Entscheidungsstichwort (Thema)
Unfallversicherungsschutz bei geringfügiger Unterbrechung der versicherten Tätigkeit
Leitsatz (redaktionell)
Unfallversicherungsschutz ist im allgemeinen nicht gegeben, wenn ein Beschäftigter auf dem Weg nach oder von dem Ort der Tätigkeit einer zusätzlichen Gefahr erliegt, welcher er sich freiwillig ausgesetzt hat und die seinem privaten Lebensbereich zuzurechnen ist.
Der Unfallversicherungsschutz entfällt nicht, wenn eine private Besorgung hinsichtlich ihrer zeitlichen Dauer und der Art ihrer Erledigung als so geringfügig angesehen werden kann, daß sie rechtlich nicht ins Gewicht fällt und somit keine erhebliche Unterbrechung des an sich versicherten Weges bedeutet.
Orientierungssatz
Das Hineinheben eines Kinderwagens in den Autobus durch den Verletzten auf dem Wege von der berufsgenossenschaftlichen Heilbehandlung nach Hause führt zu keinem Ausschluß des bestehenden Versicherungsschutzes.
Normenkette
RVO § 555 Fassung: 1963-04-30
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 2. Mai 1972 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe
I
Der Kläger hatte sich am 13. Mai 1968 durch Arbeitsunfall eine Verstauchung des linken Daumengrundgelenks und mehrere Ritzwunden am linken Unterarm zugezogen. Die deswegen durchgeführte berufsgenossenschaftliche Heilbehandlung wurde am 1. August 1968 durch den Facharzt für Chirurgie und Orthopädie Dr. E von der Unfallbehandlungsstelle der Berufsgenossenschaften B e. V. abgeschlossen und der Kläger ab 5. August 1968 für arbeitsfähig erklärt.
Am 2. August 1968 suchte der Kläger erneut Dr. E auf und gab an, er habe am 1. August 1968 auf dem Wege von der Unfallbehandlungsstelle nach Hause einer Passantin geholfen, ihren Kinderwagen in einen Omnibus zu heben. Dabei habe er einen Knacks im Rücken verspürt. Dr. E diagnostizierte eine Lumbago. Die Beklagte lehnte den geltend gemachten Entschädigungsanspruch durch Bescheid vom 27. Oktober 1969 ab, weil es sich beim Hochheben des Kinderwagens nicht um eine mit der Zurücklegung des Weges zur Heilbehandlung wegen eines Arbeitsunfalls zusammenhängende Tätigkeit gehandelt habe. Das Hochheben des Kinderwagens sei ein unversicherter Höflichkeitsakt, der vom Versicherungsschutz nach § 555 der Reichsversicherungsordnung (RVO) nicht umfaßt werde und darüber hinaus nur die Gelegenheitsursache für den eingetretenen Schaden gewesen sei.
Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Berlin hat der Kläger in der Klageschrift vorgetragen, daß er nach dem Anheben des Kinderwagens auf etwas Glattes getreten und ausgerutscht sei. Da ihm der Kinderwagen aus den Händen zu gleiten gedroht habe, habe er nachgreifen müssen. Bei dieser Bewegung habe er einen stechenden Schmerz im Rücken verspürt. Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 16. Juni 1970): Der allein aufgrund des § 555 RVO in Betracht kommende Versicherungsschutz scheide aus, weil das schädigende Ereignis auf eine zusätzliche Gefahr zurückzuführen sei, der sich der Kläger freiwillig ausgesetzt habe und die zu seinem privaten Lebensbereich gehöre. Der Kläger sei nicht von einer Gefahr betroffen worden, die auch bei der bloßen Zurücklegung des Weges hätte wirksam werden können. Vielmehr habe er erst durch seine Hilfeleistung die Kausalkette in Bewegung gesetzt, die das schädigende Ereignis möglich gemacht habe. Er sei einem zusätzlich von ihm übernommenen Risiko erlegen. Dabei habe es sich um einen seinem privaten Lebensbereich angehörenden Höflichkeitsdienst gehandelt, der von der gesetzlichen Unfallversicherung nicht erfaßt werde. Eine Erstreckung des Versicherungsschutzes auf geringfügige Unterbrechung der versicherten Tätigkeit sei nur zu bejahen, solange der Versicherte während dieser Unterbrechung keine gegenüber der normalen Zurücklegung des Weges zusätzliche Risiken übernehme, also weiterhin nur Gefahren ausgesetzt sei, denen er auch ohne eine private Tätigkeit auf dem geschützten Weg unterlegen hätte. Im Berufungsverfahren hat das Landessozialgericht (LSG) Berlin von dem Facharzt für Chirurgie Dr. Z in B ein Gutachten vom 20. Dezember 1971 über die gesundheitlichen Folgen des Ereignisses vom 1. August 1968 und die dadurch bedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) eingeholt. Der Sachverständige hat ausgeführt, der Kläger habe als Folge des Ereignisses vom 1. August 1968 eine daumenkuppengroße Eindellung im vorderen Anteil der Deckplatte des 5. Lendenwirbelkörpers sowie eine Frakturierung der vorderen oberen Kante dieses Wirbelkörpers erlitten. Er hat die dadurch bedingte MdE bis Ende Februar 1969 auf 100 v. H., bis Ende März 1969 auf 50 v. H., bis Ende Juni 1969 auf 30 v. H., bis Mitte August 1969 auf 20 v. H. und danach auf 10 v. H. geschätzt. Das LSG hat die Beklagte daraufhin verurteilt, dem Kläger vom 4. bis 22. Januar 1969 und vom 4. bis 23. Februar 1969 die Vollrente sowie vom 17. Juli bis 12. August 1969 eine Teilrente von 20 v. H. der Vollrente zu gewähren (Urteil vom 2. Mai 1972). Zur Begründung hat es ausgeführt: Da der Kläger am 2. August 1968 bei Dr. E vorgesprochen und diesem erklärt habe, beim Hochheben des einer Passantin gehörenden Kinderwagens in den Autobus einen Knacks im Rücken verspürt zu haben, habe der Senat keine Bedenken, den vom Kläger in der Klageschrift geschilderten Unfallhergang als erwiesen anzusehen. Unbeachtlich sei, daß weder der Kläger am 2. August 1969 gegenüber Dr. E noch der Bevollmächtigte des Klägers im Schriftsatz vom 13. August 1968 eine ausführliche Schilderung des Unfallhergangs abgegeben hätten. Beide hätten darauf hingewiesen, daß sich der Unfall auf dem nach § 555 RVO geschützten Weg ereignet habe, als der Kläger einer in einen Autobus einsteigenden Passantin aus Höflichkeit beim Hochheben eines Kinderwagens behilflich gewesen sei. Entgegen der Auffassung der Beklagten handele es sich somit bei der Schilderung in der Klageschrift nicht um eine neue Version des Unfallhergangs.
Durch das Gutachten des Dr. Z sei erwiesen, daß es bei dem Unfallereignis am 1. August 1968 zu einer Eindellung der Deckplatte sowie zu einer Fraktur der vorderen oberen Kanten des 5. Lendenwirbelkörpers gekommen sei. Damit scheide auch die Annahme aus, daß das Ereignis vom 1. August 1968 die bloße Gelegenheitsursache für die Schädigung der Wirbelsäule gewesen sei.
Der Kläger habe mit seiner Handlung auch weder den unfallversicherungsrechtlich geschützten Weg unterbrochen, noch sich von ihm gelöst. Zwar entfalle der Versicherungsschutz der §§ 550 und 555 RVO, wenn ein Beschäftigter auf dem Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit einer zusätzlichen Gefahr erliege, welcher er sich freiwillig ausgesetzt habe und die seinem privaten Lebensbereich zuzurechnen sei. Der zur Begründung des Versicherungsschutzes bei einem Wegeunfall erforderliche Zusammenhang mit dem Zurücklegen des Weges nach oder von dem Ort der Tätigkeit sei aber nur dann nicht mehr vorhanden, wenn der Versicherte sich auf diesem Weg dermaßen sorglos oder unvernünftig verhalte, daß nicht mehr der Weg, sondern dieses Verhalten als rechtlich wesentliche Ursache für einen auf diesem Weg eingetretenen Unfall anzusehen sei. Ein solches Verhalten stelle die Hilfe beim Hineinheben eines Kinderwagens in einen Autobus nicht dar.
Die Hilfeleistung des Klägers am 1. August 1968 sei auch keine eigenwirtschaftliche Handlung gewesen. Eine eigenwirtschaftliche Handlung liege regelmäßig nur dann vor, wenn auf den Entschluß und das Verhalten des Versicherten die Verfolgung persönlicher Interessen sich derart ausgewirkt hätten, daß die Beziehung der Tätigkeit zu dem den Versicherungsschutz begründenden Unternehmen bei der Bewertung der Unfallursache als unerheblich ausgeschieden werden müsse Nur solche eindeutig auf eigenwirtschaftliche oder betriebsfremde Zwecke gerichtete Tätigkeiten seien ohne Rücksicht auf die Dauer dem Unternehmen nicht zuzurechnen. Höflichkeitsakten lägen grundsätzlich keine eigenwirtschaftlichen, persönlichen Interessen zugrunde.
Hinsichtlich der Höhe der dem Kläger zu gewährenden Verletztenrente hat sich das LSG auf das Gutachten des Dr. Z gestützt.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Die Beklagte hat dieses Rechtsmittel eingelegt und wie folgt begründet: Der behauptete Unfallhergang sei nicht nachgewiesen. Es gebe niemand, der den Vorfall, auf den die Verletzung zurückgeführt werde, bezeugen könne. Die Frau, der der Kläger geholfen haben wolle, sei unbekannt geblieben; andere Augenzeugen seien nicht vorhanden. Die Schilderungen des Klägers gegenüber Dr. E berechtigten nicht dazu, den Unfallhergang als erwiesen anzusehen. Es sei entgegen der Auffassung des LSG auch nicht unbeachtlich, daß weder der Kläger bei seiner Vorsprache beim Arzt am 2. August 1968 noch sein Prozeßbevollmächtigter im Schriftsatz vom 13. August 1969 eine ausführliche Schilderung des Unfallhergangs gegeben hätten. Insoweit könne den vom LSG gezogenen Schlußfolgerungen nicht gefolgt werden. Das Hineinheben eines Kinderwagens in einen Autobus sei zwar kein dermaßen sorgloses und unvernünftiges Verhalten, daß es zum Versagen des Unfallversicherungsschutzes wegen selbstgeschaffener Gefahr führe. Andererseits könne dem LSG aber nicht darin gefolgt werden, daß einem Höflichkeitsakt grundsätzlich keine eigenwirtschaftlichen privaten Interessen zugrunde lägen. Einer Handlungsweise werde nicht dadurch der private Charakter genommen, daß ihr Nutznießer - wie hier - eine andere Person sei. Fest stehe, daß die Hilfeleistung des Klägers nicht im Betriebsinteresse gelegen habe. Auch die rein zeitliche Kongruenz mit einem nach § 555 RVO geschützten Weg genüge nicht, um einen ursächlichen Zusammenhang mit dem versicherten Weg anzunehmen. Eine den Versicherungsschutz nicht berührende geringfügige Unterbrechung des versicherten Weges durch Hinwendung zu einer privaten Verrichtung liege nur dann vor, wenn dabei die unternehmensbezogenen Umstände nicht als irrelevant in den Hintergrund träten und keine neue dem bis dahin zurückgelegten Weg nicht eigentümliche Gefahrenlage heraufbeschworen worden sei. Das Ereignis vom 1. August 1968 sei zudem kein Unfall gewesen. Der Kläger habe die Beschwerden anläßlich einer im Rahmen des Alltäglichen liegenden Kraftanstrengung verspürt. Die Wirbelkörper gesunder Personen würden durch Handreichungen der hier vorliegenden Art nicht geschädigt werden. Die Hilfeleistung des Klägers sei nur die Gelegenheitsursache für das Bemerkbarwerden der anlagebedingten Veränderungen der Wirbelsäule gewesen. Gehe man jedoch von einem Unfallereignis aus, werde man allerdings zu den von Dr. Z gezogenen Schlußfolgerungen kommen müssen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 2. Mai 1972 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 16. Juni 1970 zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er trägt vor, daß die Beklagte bereits im angefochtenen Bescheid von seiner Darstellung des Unfallereignisses ausgegangen sei. Diese habe auch das SG seiner Entscheidung zugrunde gelegt, ohne daß die Beklagte dies im Berufungsverfahren gerügt habe. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei seine Hilfeleistung keine eigenwirtschaftliche Tätigkeit gewesen, denn er habe mit ihr keine persönlichen Interessen verfolgt. Er habe sich auch keiner zusätzlichen Gefahr ausgesetzt und etwa dadurch den Versicherungsschutz verloren. Ein Unfallereignis könne von der Beklagten nicht deshalb verneint werden, weil das Hineinheben des Kinderwagens in einen Autobus im Rahmen des Alltäglichen gelegen habe. Für ihn habe diese Tätigkeit jedenfalls körperlich schädigende Folgen gehabt. Irgendwelche Krankheitserscheinungen seien vor dem Unfall an seiner Wirbelsäule nicht vorhanden gewesen.
II
Der Senat hat im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden (§ 124 Abs. 2 SGG).
Die Revision der Beklagten ist nicht begründet.
Im Ergebnis zutreffend hat das LSG einen Entschädigungsanspruch des Klägers bejaht. Als Folge eines Arbeitsunfalls gilt nach § 555 RVO auch ein Unfall, den der Verletzte u. a. auf einem zu der Heilbehandlung notwendigen Weg erleidet. Der Rückweg von der Heilbehandlung ist versicherungsrechtlich ebenso zu beurteilen (vgl. Podzun, Der Unfallsachbearbeiter 3. Aufl., Kennzahl 090 S. 1).
Nach den Feststellungen des LSG hat der Kläger am 1. August 1968 auf dem Weg von der berufsgenossenschaftlichen Heilbehandlung wegen eines früheren Arbeitsunfalls nach Hause einer mit ihm an einer Autobushaltestelle wartenden Passantin geholfen, deren Kinderwagen in den Autobus zu heben, wobei er auf etwas Glattes getreten und ausgerutscht ist. Da ihm der Kinderwagen aus den Händen zu gleiten drohte, hat er nachgefaßt und bei dieser Bewegung einen stechenden Schmerz im Rücken verspürt.
Die von der Beklagten gegen diese Feststellungen erhobenen Revisionsrügen sind nicht begründet. Es ist zwar zutreffend, daß in den Aufzeichnungen des Dr. E vom 2. August 1968 und in dem im Verwaltungsverfahren eingereichten Schriftsatz des Prozeßbevollmächtigten des Klägers vom 13. August 1969 - gemessen am Vorbringen in der Klageschrift - keine "ausführliche" Schilderung des Unfallherganges enthalten ist. Auch ist es ferner richtig, daß weder die Passantin bekannt ist, der der Kläger beim Hineinheben des Kinderwagens geholfen hat, noch andere Personen den Hergang bezeugen können. Dessen ungeachtet war aber das LSG gehalten zu entscheiden, welchen Sachverhalt es seiner rechtlichen Beurteilung zugrundezulegen hat. Bei Berücksichtigung des Gesamtergebnisses des Verfahrens durfte das LSG neben den Aufzeichnungen des Dr. E und den Ausführungen des Prozeßbevollmächtigten des Klägers im Verwaltungsverfahren auch dessen Vorbringen in der Klageschrift verwerten, wenn es ihm glaubhaft erschien (BSG SozR Nr. 56 zu § 128 SGG). Allein der Umstand, daß das Vorbringen in der Klageschrift das Ereignis vom 1. August 1968 mehr ins einzelne gehend schildert, vermag keine wirksamen Revisionsrügen zu begründen. Die Revision macht selbst nicht geltend, daß das LSG bei seiner Überzeugungsbildung die Grenzen seines Rechts auf freie Beweiswürdigung überschritten oder den Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt hat. Der Senat hat daher bei seiner weiteren rechtlichen Prüfung gemäß § 163 SGG von den im angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen hinsichtlich des vom Kläger für seinen Körperschaden angeschuldigten Ereignisses auszugehen.
Das Hineinheben des Kinderwagens in den Autobus durch den Kläger hat zu keinem Ausschluß des auf dem Wege von der berufsgenossenschaftlichen Heilbehandlung nach Hause bestehenden Versicherungsschutzes geführt. Der Senat kann dabei unentschieden lassen, ob dies schon deshalb der Fall ist, weil, wie das LSG meint, die verrichtete Tätigkeit keine dem unversicherten privaten Lebensbereich des Klägers zuzurechnende Verrichtung war. Denn auch im Falle der Annahme einer privaten Verrichtung hat der Versicherungsschutz fortbestanden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats entfällt der Versicherungsschutz nicht, wenn eine private Besorgung hinsichtlich ihrer zeitlichen Dauer und der Art ihrer Erledigung als so geringfügig anzusehen ist, daß sie rechtlich nicht ins Gewicht fällt und somit keine erhebliche Unterbrechung des an sich versicherten Weges bedeutet (BSG 20, 219, 221; 22, 7, 9; SozR Nrn. 5 und 28 zu § 543 RVO aF; BG 1965, 196; Breithaupt 1969, 478; Der Betrieb 1969, 2283; Urteile vom 31. März 1965 - 2 RU 167/63; vom 26. Mai 1966 - 2 RU 245/63; vom 28. April 1967 - 2 RU 82/64; vgl. auch Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 7. Aufl. S. 486 v). Danach sind dem Zurücklegen des Weges solche - einer privaten Verrichtung dienenden - Unterbrechungen noch zuzurechnen, die üblicherweise zeitlich und örtlich noch als Teil des Weges in seiner Gesamtheit anzusehen sind (SozR Nr. 28 zu § 543 RVO aF). Die Rechtsprechung versteht hierunter aber nur kurze und belanglose Unterbrechungen, bei denen der Versicherte gewissermaßen auf seinem Weg in Bewegung bleibt und nur nebenher andersartig tätig wird (BG 1965, 196). Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung, von der abzuweichen kein Anlaß besteht, ist das nur wenige Augenblicke dauernde Hineinheben eines Kinderwagens durch den an einer Autobushaltestelle wartenden Kläger eine rechtlich nicht ins Gewicht fallende und daher den Versicherungsschutz nicht ausschließende Unterbrechung des Weges von der berufsgenossenschaftlichen Heilbehandlung nach Hause gewesen. Der Senat teilt nicht die schon vom SG und auch von der Revision vertretene Auffassung, daß eine den Versicherungsschutz unberührt lassende geringfügige Unterbrechung nur in Betracht komme, wenn der Versicherte während der Unterbrechung keine neue, dem bis dahin zurückgelegten Weg nicht eigentümliche Gefahrenlage heraufbeschworen habe. Die in diesem Zusammenhang vom SG zitierte Entscheidung des erkennenden Senats vom 27. Juni 1969 (BSG 30, 14) betrifft keinen Fall einer geringfügigen Unterbrechung und ist stark durch die Besonderheiten des zugrunde liegenden Sachverhalts geprägt. Bei einer geringfügigen Unterbrechung kann der Versicherungsschutz allerdings dann ausgeschlossen sein, wenn ausnahmsweise die besonderen Voraussetzungen der sogenannten "selbstgeschaffenen Gefahr" erfüllt sind (Brackmann aaO S. 486 w). Wie die Revision zutreffend selbst vorträgt, ist das hier jedoch nicht der Fall.
Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG hat der Kläger beim Hineinheben des Kinderwagens einen Unfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung erlitten, worunter ein körperlich schädigendes von außen auf den Menschen einwirkendes zeitlich begrenztes Ereignis zu verstehen ist (Brackmann aaO S. 479 ff). Mit zutreffenden Gründen hat das LSG dargelegt, daß nach dem Gutachten des Dr. Z die Wirbelsäule des Klägers keine krankhaften Veränderungen aufwies und die gesundheitlichen Schäden im Bereich des 5. Lendenwirbelkörpers nicht aus innerer Ursache entstanden, sondern durch das Hineinheben des Kinderwagens in den Autobus verursacht worden sind. D a in naturwissenschaftlich-philosophischem Sinn neben dem Hineinheben des Kinderwagens und dem Ausrutschen bei dieser Verrichtung andere Bedingungen, die die Schäden an der Lendenwirbelsäule des Klägers mit verursacht haben könnten, nicht festgestellt worden sind, kann auch nicht in Betracht gezogen werden, daß das Hineinheben des Kinderwagens eine nur unwesentliche Bedingung und damit - wie die Beklagte meint - nur eine sog. Gelegenheitsursache für den Eintritt des Wirbelsäulenschadens gewesen ist. Unerheblich ist, daß nach Meinung der Beklagten die Wirbelkörper gesunder Personen durch Handreichungen dieser Art nicht geschädigt werden würden. Maßgebend ist allein, welche Folgen der Unfall gerade bei dem betroffenen Menschen infolge der Eigenart seiner Persönlichkeit gehabt hat (BSG 11, 50, 54).
Da das LSG die übrigen Anspruchsvoraussetzungen für die zeitlich begrenzte Verletztenrente ebenfalls zutreffend festgestellt hat, mußte die Revision der Beklagten gemäß § 170 Abs. 1 SGG als unbegründet zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen