Leitsatz (amtlich)
Die früheren deutschen Ostgebiete innerhalb der Reichsgrenzen vom 1937-12-31 sind Ausland iS des VwZGVwV § 14. Auch vor der Herstellung diplomatischer Beziehungen zu Polen waren Zustellungen durch die Post mittels eingeschriebenen Briefes (VwZG § 4) in diesen Gebieten unzulässig.
Leitsatz (redaktionell)
Bei der Zustellung eines Urteils im März 1971 an den in Polen - in einem Gebiet innerhalb der früheren Reichsgrenzen - wohnhaften Kläger handelt es sich um eine Zustellung im Ausland. Die hierfür gewählte Form der Aufgabe eines eingeschriebenen Briefes mit Rückschein (VwZGVwV § 4) war ungesetzlich, da sie gegen die zwingende Vorschrift des VwZGVwV § 14 verstieß. Sie konnte nach VwZGVwV § 9 Abs 2 die Berufungsfrist nicht in Lauf setzen.
Das Urteil des SG hätte vielmehr damals nach VwZGVwV § 15 Abs 1 Buchst c öffentlich in der in Abs 2 und 3 dieser Vorschrift geregelten Weise zugestellt werden müssen, wobei nach VV VwZGVwV § 19 Abs 3 (Fassung von 1966-12-13) dem Empfänger die öffentliche Zustellung und der Inhalt des zuzustellenden Schriftstücks mitgeteilt werden "sollte" (und seit Einführung des VwZGVwV § 15 Abs 5 S 2 durch das Änderungsgesetz vom 1972-05-19 mitgeteilt werden "muß").
Normenkette
SGG § 63 Abs. 2 Fassung: 1953-09-03; VwZG § 4 Abs. 1 Fassung: 1952-07-03, § 9 Abs. 2 Fassung: 1952-07-03, § 14 Abs. 1 Fassung: 1952-07-03, § 15 Abs. 1 Buchst. c Fassung: 1952-07-03, Abs. 2 Fassung: 1952-07-03, Abs. 3 Fassung: 1952-07-03, Abs. 5 S. 2 Fassung: 1972-05-19; VwZGVwV Nr. 19 Abs. 3 Fassung: 1966-12-13
Tenor
Das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 15. September 1971 wird aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe
I
Der in S (Polen, früher Kreis B/OS.) wohnhafte Kläger beantragte Anfang 1968 die Gewährung von Versorgungsleistungen gemäß § 64 Abs. 2 Satz 2 des Bundesversorgungsgesetzes. Der Antrag wurde durch Bescheid vom 16. Juni 1969 abgelehnt, der Widerspruch durch Bescheid vom 13. April 1970 zurückgewiesen. Das Sozialgericht (SG) Münster holte ein ärztliches Gutachten ein und wies durch Urteil vom 3. Februar 1971 die Klage ab. Das Urteil wurde mit eingeschriebenem Brief am 25. Februar 1971 an den Kläger abgesandt; laut Rückschein wurde die Sendung dem Kläger am 1. März 1971 in S ausgehändigt.
Das Berufungsschreiben des Klägers vom 28. Mai 1971 ist nach dem Poststempel am 29. Mai 1971 in Z aufgegeben worden und am 3. Juni 1971 beim Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen eingegangen. Auf den Hinweis des Berichterstatters, die Berufungsfrist sei bereits mit dem 1. Juni 1971 abgelaufen, entgegnete der Kläger, er habe damit gerechnet, daß die Post nicht länger als drei Tage unterwegs sein und spätestens am 1. Juni eintreffen werde; da der sonst für den Kläger tätig gewesene Schreiber aus Beuthen damals erkrankt gewesen sei, habe der Kläger auf dessen Gesundung bis zum 28. Mai gewartet, dann habe die Ehefrau des Klägers in aller Eile die Berufung geschrieben. Das LSG hat durch Urteil vom 15. September 1971 die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen: Der Kläger habe die Berufungsfrist, die nach §§ 87 Abs. 1 Satz 2, 153 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) drei Monate nach Zustellung des SG-Urteils betragen habe, nicht gewahrt. Die Urteilszustellung durch die Post mittels Einschreibebriefs gegen Rückschein sei nach § 63 Abs. 2 SGG i. V. m. § 4 des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG) ordnungsgemäß erfolgt und habe die Berufungsfrist nach § 64 SGG am 2. März 1971 in Lauf gesetzt. Bedenken gegen diese Zustellungsform bestünden auch nicht deshalb, weil der Kläger nicht im Geltungsbereich des SGG wohne. Zwar sei bei Zustellungen im Ausland die Sonderregelung des § 14 VwZG zu beachten, wonach die Zustellung durch die Post mittels eingeschriebenen Briefes ausgeschlossen sei. Nach der Rechtsprechung des LSG finde diese Vorschrift aber keine Anwendung bei der Zustellung in ein zwar außerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes (GG), jedoch noch innerhalb der früheren Reichsgrenzen (Stand: 31. Dezember 1937) liegendes Gebiet. Nicht jedes Gebiet außerhalb des Geltungsbereichs des GG sei nämlich zustellungsrechtlich als "Ausland" anzusehen, wie der Fassung des § 15 Abs. 1 Buchst. c VwZG im Zusammenhang mit derjenigen des § 14 VwZG zu entnehmen sei. Der unterschiedliche Sprachgebrauch beider Vorschriften mit der Differenzierung zwischen "Gebiet außerhalb des Geltungsbereichs des GG" und "Ausland" könne nur bedeuten, daß das außerhalb des Geltungsbereichs des GG, aber innerhalb der früheren Reichsgrenzen liegende Gebiet zustellungsmäßig nicht als Ausland behandelt werden solle. Dies entspreche auch einem praktischen Bedürfnis, da die postalische Zustellung mittels Einschreibens den dort lebenden Personenkreis einfacher und sicherer erreiche als die sonst erforderliche öffentliche Zustellung. Wegen der somit gegebenen Versäumung der Berufungsfrist um zwei Tage könne dem Kläger keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 67 SGG gewährt werden. - Das LSG hat die Revision nicht zugelassen. Eine Zustellung des Berufungsurteils an den Kläger ist nicht nachgewiesen.
Mit Schreiben vom 1. November 1971, das am 8. November 1971 beim Bundessozialgericht (BSG) eingegangen ist, hat der Kläger Einwände gegen das Berufungsurteil geltend gemacht und auf sein Unvermögen zur Bestreitung der Kosten eines Prozeßbevollmächtigten hingewiesen. Nach Bewilligung des Armenrechts hat der dem Kläger beigeordnete Prozeßbevollmächtigte fristgerecht Revision eingelegt mit dem Antrag,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Am 11. September 1972 ist die Revision wie folgt begründet worden: Das LSG habe die Vorschriften der §§ 151 Abs. 1, 158 Abs. 1 SGG sowie der §§ 4, 14 VwZG verletzt. Es habe die Berufung des Klägers als verspätet angesehen, obwohl am 3. Juni 1971 die Berufungsfrist überhaupt noch nicht zu laufen begonnen habe, weil nämlich das SG-Urteil bis dahin noch nicht ordnungsgemäß zugestellt worden sei. Die Zustellung gemäß § 4 VwZG durch die Post mittels eingeschriebenen Briefes sei nicht rechtens gewesen, vielmehr hätte sie nach § 14 VwZG vorgenommen werden müssen. Die Meinung des LSG, § 14 VwZG komme für Zustellungen in ehemals zum Deutschen Reich gehörenden Gebieten nicht in Betracht, treffe nicht zu. Im Bereich des Verfahrensrechts, dem das VwZG angehöre, seien die Begriffe "Inland" und "Ausland" allein danach zu beurteilen, ob ein Gebiet gleichen Rechts und gleicher Rechtsanwendung vorliege oder nicht. In diesem Sinne sei Inland nur das Gebiet der Bundesrepublik. Sei aber ein Gebiet nicht Inland i. S. des Verfahrensrechts, so sei es eben "Ausland" (BGHZ 52, 123). Im Sinne des § 14 VwZG liege also der Wohnsitz des Klägers im Ausland. Die vom LSG auf § 15 Abs. 1 Buchst. c VwZG gestützte Ansicht, das VwZG kenne zwischen Inland und Ausland noch ein Gebiet, das nicht mehr Inland, aber noch nicht Ausland sei, verkenne die Bedeutung dieser Vorschrift, die keineswegs einen Unterschied zwischen Inland, Ausland und einem Zwischengebiet begründe, sondern lediglich besage, daß eine öffentliche Zustellung auch dann schon möglich sei, wenn die sonst nach den vorhergehenden Vorschriften auszuführende Zustellung außerhalb des Geltungsbereichs des GG unausführbar oder erfolglos wäre.
Der Beklagte beantragt Verwerfung der Revision. Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und meint, es stimme mit dem Beschluß des BSG vom 27. Oktober 1970 (8 RV 631/69) überein.
II
Da nach der Auskunft des LSG vom 7. Juli 1972 die Zustellung des Berufungsurteils an den Kläger nicht nachzuweisen ist, erübrigt sich eine Entscheidung des Senats über die in der Revisionsschrift und in der Revisionsbegründung gestellten Wiedereinsetzungsanträge, denen übrigens - bei nachgewiesener Urteilszustellung - ohne weiteres stattzugeben gewesen wäre (BSG 8, 207).
Die Revision des Klägers, die mithin form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden ist, erweist sich als statthaft gemäß § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG, da der Kläger es mit Recht als einen wesentlichen Verfahrensmangel rügt, daß das LSG seine Berufung als unzulässig verworfen hat, statt die gebotene Sachentscheidung zu treffen (BSG 1, 283, 286, 287; SozR Nr. 21 zu § 162).
Bei seiner Auffassung, die Berufung sei wegen Fristversäumnis als unzulässig zu erachten (§ 158 Abs. 2 SGG), ist das LSG davon ausgegangen, das erstinstanzliche Urteil sei dem Kläger am 1. März 1971 rechtswirksam zugestellt (§§ 135, 63 Abs. 1 und 2, 151 Abs. 1 SGG) worden; die in § 4 VwZG geregelte Zustellung durch die Post mittels eingeschriebenen Briefes gegen Rückschein sei nämlich in dem innerhalb der früheren Reichsgrenzen von 1937 gelegenen Gebiet von Oberschlesien zulässig, dem stünden die Vorschriften über Zustellungen im Ausland (§§ 14, 15 Abs. 1 Buchst. c VwZG) nicht entgegen. Damit hat - wie die Revision mit Recht vorträgt - das LSG das VwZG unrichtig angewandt, denn der Kläger wohnt "im Ausland", so daß für das Zustellungsverfahren nicht § 4 VwZG, sondern § 14 VwZG anwendbar ist. Mit der Bezugnahme auf die früheren Reichsgrenzen von 1937 hat das LSG (ebenso Kohlrust/Eimert, Das Zustellungsverfahren nach dem VwZG, Anm. 1 zu § 14 S. 65) ein Abgrenzungsmerkmal herangezogen, das zwar staats- und völkerrechtlich (vgl. Art. 116 GG) sowie auf dem Gebiet des materiellen Sozialrechts (vgl. etwa § 7 Abs. 1 Nr. 2 BVG; SozR Nr. 7 zu § 1317 RVO) durchaus bedeutsam, für die Auslegung des Begriffs "Ausland" i. S. des § 14 VwZG jedoch völlig ungeeignet ist. Dieser Begriff muß in dem hier in Betracht kommenden Zusammenhang spezifisch verfahrensrechtlich gedeutet werden, wobei von dem Grundsatz auszugehen ist, daß Urteilszustellungen Hoheitsakte sind, welche nur im eigenen Staatsgebiet vorgenommen werden dürfen. (Zu den Bedenken, die insoweit gegen die Vorschrift des § 197 Abs. 2 S. 2 BEG erhoben werden könnten, vgl. Blessin/Ehrig/Wilden Komm. zum BEG, 3. Aufl., Anm. III zu § 197). Unter diesem Blickwinkel betrachtet, konnten auch schon Anfang 1971 die dem polnischen Staat eingegliederten früheren deutschen Ostgebiete nur noch als Ausland angesehen werden, ein Übergangsbereich zwischen Inland und Ausland, wie ihn das angefochtene Urteil aufzuzeigen versucht, ist verfahrensrechtlich nicht vertretbar (vgl. BGHZ 52, 123, 137, 138). Dies entspricht auch der herrschenden Auffassung zum Begriff "Ausland" im zustellungsrechtlichen Sinne (vgl. Peters/Sautter/Wolff, Komm. zur Sozialgerichtsbarkeit, Anm. 6 zu § 63 SGG, S. 186/76-1 --; Stein/Jonas/Pohle, Komm. zur ZPO, 19. Aufl., Anm. I zu § 199; Wieczorek, ZPO Handausgabe, 2. Aufl., Anm. B zu § 199); dabei braucht die kontroverse Frage, ob auch das Gebiet der DDR in diesem Sinne als Ausland anzusehen ist (Peters/Sautter/Wolff, aaO; Ziemer/Birkholz, Komm. zur FGO, 2. Aufl., Randnoten 36 und 41 zu § 53; Thomas/Putzo, ZPO, 6. Aufl., Nr. 1 zu § 199) oder noch als Inland gelten kann (Peters/Sautter/Wolff, aaO, S. 186/81; Stein/Jonas/Pohle und Wieczorek, aaO; Arnold NJW 1952, 857, hier S. 858 Fußnote 2) nach Lage dieses Falles nicht erörtert zu werden.
Handelte es sich somit bei der Zustellung des SG-Urteils vom 3. Februar 1971 an den Kläger um eine Zustellung im Ausland, so war die vom SG hierfür gewählte Form der Aufgabe eines eingeschriebenen Briefes mit Rückschein ungesetzlich, da sie gegen die - das in § 2 Abs. 2 VwZG vorgesehene Wahlrecht einschränkende - zwingende Vorschrift des § 14 VwZG verstieß (vgl. BVerwG Urteil vom 30. Mai 1968, Buchholz 310 Nr. 16 zu § 58 VwGO; BSG Urteil vom 11. Juli 1972 - 5 RJ 287/71 -; LSG Baden-Württemberg, Breithaupt 1970, 486; Eyermann/Fröhler, Komm. zu VwGO, 5. Aufl., Anm. 4 e zu § 56; Peters/Sautter/Wolff, aaO, S. 186/76-1 --; siehe auch BSG Beschluß vom 22. Oktober 1965 KOV 1967, 79). Allerdings hat der 8. Senat des BSG in dem - vom Beklagten in der Revisionserwiderung angeführten - unveröffentlicht gebliebenen Beschluß vom 27. Oktober 1970 (8 RV 631/69) die Auffassung vertreten, da in Polen jede Möglichkeit einer Zustellung nach § 14 VwZG fehle und die sich hieraus ergebende öffentliche Zustellung (§ 15 Abs. 1 Buchst. c VwZG) für den dort wohnhaften Beteiligten wesentlich ungünstiger als eine Zustellung unter Einschreiben gegen Rückschein wäre, könne die Zustellung nach § 4 VwZG entsprechend einem seit längerer Zeit mit Erfolg geübten Verwaltungs- und Gerichtsgebrauch unbedenklich angewandt werden, zumal da in Polen ansässige Berechtigte, die als Prozeßbeteiligte am deutschen Rechtsverkehr teilnähmen, offensichtlich auch für normale Zustellungen und nicht nur für eine öffentliche Zustellung erreichbar seien. Dieser Auffassung, die sich auch der erkennende Senat gelegentlich (zB Beschluß vom 6. März 1969 - 9 RV 698/68 -) im Ergebnis zu eigen gemacht hat, ist jedoch mit dem LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 11. Oktober 1972 - L 9 V 40/72 -) entgegenzuhalten, daß sie nicht deutlich genug unterscheidet zwischen den der Sicherung eines geordneten Prozeßverlaufs dienenden, deshalb nicht pragmatisch, sondern strikt anzuwendenden Zustellungsgrundsätzen und denjenigen Maßnahmen, die zu ergreifen sind, damit der Zustellungsadressat wirklich Kenntnis von dem an ihn gerichteten Schriftstück erhält (vgl. Höllig, Betrieb 1972, 1261, 1263). In dieser Hinsicht muß davon ausgegangen werden, daß vor der Errichtung der deutschen Botschaft in W am 14. September 1972 (vgl. BAnz Nr. 176 vom 19. September 1972 S. 5) eine Zustellung gemäß § 14 Abs. 1 VwZG in Polen unausführbar gewesen ist (vgl. Kohlrust/Eimert, aaO, S. 71, 74), demnach auf Grund des § 15 Abs. 1 Buchst. c VwZG die öffentliche Zustellung in der in Abs. 2 und 3 dieser Vorschrift geregelten Weise vorzunehmen war. Dies hätte im vorliegenden Fall zu einem eindeutig bestimmbaren, für den Lauf der Rechtsmittelfrist maßgebenden Zustellungsdatum geführt, dem Kläger jedoch keine Kenntnis über den Inhalt des ihm öffentlich zugestellten Urteils vermittelt. Einer solchen Information des Klägers diente indessen die - vom 8. Senat nicht berücksichtigte - Bestimmung in Nr. 19 Abs. 3 der Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zum VwZG (Fassung vom 13. Dezember 1966, Beilage zum BAnz Nr. 240 vom 23. Dezember 1966), wonach dem Empfänger, wenn seine Anschrift bekannt war und Postverbindung bestand, die öffentliche Zustellung und der Inhalt des zuzustellenden Schriftstückes mitgeteilt werden "sollte". Bei regelmäßiger Anwendung dieser Bestimmung wären die vom 8. Senat in seinem angeführten Beschluß befürchteten Nachteile für in Polen ansässige Prozeßbeteiligte kaum noch zu erwarten gewesen; hinsichtlich der Fristberechnung war und ist für diesen Personenkreis die öffentliche Zustellung sogar günstiger (vgl. § 15 Abs. 3 S. 2 VwZG). Inzwischen ist die bislang in den Verwaltungsvorschriften enthaltene Mitteilungspflicht - nunmehr in Form einer "Mußvorschrift" - als § 15 Abs. 5 S. 2 VwZG in das Gesetz eingefügt worden (vgl. Art. 1 Nr. 4 Buchst. b VwZÄndG vom 19. Mai 1972, BGBl I, 789); die Wirksamkeit der öffentlichen Zustellung ist aber allein von der Beachtung der Abs. 2 und 3 des § 15 abhängig. Nach Meinung des erkennenden Senats ist es angesichts dieser Klarstellung kaum anzunehmen, daß die Rechtsprechung des BSG bei Zustellungen in Staaten ohne diplomatische und konsularische Beziehungen zur Bundesrepublik nochmals die im Beschluß vom 27. Oktober 1970 entwickelten Gedankengänge aufgreifen könnte. Der Senat sieht sich daher zu einer Anrufung des Großen Senats (§ 42 SGG) nicht veranlaßt.
Die fehlerhafte Zustellung des SG-Urteils vom 3. Februar 1971 an den Kläger konnte - unbeschadet ihrer Wirksamkeit im übrigen (§ 9 Abs. 1 VwZG; vgl. SozR Nrn. 1 und 2 zu § 9 VwZG) - gemäß § 9 Abs. 2 VwZG die Berufungsfrist nicht in Lauf setzen. Die am 3. Juni 1971 beim LSG eingegangene Berufung des Klägers war somit nicht verspätet; das LSG hätte über das Rechtsmittel in der Sache entscheiden müssen, die im angefochtenen Urteil ausgesprochene Prozeßabweisung bedeutet einen wesentlichen Verfahrensmangel. Das angefochtene Urteil muß aufgehoben werden, da nicht auszuschließen ist, daß das LSG bei richtigem Verfahren zu einer dem Kläger günstigeren Entscheidung gelangen könnte. Mangels hinreichender tatsächlicher Feststellungen muß der Rechtsstreit gemäß § 170 Abs. 2 S. 2 SGG an das LSG zurückverwiesen werden, dem auch die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens überlassen bleibt.
Fundstellen
NJW 1973, 1064 |
MDR 1973, 531 |
IPRspr. 1973, 148 |