Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückforderungsvorbehalt. Selbstverpflichtung
Leitsatz (amtlich)
Die Rückforderung von Zuschüssen nach dem 2. und 3. Sonderprogramm für Schwerbehinderte steht jedenfalls seit dem Inkrafttreten des SGB 10 im Ermessen der Bundesanstalt für Arbeit.
Orientierungssatz
1. Ein Rückforderungsvorbehalt nach Maßgabe des 2. und 3. Sonderprogramms für Schwerbehinderte ist zulässig.
2. Wenn im Bewilligungsbescheid die Rückzahlungsverpflichtung wirksam ausgesprochen worden ist, so hat diese von der Verwaltung getroffene Bestimmung den Vorrang vor der durch sie entbehrlich gewordenen Selbstverpflichtung.
3. Für die Nichtbesetzung des Arbeitsplatzes mit einem aufgrund der Förderung eingestellten Schwerbehinderten kommt es nach der im Bewilligungsbescheid enthaltenen Rückzahlungsverpflichtung nicht auf ein Verschulden des Arbeitgebers an.
Normenkette
SchwbG § 8; SGB 10 §§ 32, 50; SchwbArbAusbPlRL § 3 Abs 4
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches LSG (Entscheidung vom 25.11.1983; Aktenzeichen L 1 Ar 109/82) |
SG Itzehoe (Entscheidung vom 08.11.1982; Aktenzeichen S 2 Ar 68/82) |
Tatbestand
Streitig ist die teilweise Rückforderung eines Zuschusses.
Die klagende Kommanditgesellschaft erhielt von der Beklagten für die Einstellung eines Schwerbehinderten als Lackierer im Januar 1980 einen Zuschuß von 18.000 DM nach den Richtlinien des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung (BMA) zur Durchführung des zweiten und dritten Sonderprogrammes des Bundes und der Länder zur verstärkten Bereitstellung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen für Schwerbehinderte idF der Bekanntmachung vom 28. März 1979 (Bundesanzeiger Nr 64 vom 31. März 1979) - im folgenden: Richtlinien (RL) - (Bescheid vom 19. Februar 1980). Im Antrag hatte sie sich ua verpflichtet, für jeden Monat, in dem der Arbeitsplatz vom 7. bis einschließlich 18. Monat nicht mit einem aufgrund der Förderung eingestellten Schwerbehinderten besetzt sei, ein Zwölftel des Zuschusses zurückzuzahlen; der Bewilligungsbescheid enthielt eine entsprechende Verpflichtung. Ab März 1980 beschäftigte die Klägerin den Schwerbehinderten als Kraftfahrer; das Arbeitsamt stimmte dem zu und beließ es bei der Zuschußhöhe, obwohl bei Einstellung des Schwerbehinderten als Kraftfahrer nur ein Zuschuß von 12.000 DM in Betracht gekommen wäre (§ 2 Abs 1 Nrn 1 und 3 RL). Im Februar 1981 beendete die Klägerin das Arbeitsverhältnis, nachdem dem Schwerbehinderten die Fahrerlaubnis entzogen worden war. Bemühungen der Beklagten, einen anderen Schwerbehinderten zu vermitteln, scheiterten.
Die Beklagte forderte daraufhin fünf Zwölftel des gewährten Zuschusses (= 7.500 DM) unter entsprechender Aufhebung des Bewilligungsbescheides zurück (Bescheid vom 26. Oktober 1981; Widerspruchsbescheid vom 13. Mai 1982).
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 8. November 1982). Die Berufung der Klägerin hat das Landessozialgericht (LSG) gemäß § 144 Abs 1 Nr 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) als unzulässig verworfen, soweit sie die Teilaufhebung der Zuschußbewilligung betrifft, und im übrigen zurückgewiesen (Urteil des LSG vom 25. November 1983). Die Rückforderung sei aufgrund der Selbstverpflichtung gerechtfertigt. Diese sei als Schuldversprechen iS des § 780 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) wirksam abgegeben worden und gesetzlich durch § 30 Abs 1 Nr 3 des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) gedeckt. Die Ermächtigungsnorm ermögliche nicht nur die Vergabe, sondern auch die Rückforderung der Zuschüsse im Falle ihrer Zweckverfehlung. Die Verpflichtung solle sicherstellen, daß die Mittel dem Arbeitgeber nur bei zumindest 1 1/2jähriger Beschäftigung des Schwerbehinderten endgültig verblieben. Da der Schwerbehinderte die letzten fünf Monate nicht mehr beschäftigt worden sei, müsse die Klägerin fünf Zwölftel des Zuschusses erstatten. Dem stehe die anfängliche "enge Arbeitsplatzbezogenheit" des Zuschusses nicht entgegen, weil sie einvernehmlich auf die Beschäftigung im Betrieb überhaupt ausgedehnt worden sei. Bei der Änderung sei zwar die Schriftform nicht gewahrt worden; ihre Wirksamkeit scheitere hieran aber nicht, weil sich die Klägerin nach Treu und Glauben nicht auf den Formmangel berufen dürfe. Gegenrechte gegen den Rückzahlungsanspruch der Beklagten stünden der Klägerin nicht zu. Soweit sie sich auf Investitionen zur Erleichterung der Lackierertätigkeit berufe, würden diese vom Zweck des Förderbetrages bereits erfaßt; Änderungen am Kraftfahrzeug in der Hoffnung auf Einstellung neuer körperbehinderter Kraftfahrer habe die Klägerin aus eigenem Antrieb vorgenommen.
Die Klägerin beanstandet mit der vom LSG zugelassenen Revision das Berufungsurteil in den genannten Gesichtspunkten als fehlerhaft; sie rügt vor allem, daß § 3 Abs 4 RL für Auflösungen des Arbeitsverhältnisses nach dem ersten Jahr (gemeint nach dem 6. Monat) eine Rückzahlung nur vorsehe, wenn der Arbeitgeber die Kündigung verschuldet habe. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat sie behauptete Aufwendungen für die Beschäftigung des Schwerbehinderten in Höhe von weit über 18.000 DM beziffert.
Die Klägerin beantragt, die Urteile der Vorinstanzen sowie die Bescheide der Beklagten vom 26. Oktober 1981 und vom 13. Mai 1982 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision hatte nur hinsichtlich der Rückforderung Erfolg.
Hinsichtlich der Teilaufhebung der Zuschußbewilligung war die Revision wegen fehlender Begründung zu verwerfen (§§ 164 Abs 2, 169 SGG). Da es sich bei der Klage gegen die Aufhebung einer Leistungsbewilligung und die Rückforderung der erbrachten Leistung um zwei verschiedene Klagebegehren handelt (vgl Urteil des Senats vom 15. Oktober 1985 - 11/7 RAr 2/84 -, Urteil des 5b Senats vom 11. Juli 1985 - 5b RJ 80/84 - und Urteil des 7. Senats vom 21. Juli 1977 - SozR 4100 § 44 Nr 14 - zur Zulässigkeit der Berufung), war die Revision zu beiden Streitgegenständen zu begründen. Die Revisionsbegründung der Klägerin setzt sich jedoch mit der Verwerfung der Berufung hinsichtlich der Teilaufhebung nicht auseinander und nimmt ausschließlich zur Rückforderung Stellung.
Hinsichtlich der Rückforderung war der Bescheid der Beklagten aufzuheben. Dabei ist zunächst davon auszugehen, daß es der Rückforderung nicht an einer wirksamen Rechtsgrundlage fehlt. Sie ergibt sich zwar noch nicht aus § 50 Abs 1 des bei Erlaß des angefochtenen Bescheides bereits geltenden Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X), wonach erbrachte Leistungen zu erstatten sind, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben wird. Die Rückforderung ist nämlich hier in einer - damals nach § 1 Abs 1 Satz 1 SGB X aF und heute nach § 37 Satz 1 des Sozialgesetzbuchs - Allgemeiner Teil (SGB I) - zulässigen Weise (vgl SozR 5075 Art 4 § 2 Nr 2) eigenständig geregelt worden. Das geschah allerdings nicht schon unmittelbar in den RL, die keine Rechtsnorm darstellen. Die Rückzahlungsverpflichtung konnte jedoch durch die Selbstverpflichtung der Klägerin und durch die im Bewilligungsbescheid enthaltene gleichlautende Rückzahlungsverpflichtung zusammen mit den der Klägerin bei der Antragstellung bekannten RL wirksam begründet werden. Das hat der 7. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) bereits im Urteil vom 16. Februar 1983 (BSGE 54, 286= SozR 3870 § 8 Nr 1) für eine Selbstverpflichtung im Rahmen des auch hier betroffenen dritten Sonderprogramms des Bundes dargelegt und überzeugend begründet. Für die im Bewilligungsbescheid festgelegte Rückzahlungsverpflichtung kann nichts anderes gelten. Die Verwaltung war bei den Zuschußleistungen schon vor dem SGB X nicht auf die Selbstverpflichtung angewiesen, vielmehr zur Aufnahme eines - gleich wirksamen - Rückforderungsvorbehalts in den Bewilligungsbescheid befugt (BSGE 48, 120, 124). Das hat das SGB X in seinem § 32 dadurch bestätigt, daß es bei Ermessensleistungen - wie bei dem hier gewährten Zuschuß - Auflagen als Nebenbestimmung zum Verwaltungsakt zuläßt, die dem Zweck des Verwaltungsaktes nicht zuwiderlaufen (Abs 2 Nr 4, Abs 3), was hier nicht der Fall war (BSGE 54, 286, 291). Wenn aber im Bewilligungsbescheid die Rückzahlungsverpflichtung wirksam ausgesprochen worden ist, so hat diese von der Verwaltung getroffene Bestimmung den Vorrang vor der durch sie entbehrlich gewordenen Selbstverpflichtung. Die für die Rückforderung maßgebende Rechtsgrundlage ist daher im vorliegenden Fall die Rückzahlungsverpflichtung im Bewilligungsbescheid. Sie ist nicht durch die teilweise Aufhebung des Bewilligungsbescheides beseitigt worden, weil diese die Grundlagen der Rückforderung nicht berühren sollte.
Die nach der Rückzahlungsverpflichtung im Bewilligungsbescheid erforderlichen Voraussetzungen für die streitige Rückforderung von 7.500 DM sind erfüllt. Die Verpflichtung unterscheidet zwei Rückforderungsfälle je nachdem, wie lange "der Arbeitsplatz mit einem aufgrund der Förderung eingestellten Schwerbehinderten oder Gleichgestellten besetzt war"; war das innerhalb der ersten sechs Monate nicht dauernd der Fall, ist der Zuschuß voll zurückzuzahlen; vom siebenten bis einschließlich 18. Monat ist demgegenüber für jeden Monat der Nichtbesetzung ein Zwölftel des Zuschusses zurückzuzahlen. Im vorliegenden Falle war "der Arbeitsplatz" vom 14. bis zum 18. Monat (fünf Monate) nicht mit einem aufgrund der Förderung eingestellten Schwerbehinderten besetzt, so daß die Rückforderung von fünf Zwölfteln = 7.500 DM gerechtfertigt ist. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Zuschuß, wie das LSG meint, eine "enge Arbeitsplatzbezogenheit" besaß. Denn von dem Zeitpunkt an, in dem sich die Beklagte mit der Beschäftigung des Schwerbehinderten als Kraftfahrer einverstanden erklärte, änderte sich auch ein für die Besetzung mit dem Schwerbehinderten maßgebender Arbeitsplatz. Die Beklagte mußte dazu nicht die Rückzahlungsverpflichtung schriftlich abändern; entgegen der Meinung des LSG wäre auch für eine gleiche Änderung der Selbstverpflichtung keine Schriftform erforderlich gewesen, weil es sich bei der im Rahmen des Sonderprogramms abgegebenen Selbstverpflichtung um kein abstraktes Schuldversprechen iS des § 780 BGB handelte.
Für die Nichtbesetzung des Arbeitsplatzes mit einem aufgrund der Förderung eingestellten Schwerbehinderten kam es nach der im Bewilligungsbescheid enthaltenen Rückzahlungsverpflichtung nicht auf ein Verschulden des Arbeitgebers an. Auf ein solches Erfordernis läßt sich auch nicht durch Rückgriff auf die RL schließen. Wenn es dort (§ 3 Abs 4 Satz 1) heißt, beim Ausscheiden innerhalb von sechs Monaten sei der (volle) Förderbetrag zurückzuzahlen, "ungeachtet, von wem das Beschäftigungsverhältnis gelöst worden ist", während bei der Zwölftelrückzahlung ein gleicher Zusatz fehlt, so bedeutet dies nicht, daß letztere nur beim Nichtverschulden des Arbeitgebers in Betracht komme; bei nur teilweiser Rückzahlung müßte eher erst recht die Person des das Beschäftigungsverhältnis Lösenden unerheblich sein. Das entspricht auch Sinn und Zweck von Vergabe und Rückforderung des Zuschusses. Die Beschäftigung bis zum 18. Monat soll die Bedingung sein, unter der der Arbeitgeber den bei der Einstellung des Behinderten voll ausgezahlten Zuschuß uneingeschränkt und endgültig behalten darf; für die Beschäftigung bis dahin trägt er das - mit der Antragstellung und der Einstellung des Behinderten eingegangene - Risiko (BSGE 54, 286, 290 ff).
Trotz der nach alledem rechtlich zulässigen Rückforderung hat der Senat den Rückforderungsbescheid aufgehoben, weil die Rückforderung im Ermessen der Beklagten lag und die Beklagte weder im Rückforderungs- noch im Widerspruchsbescheid ein solches ausgeübt hat. Allerdings ist weder in der im Bewilligungsbescheid enthaltenen Rückzahlungsverpflichtung noch in den RL von einem Ermessen die Rede, die Rückzahlung ist vielmehr als unbedingte Verpflichtung gestaltet. Gleichwohl hat bereits der 7. Senat in BSGE 54, 286, 292 erwogen, ob die Beklagte nicht aus Ermessensgründen von der Rückforderung absehen könne; er hat dies für eine vor dem Inkrafttreten des SGB X erfolgte Rückforderung offen gelassen. Für Rückforderungen von Zuschüssen nach dem Inkrafttreten des SGB X wie im vorliegenden Falle kann sich die Beklagte jedenfalls beim Vorliegen besonderer Umstände nicht mehr auf die bloße Feststellung der Rückforderungsvoraussetzungen beschränken; sie muß bei deren Vorliegen vielmehr noch nach ihrem Ermessen entscheiden, ob sie die Zuschußleistungen auch zurückfordern will. Das ergibt sich aus einem dem SGB X zu entnehmenden allgemeinen Rechtsgrundsatz, der besagt, daß einer Leistungsrückforderung in einem unter Umständen unterschiedlichen Stadium des Verwaltungsverfahrens eine Ermessensausübung voranzugehen hat. Dies kann schon bei der rückwirkenden Aufhebung einer Leistungsbewilligung nach den §§ 45, 48 Abs 1 Satz 2 SGB X der Fall sein mit der Folge, daß dann gemäß § 50 Abs 1 SGB X bei der Rückforderung ein Ermessen entfällt; die Ausübung des Ermessens kann aber auch bei der Rückforderung nach § 50 Abs 2 SGB X zu erfolgen haben, wenn Leistungen ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht worden sind (SozR 1300 § 45 Nr 12). Dieser Rechtsgrundsatz muß sich auch auf eigenständige Rückforderungsregelungen bei Zuschüssen der vorliegenden Art auswirken (vgl dazu OVG Münster, NJW 1985, 1042), und zwar hier bei der Rückforderung selbst, weil eine Aufhebung der Leistungsbewilligung nicht vorgeschrieben ist.
Die Beklagte hat, wie bereits hervorgehoben, bei ihrer Rückforderungsentschließung kein Ermessen ausgeübt. Ein BSGE 54, 286, 292 vergleichbarer Fall, in dem für ein Absehen aus Ermessensgründen nach dem Sachverhalt kein Raum mehr gesehen werden könnte, liegt jedenfalls hier nicht vor. Beachtlich kann hier vielmehr das Vorbringen der Klägerin über ihre hohen Aufwendungen (Investitionen) für den Arbeitsplatz sein, die sie schon im Widerspruchsverfahren gegenüber der Beklagten geltend gemacht hatte und die bisher nicht ausreichend geklärt sind. Insoweit könnte zu berücksichtigen sein, ob und inwieweit diese Aufwendungen den nicht zurückgeforderten Zuschußbetrag von 10.500 DM übersteigen, ob und inwieweit sie für die Beschäftigung des Schwerbehinderten erforderlich waren und ob und inwieweit sie nach der Auflösung des Arbeitsverhältnisses für die Klägerin sich als nutzlos darstellen. In diesem Zusammenhang kann ferner eine Rolle spielen, ob die Klägerin die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu verantworten hat, was bei dem wohl trunkenheitsbedingten Verlust des Führerscheines durch den Schwerbehinderten offenbar zu verneinen wäre. Aus diesen Gründen muß der Rückforderungsbescheid daher zum Nachholen von Ermessenserwägungen durch die Beklagte aufgehoben werden.
Bei der Kostenentscheidung hat der Senat die Beklagte nur mit drei Vierteln der außergerichtlichen Kosten der Klägerin belastet, weil diese im Rechtsstreit keine Aufhebung des Rückforderungsbescheides in dem Sinne erreicht hat, daß die Beklagte überhaupt keinen neuen Rückforderungsbescheid mehr erlassen dürfte.
Fundstellen