. Januar 1941 den Hauerarbeiten unter Tage gleichgestellte Arbeiten verrichtet haben könne. Nach Ansicht des LSG hat die Beklagte aber trotzdem zu Recht angenommen, daß für den Kläger keine 180 mit Beiträgen belegte Monate, in denen Hauerarbeiten unter Tage oder diesen gleichgestellte Arbeiten verrichtet worden sind, angerechnet werden können, weil der Kläger in der Zeit vom 17. November 1927 bis zum 13. November 1936 keine der Hauertätigkeit gleichgestellte Arbeit verrichtet habe. Selbst wenn man zugunsten des Klägers annehme, daß noch die Zeit vom 12. Juli 1926 bis zum 15. November 1927, während der der Kläger schon vor dem 17. November 1927 knappschaftlich versichert war, mit 15 Monaten anrechenbar sei, würden die erforderlichen 180 Monate Hauerarbeit nicht erreicht. Gegen das Urteil hat das LSG die Revision zugelassen.
Mit der Revision macht der Kläger geltend, das LSG habe festgestellt, daß 127 Monate Hauerarbeiten gegeben seien. Eindeutig sei aber die Arbeit des Schachtabtäufens in der Zeit von Juli 1926 bis November 1927 noch eine Ausrichtungsarbeit, die von der HaVO erfaßt werde. Soweit diese Zeit mit Beiträgen belegt sei (15 Monate), sei sie den 127 Monaten hinzuzurechnen, so daß sich 142 Monate Hauerarbeit ergäben. Er habe aber außerdem noch Hauer- oder gleichgestellte Arbeit in der Zeit von November 1927 bis November 1936 verrichtet.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Landessozialgerichts Essen vom 9. Februar 1967 und des Urteils des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 28. April 1964 sowie unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide der Beklagten diese zu verurteilen, ihm die beantragte Bergmannsrente nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Die Beklagte räumt ein, dem Kläger sei zwar in den Ablehnungsbescheiden vom 11. Januar und 5. August 1960 mitgeteilt worden, für die Zeit vom 1. Mai 1937 bis zum 28. Februar 1957 seien insgesamt 114 Monate Hauerarbeiten anrechenbar, jedoch sei diese Mitteilung nur im Rahmen der dem Kläger gegebenen Erläuterung für die Rentenablehnung erfolgt. Daher werde sie von keiner Bindungswirkung erfaßt. Diese Mitteilung sei zu berichtigen, denn in den 114 Monaten seien 67 Monate enthalten, in denen der Kläger als Maschinenfahrsteiger unter Tage tätig gewesen sei. Diese Tätigkeit sei aber der Hauerarbeit nicht gleichgestellt, so daß nur 47 Monate Hauerarbeiten verblieben. Selbst wenn man die vom Kläger geforderten 15 Monate für die Zeit vom Juli 1926 bis zum November 1927 und anschließend bis November 1936 weitere 107 Monate anrechnen könnte, würde sich nur eine Hauerarbeitszeit von 169 Monaten ergeben. Im übrigen habe aber das LSG auch zu Recht festgestellt, daß die von dem Kläger in der Zeit vom 17. November 1927 bis zum 1. Februar 1936 unter der Berufsbezeichnung "Grubenschlosser" verrichteten Arbeiten nicht als Arbeit im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 HaVO angesehen werden können.
Hierzu hat der Kläger erwidert, das LSG sei von 127 Monaten Hauerarbeit ausgegangen. Wenn man von diesen 127 Monaten 67 Monate für die Zeit der Tätigkeit als Maschinenfahrsteiger absetze, verblieben noch 60 Monate. Mit den von ihm geltend gemachten 15 Monaten in der Zeit von Juli 1926 bis November 1927 und den 107 Monaten, die für die Zeit von November 1927 bis November 1936 anzurechnen seien, würden die erforderlichen 180 Monate Hauerarbeit immer noch erreicht.
II
Die zulässige Revision ist nicht begründet. Im Ergebnis ist die Klage von den Vorinstanzen zu Recht abgewiesen worden, so daß die Revision des Klägers zurückgewiesen werden mußte.
Ein Anspruch auf die vom Kläger begehrte Bergmannsrente nach § 45 Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 49 Abs. 2 RKG in den bis zum 31. Dezember 1967 gültig gewesenen Fassungen bestand nur, wenn der Kläger das 50. Lebensjahr vollendet, eine Versicherungszeit von 300 Kalendermonaten zurückgelegt und während dieser Zeit mindestens 180 Kalendermonate Hauerarbeiten unter Tage oder diesen gleichgestellte Arbeiten verrichtet hatte. Die Neufassung der genannten Vorschriften durch das Finanzänderungsgesetz vom 21. Dezember 1967 ist erst am 1. Januar 1968 in Kraft getreten (Art. 22 Finanzänderungsgesetz), so daß hier die alte Fassung anwendbar bleibt.
Aus den Erläuterungen, die die Beklagte zu ihren rentenablehnenden Bescheiden gegeben hat, ergeben sich keine bindenden Anerkennungen von Hauerarbeitszeiten.
Die Beklagte wollte und brauchte zu den ablehnenden Bescheiden nur erläutern, warum nach ihrer Ansicht die für die Gewährung einer Bergmannsrente erforderliche Hauerarbeitszeit von 180 Monaten nicht anerkannt werden konnte. Aus diesen Erläuterungen ergibt sich daher keine bindende Anerkennung von bestimmten Zeiten als Hauerarbeitszeiten. Insoweit kann die Beklagte ihre Erläuterungen jederzeit berichtigen und ergänzen, wie das auch hinsichtlich der Zeiten, in denen der Kläger als Maschinenfahrsteiger tätig war, während des Revisionsverfahrens geschehen ist.
Nach der wirklichen Rechtslage aber kann der Kläger keinesfalls 180 Monate hauergleiche Arbeiten verrichtet haben. Da die Zeit als Maschinenfahrsteiger nicht als eine der Hauerarbeit unter Tage gleichgestellte Zeit in Betracht kommt, weil - wie der erkennende Senat bereits im Urteil vom 15. Dezember 1966 (SozR Nr. 10 zu § 5 HaVO) entschieden hat - der Maschinenfahrsteiger nicht zu dem nach § 5 Nr. 1 HaVO begünstigten Personenkreis gehört, könnte der Kläger nämlich selbst dann keine 180 Monate der Hauerarbeit gleichgestellte Arbeiten verrichtet haben, wenn man zu seinen Gunsten davon ausgehen würde, daß er während der gesamten 174 Monate vom Eintritt in die knappschaftliche Versicherung (12. Juli 1926) bis zur Aufnahme der Tätigkeit eines Maschinenfahrsteigers (1. Januar 1941) ausschließlich Arbeiten verrichtet hätte, die der Hauerarbeit unter Tage gleichgestellt sind. Denn es würden immer noch sechs Monate hauergleiche Arbeiten fehlen.
Die Feststellung des Berufungsgerichts, daß der Kläger seit dem 1. Januar 1941 Maschinenfahrsteiger gewesen ist, ist für den erkennenden Senat bindend, da sie nicht wirksam angefochten worden ist. In seinem Schriftsatz vom 19. Juli 1967 hat der Kläger lediglich die Ansicht vertreten, es müsse nunmehr noch geprüft werden, ob er "in dieser Zeit nicht doch die Maschinensteigertätigkeit uneingeschränkt und ausschließlich verrichtet hat". Diese Erklärung stellt, da nicht substantiiert behauptet ist, er, der Kläger, sei in Wirklichkeit auch während dieser Zeit nur Maschinensteiger gewesen, keine Rüge im Sinne des § 164 Abs. 2 SGG dar. Eine solche Rüge konnte auch überhaupt nicht ernsthaft erhoben werden, weil keinerlei Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß der Kläger während dieser Zeit in Wirklichkeit im wesentlichen ausschließlich die Tätigkeit eines Maschinensteigers ausgeübt hat, obwohl er als Maschinenfahrsteiger geführt und entlohnt worden ist. Auf Seite 3 seines persönlichen Schriftsatzes vom 13. Mai 1968 betont er nämlich selbst mehrmals, daß er Maschinenfahrsteiger gewesen ist und beklagt sich lediglich darüber, daß trotz der Schwere seiner damaligen Arbeit diese Zeit nicht als hauergleiche Arbeit anerkannt werde.
Fundstellen