Leitsatz (redaktionell)
1. Grundsätzlich reicht für die Verwirkung der bloße Zeitablauf nicht aus.
Die Verwirkung soll nicht die Verjährung verdrängen, sondern lediglich Unbilligkeiten verhindern, die sich aus den langen Verjährungsfristen ergeben.
2. Die vom BSG im Hinblick auf die Grundsätze von Treu und Glauben angenommene unzulässige Rechtsausübung bei Geltendmachung von Rückforderungsansprüchen nach KOV-VfG § 47 Abs 2 Versorgungsverwaltung für einem Zeitraum, der mehr als 4 Jahre zurückliegt, bezieht sich nur auf das Verhältnis zwischen Versorgungsverwaltung und Versorgungsberechtigten, gegenüber denen die Versorgungsverwaltung eine allgemeine Fürsorgepflicht hat. Versorgungsverwaltung und Krankenversicherungsträger stehen sich dagegen gleichberechtigt gegenüber. Hier kann der bloße Zeitablauf die Geltendmachung eines Recht vor Eintritt der Verjährung nicht ausschließen.
3. Ansprüche der Versorgungsverwaltung gegen die Krankenkasse auf Erstattung des gemäß BVG § 19 geleisteten Kostenersatzes verjährten nach dem bis zum 31.12.1963 geltenden Recht in entsprechender Anwendung des BGB § 195 in 30 Jahren.
4. Eine Verwirkung des Rückforderungsanspruchs kommt nur dann in Betracht, wenn die Versorgungsverwaltung lange Zeit untätig geblieben ist und durch besondere Umstände der Eindruck erweckt wurde, sie werde von ihrem Recht nicht mehr Gebrauch machen.
5. Juristische Personen des öffentlichen Rechts haben keinen Grundrechtsschutz, soweit sie öffentliche Aufgaben wahrnehmen.
Orientierungssatz
Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch verjährt in 30 Jahren.
Normenkette
KOVVfG § 47 Abs. 2 Fassung: 1960-06-27; BGB § 195 Fassung: 1896-08-18, § 197 Fassung: 1896-08-18, § 242 Fassung: 1896-08-18
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 27. November 1967 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Beteiligten streiten darum, ob die Ansprüche des Beklagten auf Rückerstattung von ersetzten Heilbehandlungskosten für die Jahre 1950 bis 1955 verjährt oder verwirkt sind.
Die Klägerin gewährte ihren Kassenmitgliedern freie Heilbehandlung auf Grund der Sozialversicherungsdirektive (SVD) Nr. 27 vom 2. Mai 1947 (ArbBl. f. d. brit. Zone 1947, 155) und des Bundesversorgungsgesetzes (BVG); der Beklagte erstattete ihr in der Folge die Heilbehandlungskosten. Nachträglich, erstmalig im Mai 1956, stellte das Versorgungsamt in mehreren Fällen fest, daß es an die Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) auch Kosten für Heilbehandlung erstattet habe, die vor Beantragung oder trotz Versagung von Versorgungsleistungen oder durch die Behandlung versorgungsfremder Leiden entstanden seien. Es forderte Ende 1962 diese zu Unrecht erstatteten Heilbehandlungskosten von insgesamt 3.924,08 DM von der AOK zurück und rechnete mit seinem Rückforderungsanspruch gegen Ersatzansprüche der Klägerin aus dem laufenden Quartal auf. Die AOK erkannte die Aufrechnung nicht an und erhob am 8. Mai 1963 Klage; sie begehrt, den Beklagten zur Zahlung von 3.294,08 DM zu verurteilen; seine Rückerstattungsansprüche seien verjährt. Das Sozialgericht (SG) Oldenburg hat der Klage mit Urteil vom 12. Oktober 1965 stattgegeben und ausgeführt, § 21 Abs. 2 BVG idF des 5. Änderungsgesetzes vom 6. Juni 1956 (BGBl I 463) sei auf die Rückerstattungsansprüche der Versorgungsverwaltung entsprechend anzuwenden; die Rückerstattungsansprüche des Beklagten seien daher verjährt.
Auf die Berufung des Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen mit Urteil vom 27. November 1967 das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Ersatzforderungen der Klägerin seien durch die Aufrechnung des Beklagten mit den nach Grund und Höhe unbestrittenen Erstattungsansprüchen erloschen. Diese Forderungen des Beklagten seien nicht verjährt. Grundsätzlich verjähre eine öffentlich-rechtliche Forderung in 30 Jahren. Erst mit dem Erlaß des 2. Neuordnungsgesetzes (NOG) vom 21. Februar 1964 (BGBl I 85) sei die Verjährungsfrist für Ansprüche auf Rückerstattung auf zwei Jahre begrenzt worden. Die Regelung des 5. Änderungsgesetzes für die Ersatzansprüche der Krankenkassen könne nicht entsprechend auf Erstattungsansprüche angewendet werden. Entgegen der Rechtsprechung des Reichsversicherungsamts (RVA) habe auch das Bundessozialgericht (BSG) in seiner Entscheidung vom 26. April 1967 - 9 RV 280/66 - (SozR BVG § 21 Nr. 2) in Übereinstimmung mit der grundsätzlichen Entscheidung des Reichsversorgungsgerichts (RVG) in RVG 13, 152 ff an der 30-jährigen Verjährungs-Frist für Rückerstattungsansprüche festgehalten. Im übrigen habe der Gesetzgeber die Regelung der Verjährung von Rückerstattungsansprüchen in § 21 Abs. 2 BVG idF des 5. Änderungsgesetzes bewußt nicht geändert. Denn bei der Beratung des 1. NOG sei eine Ausdehnung des § 21 Abs. 2 BVG auf die Rückerstattung des nach § 19 BVG geleisteten Kostenersatzes abgelehnt worden. Eine ausfüllungsbedürftige Gesetzeslücke bestehe daher nicht. Wenn das 2. NOG die Verjährungsfrist auch für Rückerstattungsansprüche auf zwei Jahre verkürzt habe, so sei dies für die Entscheidung des vorliegenden Falles ohne Bedeutung; dieser Änderung komme keine Rückwirkung zu. Dem Urteil des BSG vom 30. September 1966 - 9 RV 562/65 - habe schließlich ein anderer Sachverhalt zugrunde gelegen. Dort habe es sich um Ersatzansprüche der Versorgungsverwaltung gegen die Krankenkasse, also gerade nicht um Rückforderungsansprüche gehandelt. Die Ansprüche des Beklagten seien somit nicht verjährt.
Sein Anspruch auf Rückerstattung der zu Unrecht gewährten Ersatzleistungen sei auch nicht verwirkt. Zwar habe der Beklagte sich ungewöhnlich viel Zeit gelassen, um seine Erstattungsansprüche geltend zu machen. Aus dieser langen Untätigkeit habe die Klägerin aber nicht folgern können, der Beklagte werde die ohne Rechtsgrund erbrachten Leistungen nicht zurückfordern.
Denn auch sie habe die Rundschreiben des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung (BMA) vom 20. April und 2. August 1961 gekannt; aus ihnen sei unschwer zu entnehmen gewesen, daß sie Zahlungen zu Unrecht erhalten habe. Auch im Hinblick auf das Ergebnis einer Besprechung zwischen dem Niedersächsischen Sozialminister und dem Landesverband der Ortskrankenkassen Niedersachsen am 23. Oktober 1959 habe sie nicht darauf vertrauen dürfen, die streitigen Beträge endgültig behalten zu können; denn der Niedersächsische Sozialminister habe damals erklärt, er werde den BMA über das Ergebnis der Verhandlung unterrichten. Schließlich sei nicht ersichtlich, daß die Klägerin sich in ihren Entscheidungen auf das vermeintliche Behaltendürfen eingerichtet habe; ihr werde also von dem Beklagten ein unbilliger zusätzlicher Nachteil nicht zugefügt.
Mit der Revision gegen dieses Urteil rügt die Klägerin die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Dabei bemängelt sie mit näherer Begründung einen Verstoß gegen § 103 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Das LSG habe es - entgegen der Auffassung des BSG in seinem Urteil vom 17. Oktober 1967 - 9 RV 146/66 - unterlassen, den Rückerstattungsanspruch des Beklagten im einzelnen aufzugliedern und dann entsprechend zu würdigen. Ein genaues Aufgliedern der Ansprüche des Beklagten würde ergeben haben, daß zumindest ein Teil der zur Aufrechnung gestellten Forderungen nicht bestehe. Die Klägerin könne nämlich nachträglich Daten nicht mehr ermitteln, auf die es nach neuem Recht angekommen sei. Dadurch lasse sich eine sichere Feststellung, ob eine Leistung ohne Rechtsgrund erfolgt sei, nicht treffen. Schon deshalb müsse der Erstattungsanspruch verwirkt sein.
Auf jeden Fall sei die kurze Verjährungsfrist des § 21 Abs. 2 BVG idF des 2. NOG auch auf die Rückerstattungsforderung des Beklagten anzuwenden. Das BSG behandele in ständiger Rechtsprechung im Bereich der Sozialversicherung die Verjährung von Ersatz- und Erstattungsansprüchen gleich; hiervon in der Kriegsopferversorgung (KOV) abzuweichen, bestehe kein Grund. Im übrigen stellten die §§ 84 ff BVG bei wörtlicher Auslegung eine entschädigungslose Enteignung dar. Der rückwirkende Eingriff des Staates in abgeschlossene Tatbestände sei Willkür. Die rückwirkende Beseitigung von Ersatzansprüchen wegen in gutem Glauben in die Rechtsbeständigkeit des staatlichen Auftrags gemachter Aufwendungen verstoße zugleich gegen Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) und das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit. Im übrigen sei der Anspruch des Beklagten verwirkt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des LSG Niedersachsen vom 27. November 1967 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG Oldenburg vom 12. Oktober 1965 zurückzuweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin als unbegründet zurückzuweisen.
Die mit Beschluß vom 17. August 1967 beigeladene Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den BMA, hat keinen Antrag gestellt.
Der Beklagte und die Beigeladene verteidigen das angefochtene Urteil.
Die Revision ist durch Zulassung statthaft (§ 162 Abs. 1 Satz 1 SGG) und von der Klägerin form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§ 164 SGG); sie konnte aber keinen Erfolg haben.
Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt von der Wirksamkeit der von der Versorgungsverwaltung erklärten Aufrechnung ab. Gegen die Zulässigkeit der Aufrechnung an sich bestehen hier, weil beide Forderungen dem öffentlichen Recht angehören, keine Bedenken (vgl. Frosthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 9. Aufl. 1966, S. 272).
Wirksam ist die erklärte Aufrechnung nur, wenn eine Forderung des Beklagten überhaupt bestand. Insoweit rügt die Klägerin mangelnde Sachaufklärung.
Für die Frage, ob das LSG § 103 SGG verletzt hat, kommt es nach ständiger Rechtsprechung des BSG (s. statt anderem Beschluß vom 20. Februar 1963 - 12 RJ 504/62 - SozR SGG § 103 Nr. 40) darauf an, ob der Sachverhalt, wie er dem LSG zur Zeit der Urteilsfällung bekannt war, von dessen sachlich-rechtlichem Standpunkt aus zur Entscheidung des Rechtsstreits ausreichte oder ob dieser das LSG zu weiteren Ermittlungen hätte drängen müssen. Ein Gericht braucht indes nicht alle denkmöglichen Probleme eines Falles zu überprüfen; immerhin war die Klägerin, die als Krankenkasse mit den in Betracht kommenden Rechtsfragen vertraut ist, gleichfalls vom Bestehen des Anspruchs ausgegangen. Sie hat gegen den Bestand der Forderungen, mit denen der Beklagte aufrechnet, keine Einwendung erhoben. Ohne konkrete Zweifel war aber das Berufungsgericht nicht verpflichtet, die ihm vorliegenden Unterlagen im einzelnen zu überprüfen; das hätte es nur tun müssen, um erkennbar bestehende Unklarheiten beseitigen oder den lückenhaften Sachvortrag der Beteiligten ergänzen zu können (BVerwG, Urteil vom 4. Juli 1958; Buchholz: Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des BVerwG Nr. 75 zu 427.3 §§ 339 LAG). Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, daß die Rückforderungsansprüche des Beklagten auf unstreitigen Sachverhalten beruhten, daß hinsichtlich ihrer rechtlichen Beurteilung unter den Beteiligten Einigkeit bestehe und daß lediglich die Frage der Verjährung bzw. Verwirkung Anlaß zu dem Rechtsstreit gewesen sei; aus diesen Gründen hat es eine Aufschlüsselung der Aufrechnungsforderungen unterlassen. Nur weil es der Ansicht gewesen ist, daß es auf die Art der einzelnen Ersatzleistungen nicht ankomme, hat es weitere Ermittlungen für entbehrlich gehalten (BSG, Urteil vom 23. August 1957 - 9 RV 282/55 - KOV 1958 LSpr . Nr. 751; Beschluß vom 20. Februar 1963 aaO). Wenn sich die Klägerin jetzt in der Revisionsinstanz erstmals gegen den Bestand der Forderung des Beklagten wendet, so wirft sie ein dem materiellen Recht zugehöriges Problem auf. Damit kann sie bei einer - wie vorliegend - nicht zugelassenen Revision nicht gehört werden. Da eine Verfahrensrüge auf dieses sachlich-rechtliche Vorbringen nicht gestützt werden kann, ist ein Verstoß gegen § 103 SGG nicht ersichtlich.
Weitere zulässige und begründete Revisionsgründe sind hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht vorgebracht worden. Der Senat ist daher gemäß § 163 SGG an diese Feststellungen gebunden. Bei der Prüfung der Frage, ob der Gegenanspruch der Versorgungsverwaltung besteht, ist somit davon auszugehen, daß der Beklagte nur die Erstattungskosten für Heilbehandlungen geltend macht, die für Leiden vor Stellung des Versorgungsantrags, für solche, deren Anerkennung widerrufen worden ist, oder für versorgungsfremde Leiden gewährt wurden. Der Umfang des Ersatzanspruchs einer Krankenkasse für Heilbehandlungsmaßnahmen ist in § 19 BVG festgelegt. Danach hängt die Verpflichtung des Beklagten zur Erstattung gewährter Heilbehandlungskosten davon ab, daß die Aufwendungen der Kasse durch die Behandlung anerkannter Schädigungsfolgen entstanden sind. Maßgebend ist die Natur der behandelten Leiden; ihre Anerkennung als Schädigungsfolge muß im Zeitpunkt der Krankenversorgung beantragt gewesen, sie darf nicht versagt oder darf Später nicht rückwirkend aufgehoben worden sein. Diese einschränkenden Voraussetzungen lagen nach den oben wiedergegebenen Feststellungen des LSG nicht vor. Der Beklagte war daher in Höhe des zurückgeforderten Betrages nach § 19 BVG nicht zur Leistung verpflichtet. Warum es insoweit für die Rechtmäßigkeit der Rückforderung auf die Natur der Leistung ankommen soll, ist nicht ersichtlich. Das von der Klägerin angeführte Urteil des BSG vom 17. Oktober 1967 - 9 RV 146/66- betraf einen anderen Sachverhalt, nämlich die Erstattung von Kosten, die die Krankenkasse für die Behandlung anerkannter Schädigungsfolgen aufgewendet hatte. Im vorliegenden Falle dagegen handelt es sich um Behandlungskosten für noch nicht anerkannte, abgelehnte oder später rückwirkend aberkannte Schädigungsfolgen. Da auch die SVD Nr. 27 einen Kostenersatz nur für die Behandlung von "Schädigungsleiden" vorgesehen hatte, sind die Rückforderungsansprüche des Beklagten mithin begründet.
Der Geltendmachung der Rückforderung der Versorgungsverwaltung steht auch nicht die von der Klägerin erhobene Einrede der Verjährung entgegen. Da die Forderungen der Klägerin, gegen die der Beklagte aufgerechnet hat, erst in den Jahren 1962 und 1963 entstanden sind, ein Erlöschen beider Forderungen in entsprechender Anwendung des § 390 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) also erst in diesem Zeitraum in Betracht kommt, ist mithin zu prüfen, ob die Erstattungsansprüche des Beklagten 1962 verjährt waren.
Die Verjährung ist ein dem Privatrecht angehörendes Rechtsinstitut. Ob sie als allgemeiner Rechtsgedanke generell vom öffentlichen Recht übernommen werden kann, ist umstritten; jedoch bestehen gegen die Anwendung der Verjährungsgrundsätze auf Vermögensansprüche des öffentlichen Rechts keine Bedenken (BSG, Urteil vom 9. April 1963 - 10 RV 1059/60 - BSG 19, 88, 90; Wolff, Verwaltungsrecht I, 7. Aufl. 1968, § 37 III e 2; Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 9. Aufl. 1966, S. 167/8; Haueisen, Zur Frage der Verjährung von Ansprüchen auf öffentlich-rechtlichen Leistungen, DOK 1965. 201). Der Senat hatte zunächst zu entscheiden, ob die Rückzahlungsforderungen des Beklagten 1962 und 1963 bereits verjährt waren, ob also die Verjährungsfrist für seine Ansprüche vor Erlaß des 2. NOG zwei oder 30 Jahre betrug. Das 2. NOG vom 21. Februar 1964 (BGBl I 85) hat erstmals in § 21 Abs. 2 Satz 1 BVG die Verjährungsfrist auch für Ansprüche auf Rückerstattung des nach § 19 BVG gewährten Kostenersatzes auf zwei Jahre begrenzt. Die Änderung des § 21 Abs. 2 Satz 1 BVG wirkt nicht in der Weise zurück, daß die Verjährungsfrist für Rückerstattungsansprüche bereits vor 1964 auf zwei Jahre begrenzt worden ist, weil das Gesetz ihm keine Rückwirkung beigelegt hat. Er kann auch nicht als Positivierung eines bereits geltenden allgemeinen Grundsatzes angesehen werden. Daß der Gesetzgeber von einer längeren Verjährungsfrist ausgegangen ist, ergibt sich einmal aus der Schaffung der kurzen Zweijahresfrist, um "das Abrechnungsverfahren zwischen Versorgungsämtern und Krankenkassen (zu) intensivieren" (Deutscher Bundestag, 4. Wahlperiode 1961, Bundestags-Drucks. Nr. 1831, S. 5), zum anderen aus der Ablehnung eines Antrags auf Verkürzung der Verjährungsfrist bei der Beratung des 1. NOG vom 27.6.1960 (Deutscher Bundestag, 3. Wahlperiode 1957, 114. Sitzung, S. 6493 C und S. 6516 B).
Als die Ansprüche des Beklagten entstanden, gab es für Ersatz- und Erstattungsansprüche der Krankenkassen und Versorgungsverwaltung keine Sonderbestimmung hinsichtlich der Verjährungsfrist. Erst das 5. Gesetz zur Änderung und Ergänzung des BVG vom 6. Juni 1956 (BGBl I 463) setzte für die Verjährung der Ersatzansprüche der Krankenkasse gegen den Versorgungsträger aus § 19 BVG eine Frist von zwei Jahren fest (§ 21 Abs. 2 BVG). In Ermangelung einer positiven Regelung verjährten deshalb in entsprechender Anwendung des § 195 BGB die Ersatz- und Erstattungsansprüche in 30 Jahren (BSG, Urteil vom 26. April 1967 - 9 RV 280/66 in SozR BVG § 21 Nr. 2; Urteil vom 17. Oktober 1967 - 9 RV 146/66 in SozR BVG § 19 Nr. 4; weiter Forsthoff aaO, S. 68; Wilke, BVG, Komm., 1. Aufl. Anm. II, III zu § 21; Räschr . des BMA vom 7. November 1958, BVBl 1958, 152). Zu prüfen bleibt, ob die seit dem Erlaß des 5. Änderungsgesetzes zum BVG für die Ersatzansprüche der Krankenkassen geltende kurze Verjährungsfrist von zwei Jahren auf die Rückerstattungsansprüche der Versorgungsverwaltung entsprechend anzuwenden ist. So ist das RVA wegen der engen Beziehung zwischen Leistungs- und Rückforderungsanspruch auf dem Gebiet der Arbeitslosen-, Kranken- und knappschaftlichen Pensionsversicherung, der Invalidenversicherung und der Kostenerstattung nach § 313 b Abs. 2 RVO von einer einheitlichen Verjährungsfrist ausgegangen (RVA, GE 4822, AN 1934, IV 379; GE 5028, AN 1936, IV 325; GE 5158, AN 1938, IV 12; GE 5275, AN 1939, IV 131; GE 5377, AN 1940, II 249). Mit derselben Begründung hat das BSG für den Erstattungsanspruch nach § 7 a des Kindergeldanpassungsgesetzes die zweijährige Verjährungsfrist des Leistungsanspruchs angenommen (BSG, Urteil vom 18. März 1964 - 7 RKg 2/62 - BSG 20/262 ff). Dagegen hat das RVG unter Ablehnung der Rechtsprechung des RVA daran festgehalten, daß Rückerstattungsansprüche grundsätzlich einheitlich in 30 Jahren verjähren (RVG, GE vom 20. September 1938, Bd. 13, 152). Mit Urteil vom 17. April 1964 - 10 RV 1299/61 - (BSG 21, 27, 34) hat das BSG die Anwendbarkeit der für Rentenansprüche geltenden Verjährungsfrist von vier Jahren (BSG, Urteil vom 9. April 1963- 10 RV 1059/60 -) für die Ansprüche auf Rückzahlung von Versorgungsleistungen nach § 47 Abs. 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VerwVG) abgelehnt (ebenso Urteil vom 26. November 1968 - 8 RV 503/66; Urteil vom 7. August 1969 - 8 RV 71/68 - a. A. Specke, Die Verjährung nach den §§ 19 und 20 BVG nF, DOK 1965, 16, 17; Wieglow, Verjährung von Rückerstattungsansprüchen der Versorgungsbehörden gegenüber Krankenkassen, SGb 1962, 330, 331). Diese unterschiedliche Rechtsprechung ist aus der Verschiedenartigkeit der betroffenen Rechtsgebiete zu erklären. Wie das BSG in seiner Entscheidung vom 26. April 1967 (SozR BVG § 21 Nr. 2) ausgeführt hat, gibt es im Bereich der Sozialversicherung ein im Vergleich zur KOV nur sehr beschränktes Recht auf Rückforderung rechtswidrig gewährter Leistungen. Demgegenüber ermöglicht das Recht der KOV, insbesondere § 41 VerwVG, auch die Gestaltung von Fällen der vorliegenden Art, so daß durch die rückwirkende Aufhebung von Anerkennungsbescheiden auch der Rechtsgrund für die der Krankenkasse gewährten Ersatzleistungen nachträglich entfallen ist. Zwar hat diese Besonderheit des KOV-Rechts den Gesetzgeber nicht daran gehindert, die Rückforderungsansprüche der Versorgungsverwaltung vom 1. Januar 1964 an der kurzen Verjährung von zwei Jahren zu unterwerfen (§ 21 Abs. 2, 2. Halbs. BVG idF des 2. NOG vom 21. Februar 1964, BGBl I 85). Dies berührt aber nicht die Beurteilung der Rechtslage vor dem 1. Januar 1964. Es gibt keinen allgemeinen Grundsatz, Leistungs- und Rückforderungsansprüche müßten derselben Verjährungsfrist unterliegen; nach § 196 Abs. 1 Nr. 1 BGB z. B. verjähren nur die Forderungen der Kaufleute in zwei Jahren, nicht dagegen die Ansprüche der Kunden. Der hier streitige Erstattungsanspruch entspricht in seiner Funktion dem bürgerlich-rechtlichen Bereicherungsanspruch. Dieser aber verjährt grundsätzlich in 30 Jahren (Seufert in Staudinger, Komm. z. BGB, 11. Aufl, 1960, RdNr. 8 v. § 812; Seiler in Erman, Handkomm. z. BGB, 4. Aufl. 1967, Anm. 3 b vor § 812, auch wenn er durch Tilgung eines kurzfristig verjährenden Anspruchs entstanden ist. Da dem Gesetzgeber im Jahre 1956 die unterschiedliche Rechtsprechung des RVA und des RVG bekannt gewesen sein mußte, ist mit dem 9. Senat (Urteil vom 26. April 1967 aaO) - auch im Hinblick auf die Ablehnung einer gesetzlichen Regelung bei der Beratung des 1. NOG und die Änderung des § 21 Abs. 2 BVG durch das 2. NOG - davon auszugehen, daß der Gesetzgeber zunächst für Erstattungsansprüche der Versorgungsverwaltung an der regelmäßigen Verjährungsfrist von 30 Jahren festhalten wollte. Daran ändert auch nichts, daß der 9. Senat in seinem Urteil vom 30. September 1966 - 9 RV 562/65 (SozR BVG § 21 Nr. 1) - für den Ersatzanspruch der Versorgungsverwaltung gegen die Krankenkassen eine kurze Verjährungsfrist von zwei Jahren angenommen hat. In diesem Fall erstrebte die Versorgungsverwaltung den Ausgleich von Leistungen, welche sie an Stelle der an sich verpflichteten Krankenkasse erbracht hatte. Insoweit glich der Sachverhalt den in §§ 19, 21 Abs. 2 BVG geregelten Tatbeständen. Anders liegt es bei den Rückerstattungsforderungen der hier vorliegenden Art. In diesen Fällen hängt die Möglichkeit, einen bestehenden Anspruch geltend zu machen, zum großen Teil vom Zufall ab. Diese Möglichkeit ist für den Erstattungsberechtigten nicht ohne weiteres erkennbar, sei es, daß er erst nachträglich erfährt, zu Unrecht Leiden als schädigungsbedingt anerkannt zu haben, sei es, daß er später das Fehlen von Voraussetzungen für Ersatzleistungen an die Krankenkasse bemerkt. Es ist deshalb nicht willkürlich, wenn hier wegen der größeren Schwierigkeit, das Bestehen von Ansprüchen zu erkennen, von einer längeren Verjährungsfrist ausgegangen wird.
Aus den vorgenannten Gründen verjährt der Anspruch des Beklagten in 30 Jahren (ebenso BSG in SozR BVG § 21 Nr. 2).
Weiter bleibt zu prüfen, ob der Wirksamkeit der Aufrechnung der Einwand der Verwirkung entgegensteht. Der Tatbestand der Verwirkung, abgeleitet aus dem allgemeinen Rechtsgedanken, daß ein Gläubiger sein Recht nur unter Berücksichtigung von Treu und Glauben geltend machen kann, liegt vor, wenn der Gläubiger, der von seinem Recht über einen längeren Zeitraum keinen Gebrauch gemacht hat, dieses nun in illoyaler Weise in Anspruch nimmt (Staudinger/Weber, § 242, RdNr. D 589 mit weiteren Nachweisen). Die Grundsätze der Verwirkung sind nach der ständigen Rechtsprechung des BSG auch im Sozialversicherungsrecht anwendbar (BSG, Urteil vom 22. März 1956 - 5 RKn 8/55 - BSG 2, 284, 288; Urteil vom 20. Mai 1958 - 2 RU 285/56 - BSG 7, 199, 200/1; Urteil vom 20. Dezember 1961 - 2 RU 136/60 - BSG 16, 79, 83; für das KOV-Recht: BSG, Urteil vom 17. April 1964 - 10 RV 1299/61 - BSG 21, 27, 34; Urteil vom 6. Dezember 1966 - 9 RV 568/64 - BVBl 1967/116; Urteil vom 26. November 1968 - 8 RV 503/66 -). Grundsätzlich reicht für die Verwirkung der bloße Zeitablauf - sie soll nicht die Verjährung verdrängen, sondern lediglich aus den langen Verjährungsfristen sich ergebende Unbilligkeiten verhindern - nicht aus (BSG 7, 199, 202; 16, 79, 83; BVBl 1967/116; Urteil vom 29. Oktober 1968 - 4 RJ 245/67 - DVBl 1969, 373). Zwar hat der 10. Senat mit der o. a. Entscheidung (BSG 21, 27) in Hinblick auf die Grundsätze von Treu und Glauben eine unzulässige Rechtsausübung dann angenommen, wenn die Versorgungsverwaltung Rückforderungsansprüche nach § 47 Abs. 2 VerwVG für einen Zeitraum geltend macht, der mehr als vier Jahre seit Beginn des Jahres zurückliegt, in dem der Rückforderungsbescheid ergangen ist. Da ein Versorgungsberechtigter nach vier Jahren Rentenansprüche wegen Verjährung nicht mehr geltend machen könne, entspreche es der Billigkeit, einen Rückforderungsanspruch der Versorgungsverwaltung in entsprechender Weise nach vier Jahren wegen unzulässiger Rechtsausübung zu verneinen. Dieser Rechtsprechung hat sich der erkennende Senat im Urteil vom 26. November 1968 angeschlossen.
Der vom 10. Senat aufgestellte und vom 8. Senat übernommene Grundsatz bezog sich nur auf das Verhältnis zwischen Versorgungsverwaltung und Versorgungsberechtigten. Gegenüber dem Bürger, auch wenn er nicht oder nicht in dem zunächst angenommenen Ausmaß versorgungsberechtigt ist, trifft die Versorgungsverwaltung eine allgemeine Fürsorgepflicht, die es gebietet, den Rückzahlungsverpflichteten alsbald auf die Rechtslage hinzuweisen und ihm ihre Entschließung hinsichtlich der Rückforderung umgehend mitzuteilen. Vorliegend stehen sich jedoch Klägerin und Beklagter gleichberechtigt gegenüber, so daß eine Fürsorgepflicht nicht besteht und jedenfalls der bloße Zeitablauf die Geltendmachung eines Rechts vor dem Eintritt der Verjährung nicht ausschließen kann. Es müssen besondere Umstände hinzutreten, die in Verbindung mit der langen Untätigkeit des Berechtigten in dem Verpflichteten den Eindruck erweckt haben, jener werde von seinem Recht keinen Gebrauch mehr machen, (BSG, Urteil vom 29. Oktober 1968 aaO). Ein solcher besonderer Umstand kann nicht in dem Ergebnis der Besprechung vom 23. Oktober 1959 gesehen werden, bei der das Landesversorgungsamt angewiesen wurde, den Krankenkassen die bereits erstatteten Ersatzleistungen zu belassen. Denn der Klägerin war bekannt, daß der Bund die Kosten der Kriegsopferversorgung trägt. Wenn also der Niedersächsische Sozialminister ausdrücklich auf einen erforderlichen Bericht an den BMA hingewiesen hat, mußte die Klägerin wissen, daß dieser die Streitfrage letztlich zu entscheiden habe. Zwar hat der Beklagte die Klägerin nach der Besprechung vom 23. Oktober 1959 etwa drei Jahre lang in Unkenntnis darüber gelassen, ob es bei der dem Landesversorgungsamt erteilten Weisung bleiben werde. Es ist aber zu berücksichtigen, daß der BMA vor Erlaß seiner Entscheidung die Zahl und die Bedeutung aller gleichgelagerten Fälle des gesamten Bundesgebietes berücksichtigen mußte; hierfür war geraume Zeit erforderlich, so daß unter Beachtung des Instanzweges der Zeitraum von drei Jahren nicht als zu lang angesehen werden kann, Die Rückgewähr der überzahlten Beträge ist heute für die Klägerin nicht unzumutbarer als 1959. Im übrigen hätte sich die Klägerin zur Erfüllung des Verwirkungstatbestandes im Vertrauen auf die unterbliebene Geltendmachung des Rückforderungsanspruchs auf das Behaltendürfen eingerichtet haben müssen (BSG, Urteil vom 6. Dezember 1966 aaO). Sie hat nicht vorgetragen, daß sie sich in ihren Entschließungen von der Annahme habe leiten lassen, der Beklagte werde die ihm zustehenden Beträge nicht zurückfordern. Das Vorbringen, daß sie ihre Akten nur fünf Jahre aufzubewahren habe und deshalb die Rückerstattungsforderung der Versorgungsverwaltung nicht auf ihre Berechtigung nachprüfen könne, greift nicht durch, weil die Krankenkasse im Wege der Rechtshilfe (Art. 35 GG) die Akten der Versorgungsverwaltung, in welchen die Bundesbehandlungsscheine aufbewahrt werden, einsehen konnte. Der Anspruch des Beklagten ist daher nicht verwirkt.
Ferner greift auch die Berufung der Klägerin auf Art. 2 und 14 GG nicht durch, da Grundrechte grundsätzlich nicht für juristische Personen des öffentlichen Rechts gelten, soweit sie öffentliche Aufgaben wahrnehmen (BVerfG, Beschluß vom 2. Mai 1967 - E 21, 362).
Der Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit (Art. 20 GG) kann allerdings auch durch ein Gesetz verletzt werden, das nur für eine nicht grundrechtsfähige juristische Person des öffentlichen Rechts wirksam wird. Da jedoch die Ersatzansprüche der Klägerin schon nach der SVD Nr. 27 nicht begründet waren, kommt es - im Gegensatz zur Auffassung der Revision - hier auf eine Entscheidung über die Vereinbarkeit der §§ 84 ff BVG mit Art. 20 GG nicht an. Auch aus der in Art. 120 GG festgelegten Verpflichtung des Bundes, Kriegsfolgelasten zu tragen, kann kein für die Klägerin günstiges Ergebnis hergeleitet werden, da durch die nachträgliche Aufhebung von Anerkennungsbescheiden die Voraussetzungen der Ersatzleistungen weggefallen waren und die Klägerin die in diesem Streifall von dem Beklagten zurückgeforderten Beträge gerade nicht für die Behandlung von Versorgungsleiden aufgewendet hatte. Im übrigen hätte die Klägerin, die ihren Ersatzanspruch auf § 19 BVG gestützt hatte, die Kosten für die Heilbehandlung ohnehin tragen müssen, da es sich ausschließlich um bei ihr versicherte Personen gehandelt hat.
Da das angefochtene Urteil nicht auf einer feststellbaren Rechtsverletzung beruht, war die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 Abs. 4 SGG.
Fundstellen