Leitsatz (amtlich)
Freiwillige Zuwendungen einer Anwaltskammer an die Witwe eines Rechtsanwalts sind freiwillige Leistungen einer berufsständischen Organisation. Sie sind daher nach DV § 33 BVG § 1 Abs 3 Nr 6 "übrige Einkünfte" iS des BVG § 33 Abs 2 und damit zur Kürzung der Ausgleichsrente heranzuziehen.
Normenkette
BVG § 33 Abs. 5 Fassung: 1964-02-21, § 33 DV § 1 Abs. 3 Nr. 6 Fassung: 1961-01-11, § 33 DV § 2 Abs. 1 Nr. 19 Fassung: 1961-01-11; GG Art. 80 Abs. 1 S. 2; BVG § 33 Abs. 2 Fassung: 1964-02-21; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 20
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 24. August 1967 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Klägerin ist die Witwe des infolge nachträglicher Kriegseinwirkung 1947 in der sowjetischen Besatzungszone verstorbenen Rechtsanwalts und Notars J S. Sie erhält eine gemäß § 41 Abs. 3 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) idF des 1. Neuordnungsgesetzes (NOG) erhöhte Witwenrente vom 1. Oktober 1960 an. Von der Rechtsanwaltskammer in H erhielt sie im Hinblick auf die von ihr nachgewiesene Notlage vom Januar 1961 bis Dezember 1963 eine monatliche Zuwendung von 150,- DM. Mit Anfechtungs- und Rückforderungsbescheid vom 18. März/3. September 1964 forderte das Versorgungsamt von der Klägerin den Betrag von 3.557,- DM zurück, weil die wiederkehrende Zuwendung auf die Ausgleichsrente anzurechnen sei. Der Widerspruch der Klägerin hatte keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid des Landesversorgungsamts Nordrhein vom 16. September 1964). Das Sozialgericht (SG) Duisburg hat mit Urteil vom 2. September 1965 die Klage abgewiesen. Die laufende Zuwendung sei keine freiwillige Unterhaltsleistung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 19 der Durchführungsverordnung (DVO) 1961 zu § 33 BVG, welche auf die Ausgleichsrente nicht angerechnet werden dürfe; sie sei vielmehr eine freiwillige Leistung im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 6 DVO und zähle daher zu den anrechenbaren Einkünften. Das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen hat mit Urteil vom 24. August 1967 die Berufung der Klägerin zurückgewiesen, und die Revision zugelassen. Bedenken gegen die Rechtsgültigkeit des § 33 BVG und der DVO zu § 33 BVG unter dem Gesichtspunkt des Grundgesetzes - GG - (Art. 80, 20 und 3 GG) bestünden nicht. Die Unterstützung sei zwar ohne Rechtsanspruch und unter Vorbehalt des Widerrufs nach den Unterstützungsrichtlinien der Rechtsanwaltskammer gewährt worden. Diese Unterstützung (freiwillige Leistung) entspräche gleichwohl nicht dem § 2 Abs. 1 Nr. 19 DVO, weil der Begriff der "freiwilligen Leistung" eng auszulegen sei. Unter diese Vorschriften fielen nur Leistungen, welche dem Unterhaltsbegriff des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) begrifflich zuzuordnen seien. Auch seien die Zuwendungen keine Leistungen der freien Wohlfahrtspflege (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 DVO), weil die Anwaltskammer keine öffentliche Fürsorge betreibe. Leistungen aus privater Fürsorgetätigkeit seien nicht von der Anrechenbarkeit freigestellt. Sie seien vielmehr freiwillige Leistungen, die mit Rücksicht auf eine frühere selbständige Berufstätigkeit des Ehemannes der Klägerin gewährt worden seien. Derartige Leistungen seien nach § 1 Abs. 3 Nr. 6 DVO Einkommen, das zur Kürzung der Ausgleichsrente heranzuziehen sei. Dieses Einkommen habe die Klägerin dem Versorgungsamt verschwiegen, weshalb die Ausgleichsrente zurückzufordern sei, soweit sie mit den Zuwendungen zusammentreffe.
Mit der zugelassenen Revision rügt die Klägerin, das LSG habe die Verfassungswidrigkeit der DVO vom 2. August 1958/11. Januar 1961 nicht erkannt. Die Ermächtigung in § 33 Abs. 5 BVG entspreche nicht der Vorschrift des Art. 80 GG. Der Gesetzgeber habe nicht beabsichtigt, die Hilfsbereitschaft Dritter zur Entlastung des Fiskus auszubeuten. Die Kürzung der Versorgungsrente wegen Leistungen aus freiwilliger Hilfsbereitschaft widerspreche dem Sozialstaatsgedanken (Art. 20 Abs. 1 GG). Die Kürzung sei auch unsozial und widerspreche dem GG.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung der angefochtenen Urteile die vorausgegangenen Bescheide aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die einbehaltenen Versorgungsbezüge nebst Zinsen auszubezahlen und die Versorgungsbezüge ungekürzt weiterzugewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin als unbegründet zurückzuweisen.
§ 33 Abs. 5 BVG ermächtige die Bundesregierung durch Rechtsverordnung zu bestimmen, was als Einkommen zu gelten habe und welche Einkünfte bei Feststellung der Ausgleichsrente unberücksichtigt bleiben sollen. Diese Ermächtigung sei nach Inhalt sowie Zweck und Ausmaß eindeutig umrissen. Auch die nach Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG erforderliche Bestimmtheit sei gegeben. Die Sozialstaatsklausel (Art. 20 GG) richte sich in erster Linie an den Gesetzgeber; sie gelte zwar auch für die Verwaltung und Rechtsprechung als Auslegungs- und Ermessensrichtlinie, gebe aber dem einzelnen allein noch keinen verfolgbaren Anspruch gegen den Staat.
Die Revision der Klägerin ist durch Zulassung statthaft (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -); sie ist form- und fristgerecht eingelegt (§ 164 SGG), jedoch nicht begründet.
Die Rüge der Revision, die Ermächtigung der Bundesregierung in § 33 Abs. 5 BVG - diese Vorschrift gilt nach § 41 Abs. 4 Satz 2 BVG idF des 1. NOG für die Ausgleichsrente der Witwe entsprechend - genüge nicht dem in Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG aufgestellten Erfordernis, daß Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetz bestimmt sei, greift nicht durch.
§ 33 Abs. 5 BVG idF des 1. und gleichlautend auch des 2. NOG ermächtigt die Bundesregierung, mit Zustimmung des Bundesrats durch Rechtsverordnung zu bestimmen, was als Einkommen gilt und welche Einkünfte bei Feststellung der Ausgleichsrente unberücksichtigt bleiben sollen. Daraus allein ist zwar der Umfang der dem Verordnungsgeber eingeräumten Regelungsbefugnis nicht ersichtlich. Denn die Ermächtigung sagt nicht, welche Einkünfte die Verwaltung zur Kürzung der Ausgleichsrente heranziehen darf. Damit verstößt die Vorschrift des § 33 Abs. 5 BVG aber noch nicht gegen Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG. Es genügt vielmehr, wenn Inhalt, Zweck und Ausmaß einer Ermächtigungsvorschrift nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen aus ihrem Sinnzusammenhang mit anderen Vorschriften des Gesetzes und aus dem mit der gesetzlichen Regelung insgesamt verfolgten Ziele unter Heranziehung der Entstehungsgeschichte des Gesetzes ermittelt werden können (so BVerfG, Beschluß vom 14. Mai 1969 in SozR GG Art. 81 Abs. 1 Nr. 1 und die dort aufgeführten Fundstellen). Dies ist hier der Fall.
Der Inhalt des § 33 Abs. 5 BVG ist unter Berücksichtigung des § 33 Abs. 1,2 BVG zu bestimmen. In dieser Vorschrift ist die Rede von dem "Einkommen", das nach Abzug der absetzbaren Ausgaben (Nettoeinkommen) zu errechnen ist. Das Gesetz enthält zwar keine Bestimmung, was Einkommen und was absetzbare Ausgaben sind. Ein Hinweis ergibt sich aber aus der Entstehungsgeschichte des BVG. Nach § 33 Abs. 2 BVG idF vom 20. Dezember 1950 (BGBl I, 791) gelten als "sonstiges" Einkommen alle Einkünfte in Geld und Geldeswert ohne Rücksicht auf ihre Quelle. Diese Begriffsbestimmung des Einkommens bedarf für sich allein betrachtet keiner Auslegung, zumal der Einkommensbegriff als solcher umfassend ist und sich auf alle Einkünfte von wirtschaftlichem Wert erstreckt. Wenn die Bundesregierung trotz der klaren gesetzlichen Vorschrift des § 33 Abs. 2 Satz 1 BVG aF in den gemäß § 92 BVG aF erlassenen, die Gerichte nicht bindenden Verwaltungsvorschriften (VV) bestimmt hat, welche Einkommensarten nicht als sonstiges Einkommen angesehen werden sollen, so handelt es sich nicht um eine - durch VV unzulässige - Einengung des gesetzlich festgelegten und volkswirtschaftlich geklärten Einkommensbegriffs. Vielmehr sollten entsprechend der vom Reichsversorgungsgericht (RVG) entwickelten Grundsätze (RVG 5, 125 ff; 5, 13; 7, 1 ff; 7, 307 ff; 9, 45) Einkünfte wegen ihrer besonderen Art und Bedeutung aus dem umfassenden Einkommensbegriff herausgenommen werden, soweit sie gegenüber den Bezügen nach dem BVG entweder subsidiären Charakter hatten oder zweckgebundene Leistungen darstellten oder weil sie aus Gründen, die in der Besonderheit der Leistung lagen, nicht angerechnet werden durften. Damit war bereits bei der Erstfassung des BVG ersichtlich, was unter Einkommen zu verstehen war und was - unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des RVG - ausgenommen werden sollte. Mit Wirkung vom 1. Januar 1955 an hat der Gesetzgeber in § 33 Abs. 2 Satz 2 BVG idF des Dritten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des BVG vom 19. Januar 1955 (BGBl I, 25) als sonstiges Einkommen auch freiwillige Leistungen bestimmt, die ... "als zusätzliche Versorgungsleistungen einer berufsständischen Organisation laufend gewährt werden". Damit war bereits damals für den vorliegenden Streitfall die Frage der Anrechnung der Zuwendungen der Rechtsanwaltskammer in H gesetzlich festgelegt. Mit dem Sechsten Gesetz zur Änderung und Ergänzung des BVG vom 1. Juli 1957 (BGBl I, 661) und insbesondere mit dem 1. NOG ist die Regelung des anzurechnenden Einkommens formal geändert worden. Der Gesetzgeber hat die Frage, was als Einkommen gilt und welche Einkünfte bei der Feststellung der Ausgleichsrente unberücksichtigt bleiben sowie welche Ausgaben absetzbar sind, einer gemäß § 33 Abs. 5 BVG zu erlassenden Verordnung vorbehalten. Damit ist aber die bisherige Einkommensanrechnung nicht grundsätzlich geändert worden. Geblieben ist als Grundlage, daß der Versorgungsberechtigte entsprechend der sozialen Zielsetzung für die Gewährung der Ausgleichsrente zunächst - wie bisher - sämtliche Einkunftsquellen ausschöpfen muß, bevor ihm Ausgleichsrente gewährt wird. Daß die Anrechnungsvorschriften verfeinert und entsprechend der Vielfalt der Lebensverhältnisse auch vervollkommnet worden sind, ändert nichts an den bisherigen Grundsätzen. Die Ermächtigung in § 33 Abs. 5 BVG idF des 1. NOG bestimmt damit deutlich, daß die Bundesregierung im bisherigen Rahmen positiv und negativ die Einkommensarten generell bestimmen soll, welche bei der Berechnung des Nettoeinkommens und damit der Ausgleichsrente berücksichtigt werden sollen. Damit ist dem Inhalt nach bestimmt, daß die Bundesregierung das anrechenbare Einkommen in einer Rechtsverordnung bezeichnen kann und daß sie dieses Einkommen zum Zwecke der Kürzung oder Belassung der Ausgleichsrente heranziehen darf. Offen bleibt nur, ob damit auch das Ausmaß der Ermächtigung hinreichend deutlich abgegrenzt ist. Das GG fordert indes nicht, daß die Ermächtigung so bestimmt wie irgend möglich umschrieben werden muß; sie muß nur hinreichend bestimmt sein (BVerfGE 8, 312; 19, 354). Strengere Anforderungen an die Bestimmtheit sind bei einer Ermächtigung zu Rechtsverordnungen der Eingriffsverwaltung, insbesondere der Steuerverwaltung und zur Durchführung von Strafgesetzen zu stellen, nicht aber bei Durchführungsverordnungen der Leistungsverwaltung, in deren Bereich der Ermessensspielraum des Gesetzgebers sehr viel weiter gezogen ist. Im vorliegenden Fall wird durch den Zweck der Ermächtigung schon das Ausmaß der Ermächtigung begrenzt, nämlich dahin, daß Ausgleichsrente nur der Versorgungsberechtigte erhalten soll, der bedürftig ist. Die Aufgabe des Verordnungsgebers ist damit dahin umgrenzt, einen Personenkreis, welcher durch Einkünfte aus dritter Hand nicht mehr einkommensschwach ist, vom Bezug der Ausgleichsrente auszuschließen (s. dazu BVerfGE 13, 248, 255; 16, 332, 338; 19, 354; Beschl. d. BVerfG vom 14. Mai 1969 - 1 BvR 615/67 - 303/68; abgedr. in SozR GG Art. 80 Bl. Ab 1 Nr. 1).
Auch aus Art. 3 Abs. 1 GG (allgemeiner Gleichheitssatz) und aus Art. 20 GG (Sozialstaatsklausel) sind keine Bedenken gegen die Ermächtigung in Art. 33 Abs. 5 BVG herzuleiten. Der Verordnungsgeber hat die Differenzierung der Einkommensarten in § 1 und § 2 der DVO nicht willkürlich getroffen, sondern nach sachlich vertretbaren Gesichtspunkten (BVerfGE 12, 326, 333), insbesondere danach, ob die Einkommensart auf freiwilliger Leistung und auf jederzeitiger Widerruflichkeit beruht und ob sie der Fürsorge dient. Der Sozialstaatsgedanke in Art. 20, 28 GG wendet sich zunächst an den Gesetzgeber, dem vorzugsweise die Ausgestaltung des Sozialstaatsprinzips obliegt (BVerfGE 1, 105; 8, 329); gerade im Rahmen der Leistungsverwaltung hat der Gesetzgeber einen erheblichen Spielraum in der Ausgestaltung (BVerfGE 11, 60; 17, 216; 23, 264), so daß er u. a. auch die Leistung der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel davon abhängig machen kann, ob der Versorgungsberechtigte Einkommen in bestimmter Höhe bezieht. Mit dieser Differenzierung widerspricht der Gesetzgeber nicht dem Sozialstaatsprinzip, sondern wird nur dem Verbot der Doppelversorgung gerecht. Damit bestehen aus Art. 80, 3, 20 GG keine Bedenken gegen die Gültigkeit der gemäß § 33 Abs. 5 BVG ergangenen DVO.
Demnach bleibt nur noch zu prüfen, ob die Zuwendungen der Anwaltskammer nach der DVO auf die erhöhte Ausgleichsrente anzurechnen waren. Die in ihrer Anrechenbarkeit streitigen Leistungen sind der Klägerin in der Zeit vom 1. Januar 1961 bis 31. Dezember 1963 zugeflossen. Daher ist die DVO zu § 33 BVG vom 11. Januar 1961 (BGBl I, 19) maßgebend, die am 1. Juni 1960 (§ 20 Halbs. 1 der DVO) in Kraft getreten ist. Die vorhergehende DVO vom 2. August 1958 (BGBl I, 567) findet daher auf den vorliegenden Fall keine Anwendung mehr. Die Leistungen der Anwaltskammer sind auf Grund der vom Vorstand der Rechtsanwaltskammer H beschlossenen Unterstützungsrichtlinien vom 14. Dezember 1960 gewährt worden. Nach § 3 dieser Richtlinien können frühere Rechtsanwälte unterstützt werden, wenn sie ihren ständigen Wohnsitz im Bezirk der Rechtsanwaltskammer H haben. Dies gilt auch für Angehörige von Rechtsanwälten (§ 3 Abs. 2 der Richtlinien). Die Unterstützung wird ohne Rechtsanspruch und unter Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs gewährt. Die Zuwendung kann auch in Form laufender Unterhaltszahlungen gewährt werden (§ 5 der Richtlinien), wobei vorausgesetzt ... wird, daß der Unterstützungsempfänger seine eigenen Mittel, soweit zumutbar, erschöpft hat. Auf Grund dieser Unterstützungsrichtlinien hat die Klägerin in der angegebenen Zeit monatlich 150,- DM bezogen. Diese Bezüge entsprechen jedenfalls nicht unmittelbar einer der in § 2 der DVO erschöpfend aufgezählten Einkunftsarten, da sie weder als öffentliche Fürsorge - seit 1. Juni 1968 als Sozialhilfe - und Zuwendungen der freien Wohlfahrtspflege (§ 2 Nr. 1 DVO zu § 33 BVG) als Unterstützungen nach dienstrechtlichen Vorschriften von Körperschaften des öffentlichen Rechts (§ 2 Nr. 13 DVO) und auch nicht als freiwillige Unterhaltsleistungen (§ 2 Abs. 1 Nr. 19 DVO) angesehen werden können. Vielmehr fallen die Leistungen der Anwaltskammer unter § 1 Abs. 2 Nr. 6 der DVO, wonach "freiwillige Leistungen, die mit Rücksicht auf eine frühere selbständige Berufstätigkeit oder als zusätzliche Versorgungsleistung einer berufsständischen Organisation laufend gewährt werden", Einkünfte i. S. des § 33 Abs. 2 BVG darstellen, die nach dieser Vorschrift i. V. m. § 41 Abs. 4 Satz 2 BVG auf die "erhöhte" Ausgleichsrente der Klägerin anzurechnen sind. Diese Rechtslage bestand, wie oben dargelegt, bereits vom 1. Januar 1955 an. Damit ist eine ausreichende Rechtsgrundlage zur Anrechnung der Zahlungen der Rechtsanwaltskammer auf die Ausgleichsrente und damit auf ihre Kürzung gegeben.
Im übrigen hat die Frage, ob freiwillige betriebliche Zuwendungen, die mit Rücksicht auf ein früheres Dienst- und Arbeitsverhältnis gewährt werden, als ein zur Kürzung der Ausgleichsrente heranziehbares Einkommen gelten, wiederholt die Rechtsprechung beschäftigt und ist von ihr stets bejaht worden (BSG 2, 10; 3, 246; 7, 51, 52; 8, 11; SozR BVG § 51 Nr. 3); die freiwilligen Leistungen berufsständischer Organisationen können nicht anders behandelt werden, weil insoweit eine frühere selbständige Berufstätigkeit wie die eines Rechtsanwalts ebenso Ursache der Unterstützung ist wie die Arbeit eines Arbeitnehmers im Betriebe (vgl. dazu Wilke in Anm. zum Urteil des BSG vom 10. November 1955 - 8 RV 237/54 - in BVBl 1956 S. 117 Nr. 19 S 120). Eine unterschiedliche Behandlung betrieblicher Leistungen zugunsten eines Arbeitnehmers und seiner Angehörigen und der entsprechenden Zuwendung einer Organisation selbständiger Berufe würden den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verletzen, dessen Beachtung als Ausfluß der Rechtsstaatlichkeit Maßstab für jedes staatliche Handeln sein muß. In beiden Fällen handelt es sich um Einkommen, das seine Grundlage in der früheren Berufstätigkeit hat. Damit müssen beide Tatbestände (freiwillige betriebliche Zuwendungen und freiwillige Leistungen berufsständischer Organisationen) gleich behandelt werden.
So hart die Kürzung der Ausgleichsrente wegen der Heranziehung freiwilliger Leistungen für Betroffene ist, gegen das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 GG) wird damit nicht verstoßen, weil es dem Gesetzgeber, wie oben näher dargelegt, freigestanden hat, mit der Ausgleichsrente als Rechtsanspruch einkommensabhängige Leistungen zu schaffen. Ist aber die Ausgleichsrente einkommensabhängig, so darf dem Verordnungsgeber nicht verwehrt werden, entsprechend der in § 33 Abs. 5 BVG erteilten Ermächtigung zu bestimmen, welche Einkünfte zur Kürzung der Ausgleichsrente (um der Gleichbehandlung der Kriegsopfer willen) heranzuziehen sind. Diese Entscheidung ist - wie ebenfalls oben näher dargelegt - nicht willkürlich, sondern nach sachlich vertretbaren Gesichtspunkten getroffen worden.
Bei dieser Sach- und Rechtslage hat das Berufungsgericht § 1 und § 2 der DVO zu § 33 BVG frei von Rechtsirrtum ausgelegt. Die Klägerin ist daher zur Erstattung der überzahlten Ausgleichsrente verpflichtet. Ihre Revision war somit als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Fundstellen