Leitsatz (amtlich)

Als "neue Leistungen" iS des 6. ÄndG BVG Art 2 vom 1957-07-01 (BGBl 1 661) können nur solche Leistungen angesehen werden, die "ihrer Art nach" auf Grund des früheren Rechts - bei rechtzeitiger Antragstellung - nicht gewährt werden konnten.

 

Normenkette

BVGÄndG 6 Art. 2 Fassung: 1957-07-01

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Schleswig vom 20. Mai 1959 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

Der Sohn Werner der Klägerin, die seit Juni 1943 verwitwet ist, starb als Soldat am 5. Februar 1945 im Alter von 20 Jahren. Mit den Bescheiden vom 31. Juli 1946, 9. November 1953 und 1. Dezember 1954 wurden bereits drei Anträge der Klägerin auf Gewährung von Elternrente abgelehnt. Im Oktober 1957 sandte das Versorgungsamt (VersorgA) Lübeck der Klägerin einen Erhebungsbogen über ihre Einkommensverhältnisse zu. Auf Grund ihrer Angaben über ein Einkommen aus nicht selbständiger Tätigkeit in Höhe von rd. 108 DM monatlich wurde ihr durch Bescheid des VersorgA Lübeck vom 21. Oktober 1957 eine Elternrente in Höhe von 22 DM monatlich vom 1. Oktober 1957 an gewährt. Ihr Widerspruch, mit dem sie Elternrente schon vom 1. Mai 1957 an begehrte, hatte keinen Erfolg (Entscheidung des Landesversorgungsamts - LVersorgA - Schleswig-Holstein vom 12.3.1958). Das LVersorgA begründete die Ablehnung einer Elternrente für die Zeit von Mai bis September 1957 damit, daß das Einkommen der Klägerin die im Fünften Änderungsgesetz zum Bundesversorgungsgesetz (BVG) festgelegte Einkommensgrenze für einen Elternteil in Höhe von 115 DM monatlich nicht erreicht habe. Der Klägerin habe daher schon nach dieser Novelle eine Teilelternrente zugestanden, die sie aber nicht beantragt habe. Bei der in dem Bewilligungsbescheid vom 21. Oktober 1957 festgestellten Teilelternrente in Höhe von 22 DM handle es sich somit nicht um eine sich aus dem Sechsten Änderungsgesetz zum BVG ergebende neue Leistung, so daß die in den Übergangsvorschriften enthaltene Bestimmung hinsichtlich des Beginns der Rente mit dem 1. Mai 1957 nicht zur Anwendung kommen könne.

Im Verfahren vor dem Sozialgericht (SG) hat die Klägerin den Klageantrag dahin eingeschränkt, daß ihr für die Monate Mai bis September 1957 eine Elternrente in Höhe von 15 DM monatlich - um diesen Betrag ist die Einkommensgrenze für einen Elternteil durch das Sechste Änderungsgesetz zum BVG gegenüber dem Fünften Änderungsgesetz erhöht worden - zu gewähren sei. Das SG Lübeck hat mit Urteil vom 5. September 1958 dem Klageantrag entsprochen. Es hat seine Entscheidung damit begründet, daß der im Oktober 1957 von der Klägerin gestellte Antrag auf Gewährung einer Elternrente als ein Antrag aufzufassen sei, der unter Berücksichtigung der durch das Sechste Änderungsgesetz zum BVG neu festgesetzten Einkommensgrenze bei einem Elternteil in Höhe von 130 DM monatlich gestellt worden sei. Im Vergleich zu dem in der Fünften Novelle festgesetzten Einkommensbetrag in Höhe von 115 DM handle es sich für die Klägerin um eine neue Leistung von monatlich 15 DM. Nach Art. II Satz 2 des Sechsten Änderungsgesetzes zum BVG habe daher die Zahlung des Mehrbetrages von 15 DM monatlich mit dem 1. Mai 1957 zu beginnen.

Durch Urteil vom 20. Mai 1959 hat das Landessozialgericht (LSG) Schleswig auf die Berufung des Beklagten das Urteil des SG Lübeck vom 5. September 1958 aufgehoben und die Klage abgewiesen; es hat die Revision zugelassen. Das LSG hat seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet: Unter einer “neuen Leistung„ im Sinne des Sechsten Änderungsgesetzes zum BVG sei nichts anderes zu verstehen als unter einem “neuen Anspruch„ im Sinne des Art. II Nr. 2 des Fünften Änderungsgesetzes bzw. unter einem “neuen Versorgungsanspruch„ im Sinne des Art. V Nr. 2 des Dritten Änderungsgesetzes und im Sinne des § 88 BVG. Nach der 3. Novelle zum BVG habe einem Elternteil Elternrente nur insoweit gewährt werden können, als diese zusammen mit dem sonstigen Einkommen 105 DM monatlich nicht überstieg. Durch Art. I Nr. 23 der 5. Novelle sei dieser Monatsbetrag auf 115 DM erhöht worden. Da das sonstige Einkommen der Klägerin bis Oktober 1956 105,30 DM und von diesem Zeitpunkt an 108,39 DM betragen habe, hätte ihr bei fristgerechter Antragstellung nach der 5. Novelle vom 1. April 1956 an eine Elternrente in Höhe von 10 DM monatlich und vom Oktober 1956 an eine solche in Höhe von 7 DM monatlich gezahlt werden müssen. Die rechtlichen Voraussetzungen der der Klägerin zu gewährenden Rentenleistungen seien mithin nicht erst durch die 6. Novelle geschaffen worden, weil ihr Elternrentenanspruch bei entsprechender Antragstellung auch schon nach den Vorschriften der 5. Novelle zur Entstehung gelangt wäre. Dem Begriff der Einheitlichkeit des Rentenanspruchs würde es aber widersprechen, wenn man mit dem SG den Unterschiedsbetrag zwischen der nach der 5. und der nach der 6. Novelle zu errechnenden Monatsrente als “neue Leistung„ im Sinne des Art. II der 6. Novelle ansehen wollte. Der Klägerin stehe daher entgegen der Auffassung des SG Elternrente erst vom 1. Oktober 1957 an (Antragsmonat) zu.

Gegen das am 5. August 1959 zugestellte Urteil des LSG hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 18. August 1959, eingegangen beim Bundessozialgericht (BSG) am 26. August 1959, Revision eingelegt; sie beantragt,

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin macht mit der Revision geltend, das LSG habe nicht davon ausgehen dürfen, daß unter “neuer Leistung„ im Sinne des Sechsten Änderungsgesetzes zum BVG nichts anderes zu verstehen sei als unter “neuem Anspruch„ im Sinne der früheren Übergangsvorschriften. Schon diese Schlußfolgerung im Rahmen einer Wortinterpretation sei im höchsten Grade bedenklich. Die Wahl eines neuen Ausdrucks - “Leistung„ statt “Anspruch„ - im Sechsten Änderungsgesetz zum BVG müsse einen besonderen Sinn haben. Der Gesetzgeber habe damit zum Ausdruck bringen wollen, daß dem Versorgungsberechtigten bei einer Verbesserung der Leistungen durch die 6. Novelle der Mehrbetrag schon vom 1. Mai 1957 an zustehen solle, wenn er innerhalb von sechs Monaten nach Verkündung der Novelle einen entsprechenden Antrag stelle. Die Auffassung, daß ein Versorgungsanspruch erst durch einen Antrag entstehe, habe zwar ihren guten Sinn; sie wolle verhindern, daß noch nach Jahren Ansprüche geltend gemacht werden könnten, um die sich der Berechtigte nicht gekümmert habe. Darum handle es sich aber im vorliegenden Falle nicht, da es nur um eine zeitlich begrenzte Rückwirkung gehe. Für den Fall, daß die Auffassung des SG, der sich die Klägerin durch Minderung des Klageantrags angeschlossen habe, die durch eine ständige Rechtsprechung geheiligte “Einheitlichkeit des Rentenanspruchs„ verletze, werde auf den ursprünglichen Klageantrag zurückgegangen. Es werde daher vorsorglich der Hilfsantrag gestellt,

unter Aufhebung der Urteile des LSG und des SG nach dem Klageantrag in der Klageschrift zu erkennen.

Der Beklagte beantragt,

die Revision der Klägerin vom 18. August 1959 gegen das Urteil des 6. Senats des LSG vom 20. Mai 1959 zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und weist insbesondere auf die Rechtsprechung des BSG zu § 88 BVG hin. Aus Art. II des Sechsten Änderungsgesetzes zum BVG ergebe sich trotz des gegenüber den früheren Übergangsvorschriften geänderten Wortlauts nicht, daß der Gesetzgeber seine Auffassung insofern geändert habe, als er nunmehr den Kreis der “neuen„ nach der 6. Novelle Versorgungsberechtigten erweitern wollte. Die in der 6. Novelle festgelegten Begünstigungen sollten vielmehr nur dem Kreis der nach dieser Novelle “neuen„ Versorgungsberechtigten zugute kommen. Es liege in der Natur des in den §§ 60, 61 BVG festgelegten Antragsprinzips, daß es für diejenigen, die einen Antrag auf Versorgungsbezüge verspätet stellen, Härten mit sich bringen könne. Diese Folgen könnten aber nicht durch sozialpolitische Erwägungen beseitigt werden, solange der Gesetzgeber das Antragserfordernis für die Gewährung von Leistungen im BVG beibehalte.

Die Revision ist frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 164, 166 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Da das LSG die Revision in dem angefochtenen Urteil ausdrücklich zugelassen hat (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG), ist sie statthaft; sie ist aber nicht begründet.

Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Klägerin für die Monate Mai bis September 1957 eine Elternrente in Höhe von 15 DM monatlich zusteht. Das LSG hat für diesen Zeitraum einen Anspruch auf Elternrente nach Art. II des Sechsten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des BVG vom 1. Juli 1957 (BGBl I, 661) nicht für gegeben erachtet, da der Klägerin schon nach dem Fünften Änderungsgesetz eine Elternrente in Höhe von 10 DM bzw. 7 DM monatlich zugestanden haben würde, wenn sie diese beantragt hätte. Nach Art. II der 6. Novelle werden Elternrenten nach Art. I Nr. 12 von Amts wegen neu festgestellt. Im übrigen werden neue Leistungen, die sich aus diesem Gesetz ergeben, nur auf Antrag gewährt. Wird der Antrag binnen sechs Monaten nach Verkündung der 6. Novelle gestellt und wird dem Antrag stattgegeben, so beginnt die Zahlung mit dem Monat, in dem die Voraussetzungen erfüllt sind, frühestens mit dem 1. Mai 1957. Die Klägerin hat im Oktober 1957, also innerhalb der Frist von sechs Monaten nach Verkündung der 6. Novelle, Antrag auf Gewährung einer Elternrente gestellt. Ob die Zahlung der Elternrente schon mit dem 1. Mai 1957 beginnt, hängt von der Entscheidung der Frage ab, ob es sich bei der der Klägerin durch Bescheid vom 21. Oktober 1957 erstmals vom 1. Oktober 1957 an gewährten Elternrente in Höhe von 22 DM monatlich um eine “neue Leistung„ im Sinne des Art. II der 6. Novelle handelt.

Das LSG hat in dem angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt, daß die Übergangsvorschrift des Art. II der 6. Novelle durch die Verwendung des Begriffs “neue Leistungen„ einen anderen Wortlaut als § 88 BVG und die Übergangsvorschriften der vorhergehenden Novellen zum BVG hat. In diesen Vorschriften hat der Gesetzgeber bestimmt, daß die sich aus dem betreffenden Gesetz ergebenden “neuen Ansprüche„ oder “neuen Versorgungsansprüche„ auf Antrag festgestellt werden und daß bei der Antragstellung innerhalb einer bestimmten Frist die Rente bereits zu einem früheren Zeitpunkt als dem Antragsmonat beginnt (vgl. § 88 BVG; Art. III Nr. 4 des Zweiten Änderungsgesetzes zum BVG - BGBl 1953 I, 862 -; Art. V Nr. 2 des Dritten Änderungsgesetzes zum BVG - BGBl 1955 I, 25 -; Art. II Nr. 2 des Fünften Änderungsgesetzes zum BVG - BGBl 1956 I, 463 -). Auch nach Art. IV § 1 Abs. 2 des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Kriegsopferrechts vom 27. Juni 1960 (BGBl I, 453) werden “neue Ansprüche„, die sich aus diesem Gesetz ergeben, nur auf Antrag festgestellt. Das BSG hat bereits in mehreren Entscheidungen (BSG 4, 291; 7, 118 und 187) zu dem Begriff des “neuen Versorgungsanspruchs„ in § 88 BVG Stellung genommen. Es hat unter eingehender Begründung ausgesprochen, daß es sich um einen “neuen Versorgungsanspruch„ im Sinne des § 88 BVG dann nicht handelt, wenn schon nach bisherigem Versorgungsrecht die Möglichkeit bestanden hat, Rente zu beantragen, ein Antrag aber nicht gestellt worden ist. Für die Frage, welche Ansprüche “neu„ im Sinne des § 88 BVG sind, kommt es somit auf den Unterschied zwischen dem Recht nach dem BVG und dem früheren Versorgungsrecht an. Hierbei muß unter einem neuen Versorgungsanspruch im Sinne dieser Vorschrift ein Anspruch verstanden werden, dessen tatsächliche Voraussetzungen - abgesehen von dem Antragserfordernis (vgl. BSG 2, 289) - vor dem Inkrafttreten des BVG erfüllt gewesen, dessen rechtliche Voraussetzungen aber erst durch das BVG neu geschaffen werden sind. Soweit in dem Dritten und Fünften Änderungsgesetz in den Übergangsvorschriften ebenfalls von “neuen Versorgungsansprüchen„ oder “neuen Ansprüchen„ gesprochen wird, ist die Rechtslage nicht anders zu beurteilen als in der Übergangsvorschrift des § 88 BVG. Wäre also - wie das LSG in dem angefochtenen Urteil ausgeführt hat - dieser Begriff dem Begriff der “neuen Leistung„ des Art. II der 6. Novelle gleichzustellen, so würde der Klägerin ein Anspruch auf Elternrente für die Monate Mai bis September 1957 nicht zustehen, weil sie bereits nach dem Fünften Änderungsgesetz entsprechend den hierzu vom LSG getroffenen Feststellungen einen Anspruch auf Elternrente in Höhe von 10 DM monatlich vom 1. April 1956 an und von 7 DM monatlich vom Oktober 1956 an gehabt hätte, wenn sie während der Geltung dieses Gesetzes eine Elternrente beantragt hätte. Es kommt daher für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits darauf an, ob dem Begriff “neue Leistung„ im Sinne des Art. II des Sechsten Änderungsgesetzes schon wegen des anderen Wortlauts ein anderer Inhalt beizumessen ist als dem Begriff des “neuen Versorgungsanspruchs„ in § 88 BVG und den dem Sechsten Änderungsgesetz vorhergehenden Novellen zum BVG.

Es ist der Revision zuzugeben, daß die Änderung des Wortlauts der Übergangsvorschrift in Art. II des Sechsten Änderungsgesetzes - “neue Leistung„ statt “neuer Versorgungsanspruch„ - zumindest auffällig und nicht ohne weiteres verständlich ist. Die Gesetzesmaterialien geben hierzu keinen Aufschluß. Lediglich in dem schriftlichen Bericht des Ausschusses für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen (2. Wahlperiode 1953 BT-Drucks. 3488) ist zu Art. II des Sechsten Änderungsgesetzes folgendes ausgeführt: “In den Übergangsvorschriften ist insbesondere geregelt, in welchen Fällen auf Grund der nach diesem Gesetz vorgesehenen Verbesserungen oder der sich aus diesem Gesetz ergebenden neuen Ansprüche eine Neufeststellung der Bezüge von Amts wegen erfolgt oder eine Antragstellung erforderlich wird.„ Es fällt auf, daß trotz der Fassung des Berichts in Art. II des Sechsten Änderungsgesetzes von “neuen Leistungen„ gesprochen wird. Damit drängt sich die Vermutung auf, daß der Begriff der “neuen Leistungen„ in Art. II des Sechsten Änderungsgesetzes aufgenommen worden ist, ohne daß der Gesetzgeber hiermit dieser Vorschrift insoweit gegenüber der Fassung der Übergangsvorschriften in den vorhergehenden Änderungsgesetzen zum BVG einen anderen Inhalt geben wollte. Demgegenüber wird nicht verkannt, daß in erster Linie zunächst dem Wortlaut einer Vorschrift besondere Bedeutung zukommt. Je weniger der Wortlaut einer Vorschrift Anlaß zu Zweifeln über seine Bedeutung gibt, desto schwerwiegender müssen die gegebenenfalls aus anderen, bei der Auslegung zu berücksichtigenden Gesichtspunkten sich ergebenden Gründe sein, wenn sie eine im Gegensatz zum üblichen Sprachgebrauch stehende Auslegung rechtfertigen sollen (vgl. BSG 8, 198, 201). Im vorliegenden Falle kann jedoch dahingestellt bleiben, inwieweit die Begriffe “Versorgungsanspruch„ und “Versorgungsleistung„ gleichbedeutend sind oder ob ihnen in dem bestimmten Zusammenhang, in dem sie gebraucht sind, jeweils eine verschiedene Bedeutung zukommen könnte. Im Rahmen der Übergangsvorschriften in den Änderungsgesetzen zum BVG ist jedenfalls dem Wort “neu„ entscheidendes Gewicht beizumessen. Aus ihm ergibt sich bei sinngemäßer Auslegung und nach dem Zweck der Übergangsvorschrift, daß es für die Beantwortung der Frage, welche Versorgungsansprüche oder Versorgungsleistungen “neu„ sind, auf einen Vergleich des neuen Rechts mit dem früheren Recht ankommt und daß der Gesetzgeber im Hinblick auf die Einführung des neuen Rechts den Versorgungsberechtigten längere Fristen für die Anmeldung ihrer Ansprüche und der Rückwirkung auf einen früheren Zeitpunkt gewähren wollte. Sinn und Zweck der Übergangsvorschriften in den Änderungsgesetzen zum BVG sind also ohne Rücksicht darauf, ob vom “Versorgungsanspruch„ oder von der “( Versorgungs )-Leistung„ gesprochen wird, gleichgeblieben. Ebenso wie ein neuer Versorgungsanspruch dann nicht vorliegt, wenn nach dem vorhergehenden Recht bereits ein Anspruch - abgesehen von dem Antragserfordernis - bestanden hat, handelt es sich nicht um eine “neue Leistung„ im Sinne des Art. II des Sechsten Änderungsgesetzes, wenn nach den vorhergehenden Vorschriften bereits eine Versorgungsleistung derselben Art (vgl. § 9 BVG) zu gewähren gewesen wäre, wenn der Versorgungsberechtigte damals einen entsprechenden Antrag gestellt hätte. Von Bedeutung könnte der Unterschied in der Wortfassung nur dann sein, wenn es sich um einen Fall handelt, in dem zwar ein Versorgungsanspruch bestand, eine Versorgungsleistung aber nicht zu gewähren war. Das würde z.B. dann in Betracht kommen, wenn die Rente nach dem früheren Recht ruht. Das BSG hat hierzu im Rahmen des § 88 BVG bereits entschieden, daß bei einem Ruhen der Rente der Anspruch als solcher bestehen bleibt und das Ruhen lediglich die Zahlung der Rente hindert; dann ist der an sich bestehende Versorgungsanspruch nicht “realisierbar„ gewesen (vgl. BSG 7, 118 und 187), ein “neuer„ Versorgungsanspruch liegt aber nicht vor. Um eine neue Leistung im Sinne des Art. II des Sechsten Änderungsgesetzes könnte es sich dagegen dann handeln, wenn dem Versorgungsberechtigten wegen des Ruhens der Rente nach früherem Recht keine Leistung zu gewähren war. Indessen braucht diese Frage im vorliegenden Falle nicht entschieden zu werden, da der Klägerin eine Versorgungsleistung (Teilelternrente) bei entsprechender Antragstellung schon nach dem Fünften Änderungsgesetz zu BVG zu gewähren gewesen wäre. Die Frage, ob es sich um eine neue Leistung im Sinne des Art. II des Sechsten Änderungsgesetzes handelt, ist also danach zu beurteilen, ob bereits nach dem früheren Recht eine Versorgungsleistung derselben Art (Elternrente) zu gewähren gewesen wäre, wenn ein entsprechender Antrag gestellt worden wäre. Die Änderung der Leistung lediglich im Zahlbetrag durch das Sechste Änderungsgesetz infolge Erhöhung der Einkommensgrenzen bei der Elternrente ist daher entgegen der Auffassung der Revision nicht als “neue Leistung„ im Sinne des Art. II dieses Gesetzes aufzufassen.

Diese Auslegung des Art. II des Sechsten Änderungsgesetzes rechtfertigt sich auch aus weiteren Erwägungen, die insbesondere den inneren Zusammenhang mit den Vorschriften in den vorhergehenden Änderungsgesetzen zum BVG berücksichtigen. Der Gesetzgeber ist in den Übergangsvorschriften zu sämtlichen Änderungsgesetzen davon ausgegangen, daß Versorgungsbezüge, die auf Grund der Anerkennung von Versorgungsansprüchen nach dem jeweils früheren Recht gezahlt wurden, von Amts wegen auf das neue Recht umzustellen waren. Daraus ergibt sich, daß ein Antrag auf Versorgungsbezüge nach dem neuen Gesetz nur dann Rückwirkung haben sollte, wenn ein Versorgungsanspruch oder - für diesen Fall gleichbedeutend - eine Versorgungsleistung vorher nicht zustand. Berücksichtigt man diesen inneren Zusammenhang zwischen Satz 1 und 2 des Art. II des Sechsten Änderungsgesetzes, dann spricht auch dieser Umstand für die Auslegung, daß unter “neuer„ Leistung nur solche Leistungen zu verstehen sind, die ihrer Art nach (vgl. § 9 BVG) nach früherem Recht nicht gewährt werden konnten. Hätte die Klägerin einen Antrag auf Gewährung einer Elternrente bereits nach dem Fünften Änderungsgesetz zum BVG gestellt, der nach den Feststellungen des LSG Erfolg gehabt hätte, dann wären ihre Versorgungsbezüge nach dem Fünften Änderungsgesetz ohne weiteres von Amts wegen nach dem Sechsten Änderungsgesetz neu festgestellt worden. Wenn ein Versorgungsberechtigter aber die Antragstellung verabsäumt, so ist es gerechtfertigt, daß nach den Vorschriften des BVG grundsätzlich die Rente erst mit dem Antragsmonat beginnt. Die Rückwirkung des Antrages bei “neuen„ Versorgungsansprüchen oder “neuen„ Leistungen sollte ersichtlich nur den Umstand Rechnung tragen, daß einem Versorgungsberechtigten, der nach früherem Recht keine Leistung dieser Art zu beanspruchen hatte, eine gewisse Frist gewährt werden sollte, bis er unter normalen Umständen Kenntnis davon erhalten konnte, daß ihm nunmehr - im Gegensatz zu früher - eine Versorgungsleistung zustand.

Für die vom Senat getroffene Auslegung des Art. II des Sechsten Änderungsgesetzes spricht ferner, daß nach Art. II Abs. 3 des Ersten Änderungsgesetzes zum BVG vom 19. März 1952 (BGBl I, 141) eine Neufeststellung nur auf Antrag erfolgte, wenn der Anspruch auf Ausgleichsrente oder Elternrente wegen der Höhe des sonstigen Einkommens abgelehnt war. Wurde der Antrag bis zum 30. Juni 1952 gestellt, so begann die Ausgleichs- oder Elternrente mit dem 1. April 1952, frühestens mit dem Monat, in dem ihre Voraussetzungen erfüllt waren. Aus dieser Regelung ergibt sich, daß der Gesetzgeber schon bei der ersten Änderung des BVG eine Rückwirkung nur dann gewährt hat, wenn nach dem unmittelbar vorher geltenden Recht des BVG in seiner ersten Fassung der Anspruch auf Elternrente wegen der Höhe des sonstigen Einkommens abgelehnt worden war. Eine Rückwirkung konnte also nach dem Ersten Änderungsgesetz dann nicht eintreten, wenn ein Antrag auf Gewährung einer Elternrente vorher nicht gestellt worden war, da dann die Ablehnung eines Antrags wegen der Höhe des sonstigen Einkommens nicht vorlag. Auch hieraus ist zu entnehmen, daß den Übergangsvorschriften in den Änderungsgesetzen zum BVG der allgemeine Gedanke zugrunde liegt, daß eine Rückwirkung nur dann in Betracht kommen sollte, wenn nach dem jeweils vorhergehenden Recht kein Versorgungsanspruch bzw. keine Versorgungsleistung zustand. Der Unterschiedsbetrag bei einer Elternrente nach dem Fünften und Sechsten Änderungsgesetz in Höhe von 15 DM monatlich für die Zeit von Mai bis September 1957 kann daher der Klägerin nicht auf Grund des Art. II des Sechsten Änderungsgesetzes zugesprochen werden.

Die Klägerin hat in der Revisionsschrift hilfsweise den Antrag gestellt, unter Aufhebung der Urteile des LSG und des SG nach dem Klageantrag in der Klageschrift zu erkennen. Im Schriftsatz vom 11. April 1958 hatte die Klägerin zunächst beantragt, den Beginn der Rentenzahlung vom 1. Oktober 1957 auf den 1. Mai 1957 vorzuverlegen, d.h. sie begehrte mit der Klage die Zahlung der durch Bescheid vom 21. Oktober 1957 bewilligten Elternrente von 22 DM monatlich rückwirkend in derselben Höhe schon vom 1. Mai 1957 an. In der mündlichen Verhandlung vor dem SG hat die Klägerin den Klageantrag dahin eingeschränkt, daß ihr vom Beklagten für die Zeit vom 1. Mai bis 30. September 1957 zusätzlich eine Elternrente in Höhe von 15 DM monatlich zu zahlen ist. Das SG hat diesem Klageantrag mit Urteil vom 5. September 1958 entsprochen. Gegen diese Entscheidung hat nur der Beklagte, dagegen nicht die Klägerin Berufung eingelegt. Sie kann daher auf keinen Fall eine höhere Rente beanspruchen, als ihr vom SG zugesprochen worden ist. Abgesehen davon kann - wie oben dargelegt worden ist - der Beginn der Rente ohnehin nicht nach Art. II des Sechsten Änderungsgesetzes zum BVG auf den 1. Mai 1957 vorverlegt werden.

Die Revision der Klägerin mußte hiernach zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1797271

BSGE, 105

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