Beteiligte
Kläger und Revisionskläger |
Beklagte und Revisionsbeklagte |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 21. Februar 1996 wird zurückgewiesen.
Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I.
Streitig ist die Rechtmäßigkeit der Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) mit Wirkung vom 1. April 1994.
Der 1941 geborene Kläger war seit Mai 1986 als Beamter auf Widerruf tätig. Nach Ende des Beamtenverhältnisses im Jahre 1991 meldete er sich arbeitslos und erhielt ab 1. Juli 1991 antragsgemäß Alhi, die er anschließend fortlaufend bezog. Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 8. Juli 1993 für die Zeit vom 1. Juli 1993 bis zum 30. Juni 1994 Alhi. Der wöchentliche Leistungssatz wurde durch Änderungsbescheid vom 3. Januar 1994 mit Wirkung vom 1. Januar 1994 von bisher 246,60 DM auf 252,60 DM heraufgesetzt.
Mit Bescheid vom 18. Februar 1994 befristete die Beklagte die Bewilligung von Alhi auf die Zeit bis 31. März 1994 und verwies zur Begründung auf § 135a i.V.m. § 242q Abs. 10 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG). Durch das Erste Gesetz zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms (1. SKWPG) sei die Dauer des Anspruchs auf originäre Alhi auf längstens 312 Tage begrenzt worden. Diese Anspruchsdauer habe der Kläger ausgeschöpft. Ein Anspruch auf Alhi bestehe nach dem 31. März 1994 nicht mehr. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 7. April 1994).
Das Sozialgericht (SG) hat den angefochtenen Bescheid mit der Begründung aufgehoben, mit dem Bescheid vom 3. Januar 1994 sei dem Kläger erneut Alhi bis zum 30. Juni 1994 bewilligt worden, so daß eine Rücknahme dieser Bewilligungsentscheidung nach § 45 Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - (SGB X) habe erfolgen müssen.
Im Berufungsrechtszug hat der Kläger zusätzlich beantragt, die Beklagte zur Zahlung von Alhi über den 31. März 1994 hinaus zu verurteilen sowie festzustellen, daß ein Anspruch auf Alhi über den 30. Juni 1994 hinaus weiter bestehe. Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG aufgehoben und die Anfechtungsklage sowie die weitergehende Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, daß die den Zeitraum vom 1. April bis 30. Juni 1994 betreffende Anfechtungsklage unbegründet sei. Der Änderungsbescheid vom 3. Januar 1994 enthalte zur Dauer der Leistung keine Regelung, so daß die Befristung der Alhi durch den angefochtenen Bescheid nicht § 45 SGB X unterliege und die Beklagte kein Ermessen auszuüben habe. Bei der nachträglichen Befristung der Alhi habe es sich inhaltlich um eine Aufhebung der Bewilligung für die Zukunft ab 1. April 1994 nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X gehandelt. § 48 SGB X finde Anwendung, da eine wesentliche Änderung in den rechtlichen Verhältnissen eingetreten und die ursprünglich rechtmäßige Bewilligung von Alhi für die Zeit ab dem 1. April 1994 rechtswidrig geworden sei. Durch § 135a AFG sei der Anspruch auf die vom Kläger bezogene sog. originäre Alhi auf 312 Tage begrenzt worden. Nach § 110 Satz 1 Nr. 1 AFG, der seit dem Inkrafttreten des 1. SKWPG am 1. Januar 1994 über § 134 Abs. 4 Satz 1 AFG auf die originäre Alhi entsprechend anzuwenden sei, mindere sich der Anspruch um Tage, für die der Anspruch erfüllt worden sei. Die nach § 110 AFG gebotene rückschauende Betrachtung ergebe aus der Sicht des 1. Januar 1994, daß der Anspruch des Klägers auf Alhi seit Juli 1991 bereits für mehr als 312 Tage erfüllt worden sei. Daher hätte schon ab 1. Januar 1994 ein Anspruch des Klägers auf Alhi nicht mehr bestanden, wenn nicht in der Übergangsregelung (§ 242q Abs. 10 Nr. 2 AFG) bestimmt worden wäre, daß § 135a i.V.m. §§ 134 Abs. 4 Satz 1, 110 AFG bis zum 31. März 1994 nicht anzuwenden seien. Die Übergangsregelung sei nicht dahin auszulegen, daß die Verbrauchswirkung (durch Erfüllung des Anspruchs) erst ab 1. April 1994 einsetze. §§ 135a, 242q Abs. 10 AFG verstießen weder gegen das Rückwirkungsverbot, noch verletzten sie die Eigentumsgarantie nach Art 14 Grundgesetz (GG) oder den Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art 3 GG. Soweit der Kläger im Berufungsverfahren weitergehend die Feststellung begehrt habe, daß ein Anspruch auf Alhi auch nach dem 30. Juni 1994 weiter bestehe, sei diese Klage unzulässig.
Mit der durch das LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung der §§ 135a, 242q Abs. 10 AFG i.V.m. §§ 45, 48 SGB X. Er wendet sich gegen die durch den angefochtenen Bescheid erfolgte Befristung der Zahlung von Alhi bis zum 31. März 1994 und macht im wesentlichen geltend, der angefochtene Bescheid sei wegen Nichtausübung des erforderlichen Ermessens (§ 45 Abs. 1 SGB X) rechtswidrig. Die Beklagte habe bei Erlaß des Änderungsbescheids vom 3. Januar 1994 die neue Rechtslage nicht berücksichtigt.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 21. Februar 1996 aufzuheben, soweit es über die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 10. August 1995 entschieden hat, und diese zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision des Klägers ist unbegründet.
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 18. Februar 1994 i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 7. April 1994, durch den die Beklagte die Bewilligung von Alhi ab 1. April 1994 aufgehoben hat.
Das LSG hat die Voraussetzungen für die Aufhebung der Bewilligung von Alhi mit zutreffender Begründung bejaht. Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlaß eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Eine Regelung dahingehend, daß dem Kläger mit Wirkung bis zum 30. Juni 1994 Alhi als laufende Leistung bewilligt wurde, erfolgte durch den Bewilligungsbescheid vom 8. Juli 1993. Der Änderungsbescheid vom 3. Januar 1994 hat zwar den Leistungssatz ab 1. Januar 1994 geändert, entsprechend § 242q Abs. 5 Satz 1 AFG nicht aber die bewilligte Dauer der Leistung. Die Anspruchs- bzw. Bewilligungsdauer erwähnt der Änderungsbescheid nicht, wie das LSG festgestellt hat; er kann deshalb lediglich als Bestätigung dahingehend verstanden werden, daß dem Kläger auch über den 31. Dezember 1994 hinaus Alhi zustand. Hinsichtlich der Dauer der bewilligten Leistung ist daher der Bewilligungsbescheid vom 8. Juli 1993 maßgebend geblieben. Dieser Bescheid war zur Zeit seines Erlasses nicht rechtswidrig, sondern stand - da die §§ 135a, 242q Abs. 10 AFG i.d.F. des 1. SKWPG vom 21. Dezember 1993 (BGBl. I S. 2353) erst zum 1. Januar 1994 in Kraft getreten sind - mit der damaligen Rechtslage in Einklang, wobei die Bewilligung der Alhi für ein Jahr dem § 139a AFG entsprach. Entgegen der vom Kläger vertretenen Ansicht kommt es daher für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides nicht auf die Vorschrift des § 45 SGB X über die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes an.
Dem LSG ist ferner auch darin zuzustimmen, daß dem Bescheid vom 18. Februar 1994 mit der erforderlichen Bestimmtheit (vgl. § 33 SGB X) entnommen werden kann, daß die Beklagte über die Bewilligung von Alhi für die Zeit nach dem 31. März 1994 aufheben wollte. Ein Verwaltungsakt ist hinreichend bestimmt, wenn für den verständigen Beteiligten der Wille der Behörde unzweideutig erkennbar wird und eine unterschiedliche subjektive Bewertung nicht möglich ist (Krasney in Kasseler Komm § 33 SGB X Rdnr. 3). Aus dem Bescheid ging bereits durch die als Änderung kenntlich gemachte Angabe "bis 31. März 1994" hervor, daß dem Kläger nunmehr nur noch bis zu diesem Zeitpunkt Alhi gewährt werden sollte. Ob dies allein ausgereicht hätte, um hinreichend deutlich zu machen, daß damit für die Zeit nach dem 31. März 1994 die frühere Bewilligungsentscheidung aufgehoben werden sollte, kann dahinstehen, denn dies ging jedenfalls aus der dem Bescheid beigegebenen Begründung mit der erforderlichen Klarheit und Eindeutigkeit hervor. Zur Begründung wurde nämlich unter Hinweis auf § 135a i.V.m. § 242q Abs. 10 AFG ausgeführt, daß die Dauer des Anspruchs auf originäre Alhi durch das 1. SKWPG auf längstens 312 Tage begrenzt worden sei, daß der Kläger diese Anspruchsdauer ausgeschöpft habe und daß nach dem 31. März 1994 ein Anspruch auf Alhi nicht mehr bestehe.
Eine wesentliche Änderung i.S. des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist dadurch eingetreten, daß der Kläger nach §§ 135a, 134 Abs. 4 Satz 1, 110 Satz 1 Nr. 1, 242q Abs. 10 Nr. 2 AFG in der seit dem 1. Januar 1994 geltenden Fassung des 1. SKWPG über den 31. März 1994 hinaus keinen Anspruch auf Alhi mehr hatte. Die Vorschrift des § 48 SGB X schafft die verfahrensrechtliche Voraussetzung dafür, bei einer Umgestaltung des Rechts durch den Gesetzgeber auch laufende Fälle einzubeziehen (vgl. BSGE 71, 202, 204 = SozR 3-4100 § 45 Nr. 3).
Nach den vom LSG getroffenen Feststellungen hat der Kläger seit dem 1. Juli 1991 im Anschluß an ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis, das nach § 134 Abs. 2 Nr. 1 AFG einer Beschäftigung i.S. des § 134 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4b AFG gleichgestellt wird, sog. originäre Alhi bezogen. u.a. in den Fällen des § 134 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4b und Abs. 2 AFG ist nach § 135a AFG, der mit Wirkung zum 1. Januar 1994 durch das 1. SKWPG eingefügt wurde, die Dauer des Anspruchs auf Alhi auf 312 Tage begrenzt. Bei der danach nunmehr erforderlichen Prüfung, wann der Anspruch auf originäre Alhi im Einzelfall erschöpft ist, ist § 110 Satz 1 Nr. 1 AFG entsprechend anzuwenden. Danach mindert sich die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld (Alg) u.a. um die Tage, für die der Anspruch auf Alg erfüllt worden ist. Diese Regelung ist gemäß § 134 Abs. 4 Satz 1 AFG auf die zeitlich begrenzte Alhi nach § 135a AFG entsprechend anzuwenden, denn Besonderheiten der Alhi, aufgrund deren die Erfüllung des Anspruchs - anders als beim Alg - keine die Anspruchsdauer mindernde Wirkung beizumessen wäre, sind nicht ersichtlich. Danach ergeben sich auch keine rechtlichen Bedenken gegen die weitere Annahme des LSG, daß der Anspruch des Klägers auf originäre Alhi gemäß §§ 135a, 134 Abs. 4 Satz 1, 110 Satz 1 Nr. 1 AFG erschöpft war, weil der Kläger schon in der Zeit von Juli 1991 bis Dezember 1993 für mehr als 312 Tage Alhi bezogen hatte.
Die Berücksichtigung eines Erfüllungstatbestandes i.S. des § 110 Satz 1 Nr. 1 AFG, der schon in der Zeit vor dem 1. Januar bzw. 1. April 1994 eingetreten war, wird auch nicht durch die durch das 1. SKWPG eingefügte Übergangsregelung in § 242q Abs. 10 Nr. 2 AFG ausgeschlossen. Nach § 242q Abs. 10 Nr. 2 AFG sind § 135a i.V.m. §§ 134 Abs. 4 Satz 1, 110 AFG bis zum 31. März nicht anzuwenden, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Alhi zwischen dem 1. Oktober 1993 und dem 1. Dezember 1993 vorgelegen haben. Daraus kann entgegen einer vom LSG zu Recht abgelehnten Auffassung (vgl. z.B. Niesel AFG § 135a Rdnrn. 5, 6; SG Berlin, info also 96, 21; LSG Rheinland-Pfalz, E-LSG AR-094) nicht entnommen werden, daß die Minderung der Dauer des Anspruchs auf Alhi in den von § 135a AFG erfaßten Fällen erst mit dem 1. April 1994 beginne. Eine solche Auslegung der Übergangsregelung ist weder durch den Wortlaut des § 242q Abs. 10 Nr. 2 AFG geboten, noch läßt sie sich mit den Zielsetzungen des 1. SKWPG im allgemeinen und mit den Vorstellungen des Gesetzgebers hinsichtlich der Übergangsregelung im besonderen vereinbaren.
Das LSG hat den Gesetzesmaterialien und der Gesetzesgeschichte zutreffend entnommen, daß die mit dem 1. SKWPG ergriffenen Maßnahmen nach dem Willen des Gesetzgebers insbesondere dem Ziel dienten, angesichts einer dramatischen Haushaltslage möglichst rasch eine Entlastung der öffentlichen Haushalte zu erreichen, um den zu erwartenden Anstieg der Nettokreditaufnahme zu begrenzen. Bei einer schwachen gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, die nach Steuerschätzungen vom Mai 1993 für 1994 Steuermindereinnahmen in Höhe von knapp 46 Mrd DM erwarten ließ, und bei einem für 1994 angesichts anhaltend ungünstiger Konjunkturdaten erwarteten Zuschußbedarf der Bundesanstalt für Arbeit von mindestens 18 Mrd DM sah sich der Gesetzgeber veranlaßt, u.a. in den rechtlichen Besitzstand Arbeitsloser einzugreifen, um den durch die gesamtwirtschaftliche Entwicklung erwarteten Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte entgegenzuwirken (Gesetzesentwurf der Bundesregierung zum 1. SKWPG, BT-Drucks. 12/5502 S. 19 bis 23). Angesichts der Höhe der Staatsverschuldung und der erforderlichen Nettokreditaufnahme für das Jahr 1994 schien es dem Gesetzgeber unabweisbar, finanzielle Einsparungen sofort zu erzielen und zu diesem Zweck auch in Ansprüche und Rechtspositionen einzugreifen, die schon vor dem Inkrafttreten des Gesetzes entstanden waren (BT-Drucks. 12/5502 S. 21/22). Die von der Bundesregierung ursprünglich vorgeschlagenen Änderungen bei der Alhi sollten den Bundeshaushalt schon 1994 um 4, 39 Mrd DM entlasten (BT-Drucks. 12/5502 S. 20). Mit dieser Zielsetzung einer sofortigen Einsparung von Mitteln unter Eingriff in bereits bestehende Ansprüche und Rechtspositionen läßt es sich nicht in Einklang bringen, die Übergangsregelung in § 242q Abs. 10 Nr. 2 AFG dahin auszulegen, daß die Minderung der Dauer des Anspruchs auf Alhi in den von § 135a AFG erfaßten Fällen erst mit dem 1. April 1994 beginne. Eine solche Auslegung würde dazu führen, daß sich die Einsparungen bei den Ausgaben für Alhi gerade nicht kurzfristig, sondern erst mit erheblicher zeitlicher Verzögerung von mehr als einem Jahr nach Inkrafttreten des 1. SKWPG erzielen ließen.
Daß ein solcher Effekt nicht nur der allgemeinen Zielsetzung des 1. SKWPG widerspräche, sondern auch mit der Übergangsregelung nicht beabsichtigt war, belegen die zu § 242q Abs. 10 AFG vorliegenden Gesetzesmaterialien. Nach der Begründung des Gesetzesentwurfes sollten die Rechtsänderungen bei der Alhi mit einer nur dreimonatigen Übergangsregelung erfolgen, da der Lebensunterhalt der betroffenen arbeitslosen Arbeitnehmer auch zukünftig, wenn auch nicht durch Leistungen nach dem AFG, so doch durch die Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz, gesichert schien (BT-Drucks. 12/5502 S. 40). Alhi sollte daher nur aus Gründen des Vertrauensschutzes für eine dreimonatige Übergangszeit weiter gezahlt oder wieder bewilligt werden können, um es dem Betroffenen zu ermöglichen, sich auf die neue Rechtslage einzustellen, und den Sozialhilfeträgern die erforderliche Zeit für die Bearbeitung von Anträgen zu geben (BT-Drucks. a.a.O. S. 41 Abs 10 ). Auch wenn statt der ursprünglich beabsichtigten gänzlichen Abschaffung der sog. originären Alhi letztlich nur deren zeitliche Befristung Gesetz geworden ist und die Übergangsregelung in § 242q Abs. 10 AFG aufgrund einer Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses sprachlich neu gefaßt wurde (BT-Drucks. 12/5902 S. 27), so liegen doch keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, daß der dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zugrundeliegende Gedanke eines zeitlich relativ eng begrenzten Vertrauensschutzes substantiell verändert werden sollte. Dem LSG ist deshalb darin zuzustimmen, daß § 242q Abs. 10 Nr. 2 AFG lediglich bewirkt, daß solchen Arbeitslosen, deren Anspruch auf Alhi nach Maßgabe der §§ 134 Abs. 4 Satz 1, 110 AFG bereits vor dem 31. März 1994 erschöpft war, ihr Anspruch gleichwohl noch bis einschließlich 31. März 1994 erhalten blieb (so auch Hennig/Kühl/Heuer/Henke, AFG Stand: Juni 1996, § 135a Rdnr. 4).
Eine anderweitige Auslegung des § 242q Abs. 10 Nr. 2 AFG ist auch nicht aufgrund von verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die durch das 1. SKWPG erfolgten Neuregelungen geboten. Unabhängig von der Frage, ob der Anspruch auf Alhi überhaupt der Eigentumsgarantie des Art 14 GG unterliegt, sind die Vorschriften unter dem Blickwinkel des rechtsstaatlichen Rückwirkungsverbots verfassungsrechtlich an den materiell gleichen Anforderungen zu messen. Die Befristung des Anspruchs auf originäre Alhi i.V.m. der Übergangsregelung in § 242q Abs. 10 AFG verstößt nicht gegen das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot. Eine sog. echte Rückwirkung (Rückbewirkung von Rechtsfolgen) sieht die Neuregelung nicht vor. Eine echte Rückwirkung liegt nur dann vor, wenn ein Gesetz nachträglich ändernd in bereits abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift (BVerfGE 11, 139, 145 f.; 23, 12, 32; Maunz/Dürig/Herzog, GG, Stand 1994, Art 20 Rdnr. 68; Jarass/Pieroth, GG, 3. Aufl. 1995, Art 20 Rdnr. 48 m.w.N.). Davon ist dann auszugehen, wenn nicht nur ein Anknüpfungspunkt des Gesetzes, sondern sein zeitlicher Anwendungsbereich zumindest teilweise in der Vergangenheit liegt, wenn also die Norm Rechtsfolgen für einen vor ihrer Verkündung liegenden Zeitpunkt auslösen soll. Zwar knüpfen die Vorschriften zur Restanspruchsdauer des nunmehr befristeten Anspruchs infolge Erfüllung (§§ 134 Abs. 4 Satz 1, 110 AFG) auch an Zeiten vor dem Inkrafttreten des 1. SKWPG an. Diese Anknüpfung gewährleistet, daß den Leistungsempfängern bei einer Nichterschöpfung des Anspruchs originäre Alhi ggf auch über den 31. März 1994 zusteht. Auf der Rechtsfolgenseite ist hingegen keine Rückwirkung vorgesehen, weil durch die Übergangsregelung sichergestellt ist, daß sich die Anspruchsdauer sowie deren Minderung auf laufende Leistungsfälle bis zum 31. März 1994 nicht auswirkt und erst nach einer Übergangszeit von drei Monaten seit dem Inkrafttreten des Gesetzes Rechtsfolgen auslöst.
Die Neuregelung in §§ 135a, 242q Abs. 10 AFG i.V.m. §§ 134 Abs. 4 Satz 1, 110 AFG für laufende Leistungsfälle beinhaltet allerdings eine sog. unechte Rückwirkung (tatbestandliche Rückanknüpfung). Eine solche liegt vor, wenn eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte für die Zukunft einwirkt und damit die betroffene Rechtsposition nachträglich entwertet (BVerfGE 43, 291, 391; 79, 29, 45 f.). Ein absolutes Verbot unechter Rückwirkung ist dem Rechtsstaatsgrundsatz nicht zu entnehmen. Die unechte Rückwirkung von Gesetzen ist aber unter Berücksichtigung der Schranke des Rechts- und Sozialstaatsprinzips i.S. des Art 20 GG nur innerhalb sachlicher Grenzen zulässig, die sich aus dem Gebot der Rechtssicherheit und dem daraus folgenden Vertrauensschutz ergeben. Bei der Bestimmung dieser Grenzen sind das schutzwürdige Interesse des betroffenen Personenkreises an einem Fortbestand der bisherigen Rechtslage und die Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für das Wohl der Allgemeinheit gegeneinander abzuwägen (vgl. BVerfGE 43, 291, 391; BSG SozR 3-4100 § 111 Nr. 12).
In diesem Zusammenhang kann nicht zweifelhaft sein, daß die durch §§ 135a, 242q Abs. 10 AFG für laufende Leistungsfälle bewirkte unechte Rückwirkung in schutzwürdige Interessen betroffener Arbeitsloser eingreift und deren Rechtsposition nachträglich entwertet. Bei der Feststellung der Schwere des hierin liegenden Eingriffs ist indessen der schon im Gesetzgebungsverfahren (vgl. BT-Drucks. 12/5502 S. 40) angeführte Umstand zu berücksichtigen, daß der Lebensunterhalt des betroffenen Personenkreises ungeachtet der Neuregelung gesichert ist, wenn auch künftig aus Mitteln der Sozialhilfeträger. Die Neuregelung hinsichtlich der originären Alhi führt für die Betroffenen im Ergebnis nur zu einem Wechsel in ein anderes, in wesentlich Grundvoraussetzungen jedoch vergleichbares Sozialleistungssystem, ohne daß - bei fortbestehender Bedürftigkeit - die staatliche Sicherung des Lebensunterhaltes entzogen würde. Deshalb hat das Bundessozialgericht zu vergleichbaren Übergangsregelungen bereits mehrfach entschieden, daß bei Fortfall des Anspruches auf Alhi, die Elemente einer Fürsorgeleistung enthält, das sodann zustehende Recht auf Sozialhilfeleistungen grundsätzlich einen angemessenen Ausgleich gewährleistet, zumal Bezieher von Alhi mit entwertenden Eingriffen in ihre Ansprüche aus übergeordneten öffentlichen Interessen rechnen müssen (Urteil vom 12. November 1981 - 7 RAr 51/80 - DBlR § 134 Nr. 2710a; BSGE 59, 157, 161 f. = SozR 1300 § 45 Nr. 19; BSGE 59, 227, 231 = SozR 4100 § 134 Nr. 29).
Derartige übergeordnete öffentliche Interessen liegen auch der durch das 1. SKWPG erfolgten Neuregelung zugrunde, denn nach den oben schon näher dargelegten Zielsetzungen des Gesetzgebers sollten die ergriffenen Maßnahmen angesichts einer prekären Situation der öffentlichen Haushalte zu deren Konsolidierung im Wege einer Verminderung der Ausgaben beitragen. Die zeitliche Begrenzung der Dauer des Anspruchs auf originäre Alhi war eine zur Erreichung des öffentlichen Interesses liegenden Sparziels geeignete Maßnahme, die angesichts der fortbestehenden Sicherung des Lebensunterhalts durch Sozialhilfeleistungen auch verhältnismäßig und für den betroffenen Personenkreis zumutbar erscheint. Durch die dreimonatige Übergangsfrist wurde zudem sichergestellt, daß sich der betroffene Personenkreis in ausreichendem Maße auf die geänderte Rechtslage einstellen konnte und nicht unmittelbar mit einer vollständigen Entwertung der bisherigen Rechtsposition belastet wurde (vgl. zu der vergleichbaren Übergangsregelung im Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetz BSGE 59, 157, 162 = SozR 1300 § 45 Nr. 19; BSGE 59, 227, 234 = SozR 4100 § 134 Nr. 29).
Schließlich enthalten die durch das 1. SKWPG eingefügten Neuregelungen keinen Verstoß gegen das aus Art 3 Abs. 1 GG herzuleitende Willkürverbot, soweit sie hinsichtlich der Dauer des Anspruchs zwischen der sog. Anschluß-Alhi (§ 134 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4a AFG) und der originären Alhi differenzieren. Der Gesetzgeber überschreitet die Grenzen der ihm eingeräumten Gestaltungsfreiheit nur dort, wo ein sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung wesentlich gleicher Sachverhalte fehlt (BVerfGE 90, 236, 239 = SozR 3-4100 § 111 Nr. 4 m.w.N.). Die Bezieher von Anschluß-Alhi unterscheiden sich von dem durch § 135a AFG betroffenen Personenkreis dadurch, daß sie infolge ausreichend langer beitragspflichtiger Beschäftigungszeiten (§§ 100 Abs. 1, 104 AFG) regelmäßig in einem engeren Bezug zum Arbeitsmarkt der abhängig Beschäftigten stehen und aufgrund dieser Beitragsleistungen einen Anspruch auf Leistungen bei Eintritt der Arbeitslosigkeit erworben haben. Die hierin liegende Typisierung ist dem Gesetzgeber bei der Ordnung von Massenerscheinungen erlaubt (BVerfGE 17, 1, 25; 63, 255, 262 = SozR 4100 § 111 Nr. 6). Die Anknüpfung an die Entstehung des Alhi-Anspruchs ist ein hinreichender sachlicher Gesichtspunkt, der die unterschiedliche Behandlung der Leistungsbezieher rechtfertigt.
Da das LSG den angefochtenen Bescheid nach alledem zutreffend als rechtmäßig angesehen hat, ist die Revision des Klägers als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen
Haufe-Index 517600 |
NWB 1997, 674 |
SozSi 1997, 440 |