Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 17. Dezember 1980 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
I
Streitig ist, ob aus einem Provisionsanspruch von rund 60.000,– DM Konkursausfallgeld (Kaug) zu zahlen ist.
Der Kläger war technischer Berater und Verkäufer einer deutschen Maschinenfabrik (Unternehmer) in einigen Ländern Ostasiens. Er erhielt dafür ein jährliches Festgehalt von 12.000,– DM sowie außerdem eine garantierte Jahresprovision von ebenfalls 12.000,– DM. Hierauf war die Vermittlungsprovision für Maschinenverkäufe anzurechnen. Versicherungsbeiträge für die Kranken- und Rentenversicherung waren ihm als Selbstzahler, ferner seine Reisekosten zu er statten.
Als am 14. März 1978 über das Vermögen des Unternehmers das Konkursverfahren eröffnet wurde, hatte der Kläger noch Ansprüche auf Festgehalt, garantierte Provision, Beitrags- und Reisekostenerstattungen in Höhe von 6.927,25 DM. Noch nicht gezahlt war ihm auch seine Provisionsforderung in Höhe von 62.947,38 DM, die er sich durch einen Maschinenverkauf im Juni 1977 verdient hatte. Diese Forderung wurde ihm vertragsgemäß Ende Dezember 9 also innerhalb der Dreimonatsfrist, für die Kaug in Betracht kommt (Kaug-Zeit), gutgeschrieben, nachdem – ebenfalls in der Kaug-Zeit – der Kaufpreis von über 395 Millionen DM an den Unternehmer gezahlt worden war.
Mit Bescheid vom 23. Mai 1978 (Widerspruchsbescheid vom 17. Oktober 1978) zahlte die Beklagte dem Kläger 6.927,25 DM Kaug. Die Provision zu berücksichtigen, lehnte die Beklagte ab, weil der Kläger in der Kaug-Zeit dafür nicht gearbeitet habe.
Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Sozialgericht (SG) Mannheim hat ausgeführt, maßgebend für die Entstehung des Provisionsanspruchs sei der vor Kaug-Zeit liegende Vertragsabschluß (Urteil vom 10. Oktober 1979). Das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg hat die Beklagte verurteilt, Kaug in Höhe der Provision abzüglich bereits gezahlter 3.000,– DM Garantieprovision, zu zahlen. Maßgebend für die Entstehung des Kaug-Anspruchs sei die Fälligkeit des Provisionsanspruchs und die noch Anfang 1978 vollendete Ausführung des Geschäfts (Urteil vom 17. Dezember 1980).
Die Beklagte hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt die Verletzung des § 141b Abs. 1 und 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG). Sie beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 17. Dezember 1980 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 10. Oktober 1979 zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten sind damit einverstanden, daß der Senat durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz –SGG–).
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben. Die Sache ist zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Nach § 141b Abs. 1 AFG hat Anspruch auf Kaug ein Arbeitnehmer, der bei Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen seines Arbeitgebers für die letzten der Eröffnung des Konkursverfahrens vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses (Kaug-Zeit) noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt hat. Fraglich ist nicht nur, ob der Provisionsanspruch des Klägers zu den Einkünften gehört, für die nach dieser Vorschrift Ersatz zu leisten ist, sondern insbesondere auch, ob der Kläger unabhängig von der Art. seiner Einkünfte zu dem durch das Kaug-Recht geschützten Personenkreis gehörte, also Arbeitnehmer iS des § 141b Abs. 1 AFG war. Entgegen der Meinung des LSG, das keinen Anlaß sah, an der Arbeitnehmereigenschaft zu zweifeln, müssen dazu noch Feststellungen getroffen werden:
Der Begriff des Arbeitnehmers ist in den Vorschriften über das Konkursausfallgeld (§§ 141a – 141n AFG) nicht geregelt. Es gelten deshalb grundsätzlich die Abgrenzungsmerkmale, wie sie in den Vorschriften über die Beitragspflicht (§§ 167 bis 186 AFG) verwendet worden sind (Gagel in; Gagel/Jülicher, Kommentar zum AFG, 1981, § 141a Anm. 2; Schmitz/Specke/Picard, Kommentar zum AFG, 2. Aufl, Stands 1.4.1981, § 141a Anm. 1.1; Schönfelder/Kranz/Wanka, Kommentar zum AFG, Stand: Januar 1982, § 141b RdNr. 3 – mit hier nicht interessierenden Einschränkungen). Dem steht nicht entgegen, daß Kaug nicht durch Beiträge der Arbeitnehmer finanziert wird. – Nach § 168 Abs. 1 Satz 1 AFG sind beitragspflichtig Personen, die als Arbeiter oder Angestellte gegen Entgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind (Arbeitnehmer). Diese Legaldefinition wird ergänzt ua durch § 173a AFG, der für die Beitragspflicht auch der Arbeitnehmer auf die Vorschriften des 4. Buches des Sozialgesetzbuches (SGB 4) über den persönlichen und räumlichen Geltungsbereich (§ 3 Nr. 1 SGB 4), die Ausstrahlung und Einstrahlung (§§ 4 und 5 SGB 4), die Beschäftigung (§ 7), den Beschäftigungsort (§§ 9 und 10 SGB 4) und das Arbeitsentgelt (§§ 14 und 17 SGB 4) verweist und die entsprechende Anwendung anordnet. Nach § 3 Nr. 1 SGB 4 gelten die Vorschriften über die Versicherungspflicht und die Versicherungsberechtigung, soweit sie eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit voraussetzen, für alle Personen, die im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches beschäftigt oder selbständig tätig sind. Mach § 4 Abs. 1 SGB 4 gelten die Verschriften, die für die Versicherungspflicht und die Versicherungsberechtigung eine Beschäftigung voraussetzen, auch für Personen, die im Rahmen eines im Inland bestehenden Beschäftigungsverhältnisses in ein Gebiet außerhalb dieses Geltungsbereichs entsandt werden, wenn die Entsendung infolge der Eigenart der Beschäftigung oder vertraglich im voraus zeitlich begrenzt ist. Der Kläger konnte demnach nur dann als Arbeitnehmer im Sinne der Anspruchsgrundlage des § 141b Abs. 1 AFG behandelt werden, wenn sich feststellen ließe, daß er nur für eine im voraus zeitlich begrenzte Zeit nach Ostasien entsandt wurden ist. Dafür bietet der Arbeitsvertrag aber keinen Hinweis. Auch die Eigenart der Beschäftigung – wenn es eine selche ist – weist nach den bisherigen Feststellungen nicht auf eine zeitliche Beschränkung hin. Es muß deshalb geprüft werden, ob besondere Abmachungen vorliegen, die eine zeitliche Beschränkung festlegen oder auf eine solche Beschränkung schließen lassen.
Zweifel an der Arbeitnehmereigenschaft ergeben sich auch aus der Fassung der vertraglichen Rechte und Pflichten des Klägers. Entgegen der Meinung des LSG läßt sich aus dem allgemeinen Weisungsrecht des Unternehmers und der Urlaubsregelung nicht eindeutig die Unselbständigkeit folgern. Der Kläger konnte seine Tätigkeit in einer Reihe von Ländern im asiatischen Raum weitgehend frei entfalten. Den Weisungen der dortigen Handelsvertretungen des Unternehmers war er gerade nicht unterworfen. Er war nicht an eine bestimmte Arbeitszeit oder einen bestimmten Arbeitsort gebunden. Gegen die Arbeitnehmereigenschaft spricht auch, daß über die Entrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen aus dem Arbeitsvertrag nichts entnommen werden kann. Lediglich in der vor Konkursverwalter unterzeichneten Verdienstbescheinigung vom 14. März 1978 sind zusätzlich zum Fixum, einem Reisekostenguthaben, Krankenkasse und Sozialversicherung angeführt; der Kläger wird als Selbstzahler in der Kranken- und der Rentenversicherung bezeichnet. Hieraus lassen sich keine überzeugenden Schlußfolgerungen auf die Versicherungspflicht und die abhängige Beschäftigung ziehen. Zur Rentenversicherung wäre es denkbar, daß der Kläger als Selbständiger auf Antrag nach § 2 Abs. 1 Kr 10 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) pflichtversichert gewesen ist (vgl. dazu BSGE 42, 90 = SozR 2200 § 1232 Nr. 6).
Bei diesen Unklarheiten ist es erforderlich, durch weitere Ermittlungen, möglicherweise auch durch Zeugen, aufzuklären, ob der Kläger tatsächlich Arbeitnehmer oder Selbständiger war. Die in dem „Einzelarbeitsvertrag” getroffenen Regelungen sind nur dann entscheidend, wenn sie tatsächlich eingehalten worden sind. Nach der ständigen Rechtsprechung ist bei Abweichungen von schriftlichen Vereinbarungen die jeweilige tatsächliche Lage für die Beurteilung der Frage, ob es sich um eine abhängige Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit handelt, allein entscheidend (vgl. BSGE 45, 199, 201 = SozR 2200 § 1227 Nr. 8 Bl 16 mwN).
Sollte sich indes aus den weiteren Feststellungen keine eindeutige Antwort auf die Frage ergeben, ob der Kläger abhängig Beschäftigter oder selbständig Tätiger war, ist das bisherige Berufsleben des Klägers als weiteres Indiz dafür heranzuziehen, wie er versicherungsrechtlich zu beurteilen ist (vgl. BSG SozR 2200 § 1227 Nr. 19).
Auch wenn sich bei diesen Ermittlungen herausstellen sollte, daß der Kläger entsandter Arbeitnehmer war, wird zu klären sein, ob er auch seine Verkaufstätigkeit als Arbeitnehmer ausgeübt hat. Es ist möglich, daß der Kläger in bezug auf seine Aufgaben als technischer Berater (offenbar in einer Art. Kundendienst) Arbeitnehmer, aber in bezug auf seine Verkäufertätigkeit Selbständiger war. Wie der Senat bereits ausgeführt hat (BSG 51, 105, 108), ist bei Arbeitnehmern, die neben sonstigen Verpflichtungen auch zur Vermittlung von Aufträgen für ihren Arbeitgeber verpflichtet sind, stets zu prüfen, ob sie diese Tätigkeit als Selbständige – Handelsvertreter im Nebenberuf (§ 92b Handelsgesetzbuch –HGB–) – ausüben. Dazu besteht in Kaug-Recht besondere Veranlassung. Denn dieses Recht ist zur Sicherung nur der Ansprüche gedacht, auf deren Erfüllung sich der Arbeitnehmer mit seiner Lebensführung einstellen konnte, weil er mit seiner Arbeit die Voraussetzungen für die Entstehung dieses Anspruchs bereits voll erfüllt hat. Ein solcher Schutz ist nicht für Ansprüche gedacht, die ihrer Art. nach nicht nur von der Arbeitsleistung, sondern von den Erfolg (vgl. § 87a HGB) abhängig sind, auf die der Arbeitende keinen Einfluß hat (vgl. dazu BSGE 50, 269, 270; 51, 105, 107).
Aufschluß darüber, ob der Provisionsanspruch zu den Lohn- oder zu den Geschäftsforderungen zahlt, kann auch die buchungsmäßige Behandlung geben. Ein wesentlicher Hinweis auf Geschäftsforderung wäre es, wenn die Provisionsansprüche des Klägers nicht in die Lohnsumme eingeflossen wären, von der das Kaug finanziert wird (§ 186c Abs. 2 AFG).
Die Kostenentscheidung bleibt dem den Rechtsstreit abschließenden Urteil vorbehalten.
Fundstellen
ZIP 1982, 1230 |
Breith. 1983, 266 |