Verfahrensgang
Hessisches LSG (Urteil vom 09.08.1960) |
Tenor
Das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 9. August 1960 wird mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
I
Der Ehemann der Klägerin war als Ingenieur bei der Firma … in Butzbach beschäftigt. Er ist Kriegsbeschädigter des ersten Weltkrieges und bezieht deshalb die Grundrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 100 v.H. Als Schädigungsfolgen sind anerkannt: Beinverkürzung links um 8 cm, teilweise Versteifung des linken Hüftgelenks, Versteifung des linken Fußgelenks, Verbiegung der Lendenwirbelsäule und Herzmuskelschädigung. Die von ihm beantragte Pflegezulage ist ihm durch Urteil des Sozialgerichts (SG) Gießen vom 18. Februar 1957 neben anderen Gründen auch deshalb versagt worden, weil er nicht hilflos im Sinne des § 35 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) sei.
Am 14. März 1956 hatte der Ehemann der Klägerin eine Fahrt von seinem Wohnort Bad Nauheim nach Köln durchzuführen, wo er für seine Arbeitgeberin an einer Besprechung des Deutschen Stahlbau-Verbandes teilnehmen sollte. Dabei benutzte er seine ihm vom Versorgungsamt gewährten und mit einer Bedienungssonderausstattung versehenen Personenkraftwagen. Auf der Fahrt begleitete ihn die Klägerin, wie sie dies auch bei früheren Dienstfahrten ihres Ehemannes getan hatte. In der Nähe von Camberg/Taunus fuhr der Ehemann der Klägerin infolge Straßenglätte gegen einen Baum. Beide Ehegatten wurden verletzt; die Klägerin erlitt schwere beiderseitige Kniescheibenbrüche, die eine stationäre Behandlung erforderlich machten.
Die Klägerin beanspruchte Entschädigung aus der gesetzlichen Unfallversicherung mit der Begründung, sie habe ihren schwerbeschädigten Ehemann begleiten müssen, weil die Dienstfahrt zwei Tage habe dauern sollen und ihr Ehemann nicht in der Lage sei, sich allein an- und auszukleiden. Die beklagte Berufsgenossenschaft lehnte den Antrag mit folgender Begründung ab:
Die Klägerin habe zu der Firma … nicht in einem Arbeits- oder Dienstverhältnis gestanden; sie sei auch nicht, nach § 537 Nr. 10 der Reichsversicherungsordnung (RVO) versichert gewesen, weil sie ihren Ehemann nicht im Interesse des Unternehmens begleitet, sondern sich als Ehefrau verpflichtet gefühlt habe, ihrem Ehemann, ohne eine Arbeit im Rechtssinne zu leisten, Pflege und Wartung zuteil werden zu lassen.
Mit der hiergegen erhobenen Klage hat die Klägerin vorgebracht: Ihr Ehemann bedürfe wegen seiner schweren Beschädigung ständig einer Begleitperson. Im Jahre vor den Unfall habe sie – die Klägerin – ihn deshalb auf allen seinen 24 Dienstreisen begleitet. Die Betriebsleitung sei hierüber unterrichtet und damit einverstanden gewesen. Zum Nachweis für die Notwendigkeit der Reisebegleitung hat sie eine Bescheinigung des Arztes … vorgelegt.
Das SG Gießen hat nach Einholung einer Auskunft der Arbeitgeberin durch Urteil vom 24. Februar 1959 die Beklagte den Grunde nach verurteilt, der Klägerin für die Folgen des Unfalls vom 14. März 1956 Entschädigung zu gewähren. Es hat in ihrer Begleittätigkeit eine im Interesse des Unternehmens ausgeführte, wirtschaftliche und nützliche Arbeitsleistung gesehen und dementsprechend Versicherungsschutz nach § 537 Nr. 10 RVO angenommen.
Auf die Berufung der Beklagten hat das Hessische Landessozialgericht (LSG) durch Urteil vom 9. August 1960 die erstinstanzliche Entscheidung aufgehoben und die Klage mit im wesentlichen folgender Begründung abgewiesen: Es fehle an den Voraussetzungen des § 537 Nr. 10 RVO; die Tätigkeit der Klägerin sei weder einer auf Grund eines Beschäftigungsverhältnisses ausgeübten Tätigkeit ähnlich gewesen noch habe sie mit der versicherten Tätigkeit ihres Ehemannes in einem inneren ursächlichen Zusammenhang gestanden. Der Ehemann der Klägerin sei nicht hilflos im Sinne des BVG. Die versorgungsärztliche Untersuchung vom 4. Oktober 1955 habe ergeben, daß er lediglich zum An- und Auskleiden fremder. Hilfe bedürfe. Da er täglich mit dem PKW von Bad Nauheim nach dem 12 km entfernten Butzbach fahre und dort seiner beruflichen Tätigkeit nachgehe, sei nicht anzunehmen, daß er außer zu den erwähnten Verrichtungen für weitere Bedürfnisse des täglichen Lebens auf fremde Hilfe angewiesen sei. Auch aus der Bescheinigung der Gemeindeschwester … und den im Unfallrentenverfahren des Ehemannes der Klägerin eingeholten Gutachten des … und des … ergebe sich nichts anderes. Die Begleitung durch die Klägerin sei keine dem Betrieb förderliche Arbeit von wirtschaftlichem Wert gewesen; die Klägerin sei in erster Linie mitgefahren, um ihrem Ehemann beim An- und Auskleiden behilflich zu sein. Diese Verrichtung stelle noch keine berufliche Tätigkeit dar, sondern schaffe erst die Voraussetzung für die Aufnahme einer solchen; sie gehöre also auch bei Schwerbeschädigten zu dem unversicherten Lebensbereich. Selbst wenn die Klägerin – was nicht ausreichend wahrscheinlich sei – ihrem Ehemann auch bei anderen Verrichtungen als dem An- und Auskleiden helfen müsse, könne es sich hierbei nur um Verrichtungen handeln, die ebenfalls dem persönlichen Lebensbereich zuzuordnen seien. Somit sei durch die Mitfahrt der Klägerin nach Köln kein innerer ursächlicher Zusammenhang zum Betrieb hergestellt worden. Gegen den Charakter der Mitfahrt als einer betrieblichen Verrichtung spreche auch der Umstand, daß der Betrieb keine Mehraufwendungen erstattet habe. Auf den mutmaßlichen Willen des Unternehmers käme es nur dann an, wenn tatsächlich eine Arbeitsleistung für den Betrieb vorläge. Dies sei jedoch zu verneinen, weil die Tätigkeit der Klägerin sich darin erschöpft habe, ihrem Ehemann beim An- und Auskleiden behilflich zu sein. Aus dem von der Klägerin angeführten RAM-Erlaß vom 14. September 1944 betr. Unfallversicherung für Begleitpersonen Blinder (AN 1944, 269) lasse sich für das Klagebegehren nichts herleiten, weil die Lage des Ehemannes der Klägerin mit der eines Blinden nicht vergleichbar sei; der Ehemann der Klägerin sei dank intakter Sinnesorgane ohne weiteres in der Lage, sich im Verkehr zu bewegen und einen Kraftwagen selbständig zu fahren. Im übrigen habe die Klägerin schon deshalb nicht „wie” ein nach § 537 Nr. 1 RVO Versicherter tätig sein können, weil der Betrieb auch sonst keine „Betreuungspersonen” eingesetzt habe.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Das Urteil ist der Klägerin an 27. August 1960 zugestellt worden. An 26. September 1960 hat sie Revision eingelegt und diese zugleich begründet.
Die Revision führt aus: Das LSG habe den Sachverhalt nicht ausreichend erforscht und verfahrensrechtlich nicht einwandfrei festgestellt. Es habe Feststellungen über die Hilfsbedürftigkeit des Ehemannes der Klägerin unzulässigerweise nur aus den – im übrigen in der mündlichen Verhandlung nur beiläufig erwähnten – Versorgungsakten getroffen, obwohl die Klägerin vorgetragen habe, ihr Ehemann sei in weit höherem Maße, als vom LSG angenommen, hilfsbedürftig. Sein Besuch in den Praxisräumen des … in Frankfurt/Main sei nur dadurch möglich gewesen, daß er mit Hilfe eines anderen Patienten in das erste Obergeschoß und später wieder heruntergebracht worden sei. Wenn die Klägerin ihren Ehemann begleitet habe, so habe sie ihm Treppen hinauf- und hinabhelfen und Akten tragen müssen. Die Feststellung des LSG, die Hilfeleistungen der Klägerin für ihren Ehemann könnten nur ähnlicher Art. gewesen sein wie das An- und Auskleiden, beruhe auf einer unzulässigen Unterstellung. Tatsächlich habe die Klägerin auf einer Fahrt wie der vom 14. März 1556 ihrem Ehemann beim Ein- und Aussteigen helfen und während der Tagung alle möglichen Dienstwege abnehmen müssen; vor allem hätte sie im Falle einer Wagenpanne in Tätigkeit treten müssen. In sachlich-rechtlicher Hinsicht habe das LSG durch Nichtanwendung des § 537 Nr. 10 RVO das Gesetz verletzt. Entgegen seiner Auffassung sei die Begleitung durch die Klägerin eine dem Betrieb der Firma … förderliche Tätigkeit gewesen. Der Ehemann der Klägerin sei Spezialist für Drehscheiben und Schiebebühnen. Ein anderer Teilnehmer als er wäre für die Fachtagung am 14. März 1956 nicht in Betracht gekommen. Hierbei sei die Begleitung durch die Klägerin notwendig gewesen; denn allein hätte ihr Ehemann eine so weite Fahrt nicht machen und auch eine Tagung von so langer Dauer nicht durchstehen können. Die Annahme des LSG, es spreche gegen die Betriebsförderlichkeit der Begleitung, daß für die Klägerin keine Mehraufwendungen liquidiert worden seien, treffe nicht zu. Schwerbeschädigte wollten im allgemeinen nicht gern offenbaren, wie hilflos sie seien. Die Begleitung durch die Klägerin habe auch dem Willen der Arbeitgeberin, wie aus ihrer Auskunft zu ersehen sei, entsprochen. Unrichtig sei die Auffassung des LSG, die Klägerin sei für ihren Ehemann nur insoweit tätig geworden, als sie auf Grund ihrer Stellung als Ehefrau hierzu gesetzlich verpflichtet gewesen sei. Aus den eherechtlichen Vorschriften ergebe sich nicht die Verpflichtung zur Begleitung des Ehemannes auf Dienstreisen. Ebensowenig treffe es zu, daß die Hilfeleistung der Klägerin lediglich der Aufnahme der beruflichen Tätigkeit gedient habe. Ohne ihre Begleitung hätte ihr Ehemann die Tagung nicht wahrnehmen können, oder die Arbeitgeberin hätte einen ihrer Angestellten mit seiner Betreuung beauftragen müssen. Es sei auch nicht gerechtfertigt, zwischen Schwerbeschädigten mit einer MdE von 100 v.H. und Blinden, wie es das LSG tue, einen Unterschied, im Versicherungsschutz für Begleitpersonen zu machen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Hessischen LSG vom 9. August 1960 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Gießen vom 24. Februar 1959 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie pflichtet den Urteil des LSG in allen wesentlichen Punkten bei. Einen Verfahrensmangel sieht sie nicht als gegeben an. Nach ihrer Meinung durfte das LSG Feststellungen aus den Versorgungsakten treffen, weil diese Gegenstand der mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen gewesen seien. Soweit die Revision neue Tatsachen vorgetragen hat, widerspricht die Beklagte deren Vorwertung. In sachlich-rechtlicher Hinsicht führt sie aus, die Klägerin habe ihren Ehemann nicht im Interesse des Betriebes begleitet, sondern um ihn in die Lage zu versetzen, neben seiner Versorgungsrente einen – auch ihr zugute kommenden – möglichst hohen Arbeitsverdienst zu erzielen.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist durch Zulassung statthaft (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes –SGG–), auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das somit zulässige Rechtsmittel hatte insofern Erfolg, als es zur Zurückverweisung der Sache an das LSG geführt hat.
Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt davon ab, welcher Sachverhalt der Rechtsanwendung zugrunde zu legen ist. Das LSG hat festgestellt: Der Ehemann der Klägerin habe lediglich zum An- und Auskleiden, allenfalls noch zu ähnlichen, jedenfalls aber seinem persönlichen Lebensbereich zuzurechnenden Verrichtungen, fremde Hilfe benötigt. Auf der Dienstfahrt nach Köln am 14. März 1956 habe die Klägerin keine anderen Tätigkeiten auszuüben brauchen als diejenigen, die sie auch zu Hause für ihren Ehemann wahrnehme. Diese Feststellungen binden das Bundessozialgericht (BSG) jedoch nicht, weil die Klägerin sie mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen angegriffen hat (§ 163 SGG).
Das Ausmaß der Hilfsbedürftigkeit des Ehemannes der Klägerin hat das LSG im wesentlichen auf Grund eines bei den Versorgungsakten befindlichen ärztlichen Gutachtens vom 4. Oktober 1955 beurteilt. Gegen die Verwertung dieses Gutachtens als Beweismittel bestehen entgegen der Auffassung der Revision keine verfahrensrechtlichen Bedenken; denn die Versorgungsakten 103623 des Versorgungsamts Gießen waren ausweislich des Tatbestandes des angefochtenen Urteils Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem LSG, und es besteht keine Veranlassung zu der Annahme, daß der Inhalt des angeführten versorgungsärztlichen Gutachtens nicht vorgetragen worden wäre. Aus diesem Gutachten durfte das LSG jedoch ohne Überschreitung der Grenzen der freien richterlichen Überzeugungsbildung nicht den Schluß ziehen, daß die Klägerin auf der Fahrt nach Köln keine anderen Aufgaben gehabt habe als während ihres häuslichen Zusammenseins mit ihrem Ehemann. Das versorgungsärztliche Gutachten betrifft lediglich die Voraussetzungen der Pflegezulage (§ 35 BVG), d. h. die Frage, ob der Ehemann der Klägerin infolge seiner Kriegsbeschädigung so hilflos ist, daß er für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens in erheblichem Umfange fremder Hilfe dauernd bedarf. Auch wenn diese Frage von dem Versorgungsarzt und dem SG Gießen mit Recht verneint worden ist, so folgt hieraus noch nicht, daß der Ehemann der Klägerin die Fahrt nach Köln ohne eine Begleitperson hätte durchführen können. Das LSG hätte im einzelnen klären müssen, welcher Art. die Aufgaben waren, die dem Ehemann der Klägerin bei seiner dienstlichen Verrichtung in Köln zufallen sollten, vor allem ob er Treppen steigen, Tagungsunterlagen von erheblichem Gewicht tragen und Gänge nennenswerten Ausmaßes machen mußte, Alsdann hätte es prüfen müssen, ob er – … hat diese Frage in einer ärztlichen Bescheinigung von 30. Oktober 1958 bejaht – zu diesen Verrichtungen einer Hilfsperson bedurfte. Die Tatsache, daß der Ehemann der Klägerin einmal in den im ersten Obergeschoß gelegenen Praxisräumen des Arztes … in Frankfurt/Main erschienen ist, beweist für sich allein nicht, daß er dies ohne fremde Hilfe hat tun können. Ebensowenig lassen seine täglichen, mit dem Personenkraftwagen durchgeführten Fahrten von Bad Nauheim nach Butzbach und zurück ohne weiteres darauf schließen, daß er auch die etwa. 180 km lange Strecke nach Köln ohne eine Begleitperson hätte zurücklegen können. Hierbei darf nicht außer Betracht bleiben, daß auf einer so weiten Fahrt, abgesehen von der Beanspruchung durch die Fahrleistung, naturgemäß in erhöhtem Maße mit der Möglichkeit von Autopannen und dadurch erforderlich werdenden Gängen gerechnet werden muß. Darin, daß das LSG es unterlassen hat, den Sachverhalt in der aufgezeigten Weise ausreichend zu erforschen, liegt ein Verstoß gegen § 103 SGG. Diesen Mangel hat die Revision den Erfordernissen des § 164 Abs. 2 Satz 2 SGG entsprechend gerügt.
War der Ehemann der Klägerin – wie diese behauptet – infolge seiner körperlichen Behinderung nicht in der Lage, die Dienstreise nach Köln ohne eine Begleitperson durchzuführen, so hat die Klägerin, indem sie ihren Ehemann auf der Fahrt begleitet hat, unter Berücksichtigung der weiteren von LSG getroffenen Feststellungen eine Tätigkeit ausgeübt, für die der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung nach § 537 Nr. 10 RVO in Betracht kam. Nach dieser Vorschrift ist, wie der erkennende Senat in der von beiden Beteiligten angeführten Entscheidung BSG 5, 168 ausgeführt hat, Versicherungsschutz gegeben, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind: Es muß eine ernstliche, dem Unternehmen dienende Tätigkeit vorliegen, und diese muß ihrer Art. nach sonst von Personen verrichtet werden können, die zu dem Unternehmer in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit stehen. Weiter muß die Tätigkeit dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entsprechen. Schließlich muß sie unter solchen, Umständen geleistet werden, daß sie einer nach § 537 Nrn. 1 bis 9 RVO unter Versicherungsschutz stehenden Tätigkeit ähnlich ist; dazu ist es erforderlich, daß durch sie ein innerer ursächlicher Zusammenhang mit dem unterstützten Unternehmen hergestellt wird.
Hat die Klägerin ihren Ehemann auf der Dienstfahrt vom 14. März 1956 begleitet, um ihm die Durchführung der Fahrt zu ermöglichen, so hat sie eine ernsthafte Arbeit geleistet, die der Arbeitgeberin insofern nützlich war, als diese dadurch in die Lage versetzt wurde, ihren Ingenieur auf Dienstreise zu schicken und seine Arbeitskraft bei der Wahrnehmung der Tagung auszunutzen. Die Begleitung eines körperlich behinderten Schwerbeschädigten, der ohne eine solche, Begleitung nicht in der Lage ist, seine Arbeitsstätte zu erreichen, stellt auch eine Tätigkeit dar, die ihrer Art. nach sonst von Personen verrichtet werden könnte, die – wie dies z. B. bei Begleitpersonen Blinder häufig der Fall ist (vgl. hierzu den RAM-Erlaß vom 14. September 1944 – AN 1944, 269 –) – zu dem Arbeitgeber des körperbehinderten Beschäftigten in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit, stehen. Daß die Firma … tatsächlich solche Betreuungspersonen für Schwerbeschädigte nicht beschäftigt, ist entgegen der Auffassung des LSG rechtlich unerheblich. Einen betrieblichen Auftrag an die Klägerin, ihren Ehemann zu begleiten, hat das LSG nicht angenommen, es scheint aber als feststehend angesehen zu haben, daß die Begleitung dem Willen der Arbeitgeberin entsprochen hat; denn es hat ausgeführt, kein Betrieb könne ernsthaft etwas dagegen haben, daß eine Ehefrau ihren körperlich behinderten Ehemann auf einer Dienstreise begleite. Zu prüfen bleibt somit nur noch, ob die Tätigkeit der Klägerin in einer hinreichend engen Beziehung zu dem Unternehmen der Firma … gestanden hat. Dies trifft nach der Auffassung des erkennenden Senats zu, wenn der Ehemann ohne eine Begleitperson die Dienstreise nicht hätte durchführen können. Denn unter dieser Voraussetzung hat die Tätigkeit der Klägerin es der Arbeitgeberin erst ermöglicht, die Kenntnisse und Erfahrungen ihres Ingenieurs bei der Besprechung in Köln auszunutzen. Hieran sowie überhaupt an der Beschäftigung des Ehemannes der Klägerin konnte die Firma … für den Fall besonders interessiert gewesen sein, daß der Beschäftigte – wie die Klägerin behauptet – über wertvolle Spezialkenntnisse auf bestimmten einschlägigen Gebieten verfügte, aber auch für den Fall, daß er auf die von dem Unternehmen nach dem Schwerbeschädigtengesetz zu erfüllende Pflichtzahl von Schwerbeschädigten angerechnet wurde. Der Versicherungsschutz auf Grund des § 537 Nr. 10 RVO entfällt nicht schon deshalb, weil der Beweggrund, der die Klägerin zur Mitfahrt veranlaßt hat, in dem Bestreben zu suchen sein mag, ihren Ehemann auf der Fahrt und während seines Aufenthalts in Köln weitgehend zu entlasten und ihm auch in rein persönlichen Angelegenheiten zur Hand zu gehen. Nach der angeführten Rechtsprechung des erkennenden Senats kommt es nicht auf die Beweggründe, sondern auf die Art. der Tätigkeit an (BSG 5, 172). Es bedarf auch nicht der Entscheidung, ob Hilfeleistungen für ihren Ehemann, zu denen die Klägerin als Ehefrau verpflichtet war, den Versicherungsschutz nach § 537 Nr. 10 RVO schlechthin ausschließen; denn aus den eherechtlichen Vorschriften läßt sich für eine Ehefrau jedenfalls nicht die Verpflichtung herleiten, ihren Ehemann auf Dienstreisen zu begleiten, die er wegen körperlicher Behinderung nicht allein ausführen kann. Schließlich beeinträchtigt es auch entgegen der Meinung der Revision den Versicherungsschutz nicht, daß die Klägerin von der Erwägung ausgegangen sein mag, die Weiterbeschäftigung ihres Ehemannes im Unternehmen und damit die Erhaltung des sowohl ihrem Ehegatten als auch ihr selbst willkommenen Arbeitsverdienstes würden in Frage gestellt, wenn sie nicht durch ihre Begleitung die Durchführung von Dienstreisen ermögliche. Träfe diese Meinung zu, so wäre die Anwendung des § 537 Nr. 10 RVO immer dann ausgeschlossen, wenn der im Sinne dieser Vorschrift vorübergehend Tätige ein Entgelt für seine Tätigkeit erstrebt oder erhält. Dies ist jedoch nicht der Fall; das Ergebnis der „vorübergehenden” Tätigkeit muß zwar das unterstützte Unternehmen fördern, kann aber gleichzeitig einen Nutzen für den Tätigen selbst oder einen Dritten abwerfen (vgl. Lauterbach, Unfallversicherung; 2, Aufl., § 537 Nr. 10 Anm. 43 S. 47 mit weiteren Nachweisen).
Da es an den erforderlichen Feststellungen über das Ausmaß der Betreuungsbedürftigkeit des Ehemannes der Klägerin und damit über die Notwendigkeit, sich auf der unfallbringenden Fahrt vom 14. März 1956 von der Klägerin begleiten zu lassen, fehlt; muß die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen werden.
Einer Zurückverweisung bedürfte es allerdings nicht, wenn schon die bisherige, in ihrem positiven Gehalt von keinem der Beteiligten angegriffene Feststellung des LSG, die Klägerin habe ihrem Ehemann während der Dienstreise beim An- und Auskleiden und ähnlichen, dem persönlicher. Lebensbereich zuzurechnenden Verrichtungen helfen müssen, den Entschädigungsanspruch rechtfertigen würde. In diesem Falle müßte schon jetzt, ohne daß es auf eine weitere Sachaufklärung ankäme, der Aufhebungs- und Leistungsklage stattgegeben werden. Das LSG hat jedoch zutreffend angenommen, daß das An- und Auskleiden eines Beschäftigten nicht, dessen versicherter Tätigkeit zuzurechnen, sondern als eine den Weg zur Arbeitsstätte und die Beschäftigung selbst lediglich vorbereitende Verrichtung unversichert ist (vgl. BSG 7, 255, 256 und BSG in SozR RVO § 542 Bl. Aa 51 Nr. 54). Dies gilt nicht nur für Tätigkeiten beim Ankleiden, die der Beschäftigte selbst ausübt, sondern auch für solche einer Hilfsperson, sofern diese nicht ebenfalls in einem Arbeits- oder Dienstverhältnis zu dem Arbeitgeber des Beschäftigten steht oder von ihm beauftragt ist. Die Klägerin war daher zweifellos nicht nach § 537 Nr. 10 RVO versichert, soweit sie zu Hause ihrem Ehemann beim Ankleiden geholfen und ihm dadurch die Aufnahme seiner täglichen Beschäftigung bei seiner Arbeitgeberin ermöglicht hat. Auf einer Dienstreise ist nach der Auffassung des Senats jedenfalls das Ankleiden bei Tagesbeginn und das abendliche Auskleiden versicherungsrechtlich ebenso zu beurteilen. Der dienstlich veranlaßte Aufenthalt in einer fremden Stadt ist allerdings, wie der erkennende Senat in BSG 8, 48, 52 ausgeführt hat, nicht in demselben Maße von rein eigenwirtschaftlichen Belangen beeinflußt wie derjenige am Wohnort. Das bei allen zivilisierten Völkern übliche Anlegen von Kleidungsstücken nach Beendigung der Nachtruhe und der umgekehrte Vorgang am Abend tragen jedoch ein so stark persönliches, von jeder Beschäftigung unabhängiges Gepräge, daß eine solche Verrichtung auch auf einer Dienstreise grundsätzlich dem rein persönlichen Lebensbereich zugerechnet werden muß. Hiernach läßt sich nach den bisherigen – aber nicht erschöpfenden – Feststellungen des LSG kein Versicherungsschutz für die Klägerin begründen. Es kommt vielmehr für die Entscheidung des Rechtsstreits auf das Ergebnis einer weiteren Sachaufklärung an.
Hiernach mußte: das angefochtene Urteil mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen werden. In der abschließenden Entscheidung wird das LSG auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.
Fundstellen