Entscheidungsstichwort (Thema)
Förderung einer 2. Bildungsmaßnahme nach § 42 Abs. 2 AFG
Leitsatz (redaktionell)
Die gemäß AFG § 42 Abs 2 für einen erneuten Förderungsanspruch erforderliche Zwischenbeschäftigungszeit muß auch dann erfüllt sein, wenn die vorangegangene geförderte Maßnahme abgebrochen wurde.
Orientierungssatz
Es ist sachgerecht, zur Einsparung von Mitteln der BA die Förderung in allen Fällen einzuschränken, in denen die BA bereits einmal Leistungen zur Förderung einer Bildungsmaßnahme erbracht hat. Dafür macht es keinen wesentlichen Unterschied, aus welchen Gründen die vorangegangene geförderte Maßnahme nicht zum Erfolg geführt hat. Allein maßgebend ist die Tatsache der Förderung.
AFG § 42 Abs 2 verstößt nicht gegen GG Art 3 Abs 1.
Normenkette
AFG § 42 Abs. 2 Fassung: 1975-12-18; GG Art. 3 Abs. 1 Fassung: 1949-05-23
Verfahrensgang
SG Gelsenkirchen (Entscheidung vom 17.12.1976; Aktenzeichen S 4 Ar 237/76) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 17. Dezember 1976 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin war nach Abschluß der Ausbildung und staatlicher Anerkennung als Kinderpflegerin von 1967 an in diesem Beruf tätig. Ab 2. September 1974 nahm sie an einer Umschulungsmaßnahme zum Datenverarbeitungskaufmann teil und erhielt dafür von der Beklagten Unterhaltsgeld (Uhg) und Fahrkostenerstattung. Sie brach die Maßnahme am 31. Mai 1975 ab. Danach war sie arbeitslos, bis sie wieder eine Anstellung als Kinderpflegerin fand. Am 22. Dezember 1975 beantragte die Klägerin Förderung ihrer Ausbildung zur staatlich anerkannten Erzieherin vom 2. Februar 1976 bis zum 30. Juni 1977. Das Arbeitsamt Gelsenkirchen lehnte den Antrag ab (Bescheid vom 13. Februar 1976; Widerspruchsbescheid vom 13. September 1976).
Mit Urteil vom 17. Dezember 1976 hat das Sozialgericht (SG) die Klage abgewiesen. Es hat in den Gründen ausgeführt, dem Anspruch der Klägerin stehe die eindeutige Vorschrift des § 42 Abs 2 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) idF des Gesetzes zur Verbesserung der Haushaltsstruktur im Geltungsbereich des AFG und des Bundesversorgungsgesetzes (HStruktG-AFG) vom 18. Dezember 1975 (BGBl I, 3113) entgegen. Der Beklagten könne nicht verwehrt werden, sich auf diese Vorschrift zu berufen. Ein arglistiges Verhalten der Beklagten liege eindeutig nicht vor und könne schon deshalb nicht angenommen werden, weil zum Zeitpunkt der Bewilligung der Erstförderung die hier maßgebliche Regelung des § 42 Abs 2 AFG nicht zu erwarten gewesen sei.
Die Klägerin hat mit Einwilligung der Beklagten die vom SG zugelassene Sprungrevision eingelegt und macht geltend, § 42 Abs 2 AFG verstoße gegen Art 3 des Grundgesetzes (GG). Die Vorschrift differenziere nicht, ob die Erstförderung in ihrem gesamten Umfange ausgenutzt oder ob und aus welchem Grunde sie abgebrochen worden sei. Im Falle der Klägerin sei der Abbruch auf ein Verschulden des Arbeitsamtes zurückzuführen; es habe nicht rechtzeitig festgestellt, daß sie für die Ausbildung ungeeignet gewesen sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 17. Dezember 1976 sowie den Bescheid vom 13. Februar 1976 idF des Widerspruchsbescheides vom 13. September 1976 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, Förderungsleistungen nach dem AFG auf den Antrag vom 22. Dezember 1975 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie macht geltend, für die Teilnehmereigenschaft iS des § 42 Abs 2 AFG komme es nicht darauf an, ob die Maßnahme abgebrochen worden sei. Unabhängig vom Beratungsergebnis vor Beginn der Umschulungsmaßnahme zum Datenverarbeitungskaufmann müsse das Risiko ihrer Beendigung von der Klägerin getragen werden. Ein Verschulden des Arbeitsamtes sei nicht zu berücksichtigen und auch vom SG nicht festgestellt worden.
Beide Beteiligte haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Sprungrevision der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet. Mit Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Ein Anspruch der Klägerin auf Förderung der Bildungsmaßnahme zur staatlich anerkannten Erzieherin ist nicht gegeben. Für die begehrte Förderung können nur Leistungen nach §§ 44 und 45 AFG in Betracht kommen. Dagegen scheidet eine Förderung nach § 40 AFG aus, weil berufliche Ausbildung iS dieser Vorschrift stets nur die erste zu einem Abschluß führende Bildungsmaßnahme sein kann (BGB SozR 4100 § 47 Nr 14), und die Klägerin bereits als Kinderpflegerin ausgebildet war. Die Klägerin erfüllt aber für einen Anspruch auf Förderung der beruflichen Fortbildung oder Umschulung gemäß §§ 44 und 45 AFG iVm § 47 Abs 1 Satz 2 AFG nicht die Voraussetzungen des § 42 Abs 2 AFG. Danach wird ein Antragsteller, der bereits einmal als Teilnehmer an einer Fortbildungs- oder Umschulungsmaßnahme nach dem AFG gefördert worden ist, erneut nur gefördert, wenn er danach mindestens weitere drei Jahre beruflich tätig gewesen ist. Die berufliche Tätigkeit verkürzt sich um ein Jahr, wenn der Antragsteller an einer Maßnahme mit Vollzeitunterricht und einer Dauer bis zu sechs Monaten teilnimmt oder an einer Maßnahme mit Teilzeitunterricht und einer Dauer bis zu 12 Monaten. Die Klägerin hatte im Winterhalbjahr 1974/75 an einer Umschulungsmaßnahme teilgenommen und war als Teilnehmer nach dem AFG gefördert worden. Sie ist danach weniger als ein Jahr berufstätig gewesen. Daher liegen weder die Voraussetzungen des § 42 Abs 2 AFG vor, noch diejenigen des Abs 3.
Ein Förderungsanspruch ergibt sich auch nicht abweichend von § 42 Abs 2 AFG aus § 2 der am 1. Januar 1976 in Kraft getretenen Verordnung zur Förderung der beruflichen Fortbildung und Umschulung bei ungünstiger Beschäftigungslage vom 3. März 1976 (BGBl I 411). Die Verordnung begünstigt arbeitslose Antragsteller; indessen ist die Klägerin bis zum Beginn der Maßnahme als Kinderpflegerin tätig gewesen, sie wäre auch nicht ohne die Maßnahme arbeitslos geworden. Nach der am 1. Januar 1977 in Kraft getretenen Verordnung zur Förderung der beruflichen Fortbildung und Umschulung bei ungünstiger Beschäftigungslage vom 17. Dezember 1976 (BGBl I, 3606) wird außerdem gefördert, wer zuvor während der Teilnahme an einer Vollzeitmaßnahme mit einer Dauer bis zu drei Monaten oder an einer Teilzeit- oder Fernunterrichtsmaßnahme mit einer Dauer bis zu 12 Monaten gefördert worden ist. Die Klägerin hat, wie sich gemäß § 44 Abs 1 AFG aus der Gewährung von Uhg für die Ausbildung zum Datenverarbeitungskaufmann ergibt, an einer Vollzeitmaßnahme teilgenommen, die mehr als drei Monate gedauert hat.
Die Bestimmung des § 42 Abs 2 AFG verstößt - entgegen der Auffassung der Klägerin - nicht gegen Art 3 GG. Verboten ist danach die willkürliche Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem (Leibholz-Rinck, GG, Komm, 5. Aufl, Art 3 Anm 2). Die Teilnahme an einer geförderten abgebrochenen Bildungsmaßnahme unterscheidet sich aber nicht wesentlich von der geförderten Teilnahme an einer abgeschlossenen Maßnahme. Im AFG und in der Verordnung vom 17. Dezember 1976 sind geringere Voraussetzungen für den Anspruch auf Uhg vorgesehen, wenn die vorangegangene Maßnahme nur kürzere Zeit gedauert hat. Im übrigen können gewisse Unterschiede zwischen den Sachverhalten vernachlässigt werden. Insbesondere besitzt der Gesetzgeber im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit eine größere Gestaltungsfreiheit, und zwar gerade dann, wenn mit der Leistung keine Verpflichtung der Gemeinschaft erfüllt, sondern aus freier Entschließung durch finanzielle Zuwendungen ein bestimmtes Verhalten der Bürger gefördert wird. Hier ist der Gesetzgeber weitgehend frei, zu entscheiden, wie er die einzusetzenden Mittel verteilen will (Leibholz-Rinck aaO Anm 10). Die unterschiedliche Regelung von Sachverhalten muß sich allerdings aus der Eigenart des Sachverhältnisses begründen, die Regelung muß systemgerecht sein (Leibholz-Rinck aaO Anm 11).
Die Vorschrift des § 42 Abs 2 AFG entspricht diesen Anforderungen an ein Gesetz und ist nicht verfassungswidrig. Das AFG hat der Bundesanstalt aus freier Entschließung und nicht aufgrund einer vorher bestehenden Verpflichtung der Gemeinschaft auferlegt, Bildungsmaßnahmen zu fördern. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs zum HStruktG-AFG zielt die Regelung des § 42 Abs 2 AFG darauf ab, eine nicht vertretbare Dauerinanspruchnahme der Förderungsleistungen zu verhindern, ohne jedoch den Ausbau und die Vertiefung der Fortbildung unmöglich zu machen. In der Begründung heißt es weiter, eine stufenweise Fortbildung entspreche dem gegliederten System der beruflichen Bildung. Jede weitere Fortbildungsstufe solle jedoch auf den Berufserfahrungen, die in der jeweils vorher erreichten beruflichen Ebene gewonnen worden sind, aufbauen. Ein unmittelbarer "Durchstieg" zu einem von vornherein ins Auge gefaßten Endziel sei mehr dem Bereich der Ausbildung zuzuordnen und deshalb aus der Förderung nach dem AFG auszuschließen (BT-Drucks 7/4127 zu Art 20 § 1 Nr 5 Abs 2). Trotz des zweiten Teils dieser Begründung ist die Vorschrift des § 42 Abs 2 AFG nicht auf Maßnahmen der stufenweisen Fortbildung und überhaupt nicht auf Maßnahmen der Fortbildung beschränkt. Sie ist vielmehr nach § 47 Abs 1 Satz 2 AFG auch bei Umschulungsmaßnahmen anwendbar und erfaßt darüberhinaus nach ihrem ausdrücklichen Wortlaut den Fall, in dem eine Umschulungsmaßnahme vorausgegangen ist. Dafür gilt der erste Satz der Begründung des Regierungsentwurfs, nach dem durch die Bestimmung verhindert werden sollte, daß Antragsteller die Leistungen dauernd in Anspruch nehmen. § 42 Abs 2 AFG hat seine hier anzuwendende Fassung durch das HStruktG-AFG erhalten, mit dem nach seiner allgemeinen Zielsetzung die öffentlichen Finanzen konsolidiert werden sollten (BT-Drucks 7/4127 S. 30). Es ist daher sachgerecht, zur Einsparung von Mitteln der Bundesanstalt für Arbeit die Förderung in allen Fällen einzuschränken, in denen die Bundesanstalt bereits einmal Leistungen zur Förderung einer Bildungsmaßnahme erbracht hat. Dafür macht es keinen wesentlichen Unterschied, aus welchen Gründen die vorangegangene geförderte Maßnahme nicht zum Erfolg geführt hat. Allein maßgebend ist die Tatsache der Förderung. Wer eine geförderte Maßnahme gleich aus welchen Gründen abbricht, hat jedenfalls finanzielle Mittel der Bundesanstalt in Anspruch genommen und unterscheidet sich damit wesentlich von einem anderen Antragsteller, der noch nicht gefördert worden ist. Es paßt zu diesem Differenzierungsgrund, daß nach § 42 Abs 3 AFG und nach § 2 Abs 2 der Verordnung vom 17. Dezember 1976 die Sperrzeit von drei Jahren je nach Dauer der vorausgegangenen Maßnahme und der neuen Bildungsmaßnahme verkürzt wird oder ganz wegfällt.
Mit Recht hat das SG einen Förderungsanspruch unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben abgelehnt. Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, daß das Arbeitsamt bereits bei der Antragstellung für die vorangegangene Förderung die Klägerin auf die Möglichkeit des späteren Rechtsverlustes gemäß § 42 Abs 2 AFG in der damals noch nicht bekannten Fassung des HStruktG-AFG hätte aufmerksam machen müssen.
Dafür, daß die Beklagte die Klägerin bei der voraufgegangenen Umschulungsmaßnahme schuldhaft rechtswidrig gefördert hat, besteht kein Anhalt und ist vom SG nicht festgestellt worden.
Die Revision ist aus allen diesen Gründen mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen.
Fundstellen