Leitsatz (amtlich)
Wer als Angehöriger der bewaffneten Verbände der SS während des zweiten Weltkrieges einen Dienst geleistet hat, der sonst, wenn es diese Verbände nicht gegeben hätte, von einem Soldaten der Wehrmacht geleistet worden wäre, hat jedenfalls in der Regel militärähnlichen Dienst geleistet und ist dem Soldaten hinsichtlich der Anrechnung einer Ersatzzeit gleichzustellen.
Orientierungssatz
Bei dem Einsatz in einem Rüstungsbetrieb kommt es darauf an, ob der Einsatz so gestaltet war, daß der Status als Angehöriger der Waffen-SS mit Unterstellung unter den militärischen Befehlshaber voll aufrechterhalten blieb, so wie wenn die Wehrmacht sonst Soldaten für diese Tätigkeit eingestellt hätte, ohne deren Status als Soldat zu ändern.
Normenkette
RVO § 1251 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1957-02-23; BVG §§ 2, 3 Abs. 1 Buchst. b
Verfahrensgang
Bayerisches LSG (Entscheidung vom 11.07.1978; Aktenzeichen L 5 Ar 309/77) |
SG Nürnberg (Entscheidung vom 08.06.1977; Aktenzeichen S 3 Ar 620/76) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 11. Juli 1978 aufgehoben.
Die Sache wird zu erneuter Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Umstritten ist, ob Zeiten der Zugehörigkeit des Klägers zur Waffen-SS als Ersatzzeit anzurechnen sind (§ 1251 Abs 1 Nr 1 Reichsversicherungsordnung - RVO -).
Der 1908 geborene Kläger, Tischlermeister, Oberscharführer der allgemeinen SS, gehörte seit September 1939 einem bewaffneten Verband der SS, zunächst als SS-Totenkopf-Standarte, später als Waffen-SS bezeichnet, an und befand sich von Mai bis September 1945 in Gefangenschaft. Die Beklagte gewährt ihm mit Bescheid vom 14. Juni 1976 seit Januar 1976 Altersruhegeld. Sie rechnete folgende Zeiten nicht als Ersatzzeiten an:
1) 18.9.1939 bis 27.2.1941
2) 11.12.1941 bis 26.5.1942
3) 9.11.1944 bis 31.3.1945.
Die Beklagte ist der Auffassung, in diesen Zeiten habe kein militärischer Dienst im Sinne des § 2 Bundesversorgungsgesetz (BVG) vorgelegen, denn der Kläger habe während dieser Zeiten den Dienst nicht überwiegend für Zwecke der Wehrmacht geleistet.
Der Kläger meint, er habe sich seit Oktober 1939 fortlaufend in militärischem Einsatz befunden; in dem vorstehend genannten zweiten Zeitraum sei er bei einer Genesendenkompanie gewesen; in dem dritten Zeitraum sei er - als letzter Sohn - von der Kampftruppe weg zu einer Werkstattkompanie kommandiert und in einem Rüstungsbetrieb eingesetzt worden.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 8. Juni 1977), das Landessozialgericht (LSG) die Berufung zurückgewiesen; die Revision wurde zugelassen (Urteil vom 11. Juli 1978). Das LSG hat ausgeführt, die Dienstzeit in der Waffen-SS könne nur anerkannt werden, wenn die Einheit, in der der Versicherte Dienst geleistet habe, im Kriegseinsatz an der Front gestanden habe und dem Befehl der Wehrmacht unterstellt gewesen sei; denn die Waffen-SS sei kein militärischer oder militärähnlicher Verband, sondern eine Gliederung der NSDAP gewesen. Während des oben genannten ersten Zeitraums habe der Kläger SS-Totenkopfregimentern angehört und diese seien erst am 28. Februar 1941 in die SS-Gebirgsdivision Nord überführt und zu einer Kampfgruppe umgebildet worden. Während der Dienstzeit in der Genesendenkompanie (zweiter Zeitraum) und während des Dienstes als Handwerker in einem Rüstungsbetrieb (dritter Zeitraum) sei seine SS-Einheit nicht einem militärischen Oberbefehlshaber unterstellt gewesen.
Der Kläger wendet sich in seiner Revision gegen die Auffassung des LSG, die Anerkennung als militärischer oder militärähnlicher Dienst hänge von der Unterstellung ab. Er rügt eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht. Das LSG hätte ein Gutachten nach dem neuesten historischen Wissensstand über die Zuordnung von Truppeneinheiten der Waffen-SS zum militärischen Dienst oder zu einer Gliederung der NSDAP einholen müssen. Dazu verweist er auf verschiedene Abhandlungen von Historikern.
Er beantragt,
die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 11. Juli 1978 sowie des Sozialgerichts Nürnberg vom 8. Juni 1977 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 14. Juni 1976 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm unter Anrechnung der Zeiten
a) vom 18. September 1939 bis 27. Februar 1941,
b) vom 11. Dezember 1941 bis 26. Mai 1942 und
c) vom 9. November 1944 bis 31. März 1945 ein
höheres Altersruhegeld zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers als unzulässig zu verwerfen,
hilfsweise,
sie als unbegründet zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist zulässig. Zwar weist die Beklagte zu Recht darauf hin, daß der Revisionsantrag (§ 164 Abs 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) lückenhaft sei, weil er zunächst nicht das Begehren auf Aufhebung des Urteils des SG und auf Änderung des Bescheides vom 14. Juni 1976 enthielt, und daß darüber hinaus auch die Revisionsbegründung mangelhaft sei, weil sie weder die verletzte Rechtsnorm noch, soweit Verfahrensmängel gerügt sind, die Tatsachen bezeichne, die die Mängel ergeben. Doch sollen an diese Einzelheiten des Revisionsverfahrens keine zu großen Anforderungen gestellt werden, sowohl was die Bestimmtheit des Antrages angeht (Meyer-Ladewig, SGG, Anm 10 zu § 164), als auch hinsichtlich der Bezeichnung der verletzten Rechtsnorm (aaO, Anm 11). Darauf, ob die Rüge von Verfahrensmängeln den gesetzlichen Anforderungen entspricht, kommt es für die Zulässigkeit der Revision nicht an, da diese jedenfalls in bezug auf die behaupteten Verstöße gegen das materielle Recht (§ 1251 Abs 1 Nr 1 RVO iVm den §§ 2 und 3 BVG) zulässig ist.
Die Revision ist insoweit begründet, als das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu weiteren Ermittlungen zurückverwiesen werden mußte. Die Feststellungen des LSG reichen zu einer abschließenden Entscheidung nicht aus.
Für die Erfüllung der Wartezeit und für die Rentenhöhe (§ 1255a RVO) werden nach § 1251 Abs 1 Nr 1 RVO angerechnet Zeiten des militärischen oder militärähnlichen Dienstes im Sinne der §§ 2 und 3 BVG, der ... während eines Krieges geleistet worden ist. Was militärischer Dienst ist, wird in § 2 BVG bestimmt, was als militärähnlicher Dienst gilt, wird in § 3 BVG geregelt; zu letzterem gehört "der auf Veranlassung eines militärischen Befehlshabers für Zwecke der Wehrmacht geleistete freiwillige oder unfreiwillige Dienst" (§ 3 Abs 1 Buchst b BVG).
Um die Frage, ob der Dienst in den bewaffneten Verbänden der SS während des zweiten Weltkriegs unter die Begriffe des militärischen oder militärähnlichen Dienstes einzuordnen ist, geht der Streit. Nach Auffassung des Senats ist dieser Dienst jedenfalls nach § 3 Abs 1 Buchst b BVG unter dem Gesichtspunkt militärähnlichen Dienstes zu beurteilen.
Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu dieser Frage ist im Grundsatz einheitlich. Der 11. Senat geht davon aus, "daß Dienst in der Waffen-SS in aller Regel nur dann militärischer Dienst im Sinn der §§ 1, 2 Abs 1 BVG (Buchst a) ist, wenn der Angehörige der Waffen-SS für die Kriegführung militärisch eingesetzt worden ist" (BSGE 12, 172, 174 = SozR Nr 5 zu § 2 BVG, Ca 2 R; das LSG bezeichnet das als die "weniger strenge Auffassung"). Der 10. Senat ist der Auffassung, "daß der Dienst in den bewaffneten Verbänden der SS grundsätzlich - und zwar unbeschadet dessen, ob er etwa als militärischer angesehen werden kann - jedenfalls insoweit als militärähnlicher Dienst im Sinn des § 3 Abs 1 Buchst b BVG angesehen werden muß, als er im Kriegseinsatz und unter dem Befehl der Wehrmacht geleistet worden ist" (SozR Nr 8 zu § 2 BVG, S. Ca 6 und 6 R; "strengere Auffassung"); der 10. Senat geht in einem späteren Urteil davon aus, "daß der Gesetzgeber eine Gleichstellung" (von Wehrdienst und Dienst in der Waffen-SS) "nur unter der Voraussetzung hat vornehmen wollen, daß die Angehörigen der Waffen-SS der Wehrmacht unterstellt gewesen sind oder sich zumindest im (militärischen) Kriegseinsatz ... befunden haben" (SozR 3100 § 2 Nr 6, S. 6). Der erkennende Senat hat sich im Urteil vom 16. September 1971 dem 10. Senat (SozR Nr 8 zu § 2 BVG) angeschlossen, ohne die Meinung des 11. Senats abzulehnen (SozR Nr 56 zu § 1251 RVO).
Der Dienst in den bewaffneten Verbänden der SS kann nach dieser Rechtsprechung jedenfalls militärähnlicher Dienst im Sinne des § 3 Abs 1 Buchst b BVG gewesen sein. Während beim Soldaten der Dienst schlechthin "militärischer Dienst" ist (§ 2 Abs 1 BVG), kommt es bei § 3 Abs 1 Buchst b BVG auf die Voraussetzungen "Veranlassung eines militärischen Befehlshabers" und "für Zwecke der Wehrmacht" an. Diese Begriffe sind im Hinblick auf die enge Verbindung von Wehrmacht und Waffen-SS nicht eng auszulegen.
Bei der Voraussetzung "auf Veranlassung eines militärischen Befehlshabers" ist folgendes zu berücksichtigen: Zum einen hat der "Führererlaß" vom 19. August 1939 die Truppenteile der SS-Verfügungstruppe dem Oberbefehlshaber des Heeres unterstellt und diesem befohlen, die Verwendung dieser Truppenteile zu regeln (BVerwGE 14, 187, 190; Absolon, Sammlung wehrrechtlicher Gutachten und Vorschriften, Bundesarchiv, Heft 14, S 117, 118 und Heft 16, S 90). Bereits vorher waren mit dem "Führererlaß" vom 17. August 1938 die Angehörigen der SS-Verfügungstruppe den für Soldaten geltenden Gesetzen und Bestimmungen unterworfen worden (Absolon, Heft 14, 118). Zum anderen bestand sowohl in der obersten als auch in der nächstniedrigeren Spitze der Wehrmacht einerseits und der bewaffneten Verbände der SS andererseits in gewissem Sinn eine Personalunion: Hitler war sowohl der "Oberste Führer" der SS (Absolon, Wehrgesetz und Wehrdienst 1935-1945, S. 94) als auch der Oberste Befehlshaber der Wehrmacht, Himmler war Reichsführer SS und gleichzeitig, allerdings erst vom 20. Juli 1944 an, Chef der Heeresrüstung und Befehlshaber des Ersatzheeres (Chef HRüst und BdE), also einer der höchsten Vorgesetzten im Heer (Absolon aaO S. 90). Für die Verzahnung zwischen Wehrmacht und SS spricht auch, daß die gesetzliche aktive Dienstpflicht durch einen Dienst von gleicher Dauer in der SS-Verfügungstruppe als erfüllt galt (Absolon, Heft 6, S 76; 14, S 117; Absolon, Die Wehrmacht im Dritten Reich, Band IV, 1979, S 56). Dem Oberkommando der Wehrmacht oblag der Erlaß der für die bewaffneten Einheiten der SS erforderlichen Ausführungsbestimmungen zu allen die Wehrmacht und den Mobilmachungsfall betreffenden Fragen im Einvernehmen mit dem Reichsführer SS (Absolon, aaO, Bd IV S 71). Daß die bewaffneten Verbände der SS, soweit sie Kriegsdienst leisteten, in den Gesamtplan der deutschen Wehrmacht eingeordnet waren, kann angesichts der strategischen Führung aller Kampfverbände durch das Oberkommando der Wehrmacht nicht bezweifelt werden. Deshalb ist der Dienst eines Angehörigen der bewaffneten Verbände der SS während des zweiten Weltkrieges im Kriegseinsatz als auf Veranlassung eines militärischen Befehlshabers geleistet anzusehen.
Unter Kriegseinsatz der Angehörigen bewaffneter Verbände der SS ist der Dienst zu verstehen, der wie der Dienst eines Soldaten im zweiten Weltkrieg geleistet wurde. Der 8. Senat des BSG hat entschieden, daß "für Zwecke der Wehrmacht" eine Dienstleistung dann erbracht worden ist, wenn sie selbst, also nicht nur das Produkt dieser Dienstleistung - vgl dazu BSG in SozR Nr 11 zu § 3 BVG -, für Zwecke der Wehrmacht bestimmt war, dh, wenn etwas getan worden ist, was sonst die Wehrmacht selbst hätte tun müssen oder was an sich noch innerhalb ihres Aufgabenkreises im weiten Sinne gelegen hätte (Urteil vom 17. März 1960 - 8 RV 525/58 - S 8 und 9, Mitt Ruhrkn 60, 193). Das muß auch ... für die Angehörigen der bewaffneten Verbände der SS gelten. Wer als Angehöriger der Waffen-SS während des zweiten Weltkrieges einen Dienst leistete, der sonst, wenn es diese Verbände nicht gegeben hätte, von einem Soldaten der Wehrmacht geleistet worden wäre, hat jedenfalls militärähnlichen Dienst geleistet und ist dem Soldaten hinsichtlich der Anrechnung einer Ersatzzeit gleichzustellen. Dies gilt aber nicht für Fälle, in denen sich der Dienst als Ausübung typischer nationalsozialistischer Gewaltherrschaft darstellt. Für die SS-Bewachungsmannschaften in den Konzentrationslagern besteht eine gefestigte Rechtsprechung dahin, daß diese weder militärischen noch militärähnlichen Dienst geleistet haben (BSG, SozR Nr 8 zu § 2 BVG; SozR 3100 § 2 Nr 6; vgl auch BVerwGE 9, 193).
Daß für die Anrechnung von Ersatzzeiten nach § 1251 Abs 1 Nr 1 RVO Dienstzeiten der Angehörigen der bewaffneten Verbände der SS nach den vorstehenden Ausführungen grundsätzlich dem Dienst von Soldaten gleichstehen, entspricht Sinn und Zweck der Ersatzzeitenregelung, die voraussetzt, daß ein Versicherter während bestimmter Zeiten durch hoheitlichen Eingriff gehindert gewesen ist, versicherungspflichtig zu sein (BVerfG, SozR 2200 § 1251 Nr 47). Im Rahmen der Prüfung nach § 3 Abs 1 Buchst b BVG ist weiter zu bedenken, daß im Hinblick auf den Sinn der Ersatzzeit für den Zeitraum des zweiten Weltkrieges zwischen den Soldaten und den Angehörigen der bewaffneten SS-Verbände, die wie Soldaten Dienst leisteten und verwendet wurden, kein ins Gewicht fallender Unterschied besteht. Dabei ist es ohne Bedeutung, ob die SS-Angehörigen den Verbänden freiwillig beigetreten sind oder ob sie - was jedenfalls in den späteren Kriegsjahren häufig geschah (vgl BSGE 12, 172, 173 und BVerwGE 14, 187, 191) - zur Waffen-SS gegen ihren Willen einberufen oder von der Wehrmacht überführt oder (BVerwGE 9, 193) nur abkommandiert worden sind.
Die Rechtsauffassung des Senats weicht nicht von Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) ab. Dieses hat ausgeführt, der Dienst in der Waffen-SS sei in aller Regel nur dann militärischer Dienst im Sinn des Kriegsgefangenen-Entschädigungsgesetzes (KgfEG), wenn der Angehörige der Waffen-SS für die Kriegführung militärisch eingesetzt worden ist (BVerwGE 9, 23; es handelte sich um den Leiter einer Häftlingswerkstatt im Konzentrationslager), dagegen sei der Dienst eines Wachtmeisters der Artillerie, der zur SS abkommandiert worden - also Soldat geblieben ist - und im Konzentrationslager zum Bewachungsdienst eingesetzt war, militärischer Dienst (BVerwGE 9, 193).
Die Auslegung des § 3 Abs 1 Buchst b BVG in dem Sinn, daß Zeiten, in denen die Angehörigen der bewaffneten Verbände der SS während des zweiten Weltkrieges wie Soldaten Dienst geleistet haben, als Ersatzzeiten angerechnet werden, entspricht auch der Behandlung von Angehörigen bewaffneter SS-Verbände in anderen Gesetzen: vgl zur früheren Waffen-SS § 67 Abs 1 Nr 2 des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personen (G 131) in der Fassung vom 13.Oktober 1965, BGBl I 1686; für berufsmäßige Angehörige der früheren Waffen-SS, die keinen Anspruch nach dem G 131 haben, § 72 Abs 1 Satz 2 G 131 (Allgemeine Verwaltungsvorschriften zu den §§ 72 bis 74 G 131 Nr 8 Ziffer 3, dazu BVerwGE 14, 187); für Beamte, die nichtberufsmäßig in der Waffen-SS Dienst geleistet haben, Verwaltungsvorschrift Nr 1 Abs 1 Satz 2 zu § 114 Abs 1 Nr 1 des Bundesbeamtengesetzes (BBG), jetzt § 9 des Beamtenversorgungsgesetzes.
Zu der Frage, ob der Kläger in den streitigen drei Zeiträumen Dienst wie der Dienst eines Soldaten geleistet hat (§ 3 Abs 1 Buchst b BVG nach den vorstehend dargelegten Auslegungskriterien), hat das LSG - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen getroffen.
Der Kläger hat im Verwaltungsverfahren und vor den Tatsachengerichten vorgetragen: Er sei in Dachau, Danzig und Prag ausgebildet worden (im Februar 1940 sei er im SS-Lazarett Prag gewesen). Im selben Jahr sei das Regiment nach Norwegen verlegt worden und zur Sicherung der Grenze zwischen Norwegen und Schweden eingesetzt worden. Im Frühjahr 1941 seien sie nach Nord-Norwegen gekommen und bei Ausbruch des Rußland-Feldzuges an der finnisch-russischen Front gewesen. Nach 1 1/2 Monaten Kriegseinsatz sei er an Ruhr erkrankt. Deshalb sei er bis zum 10. Dezember 1941 im Lazarett gewesen, zuletzt in Nürnberg. Von dort sei er zu einer Genesenden-Kompanie (nach dem Wehrpaß dürfte das die 5. (Gen.) Kp.-Ers.Btl. "Nord" gewesen sein) nach Wehlau/Ostpr. überstellt worden und im Mai (offenbar 1942) zur Aufstellung des SS-Gebirgsjägerregiments "Reinhard Heydrich" auf den Truppenübungsplatz Wildflecken gekommen. Mit diesem Regiment sei er dann nach Finnland zum Kriegseinsatz verlegt worden. Vom 9. November 1944 bis 31. März 1945 sei er zu den Flugzeugwerken Waldsee/Württemberg abkommandiert worden (nachdem er anscheinend im April 1944 als letzter Sohn aus der kämpfenden Truppe zurückgezogen und dem - rückwärtigen - SS-Kraftfahrpark Oulu zugeteilt worden war). In den Flugzeugwerken habe er als Schreiner gearbeitet. Sein Einsatz sei als Soldat erfolgt, und er habe Uniform tragen müssen.
Dazu wird das LSG Ermittlungen anstellen. Sollte sich die Darstellung des Klägers im wesentlichen bewahrheiten, so ist die beantragte Ersatzzeit mindestens teilweise anzurechnen. Was der Kläger bis zum 27. Februar 1941 getan hat (am Tag danach soll nach der Auffassung der Beklagten das 6. SS-Totenkopf-Regiment (Standarte) dem Oberkommando der Wehrmacht unterstellt worden sein), entsprach dem Dienst der Soldaten: Ausbildung, Lazarettaufenthalt, Grenzsicherung usw. Auf Grund der historischen Gegebenheiten kann zwar von Waffen-SS erst vom 1. Januar 1940 an gesprochen werden; die Waffen-SS ist zu diesem Zeitpunkt aus den "Vorgängerorganisationen" SS-Verfügungstruppe und SS-Totenkopfverbänden hervorgegangen (BVerwGE 14, 187, 189; zur Stellung der SS-Totenkopfverbände siehe Absolon, Heft 1 S 37; 6 S 77; 14 S 118; 15 S 87; 16 S 87-90). Die Voraussetzungen des § 3 Abs 1 Buchst b BVG können aber bei allen bewaffneten Verbänden der SS je nach der Art des Einsatzes schon vom Beginn des zweiten Weltkrieges an erfüllt sein. Die spätere Zugehörigkeit des Klägers zu einer Genesenden-Kompanie war ebenfalls typisch für die Verwendung eines Soldaten nach einer Verwundung oder Krankheit bis zur vollständigen Ausheilung und zur Feststellung der Kriegsverwendungsfähigkeit. Hier steht der ursächliche Zusammenhang der Genesung mit einer vorher im Kriegseinsatz erlittenen Verwundung oder Krankheit im Vordergrund. Bei der Arbeit des Klägers im Rüstungsbetrieb wird es allerdings für die Frage der Ersatzzeit auf die noch zu ermittelnden Einzelumstände ankommen. Das BVerwG hat im Urteil vom 13. November 1957 - V C 459.56 -, das offenbar nicht veröffentlicht worden ist, aber im Urteil BVerwGE 9, 193, 194 zustimmend erwähnt wird, entschieden, daß ein zu einem industriellen Unternehmen abkommandierter Soldat auch dort weiterhin Wehrdienst geleistet hat. Das gilt im Blick auf die Ersatzzeitenregelung entsprechend jedenfalls für den Fall, daß die Unterstellung der Angehörigen der bewaffneten Verbände der SS unter ihren militärischen Vorgesetzten weiterbestanden hat, daß wegen dieses Status keine Pflichtversicherung begründet werden konnte und daß der Angehörige der bewaffneten Verbände dort eingesetzt war, wo die Wehrmacht sonst Soldaten eingesetzt hätte, so daß noch von einem "Dienst" für "Zwecke der Wehrmacht" im oben dargelegten Sinn im Gegensatz zu Zwecken der Kriegswirtschaft gesprochen werden kann. Eine sachlich nicht begründete Unterscheidung zwischen Soldaten einerseits und Angehörigen der bewaffneten Verbände der SS ist jedenfalls zu vermeiden. Das LSG wird dazu noch aufklären, ob der Kläger in der Zeit von November 1944 bis März 1945 etwa u.k. (unabkömmlich) geschrieben war, ob er "Sonderurlaub", "Arbeitsurlaub" hatte, ob er einem "Industrietrupp" oder einer "Abnahmestelle" angehörte (zu diesen Begriffen Absolon, aaO, Heft 6 S 1; Heft 10 S 13 ff und 33 sowie Heft 17 S 7).
Die Sache war zurückzuverweisen.
Über die Kosten wird das LSG entscheiden.
Fundstellen