Entscheidungsstichwort (Thema)

Eheschließung nach deutschem Familien- und Personenstandsrecht

 

Leitsatz (redaktionell)

Die in EheG § 15a enthaltene Ausnahmeregelung - nach der eine Ehe zwischen Verlobten, von denen keiner die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, vor einer von der Regierung des Landes, dessen Staatsangehörigkeit einer der Verlobten besitzt, ordnungsgemäß ermächtigten Person in der von den Gesetzen dieses Landes vorgeschriebenen Form geschlossen werden darf - läßt nicht zu, daß Geistliche allein aufgrund ihrer kirchlichen Zuständigkeit Eheschließungen griechischer Staatsangehöriger griechisch-orthodoxen Glaubens iS des EheG § 15a in der BRD vornehmen.

 

Orientierungssatz

Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH, der sich das BSG angeschlossen hat (siehe BSG 1971-11-24 4 RJ 215/70 = SozR Nr 5 zu § 1264 RVO 1972-03--23 2 RU 42/70), beurteilt sich die Frage, ob in der Bundesrepublik Deutschland eine gültige Ehe bestanden hat, nach deutschem Familien- und Personenstandsrecht hier: Eheschließung zwischen Ausländern vor Geistlichen.

 

Normenkette

RVO § 590 Abs. 1 Fassung: 1963-04-30, § 592 Abs. 1 Fassung: 1963-04-30, § 1264 Fassung: 1957-02-23; EheG § 15a Fassung: 1947-04-21

 

Tenor

Das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 8. Mai 1974 und das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 17. April 1973 werden aufgehoben, soweit sie die Gewährung von Witwenrente betreffen. Insoweit wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin ein Fünftel der Kosten des Verfahrens vor dem Sozialgericht und dem Landessozialgericht zu erstatten. Im übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Streitig ist im Revisionsverfahren der Anspruch der Klägerin auf Witwenrente nach dem am 5. Dezember 1966 an den Folgen eines Arbeitsunfalls verstorbenen Papiermaschinen-Gehilfen ... (G.M.).

G.M. und die Klägerin - beide griechische Staatsangehörige und griechisch-orthodoxer Konfession - wurden am 7. Mai 1961 in D durch den Pfarrer der griechisch-orthodoxen Kirche ... (V.) nach dem Ritus dieser Religion getraut. Die Eheschließung wurde am 9. September 1961 unter der Nr. 167/61 in das konsularische Heiratsregister des griechischen Generalkonsulats in D eingetragen. Vor einem deutschen Standesbeamten hat keine Eheschließung stattgefunden; sie ist auch in kein deutsches Personenstandsbuch eingetragen.

Dem Auswärtigen Amt der Bundesrepublik Deutschland ging im Juni 1964 von der Königlich Griechischen Botschaft eine Liste zu, in welcher u.a. der Pfarrer V. als berechtigt bezeichnet wurde, Eheschließungen zwischen griechischen Staatsangehörigen in der Bundesrepublik vorzunehmen.

Durch Bescheid vom 25. August 1971 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Witwenrente ab, da der Verstorbene G.M. mit der Klägerin zur Zeit des Unfalls nicht in rechtsgültiger Ehe gelebt habe. Dem griechischen Geistlichen V. habe die nach § 15 a des Ehegesetzes (EheG) erforderliche Ermächtigung der griechischen Regierung zur Vornahme von Eheschließungen griechischer Staatsangehöriger in der Bundesrepublik im Zeitpunkt der Trauung der Klägerin mit dem Verstorbenen am 7. Mai 1961 gefehlt.

Die Klägerin hat Klage erhoben.

Das Sozialgericht (SG) Speyer hat durch Urteil vom 17. April 1973 die Beklagte verurteilt, der Klägerin Überbrückungshilfe und Witwenrente zu gewähren. Seiner Ansicht nach kann eine deutsche Behörde nicht mehr prüfen, ob die Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße Eheschließung vorgelegen haben, wenn die Eheschließung in das von der dazu ordnungsgemäß bevollmächtigten Person geführte konsularische Heiratsregister eingetragen ist.

Das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz hat durch Urteil vom 8. Mai 1974 die Berufung der Beklagten hinsichtlich des Anspruchs auf Überbrückungshilfe als unzulässig verworfen, im übrigen zurückgewiesen. Das LSG hat zur Begründung der Zurückweisung der Berufung ausgeführt: Witwe sei eine Frau, die ihren Ehemann durch Tod verloren habe und nicht wiederverheiratet sei. Dies setze voraus, daß sie im Zeitpunkt des Todes mit dem Verstorbenen verheiratet war. Für alle Zweige des Rechts in der Bundesrepublik Deutschland beurteile sich die Frage des Status einer gültigen Ehe grundsätzlich nach deutschem Familien- und Personenstandsrecht. Die Wirksamkeit einer Eheschließung nach § 15 a EheG setze u.a. voraus, daß die mitwirkende Person nach dem Recht des Entsendestaates von dessen Regierung ordnungsgemäß besonders ermächtigt worden sei, in der Bundesrepublik bei Eheschließungen mitzuwirken. Es beständen auch Bedenken, die Ehe der Klägerin mit G.M. in entsprechender Anwendung von § 11 Abs. 2 EheG als formell gültig anzusehen, weil der Pfarrer V. bei ihrer Trauung öffentlich wie eine nach § 15 a Abs. 1 EheG ermächtigte Person amtiert habe und die vor ihm geschlossene Ehe ordnungsgemäß in das konsularische Heiratsregister eingetragen worden sei. Der vorliegende Fall erfordere jedoch keine abschließende Entscheidung dieser nur für den ehelichen Status der Klägerin bedeutsamen Streitfragen. Der geltend gemachte Rentenanspruch stehe der Klägerin in entsprechender Anwendung der §§ 590, 592 der Reichsversicherungsordnung (RVO) auch zu, wenn sie mit G.M. im Zeitpunkt seines Todes nach deutschem Recht in einer Nichtehe gelebt habe. Dadurch werde nur die unmittelbare Anwendung der §§ 590, 592 RVO ausgeschlossen. Für eine analoge Anwendung dieser Bestimmung reiche es dagegen aus, daß die Klägerin in einer nach ihrem gemeinsamen Heimatrecht gültigen Ehe gelebt habe. Sinn und Zweck der Hinterbliebenenrenten sei ihre Unterhaltsersatzfunktion. In der gesetzlichen Unfallversicherung bedeute dies, daß die Hinterbliebenen im Versicherungsfall Entschädigung für den Wegfall des Unterhaltspflichtigen erhielten. Die in den §§ 590, 592 RVO enthaltene Aufzählung (Witwe, frühere Ehefrau, deren Ehe geschieden, für nichtig erklärt oder aufgehoben ist) habe nicht die Bedeutung einer Zusammenstellung, die alle anderen nicht ausdrücklich aufgeführten Fälle ausschließe. Sie umfasse wie die §§ 1264, 1265, 1268 Abs. 4 RVO alle Fälle, in denen nach der bei Schaffung dieser Vorschriften im Jahre 1942 geltenden bürgerlich-rechtlichen Auffassung ein Unterhaltsanspruch der Frau in Betracht komme. Damit würden die §§ 590, 592 RVO zum Ausdruck bringen, daß in allen Fällen des Bestehens eines solchen Unterhaltsanspruchs ein Anspruch auf Hinterbliebenenrente für die Frau möglich sein solle. Mit dieser Begründung habe das Bundessozialgericht - BSG - (BSG 26, 190) einen Witwenrentenanspruch für den im Gesetz nicht ausdrücklich geregelten Fall der Auflösung der früheren Ehe gemäß § 38 Abs. 2 EheG anerkannt.

Das LSG hat die Revision zugelassen.

Die Beklagte hat dieses Rechtsmittel eingelegt. Sie führt aus: Die Witwenrente aus der deutschen Sozialversicherung möge zwar Unterhaltscharakter und Unterhaltsersatzfunktion haben. Dies ändere jedoch nichts daran, daß sie nur an solche Frauen gewährt werden könne, die nach deutschem Recht Witwen seien, und dies setze wiederum voraus, daß sie nach deutschem Recht rechtswirksam geheiratet hätten. Daß eine Frau gegen einen Versicherten nach bürgerlichem Recht - und zwar gleichgültig, ob nach deutschem oder nach ausländischem Recht - zu Lebzeiten des Versicherten Unterhaltsansprüche gehabt habe, sei für die Gewährung von Witwenrenten aus der Sozialversicherung nicht entscheidend. Wesentlich sei vielmehr nur der Familienstatus der Frau in bezug auf den Versicherten, wie er sich nach deutschem Eherecht darstelle.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz und das Urteil des Sozialgerichts Speyer zu ändern und die Klage auf Gewährung der Witwenrente abzuweisen.

Die Klägerin ist im Revisionsverfahren nicht durch einen beim BSG zugelassenen Prozeßbevollmächtigten vertreten.

II.

Die Revision der Beklagten ist begründet.

Im Streit steht nur noch die Gewährung der Witwenrente an die Klägerin.

Die Klägerin hat jedoch keinen Anspruch auf Witwenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung (§§ 589, 590 RVO).

Nach § 589 Abs. 1 Nr. 3 RVO i.V.m. § 590 RVO ist bei Tod durch Arbeitsunfall der Witwe eine Witwenrente zu gewähren. Witwe ist eine Frau, die ihren Ehemann durch Tod verloren hat und nicht wiederverheiratet ist (BSG 27, 96, 97). Dies setzt voraus, wie das LSG nicht verkannt hat, daß sie im Zeitpunkt des Todes mit dem Verstorbenen verheiratet war. Für alle Zweige des Rechts in der Bundesrepublik Deutschland, somit auch für das Sozialversicherungsrecht, beurteilt sich die Frage, ob zwischen der Klägerin und dem Verstorbenen G.M. eine in der Bundesrepublik gültige Ehe bestanden hat, nach deutschem Familien- und Personenstandsrecht (BSG 33, 219 = SozR Nr. 5 zu § 1264 RVO m.w.N.; Urteil des erkennenden Senats vom 23. März 1972 - 2 RU 42/70; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 1. - 8. Aufl., S. 586 h; Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl., § 590 Anm. 3).

Nach Art. 13 Abs. 3 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EBGB) bestimmt sich die Form einer Ehe, die im Inland geschlossen wird, ausschließlich nach den deutschen Gesetzen. Eine Ehe kommt nach § 11 Abs. 1 EheG nur zustande, wenn die Eheschließung vor einem Standesbeamten stattgefunden hat. Davon macht § 15 a EheG (eingefügt durch das Gesetz des Kontrollrats Nr. 52 vom 21. April 1947 - KRABl 273) für Verlobte, von denen keiner die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, eine Ausnahme. Bei diesen kann eine Ehe vor einer von der Regierung des Landes, dessen Staatsangehörigkeit einer der Verlobten besitzt, "ordnungsgemäß ermächtigten Person" in der vom Gesetz dieses Landes vorgeschriebenen Form geschlossen werden. Wie bereits der 4. Senat im Urteil vom 24. November 1971 (BSG Bd. 33 aaO), so hat sich auch der erkennende Senat in seinem Urteil vom 23. März 1972 (aaO) in dem Meinungsstreit um die Auslegung des Ermächtigungsbegriffes in § 15 a EheG in Übereinstimmung mit dem LSG der Auffassung des Bundesgerichtshofes (BGH) im Beschluß vom 22. Januar 1965 (BGHZ 43, 213) und des Bayerischen Obersten Landesgerichts (BayObLG) im Beschluß vom 4. Januar 1966 (FamRZ 1966, 144) angeschlossen. An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch nach erneuter Prüfung fest. Danach sind Geistliche allein aufgrund ihrer kirchlichen Zuständigkeit zur Vornahme von Trauungen nicht auch schon im Sinne des § 15 a EheG ermächtigt, in der Bundesrepublik Deutschland bei Eheschließungen griechischer Staatsangehöriger griechisch-orthodoxen Glaubens mitzuwirken. Der BGH hat, weil es nicht angehe, daß die Angehörigen dieser Staaten von der Möglichkeit einer Eheschließung nach § 15 a EheG ausgeschlossen werden, die Benennung befugter Geistlicher - nicht zuletzt aus praktischen Gründen - als genügend angesehen. Darauf kann aber auch nicht verzichtet werden. Darin liegt kein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes, der Ehe und Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stellt. Dieses Grundrecht gebietet nicht, Ehen als rechtsgültig anzusehen, die nicht in der durch § 15 a EheG vorgeschriebenen Form geschlossen worden sind, die ohnehin schon eine Ausnahme von der durch § 11 Abs. 1 EheG gebotenen Mitwirkung eines Standesbeamten darstellt.

Die Registrierung einer kirchlichen Trauung im griechischen Heiratsregister kann die nach § 15 a EheG erforderliche Ermächtigung nicht ersetzen (OLG Hamm in FamRZ 1967, 570 und NJW 1970, 1509). Die staatliche Mitwirkung durch die ermächtigte Person wird nach § 15 a Abs. 1 EheG bereits für die Eheschließung selbst gefordert. Eine nachträgliche Ermächtigung, wie sie hier hinsichtlich des Geistlichen V. erfolgt ist, wirkt nicht auf den Zeitpunkt der Eheschließung der Klägerin mit dem Verstorbenen G.M. zurück (BGH, BayObLG, OLG Hamm jeweils aaO).

Schließlich ist es unerheblich, daß die Klägerin jetzt wieder in Griechenland lebt, dort ihre Eheschließung mit dem Verstorbenen ggf. bürgerlich-rechtliche Wirkung hat und die Klägerin in Griechenland Witwe ist. Die Frage, ob die Klägerin im Hinblick auf die von ihr begehrte Rente Witwe ist, beurteilt sich auch in diesem Fall nach deutschem Recht, da sie einen Anspruch nach deutschem Recht geltend macht (BSG 27, 96, 99). Den von Bosch (FamRZ 1972, 133 und 1974, 376) gegen die auch vom erkennenden Senat für zutreffend erachtete Rechtsprechung weiterhin geltend gemachten Bedenken hat sich die angeführte Rechtsprechung nicht anzuschließen vermocht.

Das LSG hat diese Rechtslage nicht verkannt. Es meint jedoch, der Klägerin stehe Witwenrente in entsprechender Anwendung der §§ 590, 592 RVO zu. Für die analoge Anwendung dieser Vorschriften reiche es aus, daß die Klägerin mit dem Verstorbenen in einer nach ihrem gemeinsamen Heimatrecht gültigen Ehe gelebt habe. Dieser Auffassung folgt der Senat - wie inzidenter schon in seinem Urteil vom 23. März 1972 (aaO) - nicht. Sowohl die - vom LSG zugrunde gelegte - Gesetzes- als auch die Rechtsanalogie setzen voraus, daß das Gesetz eine Lücke enthält (vgl. u.a. BSG 14, 238, 241; Enneccerus/Nipperdey, Allgem. Teil des bürgerlichen Rechts, 15. Aufl., 1. Halbband, § 58 I; Brackmann aaO S. 190 p VIII - jeweils mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Als Lücke kommt hier in Betracht, daß das Gesetz schweigt, d.h. einen bestimmten Tatbestand nicht geregelt hat, wobei das Schweigen auf Absicht, einem Versehen oder darauf beruhen kann, daß sich der nicht geregelte Tatbestand erst nach dem Erlaß des Gesetzes durch eine Änderung der Lebensverhältnisse ergeben hat. Alle diese Fälle scheiden hier aus. Der Gesetzgeber hat vielmehr bewußt mit der engen Fassung des § 590 RVO nur die Witwen zum Bezug der Rente berechtigt. Die Rentenberechtigung nach dieser Vorschrift ist nicht auf Personen erstreckt worden, die mit dem Versicherten nicht nach deutschem Familien- und Personenstandsrecht, sondern z.B. nur nach ihrem Heimatrecht in gültiger Ehe lebten. Da die enge Fassung somit absichtlich gewählt ist, bleibt für eine analoge Anwendung auf andere Tatbestände kein Raum (vgl. Brackmann aaO S. 190 p IX m.w.N.). Aus diesen Gründen scheidet auch eine analoge Anwendung des § 592 RVO aus; denn diese Vorschrift regelt abschließend die Fälle, in denen die "frühere Ehefrau" einen Rentenanspruch hat. Der Unterhaltsanspruch ist nur eine der weiteren Voraussetzungen für den Anspruch auf Rente nach § 592 RVO. Würde allein die Unterhaltsberechtigung, wie das LSG meint, ausreichen, um einen Rentenanspruch nach § 592 RVO zu begründen, wäre es unverständlich, weshalb im Gesetz noch die Scheidung, Nichtigkeitserklärung oder Aufhebung der Ehe als weitere Tatbestandsmerkmale aufgeführt sind. Das vom LSG angeführte Urteil des 12. Senats des BSG vom 30. März 1967 (BSG 26, 190) hat ebenfalls über einen Sachverhalt entschieden, in denen eine der drei Alternativen des § 1265 Abs. 1 Satz 1 RVO - die Aufhebung der Ehe - erfüllt war.

Da die Klägerin weder nach § 590 noch nach § 592 RVO einen Anspruch auf Rente hat, sind die Urteile des LSG und des SG, soweit sie die Zahlung von Hinterbliebenenrente betreffen, aufzuheben, und die Klage ist insoweit abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1649541

IPRspr. 1975, 33

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