Entscheidungsstichwort (Thema)

Unfall bei Rückkehr zur Kaserne nach befehlswidriger Entfernung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Wenn schon ein Soldat, der rechtzeitig vom Stadturlaub in die Kaserne zurückkehrt, keinen Versorgungsschutz genießt (vergleiche BSG 1958-03-18 10 RV 415/55 = BSGE 7, 75 und 1960-04-06 9 RV 652/57 = SozR Nr 44 zu § 1 BVG), kann ein solcher Schutz auch dem nicht gewährt werden, der nach Überschreiten des befristeten Stadturlaubs aufgrund des Befehls eines Streifendienstes oder Vorgesetzten in die Kaserne zurückkehrt, und noch weniger demjenigen, der zum Dienstort zurückkehrt, nachdem er sich eigenmächtig und befehlswidrig davon entfernt hatte.

2. Für den Versorgungsanspruch nach dem SVG genügt ein zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Unfall und dem militärischen Dienst; um eine hiernach erforderliche Ausübung militärischen Dienstes handelt es sich dann, wenn der Soldat militärische Obliegenheiten erfüllt, die ihm durch soldatische Pflicht und militärische Grundsätze, durch allgemeine Dienstvorschriften oder im Einzelfall durch besondere Befehle auferlegt sind.

 

Normenkette

SVG § 81

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 9. November 1972 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Der Kläger begehrt Hinterbliebenenversorgung nach dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG) als Sohn des Gefreiten und Soldaten auf Zeit J K (K.). Dieser ist am 23. September 1960 tödlich verunglückt. Nach den Feststellungen des Landessozialgerichts (LSG) hielt das Bataillon, dem K. angehörte, vom 21. bis 23. September 1960 eine dreitägige Übung im Raume Bad K ab, zu deren Abschluß kameradschaftliche Veranstaltungen stattfanden. Die Kompanie des K. veranstaltete in einer Gaststätte in R einen Kompanieabend; eine andere Kompanie des Bataillons feierte in M (M.) einen Manöverball. R und M sind durch eine Kreisstraße miteinander verbunden; von dieser Kreisstraße zweigt, in Richtung M gesehen, nach links ein Waldweg ab, über den die Biwakräume der Kompanie des K. zu erreichen waren.

K. war als Fahrer seines Kompanieführers (Oblt.D.) eingeteilt und mußte zunächst am Abend des 23. September 1960 mit einem anderen Offizier seiner Kompanie Kontrollfahrten in R durchführen. Um 21.30 Uhr befahl der Kompanieführer das Abrücken in die Biwakräume. Zu dieser Zeit kehrte K. zur Gaststätte zurück und bat den Kompanieführer, ein Glas Bier trinken zu dürfen. Dieser lehnte die Einnahme alkoholischer Getränke ab, worauf sich K. mit dem Bemerken entfernte, er wolle Cola trinken. Als der Kompanieführer mit seinem Nachfolger (Hauptmann H.) gegen 22.15 Uhr ins Biwak fahren wollte, war K. nicht zu finden; die beiden Offiziere benutzten darauf den Wagen des Hauptmanns. Dem Kompaniefeldwebel und dem Schirrmeister, die in der Gaststätte zurückblieben, gab der Kompaniechef die Anweisung, K. sofort ins Biwak zu schicken. Beide richteten den Befehl an den wieder erschienenen K. und den ihn begleitenden Stabsunteroffizier H (H.) aus, die auch, nachdem der Befehl nochmals wiederholt worden war, die Gaststätte verließen.

Einige Zeit später wurde dem Kompaniechef von einem anderen Offizier telefonisch aus M gemeldet, daß K. und H. dort auf dem Manöverball gesehen worden waren. Der Kompaniechef bat diesen Offizier, K. und H. den Befehl zu übermitteln, sofort von M ins Biwak zurückzukehren. Als sich gegen 23.35 Uhr der Kompaniechef von Hauptmann H. an der Einmündung des Waldweges in die Kreisstraße verabschiedete, näherte sich aus Richtung M ein Fahrzeug mit hoher Geschwindigkeit und voll aufgeblendeten Scheinwerfern. Das Fahrzeug schoß an den beiden Offizieren vorüber, über die Abzweigung des Waldweges hinaus, geriet wenig später in den Straßengraben, fuhr die Böschung hinauf und stürzte um. Es handelte sich hierbei um den von K. gesteuerten Wagen seiner Kompanie. Der mitfahrende Stabsunteroffizier H. starb am Unfallort, während K. einige Stunden später in einem Krankenhaus in Bad K verstarb. Eine bei K. durchgeführte Bestimmung des Blutalkoholgehalts ergab 1,20 0 / 00 nach Widmark und 1,21 0 / 00 nach ADH.

Der Kläger beantragte im Februar 1969, ihm Waisenrente nach dem SVG zu gewähren. Das Versorgungsamt (VersorgA) B lehnte den Antrag mit Bescheid vom 11. Juni 1969 ab, weil K. während einer eigenmächtig ohne dienstlichen Befehl unternommenen Fahrt verunglückt sei. Der Widerspruch war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 26. August 1969). Das Sozialgericht (SG) Bayreuth hat dem Kläger durch Urteil vom 23. Juni 1971 Waisenrente zuerkannt, weil K. sich auf der befohlenen Fahrt von M zum Biwak wieder innerhalb seiner wehrdienstlichen Pflichten bewegt habe. Das Bayerische LSG hat durch Urteil vom 9. November 1972 das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen.

In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt, K. habe sich nicht mehr in Ausübung militärischen Dienstes befunden, als er sich nach dem Verlassen von Rannungen spätestens an der Abzweigung des Weges von der Kreisstraße zum Biwakplatz entschlossen habe, nicht zu seiner Kompanie, sondern auf der Kreisstraße weiter nach M zu dem Manöverball der anderen Kompanie zu fahren. Er habe dies in der Absicht getan, einer privaten Vergnügung nachzugehen. Ein anderes Motiv sei nicht vorhanden, insbesondere habe nicht festgestellt werden können, daß K. die Fahrt nach M auf Befehl des Stabsunteroffiziers H. unternommen habe. Diese Fahrt sei auch nicht etwa durch die Straßenverhältnisse bedingt gewesen. Wenn ein Soldat außerhalb seiner Dienststelle einer privaten Vergnügung nachgehe, so beginne die Ausübung des Dienstes nicht schon dann wieder, wenn er - sei es auf Befehl oder aus freien Stücken - den Rückweg zur Dienststelle antrete, sondern erst dann, wenn er die Dienststelle erreicht habe. Erst dann sei nämlich der Zustand wieder hergestellt, der ohne die eigenmächtige Loslösung vom Dienst bestanden hätte. Es sei nicht gerechtfertigt, einen Soldaten, der sich vom Dienst gelöst habe, versorgungsrechtlich besser zu stellen als denjenigen, der in der festgesetzten Freizeit einem privaten Vergnügen nachgehe und alsdann zur Dienststelle zurückkehre. Dies könne erst recht nicht gelten von einem Soldaten, der zum Dienstort zurückkehre, nachdem er sich selbst Freizeit genommen habe. Dabei mache es keinen Unterschied, ob die Rückkehr aus freien Stücken oder auf Befehl geschehe. Außerdem sei völlig offen, ob K. und H. von M aus in Ausführung des ihnen dorthin übermittelten Befehls zum Biwakraum zurückkehren oder ob sie erneut nach Rannungen fahren wollten, um dort noch eine Gaststätte aufzusuchen. Zweifel daran, ob K. wirklich in den Biwakraum zurückfahren wollte, erwecke vor allem die Tatsache, daß sich der Unfall ereignet habe, als K. bereits an der zum Biwakraum führenden Wegabzweigung vorbeigefahren war, ohne die Bremsen zu betätigen. Ihm als Fahrer des Kompanieführers seien aber am Ende der dreitägigen Übung zweifellos die örtlichen Verhältnisse vertraut gewesen, so daß nicht angenommen werden könne, daß er die Einfahrt übersehen habe. Zum mindesten spreche ebensoviel dafür, daß er nach Rannungen habe weiterfahren, wie dafür, daß er zum Biwakraum habe einbiegen wollen. Die beiden anderen Alternativen des § 81 Abs. 1 SVG seien ebenfalls nicht erfüllt.

Das LSG hat die Revision zugelassen.

Der Kläger hat gegen das ihm am 5. Dezember 1972 zugestellte Urteil am 8. Dezember 1972 Revision eingelegt und diese nach Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist bis zum 5. März 1973 durch einen Schriftsatz vom 5. März 1973, eingegangen beim Bundessozialgericht (BSG) am gleichen Tage, begründet.

Er beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 23. Juni 1971 zurückzuweisen.

In seiner Revisionsbegründung rügt er die Verletzung der §§ 80 Satz 2 und 81 Abs. 1 SVG sowie des § 45 BVG und trägt dazu vor, entgegen der Ansicht des LSG müsse die zweite Alternative des § 81 Abs. 1 SVG Anwendung finden. Dem Vater des Klägers sei in M der Befehl seines Dienstvorgesetzten zur sofortigen Rückkehr in das Biwak überbracht worden. Von dem Augenblick an, in dem er mit der Befehlsausübung begonnen habe, nämlich vom Antritt der Rückfahrt an, habe er einem militärischen Befehl unterstanden mit der Folge, daß das Unfallgeschehen als versorgungsrechtlich geschützt angesehen werden müsse. Das BSG habe bereits entschieden, daß Dienst im Sinne des SVG solange vorliege, als die Tätigkeit des Soldaten ihrem Wesen und Erfolg nach Dienst sei, auch wenn dieser seiner Ausübung nach nicht allgemeinen Vorschriften oder besonderen Befehlen entspreche. Bei einem befehlswidrigen Verhalten könne nur dann nicht mehr von der Ausübung eines Dienstes im Sinne des SVG gesprochen werden, wenn infolge befehlswidrigen Verhaltens eine Tätigkeit ausgeübt werde, die ihrer Art nach nicht zu den zu verrichtenden dienstlichen Aufgabenstellungen eines Soldaten gehöre. In Weiterführung dieser Grundsätze müsse auch dann von Ausübung des Dienstes gesprochen werden, wenn der Soldat sich einem ihm erteilten neuen Befehl subjektiv und objektiv unterworfen habe, wie es der Verstorbene hier im Anschluß an seinen Aufenthalt in Maßbach getan habe. Der Soldat habe bereits dann wieder seinen Dienst angetreten, wenn er mit der erkennbaren Ausführung des Befehlsbegonnen habe und nicht erst in dem Zeitpunkt, in dem er den "Erfolg" herbeigeführt, d.h. seine Dienststelle wieder erreicht habe. Wenn auch zuzugeben sei, daß K. den ersten Befehl nicht befolgt und so eine Unterbrechung des Versorgungsschutzes herbeigeführt habe, so müsse doch betont werden, daß im Augenblick des Beginns der Rückfahrt diese Unterbrechung als beendet und die Kausalkette wieder als geschlossen anzusehen sei, weil der zweite Befehl objektiv auf den gleichen Erfolg abgezielt habe wie der erste.

Der Beklagte beantragt,

die Revision des Klägers als unbegründet zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und macht dazu weitere Ausführungen.

Beide Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) einverstanden.

II

Das LSG hat die Revision zugelassen (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG); der Kläger hat sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet (§§ 164, 166 SGG). Die Revision ist sonach zulässig, sachlich aber nicht begründet. Dem Kläger steht keine Hinterbliebenenversorgung nach dem SVG zu.

Der Vater des Klägers (K.) war nicht als Berufssoldat, sondern als Soldat auf Zeit bei der Bundeswehr tätig. Auf den Anspruch des Klägers finden daher die Vorschriften des Dritten Teiles des SVG ("Beschädigtenversorgung") Anwendung (vgl. BSG 28, 190; SozR SVG vom 8. 8. 1964, § 81 Nr. 2). Da der Kläger seinen Antrag erst im Februar 1969 gestellt hat, ist sein Anspruch auf Versorgung nach dem SVG idF vom 20. Februar 1967 (BGBl I S. 201) und den seither ergangenen Änderungen zu beurteilen. Nach § 80 Satz 2 SVG erhalten die Hinterbliebenen eines Soldaten, der eine Wehrdienstbeschädigung erlitten hat, auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG, soweit im SVG nichts Abweichendes bestimmt ist. Nach § 81 Abs. 1 SVG ist Wehrdienstbeschädigung eine gesundheitliche Schädigung, die durch eine Dienstverrichtung, durch einen während der Ausübung des Wehrdienstes erlittenen Unfall oder durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden ist. Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, daß die zweite Alternative dieser Vorschrift, die in erster Linie als Anspruchsgrundlage in Betracht kommen könnte, hier keine Anwendung findet. Der Vater des Klägers ist nicht durch einen während der Ausübung des Wehrdienstes erlittenen Unfall zu Tode gekommen. Der Kläger vermag keine Rechte daraus herzuleiten, daß sein Vater den Unfall zu einer Zeit erlitten hat, in der dieser zur Ableistung seines Wehrdienstes auf Zeit eingezogen und zur Dienstleistung verpflichtet war. Das BSG hat bereits wiederholt entschieden, daß nicht jeder Unfall, der "während der Dienstzeit" eingetreten ist, versorgungsrechtlich geschützt ist (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 5. Dezember 1972 in SozR SVG vom 20.2.1967, § 81 Nr. 1). Zwar ist nach der Rechtsprechung ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfall und dem militärischen Dienst nicht erforderlich, es genügt vielmehr ein zeitlicher Zusammenhang. Der Unfall muß sich jedoch während der tatsächlichen "Ausübung" des militärischen bzw. des Wehrdienstes ereignet haben (vgl. BSG 8, 264; SozR BVG § 1 Nr. 32, 49 und 50; Urteil des erkennenden Senats vom 22. Juni 1972 - 10 RV 234/71 -). Das bedeutet, daß der Verunglückte den militärischen Dienst in der Zeit, als sich der Unfall ereignete, nicht durch eine dienstfremde, rein persönliche Tätigkeit unterbrochen haben darf, so daß er militärischen Dienst zu diesem Zeitpunkt gar nicht ausüben konnte und auch nicht ausgeübt hat (vgl. BSG aaO; BSG 13, 16; 33, 141).

Der Vater des Klägers hat zwar einen Verkehrsunfall mit dem von ihm gesteuerten Bundeswehrfahrzeug erlitten; er hat sich jedoch in dem Augenblick, als sich der Unfall ereignete, nicht in der Ausübung militärischen Dienstes befunden. Um Ausübung des Dienstes handelt es sich dann, wenn der Soldat militärische Obliegenheiten erfüllt, die ihm durch soldatische Pflicht und militärische Grundsätze, durch allgemeine Dienstvorschriften oder im Einzelfall durch besondere Befehle auferlegt sind (vgl. BSG 10, 251, 254; Urteil vom 22. März 1962 - 8 RV 693/59 -). Hieraus ergibt sich zunächst, daß K. sich in Ausübung militärischen Dienstes befand, als er die Kontrollfahrt mit dem Kompanieoffizier durchführte, und wohl auch weiterhin, als er auf den ihm durch den Kompaniefeldwebel übermittelten Befehl seines Kompanieführers hin R verließ und auf der Kreisstraße in Richtung zur Abzweigung des Waldweges fuhr. Er setzte sich jedoch über den ihm erteilten Befehl hinweg und handelte diesem Befehl direkt zuwider, als er an diesem Punkt nicht zum Biwakraum abbog, sondern sich weiter in Richtung M bewegte, um dort einer privaten Verrichtung, nämlich der eigenmächtigen Teilnahme an dem Manöverball der Nachbarkompanie, nachzugehen. Damit ist der Zusammenhang zum Dienst spätestens unterbrochen worden; Versorgungsschutz bestand in diesem Zeitpunkt nicht mehr. Zwar beendet nicht jede einem dienstlichen Befehl nicht genau entsprechende Handlung den Versorgungsschutz (vgl. Urteile BSG vom 18. März 1965 - 10 RV 403/63 - und vom 27. August 1965 - 8/11 RV 164/63 -); dieser bleibt vielmehr erhalten, solange die ausgeübte Tätigkeit ihrem Wesen und Erfolg nach noch dem Dienst zugerechnet werden kann. Der Versorgungsschutz entfällt jedoch dann, wenn das befehlswidrige Verhalten zu einer Tätigkeit führt, die nichts mehr mit der Erfüllung der zu verrichtenden dienstlichen Obliegenheiten zu tun hat. Ein solcher Fall liegt hier vor. Mit dem Befehl, sofort den Biwakraum aufzusuchen, sollte erreicht werden, daß sich die Soldaten alsbald zur Nachtruhe begaben bzw. daß K. als "Cheffahrer" seinem Kompanieführer mit dem Fahrzeug jederzeit zur Verfügung stand. Damit verträgt es sich nicht, wenn K. sich entgegen dem gegebenen Befehl und ohne Kenntnis seiner Vorgesetzten mit dem Kraftfahrzeug in einen anderen Ort begab, um dort einem privaten Vergnügen nachzugehen. Der Zusammenhang mit dem Dienst kann auch nicht deshalb als gewahrt angesehen werden, weil K. möglicherweise auf einen Befehl des Stabsunteroffiziers H. hin nach M weitergefahren ist. Das LSG hat das Vorliegen eines solchen Befehls, der überdies dem direkten, durch den Kompaniefeldwebel übermittelten Befehl des Kompaniechefs entgegengestanden hätte, nicht feststellen können. Der Kläger hat diese Feststellung nicht mit Revisionsrügen angegriffen, so daß der Senat gemäß § 163 SGG daran gebunden ist.

Dem LSG ist auch darin zu folgen, daß es eine Wiederherstellung des dienstlichen Zusammenhangs durch den in M übermittelten zweiten Befehl, von dort ins Biwak zurückzufahren, verneint hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteil vom 5. 12. 1972 in SozR SVG vom 20. 2. 1967, § 81 Nr. 1) steht nicht jeder Weg allein aus dem Grunde, weil er zur Kaserne - oder zum Einsatzort - zurückführt und weil dort zu einem späteren Zeitpunkt die dienstliche Tätigkeit wieder aufgenommen werden soll, unterschiedslos unter Versorgungsschutz. Vielmehr kommt es darauf an, welche - mit dem Dienst zusammenhängenden - Gründe für das Zurücklegen des Weges maßgebend gewesen sind. Grundsätzlich sind solche Wege nicht geschützt, die dem persönlichen Lebensbereich zuzurechnen sind und lediglich unternommen werden, um einer privaten Tätigkeit nachzugehen, die nach ihrer Art und Dauer in keinem wesentlichen Zusammenhang mit dem militärischen Dienst steht. Dazu rechnen im Regelfall auch der Urlaub (Stadturlaub) und die dabei ausgeübten Tätigkeiten. Die Befreiung vom militärischen Dienst setzt mit dem Beginn des Urlaubs ein und endet erst mit der vollzogenen Rückkehr zur Kaserne (vgl. BSG 7, 75; SozR BVG § 1 Nr. 44 (Urteil BSG vom 27. 5. 1971 - 8 RV 683/70 -). Diese Freizeit und die dabei zurückgelegten Wege werden also versorgungsrechtlich nicht geschützt. Gehören aber bei einem "ordnungsgemäßen" Urlaub der Hinweg und auch der Rückweg zum Dienstort - mit Ausnahme der besonders geregelten Familienheimfahrten (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 2 BVG und § 81 Abs. 3 Nr. 4, 2. Halbsatz SVG) - nicht zu den Dienstwegen oder dienstlichen Verrichtungen, dann kann für die befehlswidrige, eigenmächtige Entfernung von der Truppe zum Zwecke der privaten Betätigung nichts anderes gelten. Bereits oben ist darauf hingewiesen worden, daß der Versorgungsschutz spätestens in dem Augenblick unterbrochen wurde, als der Vater des Klägers an der Wegeabzweigung zum Biwak vorbei in Richtung M fuhr. Wenn K. und der Stabsunteroffizier H. sich dem Befehl des Offiziers in M gebeugt und in Richtung zum Biwakraum zurückgefahren sind, so haben sie nur eine Verrichtung eingeleitet, zu der sie - wegen der befehlswidrigen Abwesenheit von der Truppe - ohnehin verpflichtet waren. Mit Recht weist das LSG in diesem Zusammenhang darauf hin, daß es nicht gerechtfertigt wäre, einen Soldaten, der sich eigenmächtig vom Dienst gelöst hat, hinsichtlich des Versorgungsschutzes besser zu stellen als denjenigen, der in der festgesetzten Freizeit seinem privaten Vergnügen nachgeht und von diesem zeitgerecht zur Dienststelle zurückkehrt. Wenn schon ein Soldat, der rechtzeitig vom Stadturlaub in die Kaserne zurückkehrt, keinen Versorgungsschutz genießt, kann ein solcher Schutz auch dem nicht gewährt werden, der nach Überschreiten des befristeten Stadturlaubs aufgrund des Befehls eines Streifendienstes oder Vorgesetzten in die Kaserne zurückkehrt, und noch weniger demjenigen, der zum Dienstort zurückkehrt, nachdem er sich eigenmächtig und befehlswidrig davon entfernt hatte. Insoweit kann es rechtlich keinen Unterschied machen, ob diese Rückkehr aus freien Stücken geschieht oder ob der Soldat aufgrund eines besonderen Befehls den Rückweg antritt, um am Dienstort den Zustand wiederherzustellen, der durch die eigenmächtige Entfernung unterbunden worden war. Der Senat brauchte nicht zu entscheiden, ob eine andere rechtliche Beurteilung Platz greifen muß, wenn der auf Abwegen befindliche Soldat von einem Streifendienst oder Vorgesetzten festgenommen oder unmittelbar zur Kaserne transportiert wird und sich dabei ein Unfall ereignet.

Die Entscheidung wird keine andere, wenn davon ausgegangen wird, daß ein Soldat, der einen direkten Befehl erhält, grundsätzlich einer dienstlichen Verrichtung nachgeht und demnach auch unter Versorgungsschutz steht. Auch in diesen Fällen lebt der Versorgungsschutz nicht schon dann wieder auf, wenn dem Soldaten ein neuer Befehl erteilt wird; vielmehr ist zusätzlich erforderlich, daß der Soldat sich auch innerlich dem Befehl stellt und sich subjektiv und objektiv an seine Ausführung begibt. Diese Einschränkung führt dazu, daß solche Fälle nicht erfaßt werden, in denen der Soldat zwar - scheinbar - dem Befehl nachkommt und sich in die ihm befohlene Richtung begibt, damit aber nur eigennützige, private Zwecke verfolgt, weil zur Erreichung seiner privaten Zwecke zufällig die gleiche Richtung eingeschlagen werden muß wie für den dienstlich gegebenen Befehl. Im vorliegenden Fall hat das LSG ausdrücklich festgestellt, daß es "völlig offen" ist, ob K. und H. von Maßbach aus in Ausführung des ihnen dort übermittelten Befehls zum Biwakraum zurückkehren oder ob sie wieder nach Rannungen fahren wollten, um dort noch eine weitere Gaststätte aufzusuchen. Zweifel ergeben sich nach den Feststellungen des LSG insbesondere daraus, daß sich der Unfall ereignete, als K. und H. bereits an der Wegeabzweigung zum Biwakraum mit hoher Geschwindigkeit vorbeigefahren waren, und daß von den beiden Offizieren - dem Kompaniechef und dem ihn begleitenden Hauptmann - das Aufleuchten der Bremslichter nicht beobachtet wurde, obwohl K. als Fahrer des Kompanieführers am Ende der dreitägigen Übung mit den örtlichen Verhältnissen und der Wegeabzweigung in den Biwakraum vertraut war. Der Kläger hat diese Feststellungen des LSG nicht wirksam angegriffen. Er trägt zwar in seiner Revisionsbegründung vor, daß sich K. objektiv und subjektiv dem Befehl seines Kompanieführers unterstellt habe. Insoweit handelt es sich aber um eine bloße Behauptung des Klägers, nicht aber um eine substantiierte Verfahrensrüge (§ 164 Abs. 2 Satz 2 SGG).

Die Ermittlungen des LSG haben insoweit zu einem "non liquet" geführt. Die Frage, zu wessen Lasten dies geht, muß nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast bzw. der Feststellungslast entschieden werden. Danach sind die Folgen der objektiven Beweislosigkeit oder des Nichtfestgestelltseins einer Tatsache von demjenigen Prozeßbeteiligten zu tragen, der aus dieser Tatsache ein Recht herleiten will (vgl. für das Gebiet der Unfallversicherung BSG 30, 121, 123 und Urteil vom 22. 2. 1973 - 2 RU 128/71 -; für das Gebiet der Kriegsopferversorgung BSG 6, 70, 72, jeweils mit weiteren Nachweisen). Das ist hier der Kläger, dem die von ihm beantragte Waisenrente nur zugesprochen werden kann, wenn sein Vater in Ausübung militärischen Dienstes verunglückt ist. Das Nichtfestgestelltsein dieser Tatsache geht somit zu Lasten des Klägers. Ihm steht daher nach der zweiten Alternative des § 81 Abs. 1 SVG keine Versorgung zu.

Die beiden anderen Alternativen dieser Vorschrift sind ebenfalls nicht gegeben. Da nicht festgestellt werden kann, daß K. in Ausübung des Wehrdienstes gehandelt hat, ist sein Tod nicht durch eine Wehrdienstverrichtung verursacht worden. K. ist auch nicht durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse geschädigt worden. Dabei muß es sich um solche Verhältnisse handeln, die für dessen Eigenart typisch, in der Regel zwangsläufig mit ihm verbunden und von den Verhältnissen des Zivillebens verschieden sind (vgl. BSG 18, 199, 201; 20, 266, 269). Diese Voraussetzungen sind bei einem Straßenverkehrsunfall, der sich auf der Rückfahrt von einer privaten Verrichtung ereignet, nicht erfüllt.

Das LSG hat somit zutreffend das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers ist unbegründet und mußte zurückgewiesen werden (§ 170 Abs. 1 Satz 1 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1647647

Dieser Inhalt ist unter anderem im SGB Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge