Entscheidungsstichwort (Thema)
Anerkennung der Hilflosigkeit (Nachteilsausgleich "H") über die Vollendung des 18. Lebensjahres hinaus
Beteiligte
29. August 1990 … Kläger und Revisionsbeklagter |
Bundesrepublik Deutschland |
Tatbestand
G r ü n d e :
I
Der Kläger leidet an Mucoviscidose. Er begehrt die Anerkennung der Hilflosigkeit (Nachteilsausgleich "H") über die Vollendung des 18. Lebensjahres hinaus. In seinem 14. Lebensjahr wurden bei ihm die Schwerbehinderung und der Nachteilsausgleich "H" bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres anerkannt (Bescheid vom 18. August 1981). Nach Anhörung wurde mit Neufeststellungsbescheid der Nachteilsausgleich "H" mit der Begründung gestrichen, daß er ab Vollendung des 18. Lebensjahres für Mucoviscidose-Kranke entfalle (Bescheid vom 15. November 1985 und Widerspruchsbescheid vom 31. Dezember 1985).
Die Klage hatte Erfolg. Die Vorinstanzen haben den angefochtenen Bescheid als einen Änderungsbescheid iS von § 48 Abs 1 Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - (SGB X) beurteilt aber keine Veränderungen des Gesundheitszustandes feststellen können, die den Entzug des Nachteilsausgleichs "H" rechtfertigten. Der Kläger habe fremde Hilfe bei den sog Alltagsverrichtungen nie benötigt. Die fremde Hilfe habe sich vor allem auf die Bronchialdrainage mit täglich zwei- bis dreimal Klopfmassage von je 20 Minuten Dauer sowie auf die Einnahme von Medikamenten beschränkt (Urteil des Landessozialgerichts -LSG- vom 27. April 1989).
Der Beklagte hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt mit der Begründung, daß der Kläger zwar tatsächlich nie hilflos gewesen sei, jedoch bei schwerer Mucoviscidose Jugendlichen allein mit Rücksicht auf das Alter nach den "Anhaltspunkten" der Nachteilsausgleich "H" zugebilligt werde (§ 48 Schwerbehindertengesetz -SchwbG- iVm § 3 der Vierten Verordnung zur Durchführung des Schwerbehindertengesetzes - Ausweisverordnung Schwerbehindertengesetz - -SchwbAV- iVm mit den Anhaltspunkten 1977 S 15 unter k).
Der Beklagte beantragt,das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 27. April 1989 und das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 25. Mai 1987 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,die Revision zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Hilflosigkeit sei nach den mitgeteilten ärztlichen Befunden zu Recht anerkannt worden. Eine Besserung des Gesundheitszustandes sei jedenfalls nicht feststellbar, so daß es an der notwendigen wesentlichen Änderung der Verhältnisse fehle, die allein eine Aufhebung des früheren begünstigenden Bescheides rechtfertigen könne.
II
Die Revision des Beklagten ist begründet. Dem Kläger steht der Nachteilsausgleich "H" nicht zu. Aus der befristeten Zuerkennung im Bescheid vom 11. August 1981 kann der Kläger seit Vollendung des 18. Lebensjahres keine Rechte mehr herleiten. Auf eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen, wie sie die Vorinstanzen geprüft und verneint haben, kommt es nicht an; entscheidend ist vielmehr, daß seit Vollendung des 18. Lebensjahres nach den nicht angegriffenen Feststellungen des LSG die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs nicht vorliegen. Ob dem Kläger in der Vergangenheit der Nachteilsausgleich "H" zugestanden hat ist fraglich, hier aber zunächst wegen der Rechtsverbindlichkeit des Bescheids (§ 77 SGG) nicht zu prüfen. Jedenfalls war die Bewilligung mit einer Befristung als Nebenbestimmung nach § 32 Abs 1 und 2 Nr 1 SGB X nicht nichtig.
Mit Rücksicht darauf, daß die Beurteilung der Behinderung bei Kindern besonders schwierig ist, war durch Rundschreiben des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung (BMA) vom 22. Dezember 1976 (BVBl 1977/15) im Interesse einer einheitlichen Begutachtung der Hilflosigkeit bei Kindern aufgrund eines Sachverständigengesprächs mit Kinderärzten aus dem Bereich von Klinik und Wissenschaft und besonders erfahrenen Versorgungsärzten den nachgeordneten Verwaltungsbehörden bekanntgegeben worden, daß bei Mucoviscidose wegen der Notwendigkeit krankheitsspezifischer Maßnahmen (zB ständiger Überwachung hinsichtlich Diät, Klopf- und Lagerungsdrainagen, Inhalationen) bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres Hilflosigkeit anzunehmen sei. Nach Vollendung des 18. Lebensjahres komme Hilflosigkeit nur noch in Ausnahmefällen in Betracht. Unter Beachtung dieser - eine gleichmäßige Gesetzesanwendung sicherstellenden - Verwaltungsvorschrift hat der Beklagte 1981 einen befristeten Verwaltungsakt erlassen, weil eine Bewilligung auf Dauer nur in außergewöhnlichen Fällen in Betracht kommen konnte.
Danach war die Befristung sachgemäß, weil sie sicherstellte, daß der Bewilligungsbescheid zeitlich nur so weit reichte, wie - aus der Sicht der Verwaltung - vorhersehbar die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsaktes erfüllt waren (vgl zur Notwendigkeit befristeter Entscheidungen bei vorhersehbarem Rentenwegfall BSGE 53, 163 = SozR 2200 § 1265 Nr 62; vgl auch die Beispiele bei Schneider-Danwitz, Gesamtkommentar, Stand 1984, § 32 SGB X Anm 6a). Es handelt sich hier nicht um den im Hinblick auf § 48 SGB X jedem Verwaltungsakt immanenten Vorbehalt gleichbleibender Verhältnisse, der auch als Nebenbestimmung keine weitergehenden Befugnisse der Verwaltung begründet (vgl auch BSG, Urteil vom 28. Juni 1990 - 4 RA 57/89 - Zur Veröffentlichung vorgesehen), sondern um einen Fall, der im Zeitpunkt der Entscheidung für einen späteren Zeitpunkt die Prognose auf den Wegfall des Anspruchs erlaubt. Diese Prognose stand in Übereinstimmung mit den damals von der Behörde als maßgeblich angewandten Anhaltspunkten, die in ihrer Fassung von 1977 auf S 15 unter k) eine dem Rundschreiben des BMA entsprechende spezielle Definition der Hilflosigkeit bei behinderten Kindern mit Mucoviscidose enthalten haben. Der Kläger kann sich auch nicht zu seinen Gunsten darauf berufen, daß die Befristung rechtswidrig gewesen wäre, weil die "Anhaltspunkte" insoweit insgesamt nicht mit dem Gesetzesrecht (SchwbG, BVG und Einkommensteuergesetz -EStG-) in Einklang zu bringen seien. Denn ein in Übereinstimmung mit den "Anhaltspunkten" ergangener Bescheid, der zwischen den Beteiligten bindend wird, kann auch hinsichtlich seiner Nebenbestimmungen nicht nachträglich als rechtswidrig angesehen werden, wenn allein das Ziel verfolgt wird, hierdurch über den Befristungszeitpunkt hinaus einen rechtswidrig zuerkannten Status zu behalten (vgl BSG SozR 3870 § 4 Nr 3).
Entgegen der Auffassung des Klägers hat der Beklagte mit dem zwischenzeitlichen Bescheid vom 20. September 1983 inhaltlich keine Regelung zur Hilflosigkeit getroffen, sondern lediglich über die Höhe der MdE und das Merkzeichen "G" entschieden. Es hat sich um einen Änderungsbescheid nach § 48 SGB X gehandelt. Ein solcher Bescheid ergeht, "soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlaß eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt". Der Regelungsbereich eines solchen Änderungsbescheides beschränkt sich auf den Änderungsteil; soweit keine Änderung eingetreten ist, wird nicht erneut entschieden. Frühere Regelungen - seien sie rechtmäßig oder seien sie rechtswidrig - werden nicht wiederholt (vgl BSG SozR 1300 § 45 Nr 37). Aus dem Bescheid kann daher keine unbefristete neue Zuerkennung der Hilflosigkeit hergeleitet werden, die der Kläger allein deshalb für günstig hält, weil dann der Beklagte die "Anhaltspunkte" 1983 nicht beachtet, also rechtswidrig entschieden hätte. Die Rechte aus einem solchen rechtswidrigen, aber bindenden Bescheid wären ihm nach seiner Auffassung nicht mehr zu nehmen (§ 45 SGB X). Dem kann schon deshalb nicht gefolgt werden, weil der Bescheid vom 20. September 1983 nicht auf den erst im November 1983 veröffentlichten geänderten "Anhaltspunkten" beruht, die eine Zuerkennung des Merkmals "H" im Regelfall nur noch bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres vorsehen (S 33 zu k).
Da der Kläger mit Vollendung des 18. Lebensjahres, also nach Fristablauf, aus dem begünstigenden Verwaltungsakt vom 11. August 1981 keine Rechte mehr herleiten kann, ist sein Anspruch wie bei einer erstmaligen Zuerkennung zu prüfen. Der Kläger ist nicht hilflos iS von § 33b EStG. Dies kann der Senat aufgrund der nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des LSG, die gemäß § 163 SGG bindend sind, selbst entscheiden.
Nach § 4 Abs 4 und § 48 SchwbG idF der Bekanntmachung vom 26. August 1986 (BGBl I S 1421, berichtigt S 1550) iVm § 3 Nr 2 SchwbAV vom 3. April 1984 (BGBl I S 505), geändert durch Gesetz vom 18. Juli 1985 (BGBl I S 1516) ist bei einem Schwerbehinderten das Merkzeichen "H" auf dem Ausweis einzutragen, wenn der Schwerbehinderte hilflos iS des § 33b EStG oder entsprechender Vorschriften ist. In der bis zum 31. Dezember 1989 gültigen Fassung des EStG vom 5. August 1974 (BGBl I 530) definierte § 33b die Hilflosigkeit dahin, daß der Körperbehinderte nicht ohne fremde Wartung und Pflege bestehen kann. In der Rechtsprechung war allerdings anerkannt, daß diese Definition so zu verstehen ist, daß nur hilflos ist, wer für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens in erheblichem Umfang fremder Hilfe dauernd bedarf, wie dies in § 35 Bundesversorgungsgesetz (BVG) seit dem 1. Neuordnungsgesetz vom 27. Juni 1960 (BGBl I 453) - 1. NOG - formuliert ist (vgl BSGE 59, 103, 104 = SozR 3875 § 3 Nr 2; vgl auch BSGE 43, 107, 108 = SozR 2200 § 558 Nr 2; abweichend für die Definitionen in den §§ 68, 69 Bundessozialhilfegesetz -BSHG- BVerwGE 80, 54, 59 ff) und wie dies auch in die Lohnsteuerrichtlinien übernommen worden ist (vgl Nr 70 Abs 3 LStR 1981, BStBl I 132, LStR 1984 in BStBl I unter Nr 2/83).
Im angefochtenen Urteil wird eine behandlungsbedürftige Erkrankung umschrieben, die häusliche "Behandlungspflege" erfordert. Erst mit § 37 SGB V wurde dieser Begriff durch das Gesundheitsreformgesetz vom 20. Dezember 1988 (BGBl I 2477) in das Gesetz aufgenommen. In der Krankenversicherung wird nunmehr im ambulanten Bereich zwischen Grund- und Behandlungspflege sowie hauswirtschaftlicher Versorgung unterschieden. Die Grundpflege betrifft die pflegerischen Leistungen nichtmedizinischer Art, zB Hilfen bei Körperpflege und Hygiene (vgl BSGE 50, 73, 76 f = SozR 2200 § 185 Nr 4). Dies sind die Hilfen bei Verrichtungen des täglichen Lebens. Behandlungspflege hingegen sind medizinische Hilfeleistungen wie das Verabreichen von Medikamenten, das Anlegen von Verbänden, Messen von Körpertemperatur, Spülungen und Einreibungen (BSG aa0; vgl Höfler in Kasseler Kommentar § 37 SGB V RdNr 23). Nur letztere sind hier erbracht worden. Dies geschah zwar nicht durch medizinisches Personal, sondern durch die entsprechend angelernten Eltern; insoweit wird der Kläger stets auf fremde pflegerische Hilfe angewiesen sein, die aber weiterhin von Haushaltsangehörigen nach entsprechender Einweisung geleistet werden kann. Für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens bedarf und bedurfte der Kläger jedoch keiner fremden Hilfe. Denn hilflos in diesem Sinne ist nur derjenige, der bei einer ganzen Reihe von Verrichtungen des täglichen Lebens, die häufig und regelmäßig wiederkehren, in erheblichem Maße fremde Personen in Anspruch nehmen muß. Im vorliegenden Fall ist nur festgestellt, daß er der Hilfestellung bei speziellen der Gesundheit dienenden Verrichtungen bedarf, nicht aber daß es in irgendeinem Bereich des täglichen Lebens im übrigen zu Schwierigkeiten kommt. Selbst wenn man die sogenannte Behandlungspflege bei Mucoviscidose-Patienten - ebenso wie die Dialyse bei Nierenerkrankten - den für solcherart Erkrankte gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens zurechnet (vgl hierzu BSGE 59, 103 = SozR 3875 § 3 Nr 2 und SozR 3100 § 35 Nr 16), würde die hierauf beschränkte Hilfe nicht genügen, um den Nachteilsausgleich "H" zuzuerkennen, weil der Behinderte in erheblichem Umfang auf Hilfestellung angewiesen sein muß (vgl auch BVerfG SozR 3100 § 35 Nr 17).
Zwar mag daran zu denken sein, die Hilflosigkeit iS von § 33b EStG an weniger hohen Anforderungen zu messen, weil der Pauschbetrag des § 33b Abs 5 Satz 1 EStG - um den es hier allein geht - nicht dazu dient, tatsächliche Aufwendungen zu pauschalieren, sondern die familiäre Pflegeleistung zu honorieren. Die Eltern hilfloser Kinder erhalten zum Ausgleich der sie treffenden besonderen Belastungen in der Lebensführung eine steuerliche Vergünstigung. Demgegenüber begründet § 35 BVG, der zur Auslegung herangezogen worden ist, einen Geldleistungsanspruch. Die Vorschriften dienen so unterschiedlichen Zwecken, daß auch eine unterschiedliche Umschreibung der Tatbestandsvoraussetzungen - bei einem ohnedies bis zum EStG 1990 unterschiedlichen Wortlaut - vertretbar erschiene. Dagegen spricht jedoch die Rechtsentwicklung: Auch § 35 BVG aF bezeichnete schon denjenigen als hilflos, der nicht ohne fremde Wartung und Pflege bestehen konnte. Erst mit dem 1. NOG ist für die Hilflosigkeit in Anlehnung an noch ältere Verwaltungsvorschriften, die wiederum auf eine grundsätzliche Entscheidung des Reichsversorgungsgerichts (Bd 2 S 188) zurückgingen, die strengere Definition entwickelt worden. Im Steuerrecht ist der Weg zur Verschärfung der Anforderungen über die Steuerrichtlinien beschritten worden. Nach den Richtlinien für die Einkommensteuer (EStR) und für die Lohnsteuer (LStR) bestand schon seit längerer Zeit die Anweisung, Hilflosigkeit erst dann anzuerkennen, wenn der Begriffsdefinition in § 35 Abs 1 Satz 1 BVG genügt war, der Behinderte also für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens in erheblichem Umfang fremder Hilfe dauernd bedurfte (Nr 194 Abs 9 EStR 1978, BStBl I Sondernummer 3/79; EStR 1984, BStBl I Sondernummer 4; Nr 70 Abs 3 LStR 1981, BStBl I 132, LStR 1984 in BStBl I Sondernummer 2/83). Diese Richtliniendefinition ist in den novellierten § 33b EStG idF durch das Steuerreformgesetz 1990 vom 25. Juli 1988 (BGBl I 1093 (1101)) vom Gesetzgeber übernommen worden, so daß kein Zweifel daran bestehen kann, daß im Steuerrecht insgesamt die in der Rechtsprechung entwickelte Definition der Hilflosigkeit maßgebend ist. Diese wird auch von der Behörde zugrunde gelegt, die den Ausweis als Mittel des Nachweises ausstellt (Richtlinien über Ausweise für Schwerbeschädigte und Schwerbehinderte - Stand Januar 1977 - Beilage zu Heft 3/4 des BVBl 1977 mit Hinweisen im Rundschreiben des BMA vom 6. Januar 1977 - BVBl 1977 S 29).
Gemessen an dieser Definition war allerdings auch schon die allgemeine Zubilligung des Merkmals "H" bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres rechtswidrig. Sie entsprach dem aus dem Wortlaut ersichtlichen Maßstab nicht. Diese Beurteilung entfällt auch nicht deshalb, weil - entgegen der Legaldefinition - es noch bis in die jüngste Änderung des § 33b EStG als richtig und steuerpolitisch erwünscht angesehen worden ist, daß den Eltern, deren Kinder an Mucoviscidose erkrankt sind, der Steuerfreibetrag zugute kommt. So ist bei Diabetes und Phenylketonurie im Kindesalter durch Schreiben des BMF vom 2. Februar 1980 - IV B 5 S 2286 54/79 II (DB 1980, 138) sogar bei einer MdE um 25 vH der volle Pauschbetrag zu gewähren. Das Merkmal "H" kann in diesen Fällen schon mangels Schwerbehinderung nicht zuerkannt werden. Der Senat hat hier nicht darüber zu befinden, ob derartige Anweisungen des BMF eine ausreichende Rechtsgrundlage in § 33b EStG haben, weil hier nur zu entscheiden ist, ob die Versorgungsverwaltung im Rahmen der ihr über § 4 Abs 5 SchwbG zugewiesenen Aufgaben den Nachteilsausgleich zuzuerkennen hat. Der Gesetzgeber könnte jedoch steuerliche Vergünstigungen für Eltern unabhängig vom Merkmal "H" vorsehen, indem bestimmte Erkrankungen im Kindesalter mit einem Freibetrag bewertet werden, oder er könnte solche Vergünstigungen auch auf Erwachsene erstrecken, indem das Anknüpfungsmerkmal für das Steuerrecht neu und weiter gefaßt wird. Dies mag mit Rücksicht auf den Zweck der Regelung und die Tatsache, daß im ambulanten Bereich idR Pflegeleistungen der Familie nicht durch eine Krankenversicherung abgedeckt sind (§ 185 Abs 2 RVO aF, § 37 Abs 3 SGB V), angebracht erscheinen, weil die pauschale Anerkennung der familiären Mehrbelastung im Zusammenhang mit bestimmten Erkrankungen der steuerlichen Leistungsfähigkeit Rechnung trägt. Dabei brauchte sich der Steuergesetzgeber weder auf die Fälle der Schwerstpflegebedürftigkeit (§§ 53 bis 57 SGB V) noch auf den niedrigen Pauschbetrag des § 33b Abs 6 EStG zu beschränken. Diese Überlegung wird bestätigt durch die vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommene Differenzierung zwischen der Hilfe zur Pflege nach § 68 Abs 1 BSHG - wenn eine Person infolge von Krankheit oder Behinderung nicht ohne Wartung und Pflege bleiben kann - und der Zahlung von Pflegegeld nach § 69 BSHG - mit den qualifizierten Anforderungen an die Hilflosigkeit - (BVerwGE 80, 54). Anstelle einer dieser Differenzierung entsprechenden gesetzlichen Regelung kann jedoch - weder über ministerielle Rundschreiben noch über die "Anhaltspunkte" - ein besonderer Begriff der Hilflosigkeit bei Kindern geschaffen werden.
Die "Anhaltspunkte" sind nach dem ihnen beigegebenen Vorwort Hilfsmittel der Begutachtung. Sie werden zwar vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung herausgegeben, aber nicht mit dem Anspruch, als norminterpretierende oder normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften zu gelten (vgl Gerhardt, NJW 1989, 2233). Denn nicht die Behörde verlautbart die Erkenntnisse. Sie tritt nicht als Urheber in Erscheinung, sondern leistet organisatorische Hilfe bei der Zusammenfassung und Auswertung umfänglicher Erkenntnisse zahlreicher Sachverständiger, sie übernimmt die Publikation. Dies erinnert an den Begriff des "antizipierten Sachverständigengutachtens" (BVerwG in NVwZ 1988, 824 = DVBl 1988, 539), das im Sozialrecht generell geeignet sein mag, die unscharfen Begriffe zum Leistungsvermögen (wie Minderung der Erwerbsfähigkeit, Grad der Behinderung, Erwerbsunfähigkeit usw) zu strukturieren. Wie auf dem Gebiet des Steuerrechts, so mögen überdies im Sozialrecht viele Begriffe in der Verwaltungspraxis weiterer Konkretisierung bedürfen (so BVerfGE 78, 214, 226 ff für das Steuerrecht). Welche Bindungswirkung solchen Konkretisierungen zukommt, welche gerichtliche Kontrolldichte sie jeweils erfordern, ist in Wissenschaft und Praxis nicht ausdiskutiert (vgl die Zusammenstellung bei Gerhardt, aa0). Es gibt indessen rechtliche Schranken der Delegation, die in der Rechtskontrolle stets zu beachten sind. Dazu gehört der über den Gesetzesvorbehalt des § 31 SGB I hinausgehende Parlamentsvorbehalt (vgl hierzu Krey, Festschrift für Günther Blau zum 70. Geburtstag, S 123, 137 ff; Staupe, Parlamentsvorbehalt und Delegationsbefugnis, 1986) mit dem Postulat, daß der Gesetzgeber die wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen hat (vgl von Bargen, Festschrift für Helmut Simon, 1987, S 745 ff, 766; Umbach, Festschrift für H. J. Faller, 1984, S 111 ff, 127, 130; Kloepfer JZ 1984, 685, 691 f), ebenso wie die Einhaltung formeller Erfordernisse (Verordnungsermächtigung nach § 80 Grundgesetz -GG- und allgemeine Verwaltungsvorschriften mit Zustimmung des Bundesrates nach § 84 Abs 2 GG), soweit eine Regelung unterhalb der Parlamentsebene inhaltlich in Betracht kommt. Auch hieran fehlt es bei den "Anhaltspunkten" sie entfalten lediglich faktisch normative Wirkung, wobei aber stets anerkannt war, daß sie die Gerichte im Einzelfall nicht binden. Erst recht begründen inhaltlich rechtswidrige Teile der "Anhaltspunkte" keinen Anspruch auf Fortschreibung, obwohl sie in Ausnahmefällen "H" sogar noch für Erwachsene vorsehen. Der Kläger kann aus der rechtswidrigen Verwaltungsübung, Minderjährigen bei manifester Mucoviscidose das Merkmal "H" ohne Prüfung der Hilflosigkeitsvoraussetzungen befristet zuzuerkennen, daher keinen Anspruch auf Fortdauer dieser Anerkennung über das 18. Lebensjahr hinaus herleiten.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.BUNDESSOZIALGERICHT
Fundstellen