Leitsatz (amtlich)

Ein Anspruch auf Familiensterbegeld (RVO § 205b) besteht jedenfalls dann nicht, wenn das verstorbene Kind des Versicherten zur Zeit seines Todes weder einen Unterhaltsanspruch gegen den Versicherten hatte noch von ihm überwiegend unterhalten wurde, sondern seinen Unterhalt aus eigenem Arbeitseinkommen bestritten hatte.

 

Normenkette

RVO § 205b Fassung: 1956-06-12

 

Tenor

Auf die Sprungrevision der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 10. Mai 1965 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Verfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Der Kläger ist Mitglied der beklagten Krankenkasse. Sein 1933 geborener Sohn E war seit 1957 in den Vereinigten Staaten von Nordamerika als Maschinist tätig und bestritt seinen Lebensunterhalt aus seinem eigenen Arbeitseinkommen. Am 2. August 1962 verstarb er in den Vereinigten Staaten. Der Kläger trug die Kosten der Überführung und der Bestattung seines Sohnes.

Seinen Antrag auf Familiensterbegeld nach § 205 b der Reichsversicherungsordnung (RVO) lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 18. August 1964 und Widerspruchsbescheid vom 30. September 1964 ab, da nach § 205 Abs. 3 Satz 2 RVO und nach ihrer Satzung Familienkrankenpflege und dementsprechend auch Familiensterbegeld bei Kindern nur bis zum vollendeten 16. Lebensjahr oder, wenn das Kind sich in der Schul- oder Berufsausbildung befinde, bis zum vollendeten 21. Lebensjahr zu gewähren sei.

Das Sozialgericht (SG) hat der gegen diesen Bescheid erhobenen Klage durch Urteil vom 10. Mai 1965 stattgegeben. Es hat ausgeführt, das Familiensterbegeld beim Tode lebendgeborener Kinder nach § 205 b RVO nF sei als Regelleistung einer satzungsmäßigen Einschränkung entzogen. Der klare Wortlaut des Gesetzes schließe eine entsprechende Anwendung der Einschränkungsmöglichkeiten des § 205 Abs. 3 RVO aus. Das SG hat die Berufung zugelassen.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Sprungrevision eingelegt. Sie meint, der Begriff "Kind" i. S. des § 205 b RVO sei nach dem allgemeinen Sprachgebrauch einschränkend als "noch nicht erwachsener Abkömmling" auszulegen. Nur bei dieser einschränkenden Auslegung ergebe die Vorschrift eine an dem Gesetzesziel und -zweck gemessene sachgerechte Auslegung. Die Vorschriften zur gesetzlichen Krankenversicherung bezögen Familienangehörige nicht schon wegen der verwandtschaftlichen Beziehung zu dem Versicherten in das Leistungssystem ein, sondern setzten regelmäßig weitere Umstände voraus, wie z. B. die Unterhaltsgewährung, die Aufnahme in die häusliche Gemeinschaft usw..

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des SG Düsseldorf vom 10. Mai 1965 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger ist in dem Revisionsverfahren nicht vertreten.

Die Revision ist begründet.

Nach § 205 b RVO erhält der Versicherte beim Tode des Ehegatten oder eines lebend geborenen Kindes und solcher Angehöriger, die mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebten und von ihm überwiegend unterhalten worden sind, ein Sterbegeld in Höhe des halben satzungsmäßigen Mitgliedersterbegeldes, mindestens jedoch 50,- DM. Dabei bezieht sich der Relativsatz, "die mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebten und von ihm überwiegend unterhalten worden sind", nur auf die Angehörigen, nicht aber auf Ehegatten und Kinder. Dem Wortlaut nach werden demnach unter dem Begriff "Kinder" in dieser Vorschrift Kinder schlechthin erfaßt, und zwar ohne Rücksicht auf Lebensalter, Familienstand, Einkommens- und Vermögensverhältnisse. Eine solche am Wortlaut haftende Auslegung widerspräche jedoch dem Zweck der Familienhilfe (dazu gehört auch das Familiensterbegeld). Der Versicherte soll von dem wesentlich wirtschaftlichen Risiko der Erkrankung eines Familienangehörigen, das ihn wegen seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht sonst persönlich träfe, auf Grund seiner eigenen Versicherung entlastet werden (BSG vom 9. Februar 1961 und 4. Juli 1962, BSG 14, 22, 24 und 17, 186, 190). Dies setzt aber voraus, daß der Versicherte in einer Unterhaltsbeziehung zu dem Kind gestanden ist. Die gleichen Grundsätze müssen aber auch für das Familiensterbegeld gelten, das im Endergebnis dem Versicherten die durch den Tod eines Familienangehörigen entstandenen Kosten - wenigstens teilweise - abnehmen soll, für deren Bestreitung er aus dem Familienverhältnis aufzukommen hat. Auf diesen Willen des Gesetzgebers deutet auch die Einschränkung hin, die er bei den sonstigen Angehörigen in § 205 b RVO gemacht hat (Aufnahme in die häusliche Gemeinschaft und Gewährung des überwiegenden Unterhalts). Es kann nun für die Entscheidung offenbleiben, ob das verstorbene Kind unterhaltsberechtigt sein muß oder ob auch schon eine tatsächlich überwiegende Unterhaltsgewährung ausreicht, um den Anspruch auf Familiensterbegeld zu begründen. Denn beide Voraussetzungen sind im vorliegenden Falle bei dem Sohn des Klägers nicht gegeben; die beklagte Krankenkasse hat daher kein Sterbegeld zu zahlen.

Auf ihre Revision muß das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2324339

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