Leitsatz (amtlich)
Ob eine Unterhaltsverpflichtung oder -leistung des Versicherten zugunsten seiner früheren Ehefrau geringfügig ist und deswegen einen Anspruch auf Hinterbliebenenrente nicht auszulösen vermag, richtet sich allein nach ihrem Verhältnis zu dem nach Sozialhilfegrundsätzen zeitlich und örtlich notwendigen Mindestbedarf. Auf das Verhältnis des Unterhaltsbetrages zu den sonstigen Einkünften der geschiedenen Ehefrau kommt es nicht an.
Normenkette
AVG § 42 S. 1 Fassung: 1957-02-23; RVO § 1265 S. 1 Fassung: 1957-02-23; RegSatzV § 3
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 8. Juni 1977 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten. Im übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Rechtsstreit wird um die Gewährung von Hinterbliebenenrente für eine geschiedene Ehefrau geführt.
Die Klägerin ist als Steuerbevollmächtigte selbständig tätig. Sie bewohnt eine Eigentumswohnung. Dort betreibt sie auch ihre Steuerpraxis.
Die Klägerin war mit dem Angestellten K K (im folgenden: Versicherter) verheiratet. Die Ehe wurde durch Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 30. September 1958 aus dem Verschulden des Versicherten geschieden. Dieser hatte sich in einer Vereinbarung vom 21. Juli 1958 für die Zeit nach der Ehescheidung zur Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbeitrages von DM 100,- bzw für den Fall der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin von DM 200,- verpflichtet. Er zahlte der Klägerin bis zu seinem Tode monatlich DM 100,-. Am 12. Dezember 1958 ging der Versicherte eine neue Ehe mit der Beigeladenen ein. Er verstarb am 20. Dezember 1973.
Die Beklagte bewilligte der Beigeladenen für die Zeit ab 1. Januar 1974 Hinterbliebenenrente (Bescheid vom 4. April 1974). Den Antrag der Klägerin auf Gewährung einer Hinterbliebenenrente lehnte sie ab, weil die Zahlungen des Versicherten nicht als wesentlicher Anteil am Gesamteinkommen der Klägerin anzusehen seien (Bescheid vom 25. Juni 1974).
Das Sozialgericht (SG) Stuttgart hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 3. September 1975). Auf die Berufung der Klägerin hat das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg mit Urteil vom 8. Juni 1977 unter Aufhebung des Urteils des SG und des angefochtenen Bescheides die Beklagte verurteilt, der Klägerin Hinterbliebenenrente zu gewähren. Es hat die Revision zugelassen; zur Begründung hat es ausgeführt:
Die Voraussetzungen der zweiten und dritten Regelung des § 42 Satz 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) seien erfüllt. Der vom Versicherten gezahlte Betrag von DM 100,- monatlich habe wenigstens 25 vH des zeitlich und örtlich notwendigen Mindestbedarfs eines Unterhaltsberechtigten ausgemacht und sei damit eine Unterhaltsleistung iS des § 42 AVG gewesen. Der zeitlich und örtlich notwendige Mindestbedarf sei ohne Berücksichtigung individueller Besonderheiten den Sozialhilfesätzen zu entnehmen. Zusätzliche Leistungen der Sozialhilfe wie etwa solche für ältere Hilfeempfänger seien nicht zu berücksichtigen. Ebensowenig müsse der Unterhalt die Sozialhilfesätze überschreiten, wenn der Unterhaltsberechtigte in besseren Verhältnissen lebe; vielmehr sei der notwendige Mindestbedarf unabhängig von dem nach den Lebensverhältnissen angemessenen Bedarf zu ermitteln. Im Jahre 1973 habe der Regelsatz der Sozialhilfe in Stuttgart DM 211,- bzw DM 220,- monatlich betragen. Der Wohnbedarf der Klägerin habe DM 180,- pro Monat nicht überstiegen. Er sei nicht nach den tatsächlichen Aufwendungen zu bemessen. Dies sei allenfalls dann gerechtfertigt, wenn der Berechtigte Mieter sei. Bewohne er hingegen ein eigenes Haus oder eine Eigentumswohnung, so sei zur Vermeidung ungerechtfertigter Besser- oder Schlechterstellungen und entsprechend dem Grundsatz, daß der notwendige Unterhalt nicht nach den individuellen Verhältnissen im Einzelfall, sondern unter Zugrundelegung der durchschnittlichen örtlichen und zeitlichen Gegebenheiten festzustellen sei, der Unterkunftsbedarf nicht nach den tatsächlichen Aufwendungen, sondern nach dem örtlich und zeitlich erforderlichen Durchschnittsbetrag für Unterkunft zu bemessen. Anhaltspunkte für diese Bemessung seien im vorliegenden Fall die unter Beteiligung der Stadtverwaltung Stuttgart erstellte Mietwerttabelle ("Mietspiegel für Stuttgart") und die für die Gewährung von Wohngeld festgesetzten Höchstbeträge für Miete und Belastung.
Danach habe der örtlich und zeitlich erforderliche Bedarf eines Alleinstehenden für Unterkunft in Stuttgart im Jahre 1973 monatlich DM 180,- nicht überstiegen. Dasselbe gelte dann, wenn für die Bemessung des Wohnbedarfs beim Wohnen im eigenen Haus nicht auf den örtlich und zeitlich erforderlichen Unterkunftsbedarf abgestellt, sondern dieser unter Anwendung der Verwaltungsvorschriften über die Berechnung der Unterkunftsleistungen nach Sozialhilfegrundsätzen ermittelt werde.
Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 42 Satz 1 AVG. Entgegen der Auffassung des LSG könne von Unterhalt iS des § 42 AVG nicht gesprochen werden, wenn die Unterhaltsleistung des Versicherten nicht mindestens 10 vH des Gesamteinkommens der früheren Ehefrau ausgemacht habe. Entsprechend den von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) entwickelten Grundsätzen werde eine Unterhaltsleistung als Unterhalt iS des § 42 AVG nur durch eine Kumulation des objektiven Elementes des an den örtlichen und zeitlichen Gegebenheiten am Wohnort der früheren Ehefrau orientierten Mindestbedarfs mit dem subjektiven Element der Erheblichkeit der Unterhaltsleistung des Versicherten für die Lebensführung der Berechtigten qualifiziert. Die individuelle Bedarfs- und Einkommenssituation der Berechtigten und die wirtschaftliche Bedeutung der Unterhaltsleistung des Versicherten hierfür dürften daher nicht außer Betracht bleiben. Das lasse sich entgegen der Meinung des LSG insbesondere dem Urteil des BSG vom 20. Januar 1976 - 5 RJ 91/75 - nicht entnehmen. Zwar habe das BSG die Rechtsprechung aus dem Urteil vom 22. November 1968 - 11 RA 62/68 - bisher nicht fortgeführt und den dort bezeichneten 10 vH-Wert nicht näher abgegrenzt. Das habe jedoch seine Ursache darin, daß der von § 42 AVG begünstigte Personenkreis im allgemeinen weitgehend einkommenslos sei und Fälle der vorliegenden Art verhältnismäßig selten seien. Im Falle der Klägerin sei im Verhältnis zu ihren eigenen Einkünften die Unterhaltsleistung des Versicherten von DM 100,- monatlich nicht erheblich gewesen.
Die Beklagte beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 8. Juni 1977 die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 3. September 1975 zurückzuweisen;
hilfsweise: den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und meint, der Rechtsprechung des BSG sei nicht zu entnehmen, daß die Unterhaltsleistung des Versicherten mindestens 10 vH des Erwerbseinkommens der geschiedenen Ehefrau ausgemacht haben müsse. Allenfalls die Zahlung eines Bagatellbetrages werde der Unterhaltsersatzfunktion des § 42 AVG nicht gerecht.
Die Beigeladene ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die durch Zulassung statthafte Revision der Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet.
Das LSG hat die Beklagte im Ergebnis zu Recht zur Gewährung der sogen. "Geschiedenen-Witwenrente" verpflichtet. Den tragenden Gründen des angefochtenen Urteils kann allerdings nicht in allen Punkten gefolgt werden.
Nach § 42 Satz 1 AVG in seiner bis zum 30. Juni 1977 geltenden Fassung wird einer früheren Ehefrau des Versicherten, deren Ehe mit dem Versicherten geschieden, für nichtig erklärt oder aufgehoben ist, nach dem Tode des Versicherten Rente gewährt, wenn ihr der Versicherte zur Zeit seines Todes Unterhalt nach den Vorschriften des Ehegesetzes oder aus sonstigen Gründen zu leisten hatte oder wenn er im letzten Jahr vor seinem Tode Unterhalt geleistet hat.
Das Berufungsgericht hält die Voraussetzungen der zweiten und dritten Regelung des § 42 Satz 1 AVG (Unterhaltsverpflichtung aus sonstigen Gründen, tatsächliche Unterhaltsleistung) für erfüllt. Das ist insofern nicht unbedenklich, als das angefochtene Urteil keine Feststellungen darüber enthält, ob der Versicherte sich im Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung vom 21. Juli 1958 losgelöst von einem unmittelbar aus dem Ehegesetz (EheG) heranzuziehenden Gesichtspunkt und damit aus einem besonderen Grund iS der zweiten Regelung des § 42 Satz 1 AVG zur Unterhaltsleistung hat verpflichten wollen (vgl BSGE 42, 60, 61). Diesen Bedenken braucht indes nicht nachgegangen zu werden. Jedenfalls hat der Versicherte im letzten Jahr vor seinem Tode der Klägerin Unterhalt geleistet.
Insofern ist das LSG in Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl insbesondere BSGE 22, 44, 48; BSG SozR RVO § 1265 Nr 49) einschließlich derjenigen des erkennenden Senats (vgl zuletzt BSGE 43, 221, 222) davon ausgegangen, daß der vom Versicherten gezahlte Betrag mindestens 25 vH des zeitlich und örtlich notwendigen Mindestbedarfs der geschiedenen Ehefrau erreicht haben muß. Es hat sodann ausgeführt, daß der Mindestbedarf neben den Leistungen für Unterkunft lediglich die Regelsätze nach § 22 Abs 1 Satz 1 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) iVm der Verordnung zur Durchführung des § 22 des BSHG (Regelsatzverordnung) vom 20. Juli 1962 (BGBl I S. 515) ohne zusätzliche Leistungen der Sozialhilfe umfasse. Dem ist jedenfalls für den vorliegenden Fall beizupflichten. Zwar haben der erkennende Senat (Urteile vom 18. Oktober 1972 - 1 RA 35/72 - und vom 13. Dezember 1973 - 1 RA 147/73 - = FEVS 23, 39, 41; vgl auch Praxis 1974, 183) und der 4. Senat des BSG (Urteil vom 10. Dezember 1974 - 4 RJ 261/73 -; vgl aber nunmehr BSGE 40, 79, 81 = SozR 2200 § 1265 Nr 5; BSG SozR 2200 § 1265 Nr 16) beiläufig erwogen, ob im Einzelfall den Regelsätzen bestimmte Mehrleistungen nach dem BSHG wie etwa der Alterszuschlag (§ 23 BSHG) oder der Zuschlag für Blinde und Behinderte (§ 24 BSHG) hinzuzurechnen sind. Diese Frage braucht hier nicht erneut aufgegriffen zu werden. Die tatsächlichen Feststellungen des LSG bieten keine Anhaltspunkte dafür, daß in der Person der Klägerin die Voraussetzungen für die Gewährung dieser Mehrleistungen erfüllt sind.
Auf der Grundlage der gemäß § 22 Abs 3 BSHG ergangenen Erlasse der Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Sozialordnung des Landes Baden-Württemberg und somit in Anwendung nicht revisiblen Rechts (§ 162 SGG) hat das Berufungsgericht den für die Klägerin maßgebenden Regelsatz auf DM 211,- bzw DM 220,- monatlich festgestellt. Es hat weiter ausgeführt, der Wohnbedarf der Klägerin habe im Jahre 1973 nicht mehr als DM 180,- monatlich betragen. Hierbei ist es in erster Linie davon ausgegangen, daß beim Bewohnen eines eigenen Hauses oder einer Eigentumswohnung der Unterkunftsbedarf nicht entsprechend § 3 der Regelsatzverordnung nach den tatsächlichen Aufwendungen im Einzelfall, sondern nach dem örtlich und zeitlich erforderlichen Durchschnittsbetrag für Unterkunft zu bemessen sei. Dies meint das LSG aus dem Urteil des 5. Senats des BSG vom 20. Januar 1976 - 5 RJ 91/75 - (in dem hier maßgeblichen Umfange in SozSich 1976, 125 und DAngVers 1976, 177 nicht abgedruckt) herleiten zu können. Der erkennende Senat kann dem nicht folgen. Die Auffassung des LSG ist insbesondere schwerlich vereinbar mit § 3 der Regelsatzverordnung. Hiernach werden laufende Leistungen für die Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen gewährt. Dabei wird zwischen Mietaufwendungen und Aufwendungen für das eigene Haus oder die Eigentumswohnung nicht unterschieden. Vielmehr ergibt sich aus § 3 Abs 1 Satz 2 der Regelsatzverordnung, wonach unter bestimmten Voraussetzungen zu berücksichtigen ist, ob der Bedürftige die Aufwendungen durch Vermieten senken kann, daß grundsätzlich auch die tatsächlichen Aufwendungen für Wohneigentum als Bedarf zu berücksichtigen sind. Der Senat neigt demgemäß der Auffassung zu, daß im Rahmen des § 42 Satz 1 AVG der Unterkunftsbedarf auch beim Bewohnen eines eigenen Hauses oder einer Eigentumswohnung gemäß § 3 der Regelsatzverordnung in erster Linie nach den tatsächlichen Aufwendungen zu errechnen ist. Hiervon ist in seinem Urteil vom 20. Januar 1976 ersichtlich auch der 5. Senat ausgegangen. Allerdings hat er daraus die Konsequenz gezogen, daß bei der Festsetzung des notwendigen Mindestbedarfs von dem durchschnittlichen, örtlich und zeitlich erforderlichen Betrag für Unterkunft auszugehen sei. Auf die sich hieraus ergebenen Zweifelsfragen braucht der Senat nicht einzugehen und über die Frage der Berechnung des Unterkunftsbedarfs beim Bewohnen des eigenen Hauses oder der Eigentumswohnung nicht abschließend zu entscheiden. Denn nach den nicht angefochtenen und damit gemäß § 163 SGG für das Revisionsgericht bindenden Feststellungen des LSG beläuft sich auch bei einer Berechnung nach Sozialhilfegrundsätzen der Unterkunftsbedarf der Klägerin auf DM 142,47 und damit auf weniger als DM 180,- pro Monat. Jedenfalls unter Zugrundelegung dessen hat das LSG die Leistung des Versicherten an die Klägerin in Höhe von monatlich DM 100,- zu Recht als Unterhalt iS des § 42 Satz 1 AVG angesehen.
Feststellungen über die Höhe der Einkünfte der Klägerin im letzten Jahr vor dem Tode des Versicherten und ihre Relation zu den Unterhaltsleistungen des Versicherten hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Das ist nicht zu beanstanden. Derartiger Feststellungen hätte es nur bedurft, wenn Leistungsverpflichtungen oder Leistungen des Versicherten einen bestimmten Anteil des eigenen Einkommens der geschiedenen Ehefrau erreichen oder übersteigen müßten, um als Unterhalt iS des § 42 Satz 1 AVG qualifiziert werden zu können. Das ist entgegen der Ansicht der Beklagten nicht der Fall. Die Rechtsprechung des BSG bietet hierfür keine Anhaltspunkte. Danach kann im Rahmen des § 42 Satz 1 AVG (zu § 42 Satz 2 AVG vgl BSGE 42, 56 = SozR 2200 § 1265 Nr 18) nicht jede noch so geringfügige Unterhaltsverpflichtung oder -leistung des Versicherten zugunsten seiner früheren Ehefrau einen Anspruch auf Hinterbliebenenrente auslösen. Geringfügig ist eine Unterhaltsverpflichtung bzw -leistung dann, wenn sie für die Lebensführung der geschiedenen Frau ohne nennenswerte wirtschaftliche Bedeutung ist (vgl insbesondere BSGE 22, 44, 47; BSG SozR RVO § 1265 Nr 49). Die wirtschaftliche Bedeutung des Unterhaltsbetrags richtet sich nach zwei Kriterien (vgl die Unterscheidung in BSGE 22, 44, 48). Sie ist einmal durch einen Vergleich mit dem örtlich und zeitlich notwendigen Mindestbedarf festzustellen. Danach ist der Unterhaltsbetrag geringfügig, wenn er etwa 25 vH des Mindestbedarfs nicht erreicht (vgl ua BSGE 40, 79, 81; BSG SozR 2200 § 1265 Nrn 3 und 16). Zum anderen hat das BSG die wirtschaftliche Bedeutung des Unterhaltsbetrages bisher nach dessen nomineller (absoluter) Höhe beurteilt (vgl BSGE 22, 44, 48; 42, 56, 57; BSG FEVS 17, 116, 119; Urteil vom 22. November 1968 - 11 RA 62/68 -).
Ob es der Heranziehung dieses Kriteriums noch bedarf, begegnet Zweifeln. Denn regelmäßig erreicht ein nach seiner absoluten Höhe geringfügiger Betrag zugleich 25 vH des örtlich und zeitlich notwendigen Mindestbedarfs nicht. Dies kann jedoch auf sich beruhen. Jedenfalls hat das BSG die wirtschaftliche Bedeutung eines Unterhaltsbetrages nicht außerdem noch nach seinem Verhältnis zu den anderweitigen Einkünften der geschiedenen Ehefrau beurteilt. Insbesondere dem Urteil vom 22. November 1968 - 11 RA 62/68 - (Leitsatz in VersR 1969, U 49, Nr 25) ist dies nicht zu entnehmen. Hierin wie auch im Urteil vom 19. Juni 1969 - 11 RA 138/68 - (FEVS 17, 116) hat der 11. Senat lediglich beiläufig erwogen, ob im Hinblick auf besonders hohe Einkünfte der geschiedenen Ehefrau ein Unterhaltsbetrag ungeachtet dessen als geringfügig angesehen werden kann, daß er 25 vH des örtlich und zeitlich notwendigen Mindestbedarfs erreicht oder übersteigt. Dies ist offengeblieben, weil in den konkreten Fällen der Unterhaltsbetrag jedenfalls 10 vH des sonstigen Bareinkommens der damaligen Klägerinnen ausgemacht bzw überstiegen hat. Dies ist nicht gleichbedeutend mit der Entscheidung, daß ein Unterhaltsbetrag von weniger als 10 vH der sonstigen Einkünfte der geschiedenen Ehefrau generell als geringfügig anzusehen ist (vgl hierzu auch Urteil des BSG vom 10. Dezember 1974 - 4 RJ 261/73 -).
Ob ein Unterhaltsbetrag geringfügig ist, darf nicht aufgrund eines Vergleiches mit den sonstigen Einkünften der geschiedenen Ehefrau beurteilt werden. Als Vergleichsgröße kommt lediglich der zeitlich und örtlich notwendige Mindestbedarf in Betracht. Nur dies entspricht dem Wesen und der Funktion der Hinterbliebenenrente in der gesetzlichen Rentenversicherung. Sie ist keine individuell zweckgerichtete und bemessene Leistung und weder dem Grunde noch ihrer Höhe nach von den persönlichen Verhältnissen und Bedürfnissen des jeweiligen Anspruchstellers abhängig (vgl BSG SozR 2200 § 1265 Nr 16). Vielmehr hat sie aufgrund ihrer Unterhaltsersatzfunktion den Zweck, einen mit dem Tode des Versicherten nicht im konkreten Einzelfall, sondern typischerweise verbundenen Verlust eines Unterhaltsanspruchs oder einer Unterhaltsleistung auszugleichen. Damit kann auch die wirtschaftliche Bedeutung dieses Verlustes nur typisierend - am Maßstab des örtlich und zeitlich notwendigen Mindestbedarfs - festgestellt werden. Eine Feststellung nach den individuellen Einkommensverhältnissen des Anspruchstellers scheidet aus. Hierdurch erhielte die Hinterbliebenenrente den Charakter einer auf die persönlichen Verhältnisse und Bedürfnisse des Anspruchstellers ausgerichteten Leistung. Dies widerspricht ihrem Wesen und ihrer Funktion.
Die Unterhaltsleistungen des Versicherten an die Klägerin sind demnach nicht nur geringfügig gewesen. Dies führt zur Zurückweisung der Revision der Beklagten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen